Entscheidungsdatum: 20.05.2014
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 11. November 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen und des Erwerbs von Betäubungsmitteln in 40 Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat keinen Erfolg.
I.
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Der bislang unbestrafte Angeklagte arbeitete bis wenige Monate vor seiner im Juni 2013 erfolgten Inhaftierung als Fahrer für verschiedene Firmen. Im Jahr 2011 fing er an, unregelmäßig kleinere Mengen (0,2 Gramm) Heroin zu rauchen, wobei er den Konsum auch wochenweise einstellte. Ab Sommer 2012 kam es zu einer Steigerung des Heroinkonsums. Der Angeklagte rauchte etwa bis März 2013 täglich bis zu ein Gramm Heroin. Aus Angst um seine Gesundheit führte er im Frühjahr 2013 einen Selbstentzug mit Subutex durch. In der Folgezeit rauchte er wieder unregelmäßig kleinere Mengen Heroin. Körperliche Entzugserscheinungen hatte er nach seiner Inhaftierung nicht.
Im Februar, Mai und Juni 2013 fuhr der Angeklagte den früheren Mitangeklagten G. , der über keine Fahrerlaubnis verfügte, nach Aachen, wo G. jeweils 100 Gramm Heroin (Wirkstoffgehalt mindestens 16 Prozent) kaufte, um dieses gewinnbringend weiter zu verkaufen. Der Angeklagte, der um den Zweck der Fahrten wusste, erhielt als Belohnung für jede Fahrt entweder 200 Euro Bargeld oder fünf Gramm Heroin zum Eigenkonsum. Im Zeitraum Anfang August 2012 bis Ende Mai 2013 kaufte der Angeklagte mindestens einmal wöchentlich jeweils mindestens ein Gramm Heroingemisch (Wirkstoffgehalt mindestens zehn Prozent) für jeweils 50 Euro zum Eigenkonsum.
2. Das Landgericht hat dieses Verhalten als drei Taten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und als 40 Taten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gewertet. Die drei Beihilfetaten hat es unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes jeweils als minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG gewertet und auf Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren erkannt; bei den 40 Erwerbstaten hat es den Strafrahmen § 29 Abs. 1 BtMG entnommen und Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten verhängt.
3. Sachverständig beraten hat die Kammer geprüft, ob der Angeklagte nach § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Mit dem Sachverständigen ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Angeklagten zwar ein Hang im Sinne von § 64 StGB vorliegt, seine Taten auf diesen Hang zurückgehen und ohne ausreichende Suchtbehandlung weitere ähnliche Taten vom Angeklagten zu erwarten sind. Allerdings hat die Kammer, dem Sachverständigen folgend, die Erfolgsaussichten einer Therapie verneint, weil der Angeklagte jede Therapie kategorisch ablehne und die notwendige Therapiebereitschaft auch im Maßregelvollzug nicht geweckt werden könne.
II.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des geständigen Angeklagten. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
1. Die Strafzumessung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Sie weist insbesondere keine Erörterungsmängel oder Lücken auf. Das Landgericht hat zwar nicht ausdrücklich erörtert, ob bei den einzelnen Taten des Angeklagten die Voraussetzungen des vertypten fakultativen Strafmilderungsgrundes einer verminderten Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB vorliegen. Dies erweist sich jedoch nicht als rechtsfehlerhaft.
a) Ein sachlich-rechtlicher Erörterungsmangel liegt vor, wenn nach den Urteilsfeststellungen und den dort geschilderten Umständen des Einzelfalls ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtlich beachtlichen Umstands bestehen, so dass sich dessen Erörterung aufdrängt, dies jedoch unterblieben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 376/03, BGHSt 49, 342, 344).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Abhängigkeit von Drogen für sich gesehen keine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519). Deshalb liegt regelmäßig kein Erörterungsmangel vor, wenn bei Straftaten von Drogenabhängigen die Voraussetzungen von § 21 StGB nicht erörtert werden.
