Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.04.2014


BPatG 17.04.2014 - 30 W (pat) 32/12

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "LIQUIDROM" – Verpachtung von Räumlichkeiten nebst Geschäftsbetrieb unter einer bestimmten Bezeichnung - der aus der Benutzung der Bezeichnung resultierende Besitzstand an dieser Bezeichnung wächst dem Verpächter zu - auch gegenüber einem räumlich beschränkten Besitzstand kann sich die Anmeldung einer bundesweit geltenden Marke als bösgläubig darstellen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
17.04.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 32/12
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2014:170414B30Wpat32.12.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 15. Oktober 2015, Az: I ZB 44/14, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

LIQUIDROM

1. Werden Räumlichkeiten nebst einem darin eingerichteten Geschäftsbetrieb (hier: Badebetrieb) unter einer bestimmten Bezeichnung (hier: „LIQUIDROM“) verpachtet, so wächst der aus der Benutzung der Bezeichnung resultierende Besitzstand an dieser Bezeichnung nicht dem Pächter, sondern dem Verpächter zu (im Anschluss an BGH GRUR 1959, 87 - Fischl).

2. Auch gegenüber einem räumlich (hier: auf das Gebiet von Berlin) beschränkten Besitzstand kann sich die Anmeldung einer bundesweit geltenden Marke als bösgläubig darstellen.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 21 552

(hier: Löschungsverfahren S 343/08)

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die am 31. März 2006 angemeldete Marke

2

LIQUIDROM

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ist am 26. September 2006 für die Antragsgegnerin unter der Nummer 306 21 552 für die Dienstleistungen

4

 „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; Betrieb von öffentlichen Bädern für Zwecke der Körperhygiene einschließlich Saunabetrieb“

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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden.

6

Der Antragsteller hat am 31. Oktober 2008 die Löschung der Marke beantragt, weil sie bösgläubig angemeldet worden sei. Dem am 17. November 2008 zugestellten Löschungsantrag hat die Antragsgegnerin am 7. Januar 2009 widersprochen.

7

Außerdem hat der Antragsteller gegen die am 27. Oktober 2006 veröffentlichte Eintragung dieser Marke am 18. Januar 2007 Widerspruch erhoben aus der Marke 396 33 799

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LIQUIDROM

9

die seit dem 5. Dezember 1996 für folgende Dienstleistungen eingetragenen ist:

10

„Musikdarbietungen, Konzertbetrieb; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen im Zusammenhang mit den vorstehenden Dienstleistungen, Zirkusdarbietungen; Betrieb von öffentlichen Bädern, einschließlich Saunabetrieb, letzteres auch in Verbindung mit der Darbietung von Musikveranstaltungen; Beherbergung und Verpflegung von Gästen“.

11

Als Inhaberin dieser Marke war ursprünglich die „T… GmbH“ im Register eingetragen; die Umschreibung auf die „S…“ ist am 17. Oktober 2006 antragsgemäß verfügt worden.

12

Die Antragsgegnerin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Das Widerspruchsverfahren wird derzeit nicht betrieben.

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Hintergrund des vorliegenden Löschungsverfahrens ist folgender Sachverhalt:

14

Die „S…“ war aufgrund eines Erbbaurechtsvertrags mit dem Land Berlin Erbbauberechtigte des Veranstaltungsgebäudes namens „T… …“ auf dem Erbbaugrundstück in der M…straße 1-25 in Berlin. Die Be- triebe des Gebäudes (Gastronomie; kulturelle Veranstaltungen; Badebetrieb) wurden von der „S…“ verpachtet; Pächterin der mit „Liquidrom“ bezeichneten Pachträume mit den Einrichtungen „Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound“ war die „T… mbH“, deren Geschäftsführer die Antragsgegnerin und ihr Ehemann waren.

15

In dem zwischen der „…“ und der „… … mbH“ abgeschlossenen, auszugsweise vorgelegten Pachtvertrag vom 1. Oktober 2001 (Anlage AST 3) ist unter Anderem Folgendes geregelt:

16

„…

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Vorwort

18

Der Verpächter ist Erbbauberechtigter des Veranstaltungsgebäudes (Gebäude) auf dem Erbaugrundstück (Grundstück) in der M… straße 1 - 25 in 10963 Berlin… Die Bauarbeiten zur Errichtung des Gebäudes werden bis Ende diesen Jahres 2001 im Wesentlichen abgeschlossen sein…Aufgabe des Verpächters, des Pächters, der weiteren vorbenannten Betreibergesellschaften…ist es, ein vielfältiges und nachhaltiges kulturelles Programm anzubieten und die Einrichtung „Tempodrom“ langfristig wirtschaftlich zu sichern sowie die Kulturarbeit nachhaltig zu unterstützen. Der Pächter erkennt dieses Ziel an. Er verpflichtet sich, dieses Ziel im Rahmen der Durchführung dieses Pachtvertrages zu beachten und alles Erforderliche zu seiner Erreichung zu tun.

19

Die Parteien haben bereits unter dem 06.09.2000 einen Vorvertrag und unter dem 19.06.2001 einen Pachtvertrag nebst Anlagen abgeschlossen. Mit Abschluss dieses Vertrages sollen die bisherigen vorbenannten Verträge aufgehoben und neugefasst sowie aktualisiert werden. Dieser Vertrag tritt an die Stelle der vorbenannten Verträge.

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§ 1 Pachtgegenstand, Pachträume

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1. Der Verpächter überträgt dem Pächter das Recht, die in den als Anlage 2 beigefügten Grundrissplänen orange gekennzeichneten Räume und Flächen im folgenden als „Liquidrom" oder „Pachträume" bezeichnet - mit allen Einrichtungen (Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound) inklusive der dortigen Gastronomie zu betreiben.

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23

2. Der Pächter und der Verpächter verpflichten sich, das im Vorwort benannte Ziel, ein vielfältiges und nachhaltiges kulturelles Programm im Gebäude anzubieten und die Einrichtung „Tempodrom“ langfristig wirtschaftlich zu sichern … im Rahmen der Durchführung dieses Pachtvertrages zu beachten und alles Erforderliche zu seiner Erreichung zu tun.

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4. Die Parteien haben sich auf Ausstattung und Gestaltung der Pachträume und Tresen abschließend geeinigt. Die vom Verpächter auf eigene Kosten zu erbringenden Leistungen für Ausstattung, Gestaltung und Einrichtungen der Pachträume sind in der Baubeschreibung vom 27.09.2001 - Anlage 3 - unter der Ziffer 2.0 (bauseitige Leistungen) abschließend aufgeführt. Weitergehende Leistungen für Ausstattung, Gestaltung und Einrichtung der Pachträume sind vom Verpächter nicht geschuldet.

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27

§ 9 Betriebspflicht, Umsatzsteuer

28

1. Der Pächter ist berechtigt und verpflichtet, den Pachtgegenstand im Rahmen der behördlich genehmigten und mit diesem Vertrag vereinbarten Nutzung während der gesamten Pachtzeit entsprechend seiner Zweckbestimmung zu nutzen und zu betreiben. Er ist verpflichtet, den Betrieb des Liquidroms gemäß § 1 während der Vertragslaufzeit ständig in vollem Umfang aufrechtzuerhalten und ganzjährig durchzuführen.

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30

§ 17 Baukostenzuschuss

31

1. Der Pächter zahlt an den Verpächter für den Innenausbau des Liquidroms einen Baukostenzuschuss in Höhe von … DM zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer…

32

3. Der Baukostenzuschuss ist unverzinslich. Der Baukostenzuschuss ist nicht zurückzuzahlen, soweit in dieser Vereinbarung nichts anderes bestimmt ist. Wird dieser Pachtvertrag vor Ablauf seiner Regellaufzeit gem. § 2 Ziffer 1 Satz 1 beendet, so hat der Pächter keinen Anspruch auf zeitanteilige Rückzahlung des Baukostenzuschusses, es sei denn der Verpächter hat die vorzeitige Vertragsbeendigung zu vertreten.

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4. Der Baukostenzuschuss ist zweckgebunden für den Innenausbau der Pachträume zu leisten. Die baulichen Maßnahmen für den Innenausbau Liquidrom werden vom Verpächter in Abstimmung mit dem Pächter beauftragt. Die baulichen Maßnahmen und die sonstige Ausstattung der Pachträume sind abschließend in der Baubeschreibung vom 27.09.2001 – Anlage 3 aufgeführt. Insoweit gilt § 1 Ziffer 4. Sollten auf Wunsch des Pächters zusätzliche Investitionen im Liquidrom erforderlich sein, werden die daraus resultierenden Kosten vom Pächter getragen.5. Der Pächter trägt ferner die Kosten für Einrichtungen des Liquidroms, die für den besonderen Betrieb des Pächters erforderlich sind, insbesondere mobile Einrichtungen, Küchenausstattung und Treseneinrichtung.

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36

§ 21 Veranstaltung der Kunst und Kultur im Tempodrom gemeinnützige GmbH

37

1. Der Verpächter hat das Recht, im Liquidrom entsprechend dem Stiftungszweck des Verpächters kulturelle Veranstaltungen von der Kunst und Kultur im Tempodrom gemeinnützige GmbH durchführen zu lassen. Die Veranstaltungen sollen in den späten Abendstunden stattfinden und der tägliche Betrieb des Liquidroms soll hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Der Pächter wird den Verpächter über die Veranstaltungsplanung rechtzeitig und fortlaufend in Kenntnis setzen und die Abläufe abstimmen. Pächter und Verpächter werden sich rechtzeitig vor Betriebsbeginn über Umfang, Qualität, Durchführung und Kosten von Veranstaltungen verständigen. Der Pächter stellt die Räumlichkeiten im geplanten und abgestimmten Umfang zur Verfügung.…

38

§ 22 Marketing und Werbung

39

1. Der Verpächter wird das Liquidrom bei allen Maßnahmen für Werbung und Marketing des Gebäudes als Teil des Gebäudes benennen und Konzept und Möglichkeiten des Liquidroms darstellen. Alle weiteren Maßnahmen im Bereich Werbung, Marketing und Kundenaquise für den Betrieb des Liquidroms sind Sache des Pächters…

40

§ 24 Pflichten bei Beendigung des Pachtvertrages

41

1. Der Pächter ist verpflichtet, den Pachtgegenstand nach Beendigung des Pachtverhältnisses vollständig geräumt und in fachgerecht renoviertem Zustand zurückzugeben.

42

43

3. Die vom Verpächter zur Einrichtung der Pachträume gestellten Inventargegenstände (Erstausstattung), insbesondere die in Ziffer 2.0 der Baubeschreibung vom 27.09.2001 - Anlage 3 - aufgeführten Einbauten, Ausstattungsgegenstände und Einrichtungen, bleiben Eigentum des Verpächters.

44

4. Endet das Pachtverhältnis durch fristlose Kündigung des Verpächters, so haftet der Pächter auch für den Schaden, den der Verpächter dadurch erleidet, dass der Pachtgegenstand nach Räumung und Rückgabe durch den Pächter leer steht oder billiger verpachtet/vermietet werden muss (Pachtausfallschaden). Wird bei Beendigung des Pachtverhältnisses die Räumung und Rückgabe des Pachtgegenstandes verzögert, so haftet der Pächter dem Verpächter für alle Schäden aus der Verzögerung der Räumung und Rückgabe…

45

§ 26 Übertragung des Pachtverhältnisses

46

1. Der Verpächter ist berechtigt, das Pachtverhältnis mit allen Rechten und Pflichten aus diesem Vertrag auf einen anderen Verpächter zu übertragen, wenn dieser mit allen Rechten und Pflichten für den Verpächter aus diesem Vertrag in das Pachtverhältnis eintritt…“.

