Entscheidungsdatum: 19.08.2014
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
1. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen und Wertungen des Landgerichts zugrunde:
a) Der Beschuldigte ist seit Ende der 1980er Jahre an einer schizomanischen Störung (ICD-10 F 25.8) mit chronifiziertem Verlauf und schwerwiegendem Residualzustand erkrankt. Zusätzlich besteht bei ihm eine Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit (ICD-10 F 10.2 und 13.2). Er befand sich deshalb seit 1986 vielfach im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Wunstorf, verlor 1995 seinen Arbeitsplatz und bezieht seit 1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Im Jahr 1998 drohte er in einer akut psychotischen Situation seiner Mutter und seiner damaligen Verlobten, er werde sie und auch sich selbst töten. Das Landgericht Hannover verhängte deshalb im Januar 2000 eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und ordnete die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, die bis Juni 2005 vollstreckt, sodann zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 29. Juli 2008 für erledigt erklärt wurde. Auch nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug kam es zu einer Vielzahl von stationären Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, teilweise in geschlossenen Stationen, teilweise in Wohn- und Pflegeheimen des Klinikums Wahrendorff oder anderer Institutionen. In den Jahren nach der hier verfahrensgegenständlichen Tat befand sich der Beschuldigte erneut zahlreich, teilweise aufgrund des Unterbringungsrechts, zumeist aber auf freiwilliger Grundlage jeweils kurzzeitig in stationärer psychiatrischer Behandlung.
b) Am 1. April 2011 betrat der Beschuldigte eine Sparkassenfiliale und füllte am Serviceschalter einen Auszahlungsauftrag aus. Nachdem es aufgrund eines technischen Problems zu zeitlichen Verzögerungen bei der Bearbeitung gekommen war, drängte der Beschuldigte aufgebracht und lautstark gegenüber dem Mitarbeiter des Kreditinstituts auf umgehende Auszahlung. Er versuchte, einen Monitor, auf dem der Filialleiter die Ursache für die Verzögerung feststellen wollte, herumzudrehen und sich selbst einen Blick auf die Kontounterlagen zu verschaffen. Als der Filialleiter ihm dies aus Datenschutzgründen untersagte, wurde er von dem Beschuldigten mit den Worten "Dreck", "Pimmellecker" und "Schwanzlutscher" beschimpft und damit bedroht, der Beschuldigte werde ihm den "Schwanz" abschneiden und ihm in den Mund stecken. Nunmehr zerriss der Filialleiter den Auszahlungsauftrag und wies den Beschuldigten aus den Geschäftsräumen. Daraufhin ging der Beschuldigte zu seiner Sporttasche, die er beim Betreten der Filiale abgestellt und auf die er ein Samuraischwert gelegt hatte. Das Schwert hatte eine stumpfe Metallklinge mit einer Klingenlänge von 62 cm, die sich in einer Plastikscheide befand. Dieses Schwert nahm der Beschuldigte, hielt es mit beiden Händen in Richtung des Filialleiters und drohte diesem, er werde "ihm den Kopf abschneiden", "ihn aufschlitzen" und ihm "den Kopf abhacken". Der Filialleiter bekam Angst um sein und der anderen Beschäftigten körperliches Wohl und veranlasste, dass ein Mitarbeiter den Notruf betätigte. Kurz danach verließ der Beschuldigte - in der einen Hand seine Sporttasche, in der anderen das Schwert haltend - die Filiale. Von den alarmierten Polizeibeamten wurde der Beschuldigte einige Zeit später im Bereich der Innenstadt angetroffen und aufgefordert, das Schwert fallen zu lassen. Als er nur mit den Worten "Was willst Du?" reagierte, wurde er unter Einsatz eines Pfeffersprays überwältigt und zur Polizeidienststelle verbracht. Dabei beschimpfte er die Polizeibeamten unter anderem mit den Worten "Nazis" und "korrupte Schweine".
