Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.11.2011


BPatG 17.11.2011 - 3 ZA (pat) 54/11

Patentnichtigkeitsklageverfahren - mehrere Gerichtsgebühren bei nachträglicher Klageverbindung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
17.11.2011
Aktenzeichen:
3 ZA (pat) 54/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Verfahrensgebühren bei Klageverbindung

Die vor der Verbindung mehrerer Nichtigkeitsklagen (§ 147 ZPO) mit der Einreichung der einzelnen Nichtigkeitsklagen jeweils fällig gewordenen und gezahlten Verfahrensgebühren (pro Klage 4,5-fach unter Verweis auf das GKG vom Streitwert abhängig) werden nicht nachträglich aufgrund der Prozessverbindung erlassen oder ermäßigt. Erst ab dem Verbindungsbeschluss fallen Gerichtsgebühren nur noch einfach an.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 17. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie den Richter Guth und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig

beschlossen:

Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenansatz in der Kostenrechnung vom 12. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschlüssen vom 4. August 2009 und vom 21. September 2009 hat der Senat die Verfahren 3 Ni 37/08 (EU), 3 Ni 9/09 (EU) und 3 Ni 15/09 (EU), die jeweils Klagen gegen das europäische Patent EP… (DE…) betrafen, miteinander verbunden, wobei das Verfahren 3 Ni 37/08 (EU) führte. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2010 hat der Senat den Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht auf 5 Millionen € festgesetzt.

2

Mit Urteil vom 15. Juni 2010 hat der Senat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat die Beklagte zurückgenommen.

3

Die Kostenbeamtin des Bundespatentgerichts hat ihrer Kostenrechnung vom 12. Oktober 2010 für jedes der drei Verfahren Klagegebühren in Höhe jeweils des 4,5-fachen Satzes zugrundegelegt. Nach dieser Berechnung haftet die Beklagte als Entscheidungsschuldnerin für 222.156 € und hat abzüglich der bereits gezahlten Beträge noch 175.000 € zu entrichten.

4

Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Beklagten. Sie ist der Meinung, es hätten nur Klagegebühren für ein Verfahren angesetzt werden dürfen.

5

Bei den verbundenen Verfahren handele es sich um ein einziges Verfahren im Sinne des Kostenrechts, für das mit Beschluss des Senats vom 15. Juni 2010 auch nur ein Streitwert festgesetzt worden sei. Die Situation entspreche der einer von mehreren Klägern gemeinsam erhobenen Nichtigkeitsklage, bei der nur einmal der 4,5-fache Gebührensatz anfiele. Es sei auch nicht der zivilprozessuale Grundsatz anzuwenden, dass mit der Klageerhebung für jede der Klagen angefallene Kosten nach der Verbindung der Verfahren erhalten blieben, denn dies widerspreche der Besonderheit des Nichtigkeitsverfahrens vor dem Bundespatentgericht, dass die Nichtigerklärung Wirkung gegenüber jedermann habe. Außerdem könne es nicht sein, dass für die erste Instanz dreifach Gerichtsgebühren zu zahlen seien, während für die Berufung im verbundenen Verfahren nur einfach Gebühren fällig würden.

6

Der gerügte Kostenansatz verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil der Aufwand des Gerichts bei getrennt eingereichten, aber zusammen verhandelten und entschiedenen Nichtigkeitsklagen nicht mehrfach so hoch sei wie bei einer einzigen Nichtigkeitsklage. Außerdem führe der Kostenansatz zu einer unangemessenen Erhöhung des Prozessrisikos und erlaube dem Patentinhaber keine wirtschaftlich sinnvolle Verteidigung des Patents, so dass auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt sei.

7

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

8

die Kostenrechnung vom 12. Oktober 2010 aufzuheben und den von der Beklagten zu erstattenden Betrag neu festzusetzen.

9

Die Klägerinnen haben keine Stellungnahme abgegeben.

II.

10

Über die gebührenfreie und fristfreie Erinnerung war gemäß § 11 Abs. 1 PatKostG durch den Senat zu entscheiden, nachdem ihr die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat.

11

In der Sache hat die Kostenbeamtin zu Recht der Berechnung der Kosten für jedes der drei verbundenen Verfahren jeweils eine Klagegebühr in Höhe des 4,5-fachen Satzes zugrunde gelegt.

12

1. Bei Verfahrensgebühren, die bei Einleitung des Verfahrens durch Klageerhebung fällig werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 PatKostG), führt auch eine spätere Verbindung zweier oder mehrerer Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung (§ 147 ZPO) nicht rückwirkend dazu, dass die jeweils für die einzelnen Verfahren entrichteten Verfahrensgebühren entfallen oder ermäßigt werden. Hierzu bietet das Patentkostengesetz bzw. das Gerichtskostengesetz keine gesetzliche Grundlage (vgl. dazu etwa Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl., S. 89 Rn. 146 mit Verweisung auf Hövelmann, Mitt. 2004, 59, 61; Busse, Patentgesetz, 6. Aufl. § 81 Rn. 18).

