Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 19.12.2018


BGH 19.12.2018 - 3 StR 263/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
19.12.2018
Aktenzeichen:
3 StR 263/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:191218B3STR263.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Hannover, 19. Februar 2018, Az: 33 KLs 3/16
Zitierte Gesetze
§§ 1896ff BGB

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten Br.   wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Februar 2018, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Untreue in fünf Fällen schuldig ist;

b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Auf die Revision des Angeklagten B.   wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, in der Einziehungsentscheidung dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 25.784 € gegen diesen Angeklagten als Gesamtschuldner angeordnet wird.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

4. Der Angeklagte B.   hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten Br.   wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten B.   wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen den Angeklagten Br.   hat es zudem die Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe von 30.000 € angeordnet, gegen den Angeklagten B.   in Höhe von 25.784 €. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten jeweils mit der näher ausgeführten Sachrüge. Sie machen zudem das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend. Der Angeklagte B.   beanstandet zudem die Verletzung formellen Rechts. Die Revisionen haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

I. Nach den Feststellungen war der Angeklagte Br.   , der seinen Lebensunterhalt mit Berufsbetreuungen bestritt, seit dem 14. Mai 2001 zum Betreuer der Erblasserin W.   mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge gerichtlich bestellt worden. W.   , die weder Abkömmlinge noch sonst Verwandte hatte, litt seit 2002 unter Depressionen mit psychotischer Symptomatik und beginnender Demenz. Spätestens seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus am 13. März 2006 war sie testierunfähig; sie hatte nur noch wenige Tage zu leben. Um an einen Teil ihres Vermögens zu gelangen, beauftragte der Angeklagte Br.   einen Notar aus H.   mit der auswärtigen Beurkundung eines Testaments. Der Angeklagte B.   , den der Angeklagte Br.    mit W.   bekannt gemacht hatte und der diese gelegentlich besuchte, teilte dem Notar telefonisch den wesentlichen Testamentsinhalt mit. Am 15. März 2006 suchte der Angeklagte B.   zusammen mit dem Notar die Frau W.   in ihrem Zimmer in der betreuten Wohnungseinrichtung auf. Dass W.   testierunfähig war, war beiden Angeklagten bewusst bzw. hielten sie für möglich und wollten dieses ausnutzen. Im Testament wurde der Deutsche Krebshilfe e.V. als Erbe eingesetzt und mit einem Vermächtnis zugunsten des Angeklagten B.   in Höhe von 30.000 € beschwert. Der Angeklagte Br.   wurde als Testamentsvollstrecker eingesetzt; ihm sollte eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von 30.000 € zustehen.

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Nach Versterben der Erblasserin am 18. März 2006 überwies der Angeklagte Br.    als Testamentsvollstrecker vom Nachlasskonto am 28. November 2007 an Notargebühren 590,79 € an den Notar, an den Angeklagten B.    am 11. Dezember 2007 auf das Vermächtnis 20.000 € und am 15. Januar 2008 das "Restvermächtnis" in Höhe von weiteren 5.784 €. Auf ein eigenes Konto überwies der Angeklagte Br.   am 30. Januar 2008 und am 5. Juni 2008 jeweils 15.000 € als Testamentsvollstreckervergütung.

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II. 1. Der Schuldspruch betreffend den Angeklagten Br.   hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht eine Tat angenommen und dabei darauf abgestellt hat, der Angeklagte habe die Erblasserin dazu veranlasst, ihn selbst gegen eine Vergütung als Testamentsvollstrecker einzusetzen sowie zugunsten des Angeklagten B.   ein erhebliches Vermächtnis anzuordnen.

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a) Der Angeklagte Br.    beging vielmehr durch die fünf Überweisungen vom Nachlasskonto zu Lasten des Erben fünf Untreuetaten (§ 266 Abs. 1, § 53 StGB). Im Einzelnen:

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aa) Die gesetzliche Betreuung (§§ 1896 ff. BGB) wirkt über den Tod der betreuten Person hinaus. Die Abwicklung des Betreuungsverhältnisses mit deren Erben gehört noch zu dem von der Vermögensfürsorgepflicht umfassten Tätigkeitsbereich; sie ist als Teil der Tätigkeit anzusehen, zu welcher der Betreuer zuvor bestellt worden war. In diesem Umfang besteht nach dem Tod der betreuten Person die Vermögensfürsorgepflicht des Betreuers gegenüber dem Erben als ihrem Rechtsnachfolger fort. Insbesondere hat der Betreuer nach dem Tod der betreuten Person nach § 1908i i.V.m. § 1890 BGB Rechnung über das betreute Vermögen zu legen und dieses herauszugeben (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2018 - 3 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 347, 348; vom 14. August 2013 - 4 StR 255/13, NStZ-RR 2013, 344, 345; OLG Stuttgart, Urteil vom 18. September 1998 - 2 Ss 400/98, NJW 1999, 1564, 1566; Thomas, NStZ 1999, 622, 624).

