Entscheidungsdatum: 11.07.2017
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 14. Dezember 2016 - soweit es ihn betrifft - im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht - Jugendrichter - Delmenhorst zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den heranwachsenden Angeklagten wegen Nötigung verurteilt und ihm die Auflage erteilt, zur Schadenswiedergutmachung einen Betrag in Höhe von 250 Euro an den Geschädigten V. zu zahlen. Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen sich der Mitangeklagte P. sowie die Zeugen V. , S. , E. und K. am Abend des 22. August 2015 in der Wohnung von P. , um dort gemeinsam zu feiern. Im Laufe des Abends kamen auch der Angeklagte, der Mitangeklagte M. und der gesondert verfolgte H. hinzu.
Nach einiger Zeit bemerkte der Angeklagte, dass Playstation-Spiele von P. aus der Wohnung verschwunden waren und sich in einem Kinderwagen befanden, der im Hausflur abgestellt war. Nachdem er P. und H. davon in Kenntnis gesetzt hatte, entwickelte sich ein Streitgespräch zwischen H. und V. , den H. für die Entwendung der Spiele verantwortlich machte. Nachdem V. eingeräumt hatte, die Spiele entwendet zu haben, geriet H. über den aus seiner Sicht vorliegenden Vertrauensbruch und den Missbrauch der Gastfreundschaft durch V. in Rage. Er schlug und trat auf ihn ein, auch nachdem V. infolge der Schläge zu Boden gegangen war. Dann ließ er sich die Bauchtasche geben, die V. mit sich führte, und entnahm daraus 6 bis 7 Euro, um das Geld für sich oder P. zu behalten. Schließlich ließ er sich von V. ein "Schuldanerkenntnis" unterschreiben, in dem dieser zugab, die Spiele entwendet zu haben.
Die Strafkammer hat entgegen dem Anklagevorwurf nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte und M. sich in irgendeiner Weise an den Tathandlungen von H. beteiligten. Beide hatten die Misshandlungen zwar mitbekommen, aber nicht gebilligt.
Im weiteren Verlauf brachten der Angeklagte und M. V. indes zu Boden und hielten ihn dort an seinen Armen und Beinen fest, damit H. nochmals körperlich auf V. einwirken konnte. H. setzte sich daraufhin auf einen Arm von V. und drohte ihm damit, ihm mit einem Messer die Finger oder die Hand abzuschneiden, um ihn dadurch weiter zu verängstigen und zu demütigen. Danach ließ er ebenso wie der Angeklagte und M. von V. ab.
2. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
3. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4. Der Rechtsfolgenausspruch hat demgegenüber keinen Bestand. Denn den Urteilsgründen lässt sich nichts über den Vollstreckungsstand von früher gegen den Angeklagten verhängten jugendstrafrechtlichen Sanktionen entnehmen. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Wilhelmshaven am 23. Mai 2014; es erteilte ihm eine Weisung und verhängte einen einwöchigen Jugendarrest wegen Zuwiderhandelns gegen Auflagen. Ohne Angaben über den Vollstreckungsstand kann der Senat nicht überprüfen, ob das Landgericht gehalten war, gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen. Ausführungen dazu sowie gegebenenfalls zu § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG enthalten die Entscheidungsgründe ebenfalls nicht.
Der zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führende Rechtsfehler betrifft die getroffenen Feststellungen nicht; diese können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht - Jugendrichter - Delmenhorst zurück, weil dessen Zuständigkeit begründet ist (§ 39 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 1 JGG).
5. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch die dem Angeklagten erteilte Auflage, zur Schadenswiedergutmachung einen Geldbetrag in Höhe von 250 € an den Zeugen V. zu zahlen, auf rechtliche Bedenken stößt.
a) So hat die Strafkammer die Erteilung der Auflage damit begründet, dass sie "die Verhängung einer Erziehungsmaßregel für ausreichend" erachte, um nachhaltig erzieherisch auf den Angeklagten einzuwirken. Die Auflage, zur Schadenswiedergutmachung einen Geldbetrag an den Geschädigten zu zahlen, ist aber keine Erziehungsmaßregel (§§ 9 ff. JGG), sondern ein Zuchtmittel im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG. Die Verhängung von Zuchtmitteln ist indes nur zulässig, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen (§ 5 Abs. 2 JGG; vgl. dazu Eisenberg, JGG, 19. Aufl., § 13 Rn. 11).
b) Hinsichtlich der Höhe des Geldbetrages hat sich die Strafkammer den Urteilsgründen zufolge "an den von dem Zeugen V. erlittenen Ängsten in dem Geschehen" orientiert. Das ist insofern bedenklich, als die Erteilung einer Auflage, den Schaden wiedergutzumachen, nur zulässig ist, wenn zivilrechtlich ein entsprechender Schadensersatzanspruch besteht; andernfalls ist die Auflage gesetzwidrig und - trotz § 55 Abs. 1 JGG - durch Rechtsmittel anfechtbar (vgl. Eisenberg, aaO § 15 Rn. 6). Hier soll die Auflage, 250 € an V. zu zahlen, ersichtlich dazu dienen, dessen immateriellen Schaden zu ersetzen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob V. ein entsprechender Schmerzensgeldanspruch zusteht.
Gemäß § 253 Abs. 1 BGB kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. In Betracht kommt hier ersichtlich nur § 253 Abs. 2 BGB. Danach kann eine billige Entschädigung in Geld wegen eines immateriellen Schadens verlangt werden, wenn wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist. Dies belegen die Urteilsgründe hier nicht, zumal das Landgericht den mit der Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, tateinheitlich mit der nunmehr als Nötigung abgeurteilten Tat Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung begangen zu haben, nicht als erwiesen angesehen hat.
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