47

Das als „Liquidrom“ bezeichnete Bad öffnete im Mai 2002. Darin war, wie in § 1 Nr. 1 des Pachtvertrags genannt, „Liquid Sound“ installiert, ein von Herrn M1… R… erfundenes Unterwasser-Klang-Licht-Multimedia-System, ein Verfahren zur Unterwasserbeschallung von Schwimmbädern mit Musik in Verbindung mit Lichteffekten, das auch in Thermen einer GmbH, deren Geschäftsführerin die Antragsgegnerin ist, in Bad Sulza und Bad Schandau eingerichtet ist (vgl. Anlage W 7). Herr R… ist Inhaber der 1994 angemeldeten Marke 2 092 627 LIQUID SOUND, eingetragen 1995 für die Waren und Dienstleistungen „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, CDs; Beleuchtungsanlagen, Wasserleitungsgeräte, sanitäre Anlagen; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Durchführung von Konzerten, Kur- und Kulturveranstaltungen“ (Anlage W 1).

48

2004 fielen Pächterin und Verpächterin in die Insolvenz. Die Pächterin stellte die Pachtzinszahlungen ein. Im Mai 2005 wurde das Pachtverhältnis beendet.

49

Nach Beendigung erfolgte im August 2005 für die Wiedereröffnung eine Ausschreibung für das „Liquidrom“; die „T1… GmbH i. Gr.“, vertreten durch die Antragsgegnerin als Geschäftsführerin, bewarb sich erfolglos um den Pachtvertrag. Am 31. März 2006 hat die Antragsgegnerin die Streitmarke 306 21 552 LIQUIDROM angemeldet. Das „Liquidrom“ eröffnete am 12. Dezember 2007 wieder und wird seitdem von der „L… GmbH & Co.KG“ betrieben (Anlage AST 5).

50

Zur Begründung des Löschungsantrags hat der Antragsteller im Wesentlichen ausgeführt: Die Streitmarke sei von der Antragsgegnerin bösgläubig angemeldet worden. Als Geschäftsführerin der (ehemaligen) Pächterin und deren Liquidatorin im Anmeldezeitpunkt habe die Antragsgegnerin die Anmeldung der Streitmarke in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes an der identischen Marke 396 33 799 LIQUIDROM ohne zureichenden Grund für im Wesentlichen identische Dienstleistungen angemeldet, um den durch mehrjährige Benutzung erworbenen Besitzstand des ehemaligen Vertragspartners zu stören und den Gebrauch des Zeichens zu sperren. Diese Absicht zeige sich auch darin, dass die Antragsgegnerin in dem anhängigen Widerspruchsverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke 396 33 799 LIQUIDROM bestreite, obwohl sie als Geschäftsführerin der Pächterin diese Marke benutzt habe. Da eine Benutzung der Streitmarke durch die Antragsgegnerin nicht feststellbar sei, handele es sich um eine Hinterhalts- und Spekulationsmarke, die allein mit dem Ziel der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung markenrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte angemeldet worden sei.

51

Die Antragsgegnerin hat eine Bösgläubigkeit in Abrede gestellt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Eine Besitzstandsstörung habe schon deshalb nicht vorgelegen, weil die „S…“ im Anmeldezeitpunkt keinen Besitzstand an der Marke 396 33 799 LIQUIDROM gehabt habe; die Umschreibung von der eingetragenen, wegen Insolvenz 2006 aufgelösten „T… … GmbH“ auf die „Stiftung Neues Tempodrom“ sei verfahrensfehlerhaft erfolgt. Außerdem sei die Marke wegen Insolvenz und Nichtbenutzung löschungsreif gewesen. Insbesondere aber habe sie, die Antragsgegnerin, ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Eintragung der Streitmarke im Hinblick auf den Betrieb des „Liquidrom“ gehabt. Ihre Marke sei eine Fortschreibung der Markenfamilie des Medienkünstlers R…, der das Unterwasser-Klang-Licht-Multimedia-System unter der 1994 angemeldeten Marke „Liquid Sound“ vertreibe. Er sei Schöpfer der Bezeichnung „Liquidrom“ für Wellness-Thermen, bei denen das „Liquid-Sound-Becken“ zum Einsatz komme. Nur mit R… Einverständnis habe das „Tempodrom“, betrieben in den 90er Jahren von der „T… GmbH“, den Wohlfühltempel mit dem „Liquid-Sound-Pool“ als „Liquidrom“ bezeichnen dürfen. Durch diese Genehmigung sei Herr R… nicht in seinen Rechten beschränkt worden, jegliche Wohlfühltempel, die mit einem „Liquid-Sound-Pool“ ausgestattet seien, als „Liquidrom“ zu bezeichnen bzw. bezeichnen zu lassen. Dies gelte insbesondere für sie, die Antragsgegnerin, da sie im Klinikzentrum Bad Sulza die Erfolgsgeschichte der „Liquid-Sound-Pools“ mit begründet habe. Zur Markenanmeldung LIQUIDROM habe sie von Herrn R… die Berechtigung erhalten. Die Störung eines behaupteten Besitzstands liege nicht vor, weil die „Stiftung Neues Tempodrom“ nicht Schöpfer der Markenbezeichnung LIQUIDROM sei. Eine Behinderungsabsicht sei zu verneinen.

52

Der Antragsteller ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass es um die Streitmarke LIQUIDROM und die Frage gehe, ob die Antragsgegnerin diese Marke bösgläubig angemeldet habe; andere erwähnte Marken würden für dieses Löschungsverfahren keine Rolle spielen. Auch auf den vermeintlichen Schöpfer der Bezeichnung komme es nicht an, für Wortmarken bestehe auch kein Urheberschutz. Aufgrund der Endsilbe „DROM“ ergebe sich aber die Zuordnung zum Berliner „Tempodrom“. Der Schutzwürdigkeit des Besitzstands stehe das Insolvenzverfahren nicht entgegen. Der Antragsgegnerin sei aufgrund der Verhandlungen im Insolvenzverfahren bekannt gewesen, dass die Kennzeichnung LIQUIDROM weiter benutzt werden sollte. Sie selbst habe sich am Ausschreibungsverfahren zur Wiedereröffnung des „Liquidrom“ beteiligt. Eine Genehmigung zur Bezeichnung eines Wohlfühltempels mit „Liquid-Sound-Pool“ zugunsten der „S… …“ oder Dritter werde bestritten.

