Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 02.05.2018


BGH 02.05.2018 - 3 StR 39/18

Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei Handeltreiben mit Betäubungsmitteln


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
02.05.2018
Aktenzeichen:
3 StR 39/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:020518B3STR39.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Koblenz, 10. November 2017, Az: 9 KLs 26/17
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. November 2017 wird

a) von der Einziehung des Wertes des Tatertrags in Höhe von 20 € abgesehen, diese entfällt;

b) das vorbezeichnete Urteil aufgehoben,

aa) soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist (Fall II. 2. der Urteilsgründe); jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatablauf aufrechterhalten;

bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen

(1) im Gesamtstrafenausspruch;

(2) im Ausspruch über die Einziehung von

(a) 0,71 und 83,66 Gramm Marihuana und 96,26 Gramm Haschisch nebst Verpackung und einem Brieföffner sowie

(b) von zwei am 21. März 2017 sichergestellten Haschischbrocken; diese entfällt.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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I. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts sieht der Senat gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung des Wertes des Tatertrages in Höhe von 20 € ab.

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II. Soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist (Fall II. 2. der Urteilsgründe), hat das Urteil keinen Bestand.

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1. Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:

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Der Angeklagte führte am Tattag eine Umhängetasche mit sich, in der sich rund 88 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 11,61 Gramm THC und rund 96 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10,98 Gramm THC befanden. 80 Gramm Marihuana und 90 Gramm Haschisch waren für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Außerdem enthielt die Tasche ein sog. Cuttermesser mit einer vier Zentimeter lang ausgefahrenen und arretierten Klinge sowie einen 17 Zentimeter langen metallenen Brieföffner mit einer flachen, sich zum Griff hin verbreiternden Klinge. Diesen Brieföffner führte der Angeklagte mit sich, um ihn im Zusammenhang mit seinen Betäubungsmittelgeschäften notfalls als Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu benutzen.

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2. Die Feststellung, dass der Brieföffner als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG durch den Angeklagten zur Verletzung von Menschen bestimmt war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1997 - 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266), wird nicht von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen.

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a) Die Würdigung der Beweise ist zwar Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht hat indes zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen bzw. gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2017 - 3 StR 315/17, NJW 2018, 1411, 1412).

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b) Hieran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Feststellung, dass der Angeklagte den Brieföffner gegebenenfalls zur Verletzung von Menschen einsetzen wollte, revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand; sie ist lückenhaft.

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Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte den Brieföffner, von dem er nach seinen Angaben nichts wusste bzw. der ihm nicht gehört habe, mit sich führte, um ihn notfalls als Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu benutzen, maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass Anhaltspunkte für eine andere Zweckbestimmung nicht ersichtlich seien. So scheide auch die denktheoretische Möglichkeit aus, der im Tatzeitraum auch mit Ladendiebstählen aufgefallene Angeklagte könne den Brieföffner zum Ablösen von Sicherungsetiketten an Waren - zu einer Entfernung von Etiketten war es bei einem festgestellten Diebstahl am Tattag tatsächlich gekommen - bestimmt haben. Denn dies hätte der Angeklagte, der die Diebstähle nicht in Abrede gestellt habe, einräumen können, ohne "Nachteile" befürchten zu müssen. Damit übersieht die Strafkammer, dass der Angeklagte sich mit einer solchen Einlassung nicht nur eines einfachen Diebstahls nach § 242 StGB, sondern eines Diebstahls mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, der eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, hätte bezichtigen müssen. Auch hat das Landgericht nicht erörtert, warum der Brieföffner, der "mangels scharfer Klinge" als Portionierungswerkzeug für Haschisch ausscheiden müsse, aus Sicht des Angeklagten dennoch als geeignetes Angriffs- oder Abwehrmittel eingesetzt werden sollte.

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Bei seiner Überzeugungsbildung zur Zweckbestimmung des Brieföffners hat das Landgericht damit maßgebliche Umstände unberücksichtigt gelassen. Dazu, welchem Zweck das mitgeführte "Cuttermesser" dienen sollte, verhält sich das Urteil nicht. Eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist somit nicht rechtsfehlerfrei belegt, so dass die Verurteilung im Fall II. 2. der Urteilsgründe der Aufhebung unterliegt. Da der aufgezeigte Rechtsfehler die Feststellungen zum objektiven Geschehensablauf nicht berührt, hat der Senat diese aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO).

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3. Der Wegfall der für Fall II. 2. der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Darüber hinaus war die in diesem Fall angeordnete Einziehung von 0,71 und 83,66 Gramm Marihuana sowie 96,26 Gramm Haschisch nebst Verpackung und einem Brieföffner aufzuheben.

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III. Ebenfalls aufzuheben war die vom Landgericht ausgesprochene Einziehung von zwei Haschischbrocken, die am 21. März 2017 sichergestellt worden waren. Diese auf § 33 Satz 1 BtMG, § 74 Abs. 2 StGB gestützte Anordnung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht das Verfahren hinsichtlich der der Sicherstellung des Rauschmittels zugrundeliegenden Betäubungsmitteltat nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Damit fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für die Einziehung im Urteil (Weber, BtMG, 5. Aufl., § 33 Rn. 25 mwN). Der Senat ordnet in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO deren Entfallen an.

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IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

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Soweit die Strafkammer bei der Strafzumessung im Fall II. 2. der Urteilsgründe straferschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte die bei dieser Tat gehandelte Drogenmenge im Verhältnis zu früheren Taten "deutlich gesteigert" habe und zusätzlich bewaffnet war, begegnet dies im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB erheblichen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt aber die Bewaffnung wie den Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge voraus. Zwar hat die Kammer darauf hingewiesen, dass sie nicht die - strafbarkeitsbegründende - Bewaffnung "als solche" straferschwerend berücksichtigt habe, sondern "lediglich die im Längsschnitt zu erkennende Entwicklung hin zu einer größeren Drogenmenge nebst Bewaffnung" und darin die "in der Gesamtschau" zum Ausdruck gekommene erhebliche Steigerung der kriminellen Energie. Dabei hat sie allerdings übersehen, dass auch die strafschärfende Berücksichtigung der vom Täter aufgebrachten kriminellen Energie dann gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, wenn diese sich ihrerseits aus strafbarkeitsbegründenden Umständen herleitet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295; vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 465/10, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Körperverletzung 2; vom 29. April 2014 - 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; vom 21. November 2017 - 1 StR 491/17, juris Rn. 16).

Becker     

        

Spaniol     

        

RiBGH Dr. Tiemann ist

erkrankt und daher gehindert

zu unterschreiben.

                                   

Becker

        

Berg     

        

Leplow