Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 21.03.2019


BPatG 21.03.2019 - 30 W (pat) 24/17

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
21.03.2019
Aktenzeichen:
30 W (pat) 24/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:210319B30Wpat24.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 018 553.4

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 21. März 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 28. Juni 2016 angemeldete Wortmarke

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Natural

3

soll für die Waren

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„Klasse 02: Anstrichmittel; Farben; Firnisse; Lacke; Rostschutzmittel; Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Holzschutzmittel; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur;

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Klasse 03: Wasch- und Bleich-, Putz-, Polier-, Fettentfernungs-, und Schleifmittel für das Maler- und Stuckateurhandwerk; Abbeizmittel;

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Klasse 19:Baumaterialien [nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthalten]; Fassadenmörtel; Verputzmittel; Edelputz; Streichputz; Fertigmörtel; Putzfüllmittel; Baukalk; Estrich; Spachtelmassen für Bauzwecke; Asphalt; Pech und Bitumen“

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eingetragen werden.

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Die Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet und sodann mit Beschlüssen vom 14. September 2016 und vom 27. April 2017, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen.

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Das angemeldete Zeichen Natural sei den vorliegend angesprochenen breiten Verkehrskreisen als englischer Begriff für „natürlich; Natur-; naturbelassen“ ohne weiteres geläufig. In Zusammenhang mit den beanspruchten Waren werde der Verkehr dieser Bezeichnung lediglich entnehmen, dass die beanspruchten Waren auf natürlicher Basis hergestellt worden seien und natürliche Inhaltsstoffe enthielten oder natürlichen Ursprings seien. Natural beschreibe damit unmittelbar Art und Beschaffenheit der beanspruchten Waren und sei daher nicht geeignet, auf die Herkunft der Produkte aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. In diesem Sinne werde Natural schon aufgrund seiner Nähe zu den deutschen Begriffen „Natur; natürlich“ auch ohne weiteres verstanden.Angesichts seines unmittelbar beschreibenden Aussagegehalts sei auch kein Nachweis erforderlich, dass die Bezeichnung Natural als beschreibende Angabe bereits zum Anmeldezeitpunkt verwendet worden sei. Ungeachtet dessen habe eine Recherche ergeben, dass der Begriff auch bereits in diesem Sinne nicht nur von der Anmelderin verwendet werde, so dass dieser Begriff nicht mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht werde.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass Natural als englisches Adjektiv eine Vielzahl von Bedeutungen, nämlich „naturgemäß, Natur, normal, ursprünglich, angeboten, natürlich, selbstverständlich, logischerweise“ aufweisen könne. In keiner dieser Bedeutungen beschreibe Natural aber Art, Beschaffenheit oder sonstige Eigenschaften der beanspruchten Waren; insbesondere auch nicht in den Bedeutungen „naturgemäß, Natur“, da es sich bei den beanspruchten Waren um chemische oder konstruktive Hilfsmittel handelte, welche nichts mit der Natur als solcher zu tun hätten. Dementsprechend lasse sich eine Verwendung von Natural in Zusammenhang mit den vorliegend relevanten Waren auch nicht ermitteln. Soweit die Markenstelle eine Internetrecherche zu „Naturbaustoffmaterialien“ durchgeführt habe, handele es sich um eine relativ unbekannte „Sonderform“ von Baustoffen, welche der Endverbraucher gar nicht kenne. Der Endverbraucher werde Natural daher eher als Fantasiewort auffassen, da vollkommen unklar sei, was die vorliegend beanspruchten Waren mit der Natur zu tun haben sollten. Aber selbst wenn der Verkehr nach interpretatorischen Überlegungen eine solche Verknüpfung herstelle, handele es sich allenfalls um ein schutzfähiges „sprechendes Zeichen“.

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Dementsprechend seien auch bei den vorliegend maßgeblichen Warenklassen eine Reihe von Marken mit dem Bestandteil Natural in das Register eingetragen worden.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. September 2016 und vom 27. April 2017 aufzuheben.

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Die Anmelderin hat mit Schriftsatz vom 18. März 2019 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019, welcher auf den von ihr hilfsweise gestellten Antrag anberaumt worden war, aufzuheben und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache unbegründet, da die angemeldete Wortmarke Natural als beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat. (§ 37 Abs. 1 und 5 MarkenG).

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1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 8 Rn. 362). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 – Chiemsee; GRUR 2004, 674 Nr. 56 – Postkantoor; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 377 m. w. N.). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 29 – Chiemsee; GRUR 2006, 411 Nr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 392, 393).