53

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 26. April 2012 die Marke gelöscht und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der geplante Einsatz der Marke sei offenbar nicht zweckfremd. Aus der Gesamtabwägung aller Umstände ergebe sich indessen die Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin. Sie habe die als „Liquidrom“ bezeichneten Räume gepachtet, die Marke genutzt, sei bei einem neuen Pachtvertrag nicht zum Zuge gekommen und habe in der nicht verpachteten Zeit die Streitmarke angemeldet und im Widerspruchsverfahren die Nichtbenutzungseinrede erhoben, obwohl ihr bewusst sein müsse, dass der Benutzungsnachweis nur mit ihrer Hilfe geführt werden könne. Sie habe damit eine Situation geschaffen, in der sie aufgrund der früheren Vertragsbeziehungen zwischen den Beteiligten die ältere Marke und die Rechte des Antragstellers zu Fall bringen könne. Jedenfalls hätte sie ihre formale Rechtsposition redlicher Weise aufgeben müssen, als deutlich geworden sei, dass ihre Annahme des fehlenden Interesses an der älteren Marke nicht der Realität entsprochen habe. Der Vortrag zu Markenrechten aus von Herrn R… abgeleiteten Verbietungsrechten sei unbehelflich, weil zu berücksichtigende Rechtspositionen an der Bezeichnung „Liquidrom“ nicht bestünden.

54

Die Antragsgegnerin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält weiterhin einen schutzwürdigen Besitzstand des Antragstellers nicht für gegeben, weil er zur Zeit der Anmeldung der Streitmarke nicht Inhaber der Marke 396 33 799 LIQUIDROM gewesen und die spätere Umschreibung nicht wirksam erfolgt sei. Vielmehr liege der Besitzstand bei ihr, der Antragsgegnerin; sie habe für den Innenausbau des „Liquidrom“ einen Baukostenzuschuss in Höhe von … DM gezahlt. Schöpfer der Bezeichnung „Liquidrom“ sei R…, und zwar für eine Badewelt so- wie ein Solebad mit Unterwassermusik und mit speziellen Lichteffekten. Aufgrund der Gestaltung des „Liquidrom“ sei Herr R… Inhaber urheberrechtlicher Nutzungsrechte am „Liquidrom“ verbunden mit einem Titelschutz. Deshalb habe Herr R… sie berechtigen können, die Marke „Liquidrom“ zu nutzen und als Marke anzumelden. Auf einen Auszug aus dem von ihr und Frau B…, Ehefrau von Herrn R…, herausgegebenen Magazin „waterview“, Ausgabe XIV 2004 (Anlage W 7) werde verwiesen. Dort sei das „Liquid Sound“ im „Liquidrom“ in Berlin beschrieben. Diesen Kunstraum habe sie mit Herrn R… geschaffen und benannt. Der Antragsteller besitze keine Rechte an der Bezeichnung. Die „Stiftung Neues Tempodrom“ sei in Bezug auf die Rechte von Herrn R… nicht berechtigt, die Marke „Liquidrom“ zu benutzen. Das Pachtverhältnis habe sich auf die Räume und Einrichtungen des „Tempodroms“ bezogen. Nutzungsrechte an der Marke 396 33 799 seien nicht Gegenstand des Pachtvertrages. Der Antragsteller versuche, aus der Bereitstellung von Raum und Einrichtungen unberechtigt ein Markenrecht herzuleiten.

55

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2012 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

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Der Antragsteller beantragt,

58

die Beschwerde zurückzuweisen.

59

Der Antragsteller hält die Entscheidung der Markenabteilung für zutreffend. Er hat in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass zwischen den Bezeichnungen „Liquid Sound“ und „Liquidrom“ differenziert werden müsse. Die Marke 396 33 799 LIQUIDROM sei 1996 von der „T… GmbH“ angemeldet wor- den, weil diese Bezeichnung zum „Tempodrom“ gehören sollte. Aus dem Pachtvertrag ergebe sich die Bezeichnung der Pachträume mit „Liquidrom“. Die Rechte aus der Marke hätten der Landesbank zugestanden, die der „S… …“ als Verpächterin den Gebrauch genehmigt habe. Herr R… habe nur LIQUID SOUND als Marke angemeldet, nicht aber die Bezeichnung „Liquidrom“.

60

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

61

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist in der Sache nicht begründet. Die Streitmarke 306 21 552 LIQUIDROM ist entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG eingetragen worden. Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den zulässigen Antrag auf Löschung der Eintragung der Marke wegen Nichtigkeit deshalb zu Recht die Löschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG angeordnet und der Antragsgegnerin die Kosten des (patentamtlichen) Verfahrens auferlegt.

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1. Der Löschungsantrag ist zulässig. Der Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse kann von jeder Person gestellt werden (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Für die Antragslöschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG besteht keine Ausschlussfrist.

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2. Gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag gelöscht, wenn sie bösgläubig angemeldet worden ist. Bösgläubigkeit eines Anmelders i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG liegt vor, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist (BGH GRUR 2004, 510, 511 - S 100; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 670).

