Entscheidungsdatum: 02.04.2015
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 18. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und zu dessen Lasten den Verfall von 10.000 € angeordnet. Gegen das Urteil wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und auf Verfahrensbeanstandungen gestützten Revisionen des Angeklagten und - zu Ungunsten des Angeklagten - der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an. Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft die - bereits im Rahmen der Sachrüge beachtliche (BGH, Urteil vom 20. März 2012 - 1 StR 648/11, juris Rn. 16 mwN) - Verletzung von § 264 StPO.
a) Der Angeklagte verwahrte in seiner Wohnung ca. 50 g eines zum Eigenverbrauch bestimmten Kokaingemischs mit einem Wirkstoffanteil von 71,5 % Kokainhydrochlorid. Weiter hielt er dort portioniertes Marihuana im Gesamtgewicht von ca. 47 g zum gewinnbringenden Weiterverkauf bereit. Dieses stammte aus einem Vorrat von etwa 2 kg Marihuana, den der Angeklagte ebenfalls zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte und im Keller der in der Nachbarschaft liegenden Wohnung seiner Eltern lagerte. Es hatte einen Wirkstoffgehalt von 5% THC. "Bei" diesem in Packungen zu je 500 g abgepackten Vorrat verwahrte der Angeklagte außerdem eine Plastiktüte mit mindestens 1 kg "mutmaßlichen" Amphetamins. Eine Durchsuchung der Wohnung der Eltern, die sich allerdings nicht auf die Kellerräume erstreckte, nahm der Vater des Angeklagten zum Anlass, die dort gelagerten Substanzen in eine Sporttasche zu verpacken und diese beim Zeugen P. unterzustellen. Jedenfalls das Marihuana wurde in der Folge, sei es durch den Angeklagten selbst, sei es durch P. in dessen Auftrag, nach und nach in Teilmengen gewinnbringend verkauft.
b) Bei der Ermittlung des Schuldumfangs hat das Landgericht davon abgesehen, dieses Tatgeschehen auch unter dem Gesichtspunkt eines Handeltreibens des Angeklagten mit Amphetamin näher zu untersuchen und zu würdigen. Damit hat das Landgericht gegen seine Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) verstoßen, denn eine solche Untersuchung drängte sich nach den Umständen auf.
aa) Die Annahme des Landgerichts, dem stehe bereits ein Verfahrenshindernis entgegen, weil die Anklageschrift dem Angeklagten neben dem Besitz von Kokain lediglich Handeltreiben mit Marihuana zur Last lege, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hätte sich vielmehr zu näherer Prüfung veranlasst sehen müssen, ob (mögliches) Handeltreiben mit Amphetamin und festgestelltes Handeltreiben mit Marihuana eine einheitliche Tat im Sinne von § 264 StPO bilden.
Eine solche ist gegeben, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 361). Sofern das materielle Recht nicht ausnahmsweise mehrere selbständige Sachverhalte zu einer Handlungseinheit zusammenfasst (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288), ist prozessuale Tatidentität insbesondere anzunehmen bei materiellrechtlicher Tateinheit (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - KRB 33/95, BGHSt 41, 385, 389).
Zwar hat der bloße gleichzeitige Besitz von Betäubungsmitteln nicht die Kraft, mehrere selbständige Straftaten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Tateinheit zu verklammern (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 - 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 261; Urteil vom 28. September 1994 - 3 StR 261/94, NStZ 1995, 37, 38; Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 4 StR 315/98, NStZ-RR 1999, 119, 120). Gleichartige Tateinheit ist aber u.a. dann anzunehmen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung im Einzelfall über bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Besitzausübung über die andere darstellt, denn dies begründet Identität der jeweiligen Teilakte des Handeltreibens (LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 ff. Rn. 43; Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 599; zur Vermischung unterschiedlicher Mengen BGH, Urteil vom 8. April 1997 - 1 StR 65/97, NStZ-RR 1997, 227).
Eine solche Identität von Teilakten eines Handeltreibens liegt hier nicht fern. "Mutmaßliches" Amphetamin und zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmtes Marihuana wurden zunächst im Keller der Eltern des Angeklagten und sodann beim Zeugen P. in engem und unmittelbarem räumlichem Zusammenhang verwahrt. Hinzu kommt, dass jedenfalls während der Verwahrung der Substanzen beim Zeugen P. der Angeklagte nach den Feststellungen nicht nur laufend zum Zwecke der Veräußerung von Teilmengen auf das Marihuana zugriff, sondern auch von dem "mutmaßlichen" Amphetamin "immer wieder größere Teilmengen" abholte. Das Landgericht wäre deshalb gehalten gewesen zu prüfen, inwieweit sich solche Teilakte der Verfügung über die Substanzen überschnitten.
bb) Zwar hat sich das Landgericht letztlich auch von der Eigenschaft der in der Plastiktüte befindlichen Substanz nicht überzeugen können. Dies rechtfertigt indes keine andere Beurteilung, denn die Annahme der Strafkammer, dem insoweit bestreitenden Angeklagten sei der Umgang mit Amphetamin nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen, beruht gleichermaßen auf einer unzureichenden Ausschöpfung des Verfahrensstoffes. Das Landgericht betrachtet allein die Aussage des Zeugen P., er habe den Inhalt der Plastiktüte nicht näher untersucht, aber am Geruch festgestellt, dass es sich um Amphetamin gehandelt habe. Es hat aber auch festgestellt, dass der Angeklagte von dem "mutmaßlichen" Amphetamin "immer wieder größere Teilmengen abgeholt" und "böse reagiert" habe, als er von ungekühlter Aufbewahrung des Stoffs durch P. erfahren habe. Damit hätte es sich bei der Prüfung, ob es sich bei der Substanz um zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Drogen handelte, ebenfalls auseinandersetzen müssen.
2. Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Zwar kann in der gegebenen Fallgestaltung auf der unterbliebenen Einbeziehung eines Handeltreibens des Angeklagten auch mit Amphetamin nur der Strafausspruch beruhen. Die hierzu vom neuen Tatrichter zu treffenden Feststellungen sind jedoch mit denen zum Tatgeschehen im Übrigen so eng verwoben, dass die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung bedarf.
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