Neben dieser Anlasstat hat das Landgericht zwei weitere Geschehnisse festgestellt: Ende August 2011 betrat der Beschuldigte trotz eines gegen ihn bestehenden Hausverbots das psychiatrische Wohnheim "C. ", um seine dort lebende Freundin zu besuchen. Er wurde von Mitarbeiterinnen der Einrichtung aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Darauf beschimpfte er die Frauen mit den Worten "Nazisau" und "Nazihure" und drohte ihnen an, sie würden mit einem Bolzenschussgerät getötet, ihre Leichen würde man "auf der Müllkippe finden". Sodann beruhigte er sich und verließ das Wohnheim. Im Mai 2013 geriet der Beschuldigte am Zentralen Omnibusbahnhof mit einem Reiseleiter in einen Konflikt. Er simulierte in der Art eines Kampfkünstlers einen Tritt sowie einen Faustschlag gegen den Mann, ohne dadurch Verletzungen herbeizuführen. Die Ermittlungsverfahren wegen dieser Vorfälle hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf das vorliegende Verfahren jeweils nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
c) Das Landgericht hat - dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen folgend - nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Tatbegehung aufgehoben war. Ursächlich war die schizomanische Erkrankung des Beschuldigten, die zu groben Störungen der Selbststeuerung im Sinne von distanz- und schamlosem Verhalten führt, die Kritikfähigkeit nahezu aufhebt und den Beschuldigten Aggressionen nicht als eigene Affekte, sondern als gerechtfertigte Reaktionen auf das Tun anderer erleben lässt. Von der erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit war die Strafkammer ebenso überzeugt wie von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte zukünftig erneut gleichartige Taten sowie auch einfache Körperverletzungshandlungen geringeren Ausmaßes (UA S. 20, 21) begehen wird. Die begangene Bedrohung hat sie wegen der psychischen Auswirkungen auf die Mitarbeiter der Sparkasse als Tat der mittleren Kriminalität eingestuft und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf die Gefahr der Wiederholung solcher Taten gestützt.
2. Die Anordnung der Unterbringung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlass-tat(en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5).
Darüber hinaus muss die Anordnung verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In § 62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals einfachgesetzlich geregelt, um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung hervorzuheben. Er beherrscht auch die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und gebietet, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 789/13, NStZ-RR 2013, 360 (nur Ls)). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 5 StR 215/07, NStZ-RR 2007, 300, 301). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Beschuldigten und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340).
b) Gemessen hieran hat die Strafkammer die Voraussetzungen der Unterbringung nicht ausreichend belegt.
Das Landgericht ist zwar im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Bedrohung (§ 241 StGB) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Straftat der mittleren Kriminalität darstellen kann, welche die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermag, wenn die Bedrohung mit dem Tod geeignet ist, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Gleichwohl war nach den Feststellungen die Schwelle zur Erheblichkeit nur geringfügig überschritten. Den daraus resultierenden erhöhten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden die Darlegungen im Urteil nicht gerecht.
Der Beschuldigte, dessen aggressiver Impulsdurchbruch in Form der Bedrohung auch dadurch verursacht war, dass der Filialleiter zuvor seinen Überweisungsauftrag zerrissen hatte, beruhigte sich nach Ausstoßen der Drohungen letztlich selbst wieder und verließ die Geschäftsräume ohne fremdes Zutun. Auch bei dem Geschehen, welches 1998 zu einer ersten Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geführt hatte, war er über verbale Drohungen nicht hinausgegangen und hatte sich aufgrund des Zuredens eines Polizeibeamten zum Aufgeben entschlossen. Seit seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug im Jahr 2005 hatte die Krisenintervention überwiegend durch freiwillige Aufenthalte in Kliniken der Allgemeinpsychiatrie oder verschiedenen psychiatrischen Nachsorgeeinrichtungen stattgefunden. Es kommt hinzu, dass nach den Feststellungen des Landgerichts das Ziel der Unterbringung (vgl. dazu LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 63 Rn. 2), die Heilung und deutliche Verbesserung des Zustandes des Beschuldigten, durch die Maßregel nicht mehr zu erwarten ist (UA S. 24). Somit geht es bei der Unterbringung ausschließlich um den Schutz der Allgemeinheit durch Freiheitsentziehung. Dies macht die Anordnung der Maßregel zwar nicht unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - 4 StR 308/89, NStZ 1990, 122, 123), indes stellt die ungünstige Behandlungsprognose einen Umstand dar, der bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit Gewicht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 708/12, juris Rn. 40 ff.; Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 789/13, NStZ-RR 2013, 360 (Ls)).
Diese Besonderheiten sind vom Landgericht in die Erwägungen nicht einbezogen worden. Es muss deshalb erneut entschieden werden, ob die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unter diesen Umständen unerlässlich ist oder ob die Krisenintervention wie im bisher geschehenen Umfang ausreicht.
Becker Pfister Hubert
Schäfer Mayer