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Anders als das Landgericht und der Generalbundesanwalt angenommen haben, ist kein "Gefährdungsschaden" zu Lasten der Erblasserin anzunehmen: Solange die betreute Person lebt, ist durch die letztwillige Verfügung der Wert ihres Vermögens nicht geschmälert. Dass sie durch das unwirksame Testament den Anschein setzte, nicht mehr anderweitig über ihr Vermögen letztwillig verfügen zu können bzw. die gesetzliche Erbfolge auszuschließen, berührt allein ihre Dispositionsfreiheit. Für den rechtmäßigen Erben besteht nur eine ungesicherte Aussicht auf Erwerb des Nachlassvermögens, welcher ebenfalls kein Vermögenswert zukommt. Überdies hat der Betreuer zu Lebzeiten der betreuten Person gegenüber deren Erben keine Vermögensbetreuungspflicht. Die Testamentserrichtung unterfällt dem Vorbereitungsstadium; die Tathandlungen liegen in den Auszahlungen nach Eintritt des Erbfalls (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2018 - 3 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 347, 348).

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Nach alledem ist im Kern für die Verurteilung wegen Untreue die tatrichterliche Überzeugung erforderlich, aber auch ausreichend, dass der angeklagte Betreuer bewusst den jeweiligen Nachlass um die Testamentsvollstreckungsvergütung schmälerte, obwohl, was er zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, das notarielle Testament in Folge der Testierunfähigkeit der Erblasserin unwirksam war. Es bedarf mithin nicht notwendig konkreter Feststellung dazu, wo, wann und in welcher Form der Angeklagte auf die Betreute einwirkte, um seine Ernennung zum Testamentsvollstrecker zu erreichen und wie sich anschließend der Ablauf der notariellen Beurkundungen gestaltete (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2018 - 3 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 347, 349).

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bb) An diesen Grundsätzen gemessen hätte das Landgericht auf der Grundlage der für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf die fünf Auszahlungen abstellen und fünf tatmehrheitlich begangene Fälle der Untreue annehmen müssen. Da das Testament unwirksam war (§ 2229 Abs. 4 BGB), vereinnahmten die Angeklagten die Testamentsvollstreckungsvergütung bzw. den Vermächtnisbetrag ohne Rechtsgrund. Auch die Auszahlung der Notargebühren war nicht gerechtfertigt. Das Bundesland Niedersachsen war Erbe geworben (§ 1936 Satz 1 BGB) und damit Geschädigter. Angesichts des sorgfältig mit sachverständiger Hilfe beweiswürdigend belegten äußerst gebrechlichen und zum Schluss gar moribunden Zustands der Erblasserin drängte sich beiden Angeklagten ihre Testierunfähigkeit auf.

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cc) Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Denn bereits die Anklage hat maßgeblich auf die Überweisungen abgestellt und die zugehörigen Daten im Anklagesatz durch Fettdruck hervorgehoben, dann aber rechtlich fehlerhaft die fünf Überweisungen nach dem jeweiligen Zahlungsempfänger zusammengefasst und daher drei Taten angenommen. Dessen ungeachtet hat der Angeklagte der Anklage entnehmen können, dass die Tathandlungen in den Auszahlungen lagen. Danach kann der Senat ausschließen, dass sich der Angeklagte gegen die Annahme von fünf Taten anders als geschehen hätte verteidigen können.

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b) Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Strafe nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei diesem Subsumtionsfehler nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten haben und zum Strafausspruch neue Feststellungen treffen können, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

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c) Eine Ergänzung der Einziehungsentscheidung um die gesamtschuldnerische Haftung scheidet beim Angeklagten Br.    - anders als beim Angeklagten B.   - aus. Der zu Lasten des Angeklagten Br.    angeordnete Einziehungsbetrag von 30.000 € betrifft allein den ihm verbliebenen Anteil. Daran erlangte der Mitangeklagte B.   zu keinem Zeitpunkt Verfügungsgewalt. Mithin wäre eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten Br.    nur zu tenorieren gewesen, wenn das Landgericht gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 55.784 € angeordnet hätte (BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - 3 StR 144/18, juris Rn. 10 mwN). An einer solchen Urteilsergänzung ist der Senat indes wegen des Verbots der Schlechterstellung gehindert (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO; BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2018 - 3 StR 620/17, juris Rn. 31; vom 10. April 2018 - 5 StR 101/18, juris Rn. 1; OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 5 Rev 4/18, wistra 2018, 485, 486; Schmidt, NStZ 2018, 631, 632).