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a) Eine bösgläubige Markenanmeldung wegen Störung eines fremden Besitzstandes kommt in Betracht, wenn der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein anderer dieselbe oder eine ähnliche Marke für dieselben oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders bei der Gesamtabwägung aller Umstände als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen anmeldet mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren (vgl. EuGH GRUR 2009, 763, Nr. 46, 53 - Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 1998, 1034, 1036 - Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000; GRUR 2004, 510, 511 - S 100; GRUR 2009, 780, Nr. 13 - Ivadal; GRUR 2010, 1034, Nr. 13 - LIMES LOGISTIK; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 694 m. w. N.). Der Eingriff in einen eigenen Besitzstand des Antragstellers ist nicht Voraussetzung für die Begründetheit eines Löschungsantrags, entscheidend ist die Störung eines fremden Besitzstandes (vgl. EuGH GRUR 2009, 763 - Lindt&Sprüngli/Franz Hauswirth; BPatG GRUR 2010, 431, 434 - Flasche mit Grashalm).

65

Für die Beurteilung einer etwaigen Bösgläubigkeit kommt es vor allem darauf an, ob die Markenanmeldung bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs des Anmelders bezogen oder auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers gerichtet ist. Hierbei muss die Erschwerung der Benutzung der Marke durch den Dritten nicht der einzige Beweggrund für die Markenanmeldung sein; es reicht aus, wenn diese Absicht ein wesentliches Motiv darstellt (BGH GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000; GRUR 2008, 621, 624, Nr. 32 - AKADEMIKS; GRUR 2008, 917, 918, Nr. 23 - EROS; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 699). Daher ist die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht allein durch den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens des Anmelders ausgeschlossen; vielmehr ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. EuGH GRUR 2009, 763, Nr. 37 - Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000; GRUR 2008, 621, 624, Nr. 32 - AKADEMIKS; GRUR 2008, 917, 918, Nr. 23 - EROS; GRUR 2009, 780, Nr. 18 - Ivadal).

66

b) Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Löschung der verfahrensgegenständlichen Marke wegen Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin im Anmeldezeitpunkt gegeben. Zum Anmeldezeitpunkt der Streitmarke am 31. März 2006 bestand ein schutzwürdiger Besitzstand der „Stiftung Neues Tempodrom“ an der Kennzeichnung „Liquidrom“ für eine Einrichtung mit Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound nebst Kunst- und Kulturprogramm in Berlin.

67

aa) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich ein schutzwürdiger Besitzstand allerdings nicht schon daraus, dass 1996 für die „Tempodrom GmbH“ die Marke 396 33 799 LIQUIDROM - im Oktober 2006 umgeschrieben auf die „Stiftung Neues Tempodrom“ - für Dienstleistungen der Klassen 41 und 42 in das beim Deutschen Patent-und Markenamt geführte Register eingetragen worden ist. Allein eine ältere Eintragung im Register begründet noch nicht den für eine Löschung wegen bösgläubiger Markenanmeldung erforderlichen Besitzstand. Maßgeblich für einen schutzwürdigen fremden Besitzstand ist eine hinreichende Bekanntheit der Kennzeichnung (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 699). Das setzt voraus, dass der Vorbenutzer das betreffende Zeichen tatsächlich für seine geschäftliche Betätigung im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen, also als Marke benutzt und das Zeichen dadurch eine hinreichende Bekanntheit im Verkehr erlangt hat. Dass die ursprünglich eingetragene Markeninhaberin, die „Tempodrom GmbH“, oder die „Stiftung Neues Tempodrom“ (Verpächter) oder die „Toskana Betriebsgesellschaft mbH“ (Pächter) diese Marke benutzt haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere erwähnt der Pachtvertrag weder die Marke 396 33 799 LIQUIDROM der „T… GmbH“ noch Nutzungsrechte der „S…“ an dieser Marke oder etwa die Verpflichtung des Pächters zur Nutzung dieser Marke. Ein durch geschäftliche Betätigung entstandener markenmäßiger Besitzstand an der Marke 396 33 799 LIQUIDROM ist damit nicht dargetan.

68

Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob, wie die Antragsgegnerin meint, diese Marke im Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke löschungsreif oder die Umschreibung auf die „Stiftung Neues Tempodrom“ verfahrensfehlerhaft war. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass, wie unter das Zeugnis der Frau M… gestellt, Nutzungsrechte an dieser Marke nicht Gegenstand des Pachtvertrages sind. Dies trifft im Übrigen zu.

69

bb) Indessen bestand ein schutzwürdiger Besitzstand der „Stiftung Neues Tempodrom“ an der Bezeichnung „Liquidrom“ als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs im Sinn von § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Dies ergibt sich aus dem zwischen der „S…“ als Verpächter und der von der Antragsgegnerin als Geschäftsführerin vertretenen „T… … mbH“ als Pächter am 1. Oktober 2001 abgeschlossenen Pachtvertrag und dessen tatsächlicher Durchführung. Nach dem eindeutigen Inhalt des Vorwortes in Verbindung mit § 1 Nr. 1 des Pachtvertrages (Anlage AST 3) sind die im Veranstaltungsgebäude auf dem Grundstück in der M…straße in B… gelegenen Pachträume als „Liquidrom“ bezeich- net und dem Pächter ist das Recht übertragen, diese als „Liquidrom“ bezeichneten Pachträume mit allen Einrichtungen (Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound) inklusive der dortigen Gastronomie zu betreiben. § 9 verpflichtet den Pächter, „den Betrieb des Liquidroms gemäß § 1 während der Vertragslaufzeit ständig in vollem Umfang aufrechtzuerhalten und ganzjährig durchzuführen“. In § 22 des Pachtvertrages ist vereinbart, dass der Verpächter „das Liquidrom“ bei allen Maßnahmen für Werbung und Marketing des Gebäudes als Teil des Gebäudes benennen und Konzept und Möglichkeiten „des Liquidroms“ darstellen wird. Das Bad ist unter der Bezeichnung „Liquidrom“, wie in § 9 des Pachtvertrages vereinbart, auch ab Eröffnung im Mai 2002 bis nach den Insolvenzanträgen beider Vertragsparteien bis etwa Mitte 2004 und erneut ab 2007 betrieben worden (vgl. auch Ausdrucke aus „TAGESSPIEGEL“ und „Berliner Zeitung“ im Anlagenkonvolut AST 2; Anlagenkonvolut W 7).

