Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.10.2018


BPatG 22.10.2018 - 3 Ni 24/17

(Patentnichtigkeitsklageverfahren - "Gebührenermäßigung bei Erledigterklärung" – übereinstimmende Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits – außergerichtliche Einigung über die Tragung der Kosten – Ermäßigung der Klagegebühr auch bei einer die außergerichtliche Einigung übernehmenden Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 1 PatG, § 91 a ZPO)


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
22.10.2018
Aktenzeichen:
3 Ni 24/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:2210183Ni24.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 2 Abs 1 Anlage Nr 402100 PatKostG
§ 2 Abs 1 Anlage Nr 402110c PatKostG

Leitsätze

Gebührenermäßigung bei Erledigterklärung

Haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und sich außergerichtlich über die Tragung der Kosten geeinigt, so ermäßigt sich die 4,5-fache Klagegebühr (Nr. 402 100 Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG) in Anwendung des Nr. 402 110 c) Gebührenverzeichnis auf die 1,5-fache Gebühr. Dies gilt auch dann, wenn eine die außergerichtliche Einigung übernehmende Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 1 PatG, § 91 a ZPO ergangen ist.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das deutsche Patent 10 2010 007 485

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 22. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie den Richter Kätker und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner

beschlossen:

Auf die Erinnerung der Klägerin wird die Entscheidung der Kostenrechnungsstelle des Bundespatentgerichts vom 7. November 2017 aufgehoben und die Gebühr nach Nr. 401 100 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) auf den 1,5-fachen Satz ermäßigt.

Gründe

I.

1

Gegen das am 9. Februar 2010 angemeldete deutsche Patent 10 2010 007 485 (Streitpatent) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Mai 2017 Nichtigkeitsklage erhoben und beantragt, das Patent für nichtig zu erklären. Daraufhin hat die Beklagte auf das Streitpatent verzichtet, was am 18. Juli 2017 im Patentregister vermerkt worden ist. Zudem hat sie gegenüber dem Kläger den Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen auch für die Vergangenheit erklärt (Schriftsatz vom 12. Juli 2017).

2

Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21. August 2017 der sinngemäßen Erledigungserklärung der Beklagten zugestimmt und darauf hingewiesen, dass sich die Beklagte außergerichtlich zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet habe, was diese auch schriftsätzlich bestätigen werde, „so dass es einer Begründung der Kostenentscheidung des Gerichts nicht bedarf“. Zugleich hat er beantragt, „die entrichtete Gerichtsgebühr im gesetzlich vorgesehenen Umfang an den Kläger zurückzuerstatten“. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2017 bestätigt, „wie von der Klägerin beantragt wurde, die Kosten des Verfahrens zu tragen“.

3

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2017 hat der Senat der Beklagten nach § 91a ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat er auf die außergerichtliche Vereinbarung der Parteien hingewiesen, wonach sich die Beklagte verpflichtet habe, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Vereinbarung sei nach billigem Ermessen für die gerichtliche Kostenentscheidung zu übernehmen.

4

Mit Bescheid vom 7. November 2017 hat die Kostenrechnungsstelle des Bundespatentgerichts dem Kläger mitgeteilt, dass eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr gemäß Nr. 402 110 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) nicht in Betracht komme. Zur Begründung hat sie auf den letzten Absatz dieser Nummer verwiesen, in dem es ausdrücklich laute, dass Erledigungserklärungen der Zurücknahme nicht gleich ständen.

5

Mit Schriftsatz vom 8. März 2018 hat der Kläger sinngemäß beantragt, die Auffassung der Kostenrechnungsstelle zu korrigieren und die Verfahrensgebühr nach Nr. 402 110 des Gebührenverzeichnisses zu ermäßigen. Für den Fall, dass die Kostenrechnungsstelle an ihrer Rechtsauffassung festhalte, hat der Kläger um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids gebeten. Nach Auffassung des Klägers ist die Gebührenermäßigung nach Nr. 402 110 des Gebührenverzeichnisses auch auf Fälle anwendbar, in denen neben der Erledigungserklärung – wie vorliegend – dem Gericht zugleich Mitteilung eines abgeschlossenen Vergleichs über die Kostentragung gemacht wird. Denn damit liege ein Vergleich im kostenrechtlichen Sinne vor, mit dem der Rechtsstreit auch hinsichtlich der Kosten beendet worden sei.

