Entscheidungsdatum: 15.05.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. November 2017, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er für die Tat 2 unter III. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges sowie versuchter räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer Vorstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und die Einziehung des Werts des Taterlangten in Höhe von 16.000 € angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Soweit der Angeklagte wegen Betruges (§ 263 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB) für die Tat 1 unter III. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, hat die aufgrund der allgemeinen Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Auch die auf der Grundlage dieser Tat getroffene Einziehungsentscheidung erweist sich als rechtsfehlerfrei.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, §§ 255, 249 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB) für die Tat 2 unter III. der Urteilsgründe hat hingegen keinen Bestand. Dies bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.
a) Das Landgericht hat - soweit für die Revision relevant - folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte betrieb in Istanbul eine Autovermietung. In seinem Ladenlokal hatte der gesondert Verfolgte S. Räume angemietet. Die in dem Ladenlokal vorhandenen technischen Einrichtungen nutzten gewöhnlich beide. Unter Verwendung der dortigen Telekommunikationsmittel hatten der Angeklagte und S. gemeinschaftlich handelnd dem Arzt Dr. H. bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt, Mitglieder der "Hells Angels" zu sein und für die Summe von 30.000 € dafür zu sorgen, dass die geschiedene Ehefrau des Dr. H. das in dessen Alleineigentum stehende Wohnanwesen verlässt; daraufhin hatte dieser als Anzahlung insgesamt 16.000 € auf ein Konto des Angeklagten überwiesen (Tat 1).
Als Dr. H. realisierte, dass seine geschiedene Ehefrau nicht auszog, und nicht weiterzahlte, wollte der Angeklagte "die Sache auf sich beruhen lassen". S. beabsichtigte hingegen, von Dr. H. zusätzliche Zahlungen durch massive Drohungen zu erlangen. Er wollte sich "allein" darum "bemühen"; gleichwohl war er bereit, den Angeklagten, der keinerlei Initiative oder Aktivität entwickeln wollte, an etwaigen Erträgen zu beteiligen. Dem Angeklagten "war dies recht".
Entsprechend der mit dem Angeklagten getroffenen Übereinkunft wirkte S. in der Folgezeit über die gewöhnlich von beiden genutzten Telekommunikationsmittel massiv auf Dr. H. ein. Insbesondere mittels Chat-Nachrichten, E-Mails und Telefonanrufen verlangte er - letztlich erfolglos - weitere Geldbeträge und drohte seinem Opfer unter Aufrechterhaltung der Legende, den "Hells Angels" anzugehören, über Wochen hinweg insbesondere auch mit gewaltsamen Übergriffen auf dessen Familienangehörige.
Der Angeklagte war nicht über die Einzelheiten dieser Vorgänge informiert. Er fragte auch nicht nach, wie sich S. das Geld verschaffen wollte. "Ihm war lediglich daran gelegen, an einer eventuellen Beute zu partizipieren." Mit welchen Drohungen S. Dr. H. zur Zahlung zu bewegen suchte, war dem Angeklagten gleichgültig; dass sich diese gegen Leib oder Leben richteten, nahm er billigend in Kauf.
b) Die Feststellungen tragen nicht die Annahme eines vom Angeklagten mittäterschaftlich begangenen (§ 25 Abs. 2 StGB) Versuchs der räuberischen Erpressung, weder durch positives Tun noch durch Unterlassen.
aa) Entgegen der offenbar von der Strafkammer vorgenommenen rechtlichen Würdigung ist das festgestellte Verhalten des Angeklagten nicht als durch aktives Handeln begründete Mittäterschaft zu beurteilen.
(1) Für die mittäterschaftliche Tatbegehung ist neben dem gemeinsamen Tatplan ein konkreter Tatbeitrag des Beteiligten erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 25 Rn. 31 mwN). Unklar bleibt indes, worin eine aktive Tatbeteiligung des Angeklagten bestanden haben soll. In Betracht kommt, dass der Angeklagte, der der Anschlussinhaber der gewöhnlich von beiden genutzten Telekommunikationsmittel war, diese S. durch aktives Handeln zur Verfügung stellte. Festgestellt ist dies freilich nicht, vielmehr nur, dass es ihm ein Leichtes gewesen wäre, dessen Zugriff auf die Geräte zu unterbinden.
(2) Darüber hinaus begegnete es, selbst wenn ein solches positives Tun vorläge, durchgreifenden rechtlichen Bedenken, die ausschließlich von S. ausgeführte Tat dem Angeklagten als Mittäter zuzurechnen.
Gemeinschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Maßgebende Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2017 - 3 StR 455/16, juris Rn. 4; vom 4. April 2017 - 3 StR 451/16, juris Rn. 7; vom 5. Juli 2017 - StB 14/17, NJW 2017, 2693, 2694). Eine ganz untergeordnete Tätigkeit deutet dabei schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (BGH, Beschluss vom 21. April 2009 - 3 StR 107/09, StraFo 2009, 344, 345 mwN).
