Entscheidungsdatum: 23.11.2010
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Juli 2010 im Strafausspruch mit den Feststellungen zu den bei der Geschädigten eingetretenen Tatfolgen aufgehoben; im Übrigen bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Beleidigung, Hausfriedensbruch und vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter Erpressung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Zwar beanstandet die Revision in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu Recht, dass die Verlesung des Berichts des evangelischen Krankenhauses Düsseldorf vom 6. Dezember 2009 gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO unzulässig war. Denn die Strafkammer hat den Inhalt des verlesenen Attests nicht zum Nachweis einer nicht schweren Körperverletzung herangezogen, sondern die in dem Attest niedergelegten Äußerungen des Angeklagten gegenüber der behandelnden Ärztin über die Ursache seiner Handverletzung als Indiztatsache zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit und damit unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in unzulässiger Weise für die Beurteilung der Schuldfrage verwertet (BGH, Urteil vom 1. März 1955 - 1 StR 441/54, MDR 1955, 397).
Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Allerdings scheidet entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ein Beruhen nicht bereits deshalb aus, weil ausweislich der nachträglich eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der Richter der erkennenden Strafkammer der Inhalt des Arztberichts dem Angeklagten in der Hauptverhandlung auch vorgehalten und von diesem bestätigt worden ist. Denn die Strafkammer hat die Feststellungen zu den Äußerungen des Angeklagten gegenüber der Ärztin ausschließlich auf den Inhalt des verlesenen Attests gestützt. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte diese Tatsache möglicherweise auf einen entsprechenden Vorhalt nicht in Abrede genommen hat, sind dem Urteil nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 2 StR 111/02). Eine Berücksichtigung der dienstlichen Erklärungen der erkennenden Richter bei der Beurteilung der Beruhensfrage liefe daher darauf hinaus, in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die Beweisaufnahme zu rekonstruieren und unter Heranziehung urteilsfremden Vorbringens die dem Tatrichter obliegende Würdigung der Beweise durch eine eigene zu ersetzen.
Indes kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß deshalb ausschließen, weil sich der Rechtsfehler lediglich auf ein nebensächliches und für die Überzeugungsbildung des Tatrichters ersichtlich nicht maßgebliches Indiz bezieht. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug.
2. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die ebenfalls auf die Verletzung der § 256 Abs. 1 Nr. 2, § 250 StPO gestützte Verfahrensrüge, mit der sich die Revision gegen die Feststellung der bei der Geschädigten eingetretenen Tatfolgen wendet, hat Erfolg.
Die Strafkammer hat bei Bemessung beider Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass das Opfer durch die Taten ein schweres posttraumatisches Belastungssyndrom erlitt. Diese Feststellung beruht nach den Urteilsgründen allein auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung ebenfalls gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesenen ärztlichen Attests des Hausarztes der Geschädigten vom 14. Dezember 2009. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass auch die Verlesung dieses Attests nicht dem Nachweis einer (nicht schweren) Körperverletzung, sondern ausschließlich der Tatfolgen und damit der Feststellung einer für den Strafausspruch wesentlichen Tatsache diente. Zu diesem Zweck durfte der Arztbericht nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen werden; seine Verwertung war deshalb unzulässig (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 1 StR 72/97, StV 1999, 195).
Zwar hat sich ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Geschädigte in der Hauptverhandlung zu diesem Attest "erklärt". Auf ihre Angaben hat sich das Landgericht zum Nachweis der Tatfolgen aber nicht gestützt. Daher ist es aus den bereits oben dargelegten Gründen unbeachtlich, dass die erkennenden Richter und der Staatsanwalt in ihren dienstlichen Stellungnahmen übereinstimmend erklärt haben, die Geschädigte habe den festgestellten Befund im Rahmen ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung bestätigt. In Anbetracht der eindeutigen Darlegungen zur Beweisführung hinsichtlich der erlittenen Tatfolgen ist vielmehr nicht auszuschließen, dass die Bemessung der Einzelstrafen auf der unzulässigen Verwertung des Inhalts des verlesenen Arztberichts beruht.
Der Strafausspruch hat deshalb keinen Bestand. Da sich der Rechtsfehler nur auf die Feststellungen zu den Tatfolgen ausgewirkt hat, unterliegen nur diese der Aufhebung.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer