Entscheidungsdatum: 06.02.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 26. September 2017 aufgehoben
a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe, jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in neun Fällen und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Aussprüche über die in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) In den Fällen 12 und 13 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht den Angeklagten jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) verurteilt und auf Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten erkannt hat, hat die Strafkammer jeweils "die tatgegenständliche Menge Rauschgift" strafschärfend gewertet. Das stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken, weil die Kammer nicht erkennbar berücksichtigt hat, dass der Angeklagte ein Drittel der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hatte, so dass sich die Handelsmengen erheblich reduzierten. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht geringere Einzelstrafen festgesetzt hätte, wenn es diesen Umstand mit in den Blick genommen hätte.
b) Im Fall 14 der Urteilsgründe, in dem das Landgericht den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt und eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt hat, hat die Strafkammer nicht zu Gunsten des Angeklagten in die Strafzumessung eingestellt, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel in diesem Fall sichergestellt wurden und deshalb nicht in den Verkehr gelangten.
Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2016 - 2 StR 133/16, juris Rn. 3; vom 30. September 2014 - 2 StR 286/14, juris Rn. 2; vom 10. September 2014 - 5 StR 383/14, juris Rn. 2 mwN) und der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Gründen des Strafurteils angeführt werden muss (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662; vom 8. Februar 2017 - 3 StR 483/16, juris Rn. 4).
Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann mit Blick auf die Höhe der verhängten Einzelstrafe nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer milderen Ahndung gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung der Betäubungsmittel zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.
c) Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
d) Die von der Strafkammer zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
2. Auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit seinem Jugendalter gelegentlich Cannabis und rauchte vor seiner Inhaftierung auch hin und wieder Heroin. Seinen Handel mit Betäubungsmitteln betrieb er unter anderem zur Finanzierung seines eigenen Drogenkonsums.
b) Die sachverständig beratene Strafkammer hat bereits einen Hang des Angeklagten verneint, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine den Angeklagten treibende oder beherrschende Neigung, Rauschmittel "in einem Umfang zu konsumieren, durch welchen Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden", nicht festzustellen sei.
Diese Ausführungen stoßen auf rechtliche Bedenken, weil sie besorgen lassen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein solcher liegt nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschlüsse vom 3. Februar 2016 - 1 StR 646/15, juris Rn. 11; vom 19. April 2016 - 3 StR 566/15, juris Rn. 7).
c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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