Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.07.2011


BPatG 12.07.2011 - 3 ZA (pat) 29/11 zu3 Ni 41/10 (EP

Patentnichtigkeitsklageverfahren - "Akteneinsicht" – Zulässigkeit der Akteneinsicht - Nichtzahlung der Klagegebühr – Fiktion der Nichterhebung der Klage


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
12.07.2011
Aktenzeichen:
3 ZA (pat) 29/11 zu3 Ni 41/10 (EP
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Akteneinsichtssache

wegen Akteneinsicht

betreffend die Akten des Nichtigkeitsverfahrens 3 Ni 41/10

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 12. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie die Richter Dipl.-Chem. Dr. Egerer und Schell

beschlossen:

Der Antragstellerin wird Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens 3 Ni 41/10 gewährt

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 6. Mai 2011 Antrag auf Akteneinsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens 3 Ni 41/10 gestellt.

2

Die Antragsgegnerin zu 2) hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Mai 2011 dem Akteneinsichtsantrag widersprochen und zur Begründung vorgetragen, die Nichtigkeitsklage gelte wegen der Nichtzahlung der Gerichtsgebühren als nicht erhoben, wie dies auch in dem Beschluss des Rechtspflegers vom 4. März 2011 festgestellt worden sei. Gemäß der gesetzlichen Fiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG müsse die Nichtigkeitsklage somit als nicht eingereicht behandelt werden. Ein Nichtigkeitsverfahren habe daher zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Vor diesem Hintergrund erscheine es sinnwidrig, die Einsicht in eine nicht erhobene Klage zu ermöglichen. Vielmehr sei eine Akteneinsicht nur dann möglich, wenn die Klage tatsächlich als erhoben gelte.

3

Die Antragsgegnerin zu 1) hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Juni 2011 vorgetragen, sie könne sich zu dem Akteneinsichtsantrag nicht äußern, da sie nicht Partei des Nichtigkeitsverfahrens geworden sei. Den rechtlichen Ausführungen der Antragsgegnerin zu 2) stimme sie jedoch zu.

II.

4

1. Der Akteneinsichtsantrag ist zulässig.

5

Nach der gesetzlichen Regelung des § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG ist Dritten die Einsicht in "Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents" grundsätzlich eröffnet. Die sich daraus ergebenden Zulässigkeitsvoraussetzungen sind hier erfüllt. So wurde nach Eingang der Klageschrift vom 21. Oktober 2010, die Gegenstand des Verfahrens 3 Ni 41/10 (EP) ist, von der Geschäftsstelle des für die Sache zuständigen Senats eine Akte angelegt, um die weitere Verfahrensentwicklung zu dokumentieren. Diese Akte wurde und wird auch nach der Feststellung des Rechtspflegers vom 4. März 2011, dass die Klage wegen Nichtzahlung der Klagegebühr nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht erhoben gilt, weiter aufbewahrt. Eine Verfahrensakte im Sinne von § 99 Abs. 3 PatG liegt in dem hier zu entscheidenden Fall also vor. Die Auffassung der Antragsgegnerin zu 2), eine Akteneinsicht sei nur dann möglich, wenn eine Klage tatsächlich als erhoben gelte, was hier wegen der Nichtvornahmefiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG nicht gegeben sei, geht fehl. Denn sie lässt unberücksichtigt, dass sich die auf kostenrechtliche Aspekte gerichtete Fiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG lediglich auf die (Nicht-)Erhebung der Klage bezieht. Die Möglichkeit einer Akteneinsicht wird durch § 6 Abs. 2 PatKostG dagegen in keiner Weise einschränkt, vielmehr ist die Frage, ob die hierfür vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen - ein Nichtigkeitsverfahren bzw. eine entsprechende Akte - gegeben sind, ausschließlich nach § 99 Abs. 3 PatG zu beantworten.

6

Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass diese Regelung nicht zwischen dem Akteninhalt eines bloßen "Vorverfahrens" bis zur Gebührenzahlung und Zustellung der Klage einerseits und dem Akteninhalt nach Übermittlung der Klageschrift an die Patentinhaberin andererseits unterscheidet. Auch wenn sich im vorliegenden Fall aufgrund der unterbliebenen Gebührenzahlung kein streitiges Gerichtsverfahren entwickelt hat, bleiben die angelegten Akten dennoch als Teil eines "Verfahrens wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents" im weiteren Sinne existent (so bereits BPatGE 26, 165). Dies verdeutlicht nicht zuletzt auch die von der Antragsgegnerin zu 2) angeführte Entscheidung des Rechtspflegers vom 4. März 2011, die bereits denklogisch nicht außerhalb eines solchen Verfahrens bzw. einer entsprechenden Verfahrensakte ergehen konnte. Für die Frage der Zulässigkeit eines Antrags auf Einsicht in diese Akte, kommt es nach dem Normzweck des § 99 Abs. 3 PatG nicht darauf an, ob die Klage tatsächlich als erhoben gilt oder nicht. Denn durch diese Norm soll das Allgemeininteresse an der Beseitigung von zu Unrecht erteilten Schutzrechten abgesichert werden (BGH GRUR 2007, 628, 629, Rdn. 14 - MOON, m. w. N., hier zur entsprechenden Regelung im Markengesetz). Dementsprechend umfasst § 31 PatG - auf den in § 99 Abs. 3 Satz 1 PatG ausdrücklich verwiesen wird – auch grundsätzlich die Einsicht in Akten von als zurückgenommen geltenden Patentanmeldungen (vgl. Rudloff-Schäffer in Schulte, PatG, 8. Aufl., § 31 Rdn. 40, m. w. N.). Im Hinblick auf das öffentliche Interesse daran, dass schutzunfähige Patente im Wege der Nichtigkeitsklage beseitigt werden, wird deshalb über § 99 Abs. 3 PatG gewährleistet, dass Dritte entsprechende Erkenntnisse im Wege der Akteneinsicht erlangen können. Dass solche Erkenntnisse auch aus der Einsicht in die Akten eines Nichtigkeitsverfahrens möglich sind, das nicht über das Stadium der Einreichung eines Klageschriftsatzes hinausgelangt ist, liegt auf der Hand. Dies macht deutlich, dass es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 2) keineswegs sinnwidrig ist, Dritten die Einsicht in eine solche Akte zu eröffnen.

7

2. Der Antrag auf Akteneinsicht ist auch in vollem Umfang begründet, da die Antragsgegner kein schutzwürdiges Interesse i. S. v. § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG dargelegt haben.

8

Grundsätzlich steht die Einsicht in die Akten von Nichtigkeitsverfahren jedermann frei, es sei denn, die Antragsgegner berufen sich auf ein schutzwürdiges, der Akteneinsicht entgegenstehendes Interesse (vgl. BGH GRUR 2007, 815 - Akteneinsicht XVIII; Schuster/Keukenschrijver in: Busse, PatG, 6. Aufl., § 99, Rdn. 35; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 99 Rdn. 28, jeweils m. w. N.). Nur in diesem Fall müssen die Antragsteller ihrerseits ein schutzwürdiges Gegeninteresse darlegen, das dann mit den Interessen der Antragsgegner abzuwägen ist (vgl. BGH GRUR 2001, 143 - Akteneinsicht XV; Schulte a. a. O., § 99 Rdn. 30). Im vorliegenden Fall haben die Antragsgegner jedoch keinerlei Tatsachen vorgetragen, die ein der Akteneinsicht entgegenstehendes, schutzwürdiges Interesse begründen könnten.

9

Die beantragte Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens war somit in vollem Umfang zu gewähren.