6

Der Kläger zitiert dazu exemplarisch die Entscheidung des OLG Celle vom 29. September 1995 (8 W 251/95). Darin hat das Gericht zur damals geltenden Nr. 1202 Kostverzeichnis zum GKG ausgeführt, dass es keines Beschlusses gemäß § 91a ZPO mehr bedürfe, wenn die Parteien sich über die Kosten des Rechtsstreits und des (in der Verhandlung protokollierten) Vergleichs vor Gericht verglichen hätten. Durch die Erledigungserklärungen der Parteien habe sich der Rechtsstreit auf den allein noch möglichen Streit über Kosten reduziert, der aber gerade durch den Kostenvergleich beendet worden sei. Zwar stünden Erledigungserklärungen einer Klagerücknahme gebührenrechtlich nicht gleich. Die mit dem Kostenbeschluss gemäß § 91a ZPO verbundene Mühewaltung des Gerichts entfalle aber gerade in Fällen, in denen nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen zur Hauptsache der auf das Kosteninteresse „reduzierte“ Rechtsstreit durch Abschluss eines Kostenvergleichs beendet werde. Im Übrigen sei es lediglich eine Formulierungs- und Fassungsfrage, ob der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen und sodann durch Kostenvergleich oder durch einen Gesamtvergleich beendet werde.

7

Nach systematischer Auslegung des Patentkostengesetzes, so meint der Kläger weiter, müsse die gesetzliche Kostenermäßigung auch auf Erledigungserklärungen angewendet werden, die auch die Erledigung der Kostenentscheidung durch das Gericht beinhalteten, da hierbei kein Kostenbeschluss mehr ergehen müsse und dem Gericht somit Arbeit erspart werde.

8

Die Kostenrechnungsstelle hat den Schriftsatz des Klägers vom 8. März 2018 als Erinnerung gegen die Kostenrechnung angesehen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

9

1. Der Schriftsatz des Klägers vom 8. März 2018 ist als Erinnerung gegen die dem Kläger mit Bescheid vom 7. November 2017 mitgeteilte Entscheidung der Kostenrechnungsstelle des Bundespatentgerichts anzusehen, dass eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr gemäß Nr. 402 110 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG, im Folgenden: GebVerz-PatKostG) nicht in Betracht komme.

10

Die gebührenfreie und nicht an eine Frist gebundene Erinnerung gegen den Kostenansatz ist gemäß § 11 PatKostG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

11

2. In der Sache hat die Erinnerung auch Erfolg. Die mit Einreichung der Klage zunächst als 4,5-fache Gebühr angefallene Klagegebühr (Nr. 402 100) ermäßigt sich gemäß sich in Anwendung der Nr. 402 110 c) GebVerz-PatKostG auf die 1,5-fache Gebühr.

12

a) Allerdings bestimmt Nr. 402 100, vorletzter Satz, GebVerz-PatKostG, dass Erledigungserklärungen der Zurücknahme nicht gleich stehen, worauf die Kostenbeamtin im Bescheid vom 7. November 2017 insoweit zu Recht hingewiesen hat. Diese Regelung entspricht gleichlautenden Bestimmungen des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, im Folgenden: KostenVerz-GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (insb. Nr. 1202, 1221 und 1312 KostenVerz-GKG a. F.).

13

Der damalige Ausschluss von Erledigungserklärungen als Grund für die Ermäßigung von Gebühren nach dem GKG-Kostenverzeichnis ist nach den Motiven (Bundestagsdrucksache 12/6962, S. 70) damit begründet worden, dass Entscheidungen nach § 91 a ZPO nicht gebührenmäßig begünstigt werden sollen, weil sie erheblichen richterlichen Arbeitsaufwand auslösten und eine weitreichende Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insbesondere mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien erforderten (vgl. Zusammenfassung in OLG München, MDR 1996, 209). Ferner sollten die Parteien dazu veranlasst werden sollten, die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen (OLG München, a. a. O., vgl. dazu a. BVerfG NJW 1999, 3549 unter II. 2. c)).

14

Nachdem der damalige Ausschluss von Erledigungserklärungen von der Gebührenermäßigung auch in das 2002 in Kraft getretene Patentkostengesetz übernommen worden ist (Nr. 402 110 GebVerz-PatKostG) und sich das PatKostG-Gebührenverzeichnis - abgesehen von der Höhe des Gebührensatzes - hinsichtlich der Wertgebühren an den für die Klagen und einstweiligen Verfügungen in erster Instanz geltenden Gebühren nach dem Gerichtskostengesetz (in der 2002 geltenden Fassung) orientiert (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, BlfPMZ 2002, 50, re. Sp. unter Ziff. 3.), ist davon auszugehen, dass die o. g. Erwägungen des Gesetzgebers in gleicher Weise auch für die patentrechtlichen Gebühren gelten sollen.