13

 Eine Verbindung der Verfahren führt - wie bereits aus dem Wortlaut des § 147 ZPO ersichtlich - lediglich dazu, dass in diesen Prozessen gemeinsam verhandelt und entschieden wird. Die so gebündelten Verfahren bleiben als jeweils eigenständige Prozesse bestehen. Die Kläger werden durch die Verbindung einfache Streitgenossen nach §§ 59 ff. ZPO, wobei jeder Streitgenosse seinen Prozess selbständig und unabhängig von den anderen Streitgenossen (§ 61 ZPO) betreibt. Die Kläger können unterschiedliche Anträge stellen, z. B. was den Umfang des Angriffs angeht. Sie können sich auf unterschiedliche Nichtigkeitsgründe stützen. Jeder kann für sich seine Klage zurücknehmen. Obwohl somit trotz Verbindung weiterhin mehrere Nichtigkeitsklagen vorliegen, fallen aber ab dem Verbindungsbeschluss Gerichtsgebühren nur noch einfach an. Denn es soll gebührenrechtlich belohnt werden, dass sich das Verfahren für das Gericht ab der Verbindung ökonomischer gestaltet. Die bereits mit Einreichung der Klagen fällig gewordenen Verfahrensgebühren (4,5-fach unter Verweis auf das GKG vom Streitwert abhängig), die zu diesem Zeitpunkt verfahrensmäßig völlig voneinander unabhängige Verfahren betreffen, deren Verbindung noch nicht absehbar ist, sind darum für jeden einzelnen Kläger angefallen und - weil vor dem Verbindungsbeschluss entstanden - verfallen (vgl. Hövelmann, Mitt. 2004, 59, 61f.).

14

Hiergegen spricht nicht die Festsetzung eines gemeinsamen Streitwertes für die verbundenen Verfahren, da der Streitwert für das Nichtigkeitsverfahren sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigerklärung des Streitpatents bemisst und deshalb für jede der verbundenen Nichtigkeitsklagen gleich ist.

15

Der vorliegende Fall ist darum anders zu beurteilen als der der gemeinsamen Klageerhebung, bei dem von Anfang an gemeinsam Klage mit demselben Klageantrag und demselben Nichtigkeitsgrund gegen dasselbe Patent erhoben wird und darum die Gerichtsgebühren nur einmal fällig werden (vgl. Hövelmann, a. a. O., Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 81 Rn. 69).

16

2. Der Senat kann in dem Grundsatz, dass auch bei verbundenen Verfahren für jedes einzelne Verfahren bis zur Verbindung jeweils eigenständig Gerichtsgebühren fällig werden, keine gemäß Art. 3 Abs. 1 GG oder 19 Abs. 4 GG unzulässige Benachteiligung der Beklagten erkennen.

17

Wie oben ausgeführt, liegt der sachliche Differenzierungsgrund gegenüber der gemeinschaftlich erhobenen Klagen und der Berufungseinlegung bei verbundenen Verfahren darin, dass in Fall der nachträglichen Verbindung zunächst mehrere voneinander unabhängige Klagen vorliegen und erst nach dem Verbindungsbeschluss wegen des ab diesem Zeitpunkt geringeren Verfahrensaufwandes geringere Gebühren erhoben werden. Im Übrigen würde die gegenteilige Ansicht der Beklagten zu einer erheblichen Ungleichbehandlung und unangemessenen Begünstigung der Kläger führen. Denn dann könnten sich einer anhängigen Nichtigkeitsklage gegen ein Patent beliebig viele weitere Nichtigkeitskläger „gerichtskostenfrei“ mit eigenem Vorbringen an diesem Verfahren beteiligen, wenn - wie im Allgemeinen sachdienlich - die Klagen verbunden werden. Andererseits liefe die Beklagte aufgrund dieser Begünstigung weiterer Nichtigkeitsklagen Gefahr, häufig einer Vielzahl von Angreifern mit unterschiedlichster Argumentation gegenüber sehen, was ihre Prozesssituation erschweren würde.

18

Aus diesen Gründen hat die Kostenbeamtin ihrer Kostenrechnung zu Recht für jede Nichtigkeitsklage jeweils Klagegebühren in Höhe des 4,5-fachen Satzes zugrunde gelegt (so auch z. B. BPatG Beschluss v. 7.02.2008 Aktenzeichen 2 Ni 1/04 (EU) verbunden mit 2 Ni 26/04 (EU); Beschluss v. 1.02.2011 Aktenzeichen 5 Ni 109/09 hinzuverbunden 2 Ni 128/09).