Entscheidungsdatum: 04.02.2010
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, denn das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Dementsprechend kommt die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 121 Abs. 1 ZPO).
Das Vorbringen des anwaltlich nicht vertretenen Klägers lässt bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung durch den Senat nicht erkennen, dass ein Revisionszulassungsgrund (§ 132 Abs. 2 VwGO) vorliegt, noch drängt sich ein solcher Zulassungsgrund im Zusammenhang mit seinem Vorbringen auf.
Der 1955 geborene Kläger erstrebt seine weitergehende Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG). Er war in der DDR in Heimen aufgewachsen, wurde ab 1970 mehrfach in Jugendwerkhöfe eingewiesen und später auch inhaftiert. Wegen zu Unrecht erlittener Freiheitsentziehungen wurde er ab 1992 hinsichtlich eines Teils dieser Zeiten strafrechtlich rehabilitiert. Seine Klage auf berufliche Rehabilitierung für die nach Teilanerkennung im Bescheid des Beklagten vom 5. April 2005 noch streitigen Zeiträume zwischen Juli 1970 und Januar 1978 hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Für die Zeit vor November 1972 fehle es an der vorab erforderlichen Rehabilitierung wegen der Freiheitsentziehungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG). In den späteren Zeiträumen habe der Kläger keine berufliche Position erlangt, in die eingegriffen worden sei. Entweder habe er eine seiner beruflichen Qualifizierung entsprechende Berufstätigkeit ausgeübt oder den behaupteten Beginn einer Ausbildung zum Facharbeiter nicht nachgewiesen oder sei noch nicht zum Facharbeiter qualifiziert gewesen.
Der Kläger hält eine Überprüfung des Urteils für geboten, weil die Freiheitsentziehungen in der Zeit zwischen Juli 1970 und Januar 1978 zu weitergehenden beruflichen Beeinträchtigungen geführt hätten, als sie vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht anerkannt worden seien. Als Zeiten einer beruflichen Benachteiligung sei nicht nur die Dauer strafrechtlich rehabilitierter Freiheitsentziehungen anzusehen. Das Ende einer Haft oder Freiheitsentziehung sei nicht das Ende der beruflichen Benachteiligung; auch die durch rechtswidrige Maßnahmen ausgelösten weiteren Beeinträchtigungen der beruflichen Entwicklung müssten anerkannt werden. In seinem Fall habe die Verfolgung schon im Kindesalter eingesetzt; die Benachteiligungen hätten bis Anfang 1978 angehalten. Er habe als Hilfsarbeiter arbeiten müssen, obwohl er aufgrund seiner Qualifikationen bereits einem Facharbeiter habe gleichgestellt werden müssen. Die bevorstehende zweite Ausbildung ab September 1972 habe er durch einen Ausbildungsvertrag nachgewiesen.
Der Kläger rügt damit in der Sache eine fehlerhafte Anwendung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes. Das allein vermag die Zulassung der Revision aber nicht zu rechtfertigen. Erforderlich ist, dass einer der Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Der Senat hat den Vortrag des Klägers aus diesem Blickwinkel geprüft, ein Grund für die Zulassung wird aber nicht deutlich. Weder kommt der Rechtssache eine grundsätzliche, über den Einzelfall des Klägers hinausweisende Bedeutung zu (Abs. 2 Nr. 1) noch liegt eine entscheidungserhebliche Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts vor (Abs. 2 Nr. 2); ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem das Urteil beruhen kann (Abs. 2 Nr. 3).
Der Kläger macht geltend, dass ihm die Aufnahme bzw. Fortführung zweier konkret anstehender Ausbildungen zum Facharbeiter infolge unrechtmäßiger Freiheitsentziehungen in den Jahren 1970 und 1972 verwehrt worden sei, und rügt, dass seine fachliche Qualifikation wegen eines fehlenden Abschlusszeugnisses nicht anerkannt werde. Das führt jedoch nicht auf einen der genannten Zulassungsgründe.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Schutzwirkungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes zwar begrenzt sind, aber doch nicht nur Eingriffe in eine begonnene, zur Zeit des Eingriffs tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit abdecken, sondern auch Fälle, in denen jemand daran gehindert wird, einen erlernten Beruf auszuüben oder - wie es der Kläger geltend macht - eine Ausbildung abzuschließen (Urteile vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 25.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 11 und vom 27. April 2006 - BVerwG 3 C 15.05 - Buchholz 428.8 § 22 BerRehaG Nr. 1). Damit ist freilich eine hinreichende Verfestigung des jeweiligen Rechts auf Berufsausübung oder Ausbildung vorausgesetzt; denn für die Berücksichtigung bloß hypothetischer (Aufstiegs-)Möglichkeiten ist im Rahmen der beruflichen Rehabilitierung kein Raum (Urteil vom 12. Februar 1998 a.a.O. S. 22).