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Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren oder Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftige beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 – Chiemsee; GRUR 2004, 674 Nr. 56 – Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl z. B. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30 – Chiemsee; GRUR 2004, 146, Nr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Nr. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680, Nr. 38 – BIOMILD; EuGH MarkenR 2008, 160, Nr. 35 – HAIRTRANSFER; EuGH GRUR Int. 2010, 503, Nr. 37 – Patentconsult; EuGH GRUR 2010, 534, Nr. 52 – PRANAHAUS; GRUR 2011, 1035, Nr. 38 1000; BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein; GRUR 2008, 900, Nr. 12 – SPA II ; GRUR 2012, 272, Nr. 12, 17 – Rheinpark-Center Neuss ; GRUR 2012, 276, Nr. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; siehe auch Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 377, 379 ff.).

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2. Das angemeldete Zeichen Natural besteht nach diesen Maßstäben in Bezug auf die angemeldeten Waren ausschließlich aus einer Angabe, die die Beschaffenheit der beanspruchten Waren beschreibt. Die Mitbewerber der Anmelderin haben deshalb ein berechtigtes Interesse an der freien ungehinderten Verwendung dieser Angabe.

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a. Das aus dem Englischen stammende, zum einfachsten Grundwortschatz gehörende Adjektiv Natural wird von den vorliegend relevanten allgemeinen wie auch Fachverkehrskreisen ohne weiteres mit dem deutschen Begriff „natürlich“ i. S. von „naturbelassen, auf der Natur beruhend“übersetzt (vgl. https://www.dict.cc/englisch-deutsch/natural.html zu „natural“; ferner BPatG 24 W (pat) 105/06 v. 17. Dezember 2008 – NATURAL essences sowie 30 W (pat) 34/17 v. 2. August 2018 – Pure Natural, beide veröffentlicht auf PAVIS PROMA). Darüber hinaus wird dieses Adjektiv im deutschen Sprachgebrauch auch als Synonym für „naturell“ (vgl. DUDEN-online zu „natural“) sowie als Wortbildungselement mit den dem englischen Adjektiv entsprechenden Bedeutungen „auf der Natur beruhend, natürlich“ verwendet (vgl. Wahring, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006 S. 1056 zu „natural..“.

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Die danach gleichbedeutenden Begriffe „naturell/Natural/natürlich“ deuten nicht nur bei landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln ganz allgemein das Fehlen von Zusatzstoffen oder Rückständen bzw die Nichtnutzung (zugelassener und nicht zugelassener) Produktions- und Behandlungsverfahren an (vgl. BPatG 25 W (pat) 96/09 v. 23. August 2010 – all natural, veröffentlicht auf Pavis PROMA). Auch bei den vorliegend relevanten Waren, nämlich Anstrichmitteln, Farben, Lacken und Baustoffen, kommt ökologischen, d.h. umweltverträglichen und gesundheitlich unbedenklichen Produkten bereits seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung zu. Deren „natürliche“ Beschaffenheit stellt daher ein wesentliches Produktmerkmal dar.

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b. Ausgehend hiervon können dann aber nicht nur der Begriff „natürlich“, sondern auch die bedeutungsgleichen Adjektive „naturell“ und Natural in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als glatt beschreibender Hinweis darauf dienen, dass die Produkte entweder ausschließlich aus unbearbeiteten, natürlichen Stoffen bestehen, also frei von synthetisch produzierten Substanzen sind, oder zumindest naturverträglich hergestellt worden sind. Dies kann bei sämtlichen beanspruchten Waren der Fall sein. So werden „natürliche“ Anstrichmittel, Farben, Lacke usw. ohne schädliche Emissionen und frei von Konservierungsmitteln und Weichmachern bzw. auf Silikatbasis produziert und kommerziell vertrieben. Damit grenzen sich derartige Produkte von Waren anderer Zusammensetzung bewusst ab. Gleiches gilt für die in den Klassen 3 und 19 beanspruchten Waren. Auch bei diesen Waren beschreibt das Anmeldezeichen die - natürlichen - Inhaltsstoffe, wie bei Waschmitteln oder Baumaterialien.

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Das Wort Natural ist somit ohne weiteres geeignet, konkrete Merkmale, nämlich eine „natürliche“, d. h. umweltverträgliche Beschaffenheit der hier relevanten Waren unzweideutig und unmittelbar zu bezeichnen und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen problemlos und ohne jegliche gedankliche Zwischenschritte in diesem beschreibenden Sinngehalt verstanden werden.

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c. Soweit Natural vor allem im Zusammenhang mit Farben auch zur Bezeichnung von (Natur)Farbtönen verwendet wird, ergibt sich daraus keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit, sondern allenfalls ein weiteres Schutzhindernis. Zudem ist in rechtlicher Hinsicht ein Zeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es auch nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der konkret in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR 2003, 450 – DOUBLEMINT; EuGH MarkenR 2004, 111, 115 – BIOMILD/Campina Melkunie).

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3. Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Nach übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung lässt sich aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 (Nr. 18) – Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2012, 276, Nr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m. w. N.; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche).

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4. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der beanspruchten Waren von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.