Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 28.06.2018


BGH 28.06.2018 - 3 StR 23/18

Pflicht zur unverzüglichen Vorführung nach der vorläufigen Festnahme


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
28.06.2018
Aktenzeichen:
3 StR 23/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:280618U3STR23.18.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend BGH, 19. April 2018, Az: 3 StR 23/18, Beschlussvorgehend LG Krefeld, 28. Juli 2017, Az: 22 KLs 7/17
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten R.   , C.     und S.    gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 28. Juli 2017 werden verworfen.

2. Die Angeklagten R.   , C.     und S.    haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten R.   , C.     , S.    und K.    dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Raubes mit Todesfolge zu Jugendstrafen von sieben Jahren und neun Monaten (R.    und C.     ), sieben Jahren und drei Monaten (K.    ) und sechs Jahren und sechs Monaten (S.    ) sowie den Mitangeklagten Ra.    wegen besonders schweren Raubes zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten R.   , C.     und S.    , die sich jeweils auf die allgemeine Sachrüge stützen. Die Angeklagte R.    hat zudem mehrere Verfahrensrügen erhoben. Die Staatsanwaltschaft hat zuungunsten der vier Angeklagten R.   , C.     , S.    und K.    Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

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I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

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Nachdem der Angeklagte K.    einen Hinweis erhalten hatte, dass sich im Haus des später Getöteten ein Tresor mit Bargeld in Höhe von 80.000 € befinde, und dies im Freundeskreis besprochen hatte, beschlossen die Angeklagten und der nicht revidierende Mitangeklagte Ra.    , jenen in seinem Haus zu überfallen und ihm unter Gewaltanwendung den Tresorschlüssel abzunehmen, um das im Tresor befindliche Geld, aber auch weiteres gegebenenfalls im Haus aufzufindendes Geld oder andere Wertgegenstände zu erlangen. Dabei gingen sie davon aus, dass es sich bei dem 81jährigen später Getöteten um einen älteren Mann handeln würde, der ihnen körperlich nicht mehr gewachsen sei und den sie leicht überwältigen könnten. Sie begaben sich deshalb zu dessen Anwesen. Dort angekommen folgten die Angeklagten C.     und S.    ihrem Opfer, das gerade mit dem Entladen seines Pkw befasst war, ins Haus, wo sie es dem gemeinsamen Tatplan entsprechend noch im Hausflur übermannten. Während der Angeklagte S.    die Rollläden herunterließ, hielt der Angeklagte C.     den auf den Boden liegenden später Getöteten im sogenannten Schwitzkasten fest und schlug mit Fäusten auf ihn ein. Zu diesem Zeitpunkt betraten die Angeklagten R.    und K.    das Haus, während der Mitangeklagte Ra.    , dem zwischenzeitlich Bedenken gekommen waren, zum Fahrzeug zurückging, um dort auf die anderen zu warten und die spätere Flucht zu erleichtern. Als die Angeklagten K.    und S.    bemerkten, dass der später Getötete sich wider Erwarten zur Wehr setzte, schlugen auch sie mit Fäusten auf dessen Kopf und Oberkörper ein, um seine Gegenwehr schnell und effektiv zu brechen. Schließlich gelang es dem Angeklagten C.     , ihn bäuchlings auf den Boden zu bringen und sich auf seinen Rücken zu setzen, während er ihn weiterhin im "Schwitzkasten" hielt. Dabei nahm er ihm die Armbanduhr ab.