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2. Die Revision des Angeklagten B.   führt mit der Sachrüge nur zu einer Änderung der Einziehungsentscheidung.

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a) Bezüglich der Verurteilung des Angeklagten B.   ist lediglich von einer Tat auszugehen. Gesonderte Tatbeiträge zu den einzelnen Auszahlungen sind nicht festgestellt.

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b) Im Übrigen erweist es sich als rechtsfehlerfrei, dass das Landgericht den Strafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB nur einfach gemildert hat. Denn die Feststellungen belegen der Sache nach mittäterschaftliche Beiträge. Damit war der Angeklagte B.   allein deswegen als Gehilfe zu verurteilen, weil ihm die Betreuereigenschaft (§§ 1896 ff. BGB) und damit das strafbarkeitsbegründende besondere persönliche Merkmal fehlte (§ 28 Abs. 1 StGB). Unter diesen Umständen ist der Strafrahmen nicht nochmals nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern (BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 54 f.; vom 26. November 2008 - 5 StR 440/08, wistra 2009, 105; vom 25. April 2007 - 2 StR 25/07, wistra 2007, 306, 307).

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aa) Für die mittäterschaftliche Tatbegehung ist neben dem gemeinsamen Tatplan ein konkreter Tatbeitrag des Beteiligten erforderlich. Gemeinschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Maßgebend sind der Grad des Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 3 StR 130/18, juris Rn. 13 mit weiteren umfangreichen Nachweisen). Das Tatgericht muss zur Abgrenzung der Täterschaft von der Teilnahme die Beweisergebnisse als Grundlage seiner Bewertung umfassend würdigen (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648, 649; vom 29. September 2015 - 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7; Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254).

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bb) Wie ausgeführt, war die Testamentserrichtung die entscheidende Vorbereitungshandlung für das spätere Zugreifen auf das Konto der Erblasserin. Bei der Errichtung des Testaments war der Angeklagte B.   anstelle des Betreuers Br.   zugegen und überwachte daher, dass das Testament den zur Umsetzung des Tatplans erforderlichen Inhalt hatte. Dieser gewichtige Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium wiegt den geringeren Einfluss bei den Auszahlungen als den eigentlichen Tathandlungen auf.

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c) Allein bei der Einziehungsentscheidung hat das Landgericht nicht bedacht, dass zuvor der Angeklagte Br.   Verfügungsgewalt über die Buchgelder hatte. Mithin haftet der Angeklagte B.   in Höhe von 25.784 € neben dem Angeklagten Br.   als Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB).

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3. Die Taten sind nicht verjährt. Vor Verstreichen von fünf Jahren ist der Ablauf der Frist durch Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vom 20. Juni 2012 unterbrochen worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, §§ 78a, 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 StGB). Der Durchsuchungsbeschluss ist gegen beide Angeklagte gerichtet und umreißt die Taten mit dem Abstellen auf die unberechtigt vereinnahmte Testamentsvollstreckungsvergütung und das Vermächtnis ausreichend konkret. Die "sachlich nicht gerechtfertigte(n) Zahlungen" umfassen aufgrund des geschilderten Fehlverhaltens des in den Kreis der Beschuldigten einbezogenen Notars auch die Notargebühren. Durch Anklageerhebung am 4. Februar 2016 ist die Verjährung erneut unterbrochen worden (§ 78c Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB). Vor Ablauf von zehn Jahren (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) hat der Eröffnungsbeschluss vom 16. Oktober 2017 die Ruhenswirkung herbei geführt (§ 78c Abs. 3 Satz 3, § 78b Abs. 4 StGB).

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III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Strafzumessungserwägung des Landgerichts, zu Lasten des Angeklagten Br.   sei ganz erheblich ins Gewicht gefallen, "dass er seine Stellung als Betreuer und das sich daraus ergebende Vertrauen der Betreuten für eigene Zwecke zur Tatbegehung ausgenutzt und missbraucht" habe, mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) Bedenken begegnet.

Schäfer     

        

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