Entscheidungsdatum: 28.04.2015
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Oktober 2014 aufgehoben, soweit die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung hat es abgelehnt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen Einschleusens von Ausländern hält im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Der näheren Erläuterung bedarf nur Folgendes:
Die Ausländer, die der Angeklagte durch Ausfüllen der von ihnen verwendeten, gefälschten Fremdenpässe unterstützte, reisten in das Bundesgebiet ein, als sie am Flughafen Düsseldorf deutsches Hoheitsgebiet betraten. Insoweit gilt:
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Einreise in das Bundesgebiet nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist die Einreise erst vollendet, wenn der Ausländer die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), in allen übrigen Fällen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat (§ 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Diese nationalen Regelungen für den Grenzverkehr werden - gemeinschaftsrechtlich verbindlich - überlagert durch die Verordnung (EG) 562/2006 vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex, SGK), durch den die entsprechenden Vorschriften im Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen, SDÜ) aufgehoben worden sind (vgl. Art. 39 Abs. 1 SGK). Nach Art. 20 SGK dürfen die Binnengrenzen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person jederzeit ohne Personenkontrollen überschritten werden. Dieser Wegfall der Grenzkontrollen und der Abbau der Grenzübergangsstellen hat zur Folge, dass sich der Grenzübertritt in das Bundesgebiet an einer Binnengrenze zu einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht mehr nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG richtet, sondern nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG; ein Ausländer ist mithin an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie körperlich überschritten und das Bundesgebiet betreten hat (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - 4 StR 233/14, juris Rn. 21 mwN). Für die Einreise auf dem Luftweg ist zu differenzieren zwischen Flügen aus einem anderen Mitgliedstaat (Binnenflug, vgl. Art. 2 Nr. 3 SGK) und solchen, die aus einem Drittstaat kommen (vgl. Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl. 2011, S. 113): Im Fall der Einreise mit einem Binnenflug findet eine Grenzkontrolle gleichfalls nicht statt; der Ausländer ist mithin nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG mit Überschreiten der Grenze eingereist. Nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b SGK gilt der Flughafen am Zielort als Binnengrenze, so dass die Einreise mit dem Betreten des Bundesgebietes am Flughafen vollendet ist (BGH aaO mwN; aA Schott aaO; Stoppa in: Huber, AufenthG, § 95 Rn. 117: Einfliegen in den deutschen Luftraum).
Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Ausländer bereits den öffentlichen Bereich des Flughafengeländes betreten oder gar den Flughafenbereich verlassen hat; diese Merkmale können nur indizielle Bedeutung für die Frage erlangen, ob der Ausländer eine Grenzübergangsstelle passiert hat, knüpfen mithin an die - bei Binnenflügen gerade nicht gegebene - Grenzsituation nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG an. Diese liegt nur vor, wenn der Flug aus einem Drittstaat kommt und der Flughafen deshalb nach Art. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 Buchst. b SGK als Außengrenze gilt, und sich dort zugleich die Grenzübergangsstelle im Sinne von Art. 2 Nr. 8 SGK befindet.
Hier kam der Flug, mit dem der Angeklagte und die von ihm Geschleusten in Düsseldorf (zwischen-)landeten, aus Italien, also aus einem Mitgliedstaat; der Weiterflug nach Schweden hatte ebenfalls einen Schengen-Staat zum Ziel. Die Geschleusten reisten mithin ein, indem sie das Bundesgebiet am Flughafen betraten, ohne dass es - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift abstellen wollte - darauf ankommt, welche Reisedokumente sie mit sich führten.
2. Auch der Ausspruch über die verhängte Freiheitsstrafe hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Entscheidung, mit der das Landgericht die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt hat, kann hingegen nicht bestehen bleiben.
Die Strafkammer hat zur Frage der Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB darauf abgestellt, dass der Angeklagte die Tat nicht allein aus humanitären Gründen begangen habe, sondern in Verbindung zu professionellen Schleuserkreisen stehe. Im Übrigen habe er infolge der Inhaftierung in dieser Sache seinen Arbeitsplatz und seine Wohnung in Italien verloren; die Destabilisierung der Lebensverhältnisse lasse es befürchten, dass er die Schleuserkreise wieder und vermehrt aufsuchen werde.
Diese Erwägungen begegnen in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken: In der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hat das Landgericht über mehrere Seiten ausgeführt, dass und warum es sich nicht von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten hat überzeugen können. Es hat darüber hinaus festgestellt, dass sich der Angeklagte bereits kurze Zeit nach seiner eigenen Flucht aus Eritrea im Jahr 2003 einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus Eritrea anschloss, in der er einer von mehreren Schatzmeistern sei und sich unter anderem um Einnahmen und Ausgaben für Flüchtlinge aus Eritrea in Italien kümmere. Angesichts dessen ist die Wertung, der Angeklagte habe "nicht nur” aus humanitären Gründen gehandelt, nicht belegt; andere Gründe hat die Strafkammer nicht benannt. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der Angeklagte in Verbindung zu professionellen Schleuserkreisen stehe, denn ein solcher Kontakt, der auch lediglich die Art der Hilfeleistungen für die geschleusten Ausländer betreffen kann, steht humanitären Motiven des Angeklagten nicht notwendig entgegen.
Ohne jeden Beleg bleibt zudem die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte werde sich infolge des Verlusts seiner Arbeitsstelle und seiner Wohnung in Italien "wieder und vermehrt" Schleuserkreisen zuwenden. Da die Strafkammer ein gewerbsmäßiges Verhalten des Angeklagten oder auch nur eine Entlohnung für seine Unterstützungstätigkeit nicht festgestellt hat, stellt es sich als bloße Mutmaßung dar, dass der Verlust der Wohnung und der Arbeitsstelle den seit über zehn Jahren straffrei in Italien lebenden und nach den Feststellungen stets einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehenden Angeklagten nunmehr motivieren sollte, ein Einkommen aus illegalen Schleusertätigkeiten zu erzielen.
Erweist sich die Verneinung einer günstigen Sozialprognose damit als rechtsfehlerhaft, muss über die Frage der Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung neu verhandelt und entschieden werden.
Becker Pfister Mayer
Gericke Spaniol