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Derweil durchsuchten die Angeklagten R.   , K.    und S.    das Anwesen, wobei S.    eine Schachtel Zigaretten einsteckte. Schließlich fanden sie auch den Tresorschlüssel, mit dem sie den Geldschrank öffneten, der aber leer war. Dagegen gelang es ihnen nicht, den Waffenschrank aufzumachen, der einem schmalen Tresor ähnelte und in dem sie Bargeld vermuteten. Deshalb begab sich jedenfalls die Angeklagte R.    zu dem Opfer zurück, auf das sie und der Angeklagte C.     - wie auch die anderen erkannten - mit nun verstärkter Gewalt, der Angeklagte C.     mittels Schlägen und Tritten, die Angeklagte R.    auch mit einem Elektroschockgerät, das sie gegen Kopf und Hals des später Getöteten führte, einwirkten, um mit dessen Hilfe doch noch an das in Aussicht genommene Bargeld zu gelangen. Schließlich zog der Angeklagte C.     den Kopf seines nach wie vor auf dem Bauch liegenden, inzwischen schwer verletzten und heftig blutenden Opfers, dessen Hals er weiterhin mit der Armbeuge umfasst hielt, nach hinten, so dass der 6. Halswirbel brach und die Luftzufuhr unterbrochen wurde, was zu dessen Tod führte. Allen vier Angeklagten war die Möglichkeit bewusst, dass das betagte Opfer durch die angewandte Gewalt versterben könnte. Dennoch billigten sie die gegenüber dem ursprünglichen Plan erhöhte Gewalteinwirkung im Hinblick auf die in Aussicht genommene Beute. Dagegen konnte nicht festgestellt werden, dass sie den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen hätten. Als dieser gleichwohl eintrat, verließen sie überstürzt das Haus. Das Landgericht ist zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass der Getötete zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war.

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II. Die Revision der Staatsanwaltschaft

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Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Insbesondere hat das Landgericht aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint.

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1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243). Dieselben Grundsätze gelten für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN).

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2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Das Landgericht hat in seine Überlegungen eingestellt, dass die Angeklagten mit massiver Gewalt auf das ältere, wenn auch entgegen den Erwartungen nicht gebrechliche Opfer einwirkten, weshalb ihnen dessen mögliches Versterben bewusst gewesen sei. Selbst wenn dieser "immensen" Gewalteinwirkung Indizwirkung auch für die Billigung des tödlichen Erfolgs zukomme, lasse sich gleichwohl bei keinem der Angeklagten feststellen, dass er den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen hätte. Hiergegen spreche bereits das Motiv für die - nach dem Öffnen des Tresors und der Feststellung, dass dieser leer war - verstärkte und letztlich tödlich wirkende Gewaltanwendung. Denn die Täter hätten die Gewalttätigkeiten deshalb gesteigert, weil sie allein hierin eine Möglichkeit gesehen hätten, mit Hilfe des später Getöteten doch noch an das in der Wohnung vermutete Bargeld zu gelangen. Außerdem spreche das überstürzte Verlassen des Tatorts nach der Feststellung der Leblosigkeit des am Boden liegenden Opfers gegen eine Billigung des tödlichen Erfolgs. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Getötete zum Fluchtzeitpunkt jedenfalls aus Sicht eines medizinischen Laien verstorben war. Die unmittelbar einsetzende Flucht der Angeklagten, die mehrere im Hause befindliche Bargeldbeträge - etwa in der auf dem Küchentisch liegenden Geldbörse - zurückließen und sich gegen eine mögliche Beobachtung durch Nachbarn oder Passanten nicht absicherten, erkläre sich damit, dass die Angeklagten über ein Geschehen erschrocken seien, das sie keinesfalls gewollt hätten.

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Die Strafkammer hat somit bedacht, dass es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 19. April 2016 - 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204). Sie hat dennoch das Willenselement des Vorsatzes mit nachvollziehender Begründung verneint. Die von der Strafkammer gezogenen Schlüsse sind möglich. Soweit die Revision geltend gemacht hat, das Landgericht hätte erwägen müssen, ob nicht etwa der Versuch, doch noch das Bargeld zu erlangen, sondern Verärgerung über den Geschädigten Grund für die verstärkte Gewalteinwirkung waren, erweist sich die Würdigung der Beweise und Indizien nicht als lückenhaft. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Motive für den gesteigerten Einsatz der gegen das Opfer ausgeübten Gewalt nach Öffnen des Tresors nicht unmittelbar auf die Einlassungen der Angeklagten, die sich hierzu nicht geäußert haben, stützen können. Es hat aber - wie eine Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt - unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge, wonach jedenfalls die Angeklagte R.    nach der Feststellung, dass der Tresor leer und der einem Tresor ähnelnde Waffenschrank nicht zu öffnen war, zu dem später Getöteten zurückging und zusammen mit dem Angeklagten C.     mit verstärkter Gewalt auf jenen einwirkte, sowie mit der Überlegung, dass in dieser Situation ausschließlich mit dessen Hilfe noch die im Haus vermutete Bargeldsumme erlangt werde konnte, den Schluss gezogen, dass mit der gesteigerten Gewalteinwirkung die Mithilfe des Opfers erzwungen werden sollte. Dieser Schluss ist möglich und nicht fernliegend. Andere Motive für die Erhöhung des Gewalteinsatzes mögen denkbar sein. Sie lagen indes nicht in einem Maße nahe, dass ihre Nichterörterung durch das Landgericht eine Lücke in der Beweiswürdigung darstellte. Welches Gewicht das Tatgericht diesem Beweisanzeichen für das voluntative Vorsatzelement zugewiesen hat, entzieht sich revisionsgerichtlicher Überprüfung. Auch soweit der Generalbundesanwalt darauf verwiesen hat, das Zurücklassen einiger im Haus befindlicher Bargeldbeträge deute nicht unbedingt auf eine überstürzte Flucht aus Erschütterung über das tödliche Geschehen hin, da nicht festgestellt sei, dass die Angeklagten diese Beträge überhaupt bemerkt hätten, hat er ebenfalls keinen sachlich-rechtlichen Mangel aufgezeigt, da letztendlich das eilige Verlassen des Hauses die Angeklagten auch daran gehindert haben kann, von der Suche nach weiteren Bargeldbeträgen abzusehen.