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Für den Fall der Verpachtung eines mit einer Etablissementbezeichnung versehenen Erwerbsgeschäfts ist höchstrichterlich entschieden, dass bei Verpachtung die Rechte an der Etablissementbezeichnung aus § 16 UWG a. F. und § 12 BGB dem Verpächter „zuwachsen“ (vgl. BGH GRUR 1959, 87 - Fischl). Für die Frage, wem bei Verpachtung von namentlich bezeichneten Pachträumen zur betrieblichen Nutzung der wettbewerbliche Besitzstand an der betreffenden Bezeichnung zusteht, kann nichts Anderes gelten. Die „Stiftung Neues Tempodrom“ hat nicht nur Räume verpachtet, sondern - wie dem Pachtvertrag zu entnehmen - den auf dem Erbbaugrundstück von ihr errichteten Badbetrieb samt seiner gegebenen Bezeichnung. Davon, dass der Pächter etwa die am Betrieb hängende Bezeichnung auf ein von ihm andernorts betriebenes Bad übertragen oder sogar eine Marke anmelden kann, ist an keiner Stelle die Rede; vielmehr ist nach § 24 des Pachtvertrages bei Beendigung des Pachtverhältnisses der Pächter verpflichtet, den Pachtgegenstand - in § 1 bezeichnet mit „Liquidrom“ - zurückzugeben. Der Besitzstand an der Geschäftsbezeichnung „Liquidrom“ kommt demnach der „S… T…“ als Verpächterin zu. Insoweit verhält es sich anders als bei einer bloßen Vermietung von Geschäftsräumen an einen Gewerbetreibenden, bei der im Regelfall davon auszugehen ist, dass der Mieter die Rechte an der Bezeichnung des Geschäftsbetriebs und den Besitzstand daran erwirbt (vgl. hierzu LG Stuttgart GRUR-RR 2006, 333, 334 - Uhland-Apotheke).

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Diese Sichtweise steht zudem im Einklang mit dem Grundsatz, dass die Verpachtung eines Unternehmens dem Pächter lediglich ein Nutzungsrecht verschafft (§ 581 Abs. 1 Satz 1, §§ 99, 100 BGB), jedoch keine Übertragung des Geschäftsbetriebs nebst zugehöriger Marke im Sinn von § 27 Abs. 2 MarkenG darstellt, und auch aus dem Betrieb des Geschäfts während des Pachtverhältnisses nicht auf den Übergang des Geschäftsbetriebs nebst Marke geschlossen werden kann (vgl. BGH GRUR 2002, 967, 969 - Hotel Adlon; GRUR 2004, 868, 869 - Dorf Münsterland II).

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cc) An den geschilderten Besitzstandsverhältnissen ändert sich auch durch den nach § 17 des Pachtvertrages seitens der Pächterin zu leistenden und auch tatsächlich gezahlten Baukostenzuschuss in Höhe von … DM nichts. Ein derartiger Baukostenzuschuss stellt sich wirtschaftlich als besondere Leistungsform der Pachtzinszahlungspflicht dar. Im Übrigen konnte die Pächterin diesen Zuschuss zu einem erheblichen Teil, nämlich in Höhe von … €, durch Aufrechnung gegen ausstehende Pachtzahlungen wiederhereinholen (vgl. Urteil des LG Berlin vom 26.6.2007, Az. 32 O 237/05, vorgelegt als Anlage AST 4).

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dd) Der Schutz nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG und der hierauf beruhende Besitzstand der „S…“ bestand im Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke auch noch. Zwar ruhte der Badbetrieb im Zuge der Insolvenzen beider Vertragsparteien ab etwa Mitte 2004; jedoch ist der Geschäftsbetrieb in seinem für die Wiedereröffnung wesentlichen Bestand erhalten geblieben, und die Absicht des Antragstellers als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Verpächters, der „S…“, die- sen fortzusetzen, ist aus der im August 2005 erfolgten Ausschreibung für das „Liquidrom“ erkennbar geworden. Von einer endgültigen Aufgabe des Geschäftsbetriebs und einem Ende des Schutzes nach § 5 Abs. 2 MarkenG kann damit nicht ausgegangen werden. Die Unterbrechung erfolgte vielmehr vorübergehend, was unschädlich ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rdn. 69, 70). Die Wiedereröffnung des „Liquidrom“ erfolgte tatsächlich auch im Dezember 2007 mit der „L… GmbH & Co. KG“ als Betreiberin. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der durch die „Stiftung Neues Tempodrom“ als Verpächterin erworbene Besitzstand entfallen ist (vgl. BGH GRUR 2002, 967, 968 - Hotel Adlon; GRUR 1957, 25, 27 – Hausbücherei).

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ee) Dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke eine hinreichende Kenntnis von dem fremden schutzwürdigen Besitzstand an der Bezeichnung „Liquidrom“ hatte, steht zur Überzeugung des Senats fest.

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Bei der Kenntnis des fremden Besitzstandes handelt es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das in der Regel nur indirekt anhand objektiver Gegebenheiten festgestellt werden kann. An den Nachweis der Kenntnis des Anmelders von dem fremden Besitzstand sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Neben der positiven Kenntnis des Besitzstandes kann auch ein Kennenmüssen des Markenanmelders zur Bejahung von dessen Bösgläubigkeit ausreichen (vgl. EuGH GRUR 2009, 763, Nr. 38, 39 - Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 697 m. w. N.).

