Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 03.02.2015


BGH 03.02.2015 - 3 StR 544/14

Strafverfahren: Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit; indizielle Bedeutung des Vorstellungsbildes der Geschädigten für die Feststellung des Tatentschlusses beim versuchten Betrug


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
03.02.2015
Aktenzeichen:
3 StR 544/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Krefeld, 18. Juni 2014, Az: 22 KLs 32/13
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 18. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; auf die geltend gemachten sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es deshalb nicht mehr an.

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I. Die Revision rügt zu Recht, dass die Strafkammer einen Beweisantrag mit fehlerhafter Begründung abgelehnt hat (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).

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1. Dem liegt zugrunde:

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Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im Fall der Urteilsgründe ein Inkassounternehmen mit dem Einzug angeblicher Forderungen für die Teilnahme an Gewinnspielen beauftragte. Von insgesamt 57.129 angeschriebenen Personen zahlten 9.057 insgesamt 1.193.948,86 €. Im Fall 11.2.) der Urteilsgründe vermittelte er die Dienste des Inkassounternehmens an ein Schweizer Unternehmen, transferierte die von 3.452 Personen gezahlten Gelder auf ein Konto in der Türkei, hob sie dort ab und verbrachte sie in bar in die Schweiz, wobei er 5% bis 10% der überbrachten Beträge einbehielt. Im Fall 11.3.) der Urteilsgründe war der Angeklagte für eine Schweizer Aktiengesellschaft tätig, die keine Erlaubnis zum Betreiben eines Inkassounternehmens hatte. Mindestens 9.223 Angeschriebene zahlten mindestens 1.114.241,12 €, von denen 884.900 € auf ein Konto überwiesen wurden, für das der Angeklagte verfügungsberechtigt war. Von diesem Konto wurden mehrere Überweisungen in die Türkei getätigt, wo der Angeklagte das Geld erneut in bar abhob und für eine Provision von 10% in die Schweiz brachte. Der Angeklagte nahm in allen Fällen billigend in Kauf, dass keine der angeschriebenen Personen den geltend gemachten Betrag schuldete. Die Strafkammer hat sich "aus prozessökonomischen Gründen" in keinem Fall in der Lage gesehen aufzuklären, ob die Zahlungen aufgrund einer Täuschung durch die versandten Schreiben, aufgrund von Angst vor Zwangsmaßnahmen, aufgrund des Wunsches nach Ruhe oder - im Fall der Urteilsgründe - aufgrund einer tatsächlich bestehenden Forderung vorgenommen wurden. Gegebenenfalls sei im letzten Fall von einem untauglichen Versuch auszugehen gewesen.

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Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er sei in allen Fällen davon ausgegangen, dass nur Forderungen eingetrieben worden seien, die tatsächlich bestanden hätten. Dies hat das Landgericht als widerlegt angesehen.

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Der Angeklagte hat beantragt, die im Fall der Urteilsgründe angeschriebenen Personen als Zeugen dazu zu vernehmen, sie hätten auf die geltend gemachte Forderung gezahlt, weil sie zuvor den jeweiligen Gewinnspieleintragungsdienst in Auftrag gegeben und die gegen sie geltend gemachte Forderung deshalb als berechtigt anerkannt hätten. Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsachen seien für den Schuldspruch aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Der Anklagevorwurf betreffe einen versuchten Betrug; insoweit komme es auf das Vorstellungsbild des Angeklagten, nicht aber der Zahler an. Auch als Indiztatsache komme der Frage, ob die Zahler die gegen sie geltend gemachten Forderungen als berechtigt anerkannt hätten, keine Bedeutung zu; denn dies lasse keinen Rückschluss für das Vorstellungsbild des Angeklagten zu. Für den Rechtsfolgenausspruch könnten die Beweisbehauptungen so behandelt werden, als seien sie wahr.

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2. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.

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Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder weil sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN).

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Vor diesem Hintergrund greifen die Erwägungen des Landgerichts zu kurz. Dabei kann dahinstehen, ob hier eine Fallkonstellation gegeben ist, bei der es ausnahmsweise zulässig sein könnte, einen Beweisantrag bezüglich des Schuldspruchs wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit und bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs im Wege der Wahrunterstellung zurückzuweisen, obwohl die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit und der Wahrunterstellung einander grundsätzlich ausschließen (LR/Becker aaO, § 244 Rn. 297 mwN). Denn der Ablehnungsbeschluss erweist sich unabhängig hiervon jedenfalls aus anderen Gründen als rechtsfehlerhaft. Zwar hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass es für die Versuchsstrafbarkeit maßgebend auf den Tatentschluss, mithin im Wesentlichen den Vorsatz des Täters bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale, ankommt. Soweit die Strafkammer indes angenommen hat, die Vorstellung der potentiell Geschädigten bezüglich des Bestehens der Forderung erlaube keinen Rückschluss auf die Vorstellung des Angeklagten, trifft dies in der Sache nicht zu; denn es ist durchaus möglich, die hier aufgestellten Beweisbehauptungen derart in eine Beweiswürdigung einzustellen, dass ihnen eine indizielle Bedeutung für die Frage des Tatentschlusses zukommt. Das Landgericht hätte sich deshalb, wollte es den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen ablehnen, nicht damit begnügen dürfen auszuführen, ein Rückschluss auf das Vorstellungsbild des Angeklagten sei nicht möglich. Es hätte vielmehr die Beweistatsachen in eine antizipierende Würdigung des Beweisergebnisses einstellen und auf dieser Grundlage entscheiden müssen, ob es den genannten Schluss ziehen will oder nicht.

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3. Das Urteil beruht insgesamt auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine rechtsfehlerfreie Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können. Dies gilt nicht nur für den Fall der Urteilsgründe. Ausweislich der Feststellungen bauen die drei abgeurteilten Taten zeitlich und in der Sache aufeinander auf. Hinzu kommt, dass das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Fällen II.2.) und 3.) der Urteilsgründe jeweils auch auf Umstände abgestellt hat, die zu Fall der Urteilsgründe festgestellt sind. Die Sache bedarf somit insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

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II. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat mit Blick auf die bisherigen Feststellungen vor allem betreffend die Fälle II.2.) und 3.) der Urteilsgründe darauf hin, dass die Feststellungen die näheren Tatumstände und die Tatbeiträge des Angeklagten so genau umschreiben müssen, dass eine revisionsrechtliche Kontrolle des Schuldspruchs möglich ist. Gegebenenfalls wird auch zu erwägen sein, ob in diesen Fällen die Voraussetzungen einer (Mit-)Täterschaft des Angeklagten oder lediglich diejenigen einer Beihilfe durch die Feststellungen belegt sind. Zu den Anforderungen an das Verfahren und die Feststellungen in Fällen, die Betrugstaten gegenüber einer Vielzahl von potentiell Geschädigten betreffen, wird auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs insbesondere vom 6. Februar 2013 (1 StR 263/12, NStZ 2013, 422) und 22. Mai 2014 (4 StR 430/13, NStZ 2014, 459) Bezug genommen.

Becker                            Schäfer                          Mayer

                  Gericke                          Spaniol