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Da das Landgericht fehlerfrei festgestellt hat, dass der Getötete zum Zeitpunkt des Verlassens des Anwesens durch die Angeklagten bereits verstorben war bzw. diese ihn für tot hielten, erübrigten sich auch Erörterungen dazu, ob ein Tötungsdelikt darin gesehen werden könnte, dass die Angeklagten ihr Opfer ohne Hilfe zurückließen.

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III. Die Revisionen der Angeklagten

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Die Rechtsmittel der Angeklagten haben ebenfalls keinen Erfolg.

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1. Die durch die allgemeinen Sachrügen veranlasste Überprüfung des Urteils hat auch zum Nachteil der Angeklagten keine sachlich-rechtlichen Mängel ergeben. Insbesondere hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Angeklagten mit ihrer Tat den Tod des betagten Opfers leichtfertig verursacht haben. Die Rechtsmittel erweisen sich mithin insoweit als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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2. Auch die Verfahrensrügen der Angeklagten R.    verhelfen ihrer Revision nicht zum Erfolg.

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a) Die Rügen, die Jugendkammer sei fehlerhaft besetzt gewesen und ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit der gesamten Jugendkammer sei rechtsfehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen worden, sind aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen bereits unzulässig, wären aber auch unbegründet.

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b) Auch die Rüge, das Urteil beruhe auf den unter Verstoß gegen § 136a StPO gewonnenen Einlassungen der Angeklagten gegenüber der Polizei, erweist sich als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

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aa) Soweit das Rügevorbringen auch ergeben sollte, dass nach Auffassung der Verteidigung die Revisionsführerin im Rahmen der polizeilichen Vernehmung nur unzureichend belehrt und ihre Verteidigung durch einen Rechtsanwalt behindert worden sei, ist eine Beanstandung, mit der die Unverwertbarkeit der Angaben der Angeklagten und der Mitangeklagten Ra.    und S.    wegen dieser Mängel geltend gemacht würde, nicht erhoben. Die Stoßrichtung der Verfahrensrüge geht allein dahin, dass bei der Festnahme der Angeklagten der Richtervorbehalt bewusst umgangen worden bzw. die Vorführung der Festgenommenen vor den Ermittlungsrichter nicht rechtzeitig gewesen sei. Deshalb habe die Vernehmung der Beschuldigten in einer den in § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO genannten Umständen vergleichbaren Zwangslage stattgefunden und die Einlassungen hätten in Anlehnung an § 136a Abs. 3 StPO bei der Urteilsfindung nicht verwertet werden dürfen.

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bb) Im Hinblick auf diese letztgenannte Rüge ist auf der Grundlage des Revisionsvorbringens, das durch die Urteilsgründe ergänzt werden kann, die der Senat im Rahmen der gleichzeitig erhobenen Sachrüge zur Kenntnis nehmen darf, von folgenden Verfahrenstatsachen auszugehen:

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Am Morgen des 28. Januar 2015 fanden bei allen Angeklagten, dem nicht revidierenden Mitangeklagten sowie zwei weiteren Beschuldigten Hausdurchsuchungen statt, die durch am Vortag erlassene richterliche Durchsuchungsbeschlüsse angeordnet worden waren. Die Angeklagten und die weiteren Beschuldigten, die Mütter der Angeklagten R.    und K.    , wurden "in der Folge" vorläufig festgenommen und nach den entsprechenden Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO vernommen, wobei sie sich zur Sache einließen. Danach wurden die Vernehmungsprotokolle dem Ermittlungsleiter übergeben und ihr Inhalt in einer Teamsitzung von den ermittelnden Polizeibeamten besprochen, die am Folgetag Nachvernehmungen unter Vorhalt der Angaben der Mitbeschuldigten durchführten. Danach wurden die Angeklagten noch in der Frist des § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO am 29. Januar 2015 dem Haftrichter vorgeführt, der auf Antrag der Staatsanwaltschaft die entsprechenden Haftbefehle erließ. Die Mütter der Angeklagten R.    und K.    waren bereits nach ihren Vernehmungen am 28. Januar 2015 wieder entlassen worden.

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Die Revision wertet dieses Vorgehen der Ermittlungsbehörden in zweifacher Hinsicht als eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 MRK: Zum einen habe spätestens bei Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse nicht nur der hierfür erforderliche einfache, sondern ebenso ein dringender Tatverdacht vorgelegen, so dass bereits vor der Durchsuchungsaktion und den ihr folgenden Festnahmen Haftbefehle hätten eingeholt werden können. Deshalb sei für die in ermittlungsbehördlicher Eilkompetenz durchgeführte Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO kein Raum gewesen. Zum anderen hätte die Polizei die Angeklagten nach der Festnahme nicht vernehmen dürfen, sondern zunächst unverzüglich dem Haftrichter vorführen müssen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 StPO).

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cc) Mit diesem Vorbringen dringt die Revision nicht durch.

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(1) Soweit die Revision eine Verletzung des Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen darin sieht, dass die Ermittlungsbehörden trotz eines bereits im Vorfeld der Festnahmen gegebenen dringenden Tatverdachts keine richterlichen Haftbefehle eingeholt, sondern die Beschuldigten aufgrund ihrer nach § 127 Abs. 2 StPO gegebenen Eilkompetenz vorläufig festgenommen hätten, ist die Verfahrensrüge unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dem Revisionsvorbringen kann nämlich - auch unter Einbeziehung der im Urteil mitgeteilten Verfahrenstatsachen - nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls bereits vor der Durchsuchung und den anschließenden Vernehmungen vorgelegen haben. Insbesondere versäumt es die Revision die Tatsachen vorzutragen, die den Ermittlungsbehörden schon vor Beginn der Durchsuchungsaktion Anhaltspunkte für den dringenden Tatverdacht hätten liefern können. Allein dass die Durchsuchungen am Morgen des 28. Januar 2015 nach mehrmonatigen Ermittlungen sorgfältig vorbereitetet worden waren und aus der Sicht des Ermittlungsrichters gegen sämtliche sieben Beschuldigte ein die Anordnung der Hausdurchsuchung rechtfertigender einfacher Tatverdacht vorgelegen hat, genügt für die Annahme, dass auch bereits ein dringender, den Erlass von Haftbefehlen erlaubender Tatverdacht gegeben gewesen ist, nicht. Auch den Urteilsgründen ist nur zu entnehmen, dass die Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsbeschlüsse von einem aus den fünf Angeklagten und den Müttern der Angeklagten R.    und K.    bestehenden Täterkreis ausgingen, aber über keine Kenntnisse von den Vorgängen im Haus des später Getöteten und über die Rollenverteilung der Täter verfügten. Zudem war den Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt der Durchsuchung zwar bekannt, dass einer der fünf bzw. sieben Beschuldigten nicht im Haus des Getöteten gewesen war und deshalb möglicherweise als Mittäter an der Raubtat und dem Tötungsdelikt ausschied. Welcher Beschuldigte das Anwesen nicht betreten hatte und ob diesem gleichwohl eine den Erlass eines Haftbefehls rechtfertigende Beteiligung an der Tat vorzuwerfen war, war vor den Einlassungen der Beschuldigten allerdings offen. Gegen das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts bereits am Vortag der Durchsuchungen spricht vielmehr, dass in den späteren Haftbefehlsanträgen dieser insbesondere auf das Ergebnis der polizeilichen Vernehmungen gestützt worden ist.