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Wie dem Vorwort des Pachtvertrages zu entnehmen, stand die Antragsgegnerin als Geschäftsführerin der „T… mbH“ mit der „Stiftung Neues Tempodrom“ seit Abschluss eines Vorvertrags im September 2000 in Verhandlungen zum Abschluss des Pachtvertrages über das „Liquidrom“. Die Antragsgegnerin hat als Geschäftsführerin der „T… … mbH“ den Pachtvertrag vom 1. Oktober 2001 unterzeichnet, der den Pachtgegenstand mit „Liquidrom“ benennt. Vom Verpächter sind - wie oben schon ausgeführt - nach dem Inhalt des Pachtvertrages demnach namentlich bezeichnete, als Badbetrieb vom Verpächter errichtete Räumlichkeiten zum Gebrauch überlassen worden. Mit der im August 2005 erfolgten Ausschreibung für das „Liquidrom“, an der sich die „T… GmbH i. Gr.“, vertreten durch die Antragsgegnerin als Mitgeschäftsführerin, beteiligt hat, wusste sie zudem, dass der Badbetrieb auf dem Grundstück in der M…straße in B… mit dem bisherigen Namen fortgeführt werden sollte. Die Antragsgegnerin konnte nicht darüber im Zweifel sein, dass die Bezeichnung „Liquidrom“ am Badbetrieb in der M…straße in B… haftete und weiter haften sollte.

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ff) Die Anmeldung der streitbefangenen Marke betraf zudem ein mit der vorbenutzten Geschäftsbezeichnung identisches Zeichen für identische bzw. ähnliche Dienstleistungen; hinsichtlich „Betrieb von öffentlichen Bädern für Zwecke der Körperhygiene einschließlich Saunabetrieb“ der Streitmarke ergibt sich dies aus den im Pachtvertrag für den Pachtgegenstand „Liquidrom“ genannten Einrichtungen „Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness“, für die die vorbenutzte Bezeichnung eingesetzt wurde. Bei den weiteren von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen (medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen) besteht jedenfalls Ähnlichkeit unter dem Gesichtspunkt sich ergänzender Dienstleistungen, zumal die Bezeichnung „Liquidrom“ auch den Bereich „Wellness“ betraf. Ähnlichkeit besteht ferner mit den Dienstleistungen „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“; denn im Vorwort sowie in § 21 des Pachtvertrages ist das Recht des Verpächters zur Durchführung von kulturellen Veranstaltungen und der entsprechend übernommenen Verpflichtung des Pächters zum Angebot eines vielfältigen und nachhaltigen kulturellen Programms im „Liquidrom“ geregelt. Wie dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Ausdruck aus dem Magazin „waterworld“ zu entnehmen, ist dies auch im „Liquidrom“ umgesetzt worden (vgl. Anlage W 7).

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gg) Die angegriffene Marke ist von der Antragsgegnerin auch mit dem Ziel einer Störung des fremden Besitzstandes angemeldet worden. Hierfür spricht bereits der zeitliche Zusammenhang der Markenanmeldung. Diese erfolgte am 31. März 2006, also bald nachdem klar geworden war, dass die Antragsgegnerin bzw. von dieser geführte Gesellschaften bei der anstehenden Neuverpachtung des „Liquidroms“ nicht zum Zuge kommen würde.

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Als Störung des Besitzstandes ist im Übrigen jeder ungerechtfertigte Eingriff in die Rechtsposition des Vorbenutzers anzusehen. Dazu genügt es, dass der Vorbenutzer der älteren Kennzeichnung gezwungen wäre, es hinzunehmen, dass identische und ähnliche Dienstleistungen in Deutschland mit der Marke „LIQUIDROM“ gekennzeichnet werden. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass in dem Angebot identisch gekennzeichneter Dienstleistungen eines anderen Anbieters auf demselben Markt eine massive Beeinträchtigung seines Besitzstandes liegen würde (vgl. BGH GRUR 510, 511f. - S 100; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 702). So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin ist Geschäftsführerin der in Bad Sulza und Bad Schandau betriebenen „Toskana-Thermen“, die mit dem „Liquid-Sound-System“ ausgestattet sind, und wie sie weiter vorgetragen hat, ist beabsichtigt, mit einem „Liquid-Sound-Pool“ ausgestattete Bäder unter der Bezeichnung „Liquidrom“ zu betreiben.

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hh) Allerdings ist die Geschäftsbezeichnung „Liquidrom“ nur in einem räumlich begrenzten Bereich, nämlich in Berlin, genutzt worden, wohingegen die Streitmarke Schutz in der ganzen Bundesrepublik genießt. Daraus folgt, dass der „Stiftung Neues Tempodrom“ kein Löschungsanspruch wegen älterer Rechte gegen die Streitmarke zusteht, denn dies würde nach § 12 MarkenG einen bundesweiten Unterlassungsanspruch voraussetzen. Ein solcher besteht bei einem - wie hier - räumlich beschränkten Recht nicht (vgl. BGH GRUR 2004, 790, 792 - Gegenabmahnung - für einen Diskothekenbetrieb; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 15 Rdn. 10). Dies schließt jedoch einen Löschungsanspruch aus absoluten Gründen unter dem Gesichtspunkt der bösgläubigen Anmeldung nicht aus. Denn für diesen Löschungsanspruch genügt der rechtlich geschützte, räumlich beschränkte Besitzstand gerade nicht; hinzukommen muss die Kenntnis oder zumindest das Kennenmüssen des Markenanmelders von diesem Besitzstand des Vorbenutzers und seine Absicht, diesen Besitzstand zu stören. Insoweit müssen auch räumlich beschränkte Besitzstände Schutz vor bösgläubigen Markenanmeldungen genießen. Andernfalls wäre derjenige, der einen rechtlich gänzlich ungeschützten Besitzstand erworben hat, besser gegen Bösgläubigkeit geschützt als derjenige, der zumindest ein räumlich beschränktes Schutzrecht erworben hat (so im Ergebnis auch BPatG, Beschl. v. 3.11.2009, 33 W (pat) 132/07 = GRUR-Prax 2009, 54; a. A. Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 699 a. E.; beiläufig auch BGH GRUR 2004, 790, 793 - Gegenabmahnung).

