Entscheidungsdatum: 08.03.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen schob der Angeklagte gegen den erklärten Willen der Nebenklägerin seine Hand in deren Hose, berührte sie unter der Kleidung an der Scheide und versuchte, mit dem Finger vaginal einzudringen, was aber misslang, weil die Geschädigte mit aller Kraft seine Hand wegziehen konnte.
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Die Strafkammer gründet die Feststellungen auf die Aussage der Nebenklägerin, die sie, gestützt auf das Gutachten einer psychologischen Sachverständigen, für glaubhaft hält. Insoweit wird das Urteil indes den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
a) An die Darstellung der Überzeugungsbildung im Urteil sind dann besondere Anforderungen zu stellen, wenn das Tatgericht - wie vorliegend - seine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen allein auf die Angaben des Geschädigten stützt. In einer solchen Konstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn die Aussage des Belastungszeugen in einem wesentlichen Detail als bewusst falsch anzusehen ist (BGH, Urteile vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159; vom 17. November 1998 - 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256; vom 12. November 2003 - 2 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 87; Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 427/14, NStZ 2015, 602, 603).
b) Diese Darlegungsanforderungen erfüllt das Urteil nicht. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Nebenklägerin bei ihrer ersten Vernehmung in der Hauptverhandlung wahrheitswidrig in Abrede gestellt hatte, Nacktfotos in ihren "Facebook-Account" eingestellt zu haben. Soweit die Strafkammer in Übereinstimmung mit der Sachverständigen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin durch diese Unwahrheit nicht in Frage gestellt sieht, weil der Vorfall für die Zeugin sehr schambesetzt gewesen und die Verneinung von Tatsachen die einfachste Form der Lüge sei, aus der auf eine Neigung zur Erfindung komplexer Sachverhalte wie der beschriebenen Tat nicht geschlossen werden müsse, begegnet dies zwar noch keinen rechtlichen Bedenken. Ein Darlegungsmangel liegt aber insoweit vor, als das Landgericht sich nicht weiter mit der Schilderung der Nebenklägerin auseinandersetzt, die einen in ihrer Gegenwart vorgenommenen sexuellen Übergriff des Angeklagten auf eine andere Geschädigte behauptet hat, der von dieser als Zeugin in der Hauptverhandlung nicht bestätigt worden war. Die Strafkammer lässt offen, ob sie von der Unwahrheit dieser Angaben der Nebenklägerin ausgeht und führt lediglich an, nach Auffassung der Sachverständigen ergebe die Erfindung einer solchen Geschichte hinsichtlich der Hypothese einer gezielten Mehrbelastung des Angeklagten keinen Sinn. Dies genügt im Hinblick auf die besondere Beweis-konstellation nicht. Vielmehr hätte sich die Strafkammer zunächst eine Überzeugung darüber verschaffen müssen, ob sie den Schilderungen der Nebenklägerin insoweit trotz der gegenteiligen Angaben der möglicherweise Geschädigten glaubt. Denn wenn die Nebenklägerin auch insoweit die Unwahrheit gesagt haben sollte, hätte sie sich mit diesen Angaben nicht auf das Verneinen einer Frage als der "einfachsten Form der Lüge" beschränkt, sondern wahrheitswidrig eine Begebenheit geschildert, mit der sie den Angeklagten zu Unrecht - zusätzlich - belastet hätte. Dann hätte es aber einer eingehenden Erörterung bedurft, weshalb sie der Nebenklägerin zum Tatvorwurf dennoch Glauben schenkt.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Fehlschlag des Vergewaltigungsversuchs nicht belegt und damit ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten von der Tat nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist. Insbesondere fehlen jegliche Ausführungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol