Entscheidungsdatum: 05.08.2014
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 26. März 2014
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist,
b) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen 15 und 16 sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen "wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen jeweils eigenständiger, real konkurrierender Delikte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 15 und 16 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen bezog der Angeklagte von seinem Lieferanten "S. " Marihuana, das er in den Fällen 1-15 an den gesondert verfolgten D. gewinnbringend weiterveräußerte. Zwischen dem Angeklagten und "S. " bestand die Abmachung, dass der Angeklagte die Lieferungen erst bezahlen musste, wenn er seinerseits das Geld von D. erhalten hatte. Im Rahmen dieser Vereinbarung erhielt der Angeklagte von "S. " in einem Fall knapp 2 kg Marihuana, die er im Juni 2013 an D. weiterveräußerte. Auf den vereinbarten Kaufpreis von 10.000 € zahlte D. 3.500 € an. Zu weiteren Zahlungen seitens D. s kam es nicht mehr, da dieser kurz nach der Tat festgenommen wurde (Fall 15). Der Angeklagte entschied in der Folgezeit, den Handel mit Marihuana zu beenden. "S. " erklärte ihm hierauf unter anderem, dass ihm der Angeklagte noch die restlichen 6.500 € für die vorangegangene - von dem Angeklagten an D. weiterveräußerte - Lieferung schulde. Einige Tage später meldete sich "S. " erneut und erklärte, der Angeklagte solle die Möglichkeit erhalten, seine Schulden bei ihm abzuarbeiten, indem er für ihn Auslieferfahrten nach Lüneburg, Hamburg und Neumünster unternehme. Der Angeklagte ging hierauf ein und erhielt über 18 kg bereits abgepacktes Marihuana unterschiedlicher Qualität, welches er nach den Vorgaben "S. s" bezüglich der Übergabe- und Ablageorte auf jeweilige telefonische Bestellung an die Endabnehmer nach deren Wünschen zu Menge, Qualität und Lieferzeitpunkt auslieferte. Das von den Abnehmern erhaltene Geld deponierte der Angeklagte im Keller seines Wohnhauses, wo es "S. " abholte. Ein weiteres Entgelt für die Fahrten erhielt der Angeklagte nicht (Fall 16).
2. Auf dieser Grundlage erweisen sich die den Fällen 15 und 16 zugrunde liegenden Handlungen des Angeklagten nicht als zwei tatmehrheitliche Delikte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145; Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29ff. Rn. 563ff. mwN). Dem Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen sowohl Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, als auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde als Abnehmer oder als Lieferant tätig wird (vgl. etwa BGH, Urteile vom 17. Juli 1997 - 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; Beschluss vom 27. Juni 2008 - 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). Auch Tätigkeiten, die der Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten dienen, wie etwa die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten, erfüllen daher den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. November 1991 - 1 StR 361/91, NJW 1992, 1905 vom 17. Mai 1996 - 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50; Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465).
Nach diesen Maßstäben gilt: Sämtliche auf den Verkauf bzw. Absatz der Betäubungsmittel ausgerichtete Aktivitäten des Angeklagten in Fall 16 dienten der Erfüllung der anlässlich der Lieferung zu Fall 15 eingegangenen Schulden gegenüber "S. ". Sie waren mithin funktionell mit den einzelnen Handelsaktivitäten des Falles 15 verknüpft und bildeten mit diesen eine tatbestandliche Bewertungseinheit.
Die auf die Auslieferung der im Rahmen von Fall 16 erhaltenen Betäubungsmittel gerichteten Tätigkeiten stellen sich aber bei wertender Betrachtung darüber hinaus auch als Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben des "S. " mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar. Im Rahmen des Gesamtgeschäfts kam der konkreten Beteiligungshandlung des Angeklagten angesichts der von "S. " erteilten festen Vorgaben nur eine untergeordnete Bedeutung zu, die sich im Aufbewahren und Ausliefern der Betäubungsmittel erschöpfte. Die insoweit verwirklichte Beihilfe zur Tat des "S. " tritt nicht hinter das eigene Handeltreiben des Angeklagten zurück, weil jeweils andere Betäubungsmittelmengen betroffen sind. Es besteht insgesamt Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 224/09, juris Rn. 40; Beschluss vom 17. April 2014 - 3 StR 84/14, juris Rn. 11). Hinsichtlich des in Fall 16 übergebenen Marihuanas gilt dies entsprechend auch für den verwirklichten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Der Schuldspruch war daher zu ändern. Bei dessen Neufassung hatte die Bezeichnung des Handeltreibens als gewerbsmäßig zu entfallen. Es handelt sich hierbei nicht um ein qualifizierendes Tatbestandsmerkmal des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Entfallen konnte ferner die Bezeichnung des Handeltreibens als "unerlaubt". Dass es sich bei Straftaten nach dem BtMG um einen "unerlaubten" Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, versteht sich von selbst, weil das Handeln im Rahmen einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG aufgrund der gegebenen Verwaltungsakzessorietät die Strafbarkeit ausschließt. Es bedarf deshalb nicht der Tenorierung, auch wenn eine solche üblich und unschädlich ist (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2014 - 1 StR 90/14, juris Rn. 16).
3. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Einzelstrafenaussprüche in den Fällen 15 und 16 sowie der Gesamtstrafe zur Folge. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die den aufgehobenen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich. Die für die konkurrenzrechtlich einheitliche Tat neu festzusetzende Einzelstrafe darf aufgrund des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO die Summe der bisherigen Einzelstrafen ebenso wenig überschritten werden wie die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12 mwN; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 358 Rn. 30 mwN).
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