81

3. Die Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin ist auch nicht durch ein eigenes schützenswertes Interesse an der Eintragung der verfahrensgegenständlichen Marke ausgeschlossen. Soweit die Antragsgegnerin meint, aus Rechten von Herrn R… ein solches schützenswertes Interesse herleiten zu können, greift dies schon deshalb nicht durch, weil Herrn R… keinerlei Schutz- rechte mit älterem Zeitrang an der Bezeichnung „Liquidrom“ zukommen.

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a) Auf die Behauptung, dass Herr R… Schöpfer der Bezeichnung „Liquidrom“ sei, kommt es nicht an. Etwaige Urheberrechte des Herrn R… kommen insoweit nicht in Betracht. Denn anders als zum Beispiel ein Logo (vgl. BGH MarkenR 2011, 545 - KRYSTALLPALAST) ist ein einzelnes Wort - wie hier „Liquidrom“ - kein schutzfähiges Werk im Sinn von § 2 Abs. 1 UrhG. Für den urheberrechtlichen Schutz als Sprachwerk genügt dieses einzelne Wort den Anforderungen an Originalität und Schöpfungshöhe im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG nicht. Darauf, dass mit dem Wort gegebenenfalls ein urheberrechtsfähiges Werk geschützt wird, kommt es für einen urheberrechtlichen Schutz des Titels selbst nicht an (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 5 Rdn. 112).

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b) Auch auf Werktitelschutz des Herrn R… an der Bezeichnung „Liquidrom“ kann sich die Antragstellerin zur Begründung von dessen älterem Besitzstand nicht mit Erfolg berufen. Nach § 5 Abs. 3 MarkenG werden die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken als geschäftliche Bezeichnungen nach § 5 Abs. 1 MarkenG geschützt. Werke im kennzeichenrechtlichen Sinne sind dabei alle immateriellen Arbeitsergebnisse (geistigen Leistungen), die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind (vgl. BGH GRUR 2012, 1265, Nr. 13 - Stimmt’s - m. w. N.). Ob die von Herrn R… entwickelten und auch im „Liquidrom“ installierten „Unterwasser-Klang-Licht-Multimedia-Systeme“ in diesem Sinne ein titelschutzfähiges Werk darstellen, erscheint bereits zweifelhaft. Das bedarf indessen keiner näheren Aufklärung. Denn jedenfalls erfordert die Entstehung des Titelschutzes – Unterscheidungskraft vorausgesetzt - die Benutzung der betreffenden Bezeichnung als Werktitel im nach außen gerichteten inländischen geschäftlichen Verkehr (vgl. Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 5 Rdn. 83; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rdn. 104 m. w. N.), wobei Titelberechtigter neben dem Hersteller des Werkes dessen Nutzer ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rdn. 120). Daran fehlt es vorliegend. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin hat Herr R… seine Installationen unter der Bezeichnung „Liquid Sound“ vermarktet, die für ihn seit 1994 auch markenrechtlich unter der Registernummer 2 092 627 geschützt ist. Die vorgetragene Absicht des Herrn R…, Wohlfühltempel mit „Liquid- Sound“-Pool als „Liquidrom“ zu bezeichnen, ist keine Benutzung der Bezeichnung „Liquidrom“. Auch eine anderweitige Benutzung der Bezeichnung „Liquidrom“ als Werktitel ist nicht ersichtlich. Die 1999 bzw. 2004 in Bad Sulza und Bad Schandau eröffneten, mit „Liquid-Sound“-Pool ausgestatteten Bäder sind nicht mit „Liquidrom“, sondern mit „Toskana Therme“ benannt worden (Anlage W 7). Im Falle des Berliner „Liquidroms“ schließlich erfolgte die Benutzung dieser Bezeichnung zwar für das Gebäude und den darin untergebrachten Geschäftsbetrieb (Badbetrieb), aber nicht als Werktitel für das eingebaute „Unterwasser-Klang-Licht-Multimedia-System“. Dieses wird vielmehr im Pachtvertrag selbst (§ 1 Nr. 1) als „Liquid Sound“ bezeichnet. Eine zusätzliche Benutzung von „Liquidrom“ zur Bezeichnung der Installation als Werk ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

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c) Da nach alledem Herr R… keine irgendwie gearteten Rechte an der Bezeichnung „Liquidrom“ hatte, geht die Behauptung der Antragsgegnerin ins Leere, von Herrn R… die Berechtigung zur Markenanmeldung erhalten zu haben. Entsprechendes gilt für die unter das Zeugnis des Herrn R… ge-stellte Behauptung, das in den 90er Jahren von der „Tempodrom GmbH“ betriebene „Tempodrom“ habe nur mit Genehmigung von Herrn R… den Wohlfühltempel mit dem „Liquid-Sound“-Pool als „Liquidrom“ bezeichnen dürfen. Es handelt sich damit nicht um Tatsachen, sondern um eine - im Übrigen unzutreffende - rechtliche Wertung, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des angebotenen Beweises nicht zugänglich ist; im Übrigen war die „Tempodrom GmbH“ nicht Verpächter des 2001 eröffneten „Liquidrom“.

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Rechtfertigungsgründe für den Fortbestand der Streitmarke bestehen nach alledem nicht.

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4. Nach alledem hat die Antragsgegnerin bei der Anmeldung der Marke 306 21 552 LIQUIDROM bösgläubig gehandelt. Die Beschwerde konnte damit keinen Erfolg haben.

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III. Nebenentscheidungen

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1. Da die Antragsgegnerin bei der Anmeldung der Marke bösgläubig gehandelt hat, entspricht es der Billigkeit, es bei der Kostenentscheidung des Amtes zu belassen und ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG; vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rdn. 15).

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2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Die Rechtsfrage, wem im Pachtverhältnis der Besitzstand an der Bezeichnung des Pachtgegenstands zuwächst, ist von grundsätzlicher Bedeutung; gleiches gilt für die Frage, ob die gezielte Störung eines räumlich beschränkten Besitzstandes als bösgläubig eingestuft werden kann.