Eine rechtlich erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder unter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt (vgl. BGH, aaO mwN). In Ausnahmefällen kann auch die Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen, die der Angeklagte schon einmal als äußerst unangenehm („intensivst" oder „grausamst") erlitten hat, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen (Senat, Urteil vom 17. April 2012 - 1 StR 15/12, NStZ 2013, 53, 54 f. Rn. 27, 36 mwN; BGH, Urteil vom 20. August 2013 - 5 StR 36/13, NStZ-RR 2013, 346, 347). Nur wenn solche besonderen Umstände vorliegen, drängt sich die Erörterung der Voraussetzungen von § 21 StGB auf, so dass ein Erörterungsmangel vorliegen kann, wenn solche Erwägungen unterbleiben.
b) Derartige besondere Umstände enthalten die Urteilsfeststellungen nicht. Der Angeklagte ist bislang nicht straffällig geworden und hat bis wenige Monate vor seiner Verhaftung regelmäßig gearbeitet.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 64 StGB legt die Kammer zwar dar, dass der Angeklagte gegenüber dem Sachverständigen geäußert hat, er habe im Tatzeitraum „Entzugserscheinungen in Form von ausgeprägten Gelenkschmerzen verspürt", wenn ihm kein Heroin zur Verfügung gestanden habe, und er habe deshalb regelmäßig weiterkonsumiert. Daraus und aus der Konsumhäufigkeit folgert der Sachverständige (und mit ihm das Landgericht), beim Angeklagten sei eine „beginnend eingeschränkte Kontrollfähigkeit hinsichtlich des Opiatkonsums", ein „Opiatabhängigkeitssyndrom", mithin ein Hang im Sinne von § 64 StGB festzustellen.
Damit belegen die Urteilsfeststellungen jedoch nur die Voraussetzungen einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten, die sich bei Opiaten - wie im vorliegenden Fall - typischerweise gerade wegen der Vermeidung als unangenehm erlebter Entzugserscheinungen entwickelt. Über die genannten Folgen der Betäubungsmittelabhängigkeit hinaus schildert das Urteil keine als „grausamst" oder „intensivst" zuvor erlebten und deshalb bei Tatbegehung akut befürchteten Entzugserscheinungen. Weil die Abhängigkeit von Heroin nicht per se zur Einschränkung der Steuerungsfähigkeit hinsichtlich des Erwerbs von Heroinmengen zum Eigenverbrauch führt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1989 -2 StR 172/89, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 6; vgl. auch Senat, Urteil vom 10. September 2003 - 1 StR 147/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 14), bedurfte es deshalb keiner Erörterung der Frage, ob die Voraussetzungen von § 21 StGB vorliegen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Angeklagten nicht in einer Entziehungsanstalt untergebracht hat. Das Landgericht hat den rechtlichen Maßstab der Anwendung von § 64 StGB zutreffend erkannt und ist sachverständig beraten auf tragfähiger Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass eine Therapie aufgrund der kategorischen Weigerung des Angeklagten, sich therapieren zu lassen, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dabei hat die Kammer unter Einbeziehung der durch den Sachverständigen vermittelten Erkenntnisse auch hinreichend dargelegt, dass aufgrund der verfestigten Einstellung des Angeklagten im Maßregelvollzug seine Therapiebereitschaft nicht geweckt werden kann. Soweit der Revisionsführer die Erfolgsaussichten einer Therapie unter Hinweis auf Ausführungen im schriftlichen Sachverständigengutachten anders einschätzt als das Gericht, kann er mit diesem urteilsfremden Vorbringen im Rahmen der Sachrüge nicht gehört werden.
3. Die vom Generalbundesanwalt beantragte Ergänzung und Präzisierung des Schuldspruchs durch Einfügung der Worte „vorsätzlich" und „unerlaubt" hält der Senat nicht für geboten. Weil nach § 15 StGB zunächst nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, fahrlässiges lediglich dann, wenn es ausdrücklich mit Strafe bedroht ist, muss der Zusatz vorsätzlicher Tatbegehung hier nicht in die Urteilsformel aufgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 1992 - 3 StR 61/92, NStZ 1992, 546; Beschluss vom 3. Mai 2002 - 2 StR 133/02). Dass es sich bei Straftaten nach dem BtMG um einen „unerlaubten" Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, versteht sich von selbst und bedarf deshalb nicht der Tenorierung, auch wenn eine solche üblich und unschädlich ist.
Raum Rothfuß Graf
Jäger Mosbacher