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Zwar setzt auch eine Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO voraus, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls und damit ein dringender Tatverdacht vorliegen. Das Revisionsvorbringen verhält sich aber nicht dazu, ob die Angeklagten und die übrigen Beschuldigten gleich zu Beginn der Durchsuchungen oder aber später aufgrund gegebenenfalls neu gewonnener Erkenntnisse vorläufig festgenommen worden sind ("in der Folge").

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Da insoweit eine zulässige Verfahrensrüge nicht vorliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Festnahme auf der Grundlage eines bereits erlassenen Haftbefehls und damit das Verfahren nach § 115 StPO im Hinblick auf Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 MRK Vorrang vor der ermittlungsbehördlichen Eilkompetenz nach § 127 Abs. 2 StPO hat (LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 127 Rn. 36; vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 17. November 1989 - 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188 f.).

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(2) Soweit nach Auffassung der Revision ein ein Verwertungsverbot begründender Verfahrensverstoß darin zu sehen sei, dass die Angeklagten nach ihrer vorläufigen Festnahme vor der Vorführung vor den Ermittlungsrichter zunächst polizeilich mehrfach vernommen worden sind, ist die Rüge unbegründet. Zwar verlangen § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO, Art. 104 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG, dass der Beschuldigte "unverzüglich" dem Richter vorgeführt wird. Dass dies spätestens am nächsten Tag, d.h. bis zum Ende des auf die Festnahme folgenden Tages, geschehen muss, ändert am Erfordernis der Unverzüglichkeit nichts (BVerfG, Beschluss vom 4. September 2009 - 2 BvR 2520/07, juris Rn. 19 ff. mwN). Doch darf die Vorführung nach vorläufiger Festnahme durch die Ermittlungsbehörden hinausgeschoben werden, soweit dies sachdienlich erscheint (vgl. KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 128 Rn. 5). Denn anders als bei der Festnahme auf der Grundlage eines bereits vorliegenden Haftbefehls, bei dem die Ermittlungsbeamten - mitunter ohne nähere Sachverhaltskenntnis und Entscheidungsbefugnis - den richterlichen Beschluss lediglich vollziehen und deshalb den Festgenommenen "unverzüglich" dem Richter vorzuführen haben (§ 115 Abs. 1 StPO; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 1995 - 5 StR 547/94, StV 1995, 283; vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43), war der Richter bei der vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO mit der Sache noch nicht befasst. In diesen Fällen verbleibt den Ermittlungsbehörden ein gewisser zeitlicher Spielraum, in dem sie vor einer möglichen Vorführung des Beschuldigten vor den Richter weitere Ermittlungsbefugnisse und -pflichten haben. Denn die mit der Aufklärung des Sachverhalts betraute festnehmende Behörde hat zunächst - je nach Sachlage unter Vornahme weiterer Ermittlungen - zu entscheiden, ob die vorläufig festgenommene Person wieder freizulassen oder tatsächlich dem Ermittlungsrichter vorzuführen ist; im letzteren Fall muss sie dem Richter eine möglichst umfassende Grundlage für seine Entscheidung unterbreiten. Es wird deshalb in vielen Fällen sachgerecht sein, den Beschuldigten, der - wie vorliegend - nach ordnungsgemäßer Belehrung zu einer Einlassung bereit ist, nach Erklärung der vorläufigen Festnahme (weiterhin) zu vernehmen, um dann darüber zu befinden, ob ein Haftbefehl zu beantragen ist und welche Umstände, die dessen Erlass begründen können, dem Richter darzulegen sind. Damit wird dem Beschuldigten gleichzeitig ermöglicht, die Verdachtslage in seinem Sinne zu beeinflussen und etwaige Haftgründe zu entkräften, so dass gegebenenfalls auf die Stellung eines Haftbefehlsantrags sogar verzichtet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1989 - 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188). Dass diese Grundsätze vorliegend befolgt wurden, zeigt insbesondere der Umstand, dass die ehemaligen Mitbeschuldigten, die Mütter der Angeklagten R.    und K.    , nach ihren Vernehmungen entlassen wurden.

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Da das Vorgehen der Ermittlungsbehörden vorliegend somit im Hinblick auf den Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 MRK, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO keiner Beanstandung unterliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen das Gebot der "Unverzüglichkeit" der Vorführung überhaupt ein Verwertungsverbot nach sich zieht (zu § 115 StPO vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 - 5 StR 547/94, StV 1995, 283).

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