Gemessen daran begründet ein bloßes Zur-Verfügung-Stellen der Telekommunikationsmittel keine Mittäterschaft. Zwar hatte der Angeklagte aufgrund der Aussicht auf eine Gewinnbeteiligung ein gewisses Tatinteresse, jedoch keine Tatherrschaft bezogen auf die Tatausführung oder wenigstens die -planung. S. handelte vielmehr allein und legte mit unbedingtem Täterwillen alle Tatmodalitäten fest. Ein vom Angeklagten zu verantwortendes Bereitstellen der Telekommunikationsmittel war im Vergleich hierzu von untergeordneter Bedeutung. Auf das strafrechtlich relevante Kerngeschehen, über das er nur grob informiert war, nahm er keinen Einfluss.
bb) Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Mittäterschaft durch Unterlassen kann der Schuldspruch ebenso wenig bestehen bleiben.
(1) Eine - hier allein in Betracht kommende - Garantenstellung des Angeklagten wegen Ingerenz liegt nicht schon ohne weiteres darin begründet, dass er mittäterschaftlich an dem vorangegangenen Betrug beteiligt war. Die Garantenpflicht setzt vielmehr voraus, dass das Vorverhalten zu einer Gefahrenerhöhung im Sinne einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts führt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2009, 366; vom 8. März 2017 - 1 StR 466/16, NJW 2017, 2052, 2054; Urteil vom 12. Juli 2017 - 5 StR 134/17, NStZ 2018, 209, 210). Das ist bei anders gearteten Folgetaten - wie einer versuchten räuberischen Erpressung nach einem Betrug - regelmäßig nicht der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2012 - 3 StR 293/12, NStZ-RR 2013, 137, 138). Abweichendes könnte sich hier indes ausnahmsweise daraus ergeben, dass ausweislich der Urteilsgründe der Angeklagte und S. bei Begehung des Betruges die - später von diesem fortgeschriebene - Legende kreiert hatten, Mitglieder der "Hells Angels" zu sein, und schon damals "unterschwellig ... zuletzt den Druck erhöht" hatten (UA S. 14). Konkrete Feststellungen zu dem dem Angeklagten zurechenbaren "unterschwelligen Druck" fehlen allerdings. Eine abschließende rechtliche Beurteilung ist daher weder möglich noch geboten.
(2) Außerdem wäre der Angeklagte auf der Grundlage der Feststellungen auch im Fall einer Unterlassensstrafbarkeit kein Mittäter, sondern nur Gehilfe.
Auch insoweit gelten vergleichbare Maßstäbe wie beim positiven Tun: Für die Abgrenzung zwischen durch Unterlassen begangener Mittäterschaft und Beihilfe zur Tat eines aktiv Handelnden ist die innere Haltung des Unterlassenden zur Tat bzw. dessen Tatherrschaft maßgebend. War seine aufgrund einer wertenden Betrachtung festzustellende innere Haltung - insbesondere wegen des Interesses am Taterfolg - als Ausdruck eines sich die Tat des anderen zu eigen machenden Täterwillens aufzufassen, so liegt die Annahme von Mittäterschaft nahe. War sie dagegen davon geprägt, dass er sich dem Handelnden, etwa weil er dessen bestimmenden Einfluss unterlag, im Willen unterordnete, und ließ er das Geschehen ohne innere Beteiligung lediglich ablaufen, spricht dies für eine bloße Beteiligung als Gehilfe (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - 4 StR 488/08, NStZ 2009, 321, 322; Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380).
Hiernach liegt eine Mittäterschaft durch Unterlassen nicht vor. Der Angeklagte hatte zwar ein gewisses Tatinteresse. Ihm war es recht, dass S. bereit war, ihn an den Erträgen zu beteiligen; an einem in Aussicht gestellten Beuteanteil war ihm gelegen. Allein daraus folgt aber noch nicht, dass die strafbaren Handlungen des S. als eigene Tat des Angeklagten zu bewerten wären. Dessen innere Haltung war dadurch gekennzeichnet, dass er über die einzelnen Tatmodalitäten nicht informiert war, sich für die Tat nicht interessierte und sie - der Art und Weise der Tatausführung gleichgültig gegenüberstehend - schlicht geschehen ließ.
c) Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat dahin, dass der Angeklagte im Fall der Tat 2 der Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist, kommt nicht in Betracht. Auch diesbezüglich sind weitergehende Feststellungen vonnöten. Wie ausgeführt (s. oben unter 2. b) aa) (1) und bb) (1)), gilt das für einen konkreten Tatbeitrag des Angeklagten und gegebenenfalls für dessen Garantenstellung. Solche Feststellungen können aber auch eine psychische Beihilfe (zu den Voraussetzungen s. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316 f.; vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 33; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 27 Rn. 9 ff., 42 f.; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 15) betreffen.
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