Was die Ausbildung im Jahr 1970 anlangt, beruft sich der Kläger zwar auf eine solche verfestigte Rechtsposition. In Bezug auf sie fehlt es aber - wie im angegriffenen Urteil (UA S. 9) ausgeführt wird - an einem berücksichtigungsfähigen Eingriff. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die insofern nur in Betracht kommende Einweisung in den Jugendwerkhof Hummelshain müsse strafrechtlich rehabilitiert sein, um berücksichtigt werden zu können, ist durch § 1 Abs. 2 BerRehaG gedeckt. Das bedarf keiner Klärung. Soweit es um zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehungen geht, einschließlich rechtsstaatswidriger Entscheidungen über Freiheitsentzug außerhalb eines Strafverfahrens (vgl. § 2 StrRehaG), hat die strafrechtliche Rehabilitierung Vorrang: Gemäß § 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BerRehaG ist der Zeitraum einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung in einem Rehabilitierungs- oder Kassationsverfahren nach Maßgabe des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes festzustellen. Diese Feststellung entfaltet im Rahmen des beruflichen Rehabilitierungsverfahrens Tatbestandswirkung und bildet den notwendigen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der konkreten Verfolgungszeit (§ 2 BerRehaG), um die es dem Kläger vorrangig geht. Für die vom Kläger sinngemäß angestrebte revisionsgerichtliche Klärung der Frage, welche Zeiten potenzieller beruflicher Entwicklung bei anstehender Ausbildung im Gefolge einer Freiheitsentziehung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG als Verfolgungszeit anzuerkennen sind, fehlt somit der notwendige Bezugspunkt, von dem solche Überlegungen ihren Ausgang nehmen könnten. Weiterer revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf ergibt sicht nicht.
Im Übrigen erleidet der Kläger durch das angefochtene Urteil insoweit keinen Rechtsverlust. Das Verwaltungsgericht geht ausdrücklich davon aus, dass es ihm weiterhin möglich bleibt, mit Hilfe der Bestätigung des Leiters der Abteilung Stahlbau des VEB Gaskombinat vom 26. Mai 1970 zu versuchen, den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachzuweisen, in die durch die Einweisung in den Jugendwerkhof Hummelshain eingegriffen wurde. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht wesentliche Fragen zugunsten des Klägers geklärt, indem es im Beschluss vom 13. Mai 2009 (2 BvR 718/08) den Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. März 2008 aufgehoben und festgestellt hat, dass die Ablehnung der strafrechtlichen Rehabilitierung für die Zeit in Hummelshain auf einer krassen Missdeutung des § 2 StrRehaG beruhe. Auf dieser Grundlage ist es dem Kläger möglich, die neue Entscheidung über seine strafrechtliche Rehabilitierung hinsichtlich der Aufenthalte im Jugendwerkhof Hummelshain abzuwarten. Er kann bei einem für ihn positiven Ausgang die vom Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassene Frage erneut prüfen lassen, in welchem Umfang bei ihm infolge dieser dann rehabilitierten Freiheitsentziehung in eine verfestigte berufliche Entwicklung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG eingegriffen wurde.
Soweit der Kläger vorträgt, es habe bei ihm im September 1972 erneut eine Facharbeiterausbildung angestanden, so wäre diese zwar durch eine - strafrechtlich rehabilitierte - Untersuchungshaft in Cottbus unterbrochen worden. Das Verwaltungsgericht hat aber festgestellt, dass ein Ausbildungs- oder Qualifizierungsvertrag nicht nachgewiesen sei (UA S. 11). Diese Beweiswürdigung hat der Kläger nur ganz allgemein bestritten, ohne sinngemäß einen Verfahrensmangel aufzuzeigen und ohne dass ansonsten ein solcher Mangel erkennbar wird, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
Auf keinen Zulassungsgrund führt schließlich der Einwand, es seien entgegen dem Urteil sämtliche Behinderungen der beruflichen Entwicklung in den Blick zu nehmen. Damit zielt der Kläger erkennbar auf die Verfolgungszeit, die nach § 2 Abs. 1 BerRehaG zu ermitteln ist. Diese Vorschrift stellt klar, dass außer dem festgestellten Zeitraum einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung oder eines Gewahrsams (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BerRehaG) auch die Zeit als Verfolgungszeit festzustellen ist, in der der Verfolgte aufgrund bestimmter Maßnahmen seine bisherige oder eine angestrebte Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt oder ein geringeres Einkommen als aus der bisherigen Erwerbstätigkeit erzielt hat (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG). Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, ist indes eine Frage des Einzelfalls, die vom Bundesverwaltungsgericht nicht zu entscheiden ist.