15

b) Die überwiegende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu den damaligen Bestimmungen des GKG-Kostenverzeichnisses hat jedoch darauf hingewiesen, dass das gesetzgeberische Motiv für den Ausschluss einer Ermäßigung bei Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO in solchen Fällen entfällt, in denen die Parteien die Hauptsache zwar übereinstimmend für erledigt erklären, den damit üblicherweise verbundenen richterlichen Arbeitsaufwand aber dadurch entfallen ließen, dass über die Verpflichtung zur Kostentragung ein Prozessvergleich geschlossen werde (z.B. OLG München, a. a. O.; OLG Celle v. 29.09.1995, (8 W 251/95, vom Kläger zitiert); zum Meinungsstand vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 717). Hier erscheine es unter Anwendung der Nr. 1312 c) GKG-Kostenverzeichnis a. F. (entspricht Nr. 402 110 c) PatKostG-GebVerz) gerechtfertigt, solche Fälle so zu behandeln, als hätten die Parteien einen Prozessvergleich sowohl bezüglich der Hauptsache als auch der Kostentragung geschlossen mit der Folge, dass die Gebührenermäßigung eintrete. Gleiches sollte dann gelten, wenn die Parteien aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs die Hauptsache für erledigt erklären und keine Kostenanträge stellten (vgl. OLG München, MDR 1998, 739).

16

Der Senat folgt dieser Rechtsprechung zur früheren Fassung des GKG-Kostenverzeichnisses. Hierfür spricht vor allem, dass ihr auch der Gesetzgeber mit dem (Ersten) Kostenrechtsmodernisierungsgesetz gefolgt ist und die von ihr entwickelten Fallgestaltungen in die neu gefasste Nr. 1211 GKG-KostVerz sowie weitere gleichlautende Bestimmungen übernommen hat (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1971, S. 159 f., zu Nummer 1211).

17

Auch hier liegt eine Fallgestaltung, bei der nach der o. g. Rechtsprechung eine Gebührenermäßigung gerechtfertigt ist. Vorliegend ist die Mühewaltung des Gerichts, die mit dem Erlass eines unter Auseinandersetzung mit dem Streitstoff verbundenen Kostenbeschlusses verbunden wäre, infolge der außergerichtlichen Kostenregelung entfallen. Zwar hat der Senat eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO erlassen. In seiner Entscheidungsbegründung ist er jedoch nur pauschal der zuvor von den Parteien einvernehmlich mitgeteilten Einigung über die Kostentragung gefolgt. Dies entspricht der jeweiligen Nr. 4, 2. Alternative der heute geltenden Nummern 1211, 1213, 1215, 1222, 1232, 1252 KostVerz-GKG, die wiederum eine vom Gesetzgeber gebilligte Fallgestaltung der Rechtsprechung zu altem Gebührenrecht darstellt (s. o.). Der Fall einer übereinstimmenden Erledigung der Hauptsache mit anschließendem Vergleich über die Kostenfolge ist damit gerichtskostenrechtlich wie der Abschluss eines Prozessvergleichs einschließlich einer Kostenvereinbarung zu behandeln mit der Folge, dass sich die Gebühr auf den 1,5-fachen Satz ermäßigt (Nr. 402 110 c) PatKostG-Gebührenverzeichnis).

18

Damit kann es offen bleiben, ob es vorliegend überhaupt einer Kostenentscheidung bedurft hätte. Die Kostenentscheidung erübrigt sich, wenn die Parteien sie nicht wollen, etwa, weil sie sich auch hinsichtlich der Kostentragung verglichen haben oder eine Partei die Kostenübernahme erklärt hat (vgl. BGH MDR 2006, 1124; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 91a, Rn. 22; Thomas-Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 91a, Rn. 26). Nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass sich die Beklagte außergerichtlich verpflichtet habe, die Kosten des Verfahrens zu tragen, so dass es „einer Begründung der Kostenentscheidung“ durch das Gericht nicht bedürfe, und die Beklagte bestätigt hat, „wie von der Klägerin beantragt wurde, die Kosten des Verfahrens zu tragen“ (Schriftsatz v. 6. Oktober 2017), erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Kostenentscheidung vorliegend sogar entbehrlich gewesen war, so dass eine Fallgestaltung vorliegen würde, die der jeweiligen Nr. 4, 1. Alternative der heute geltenden Nummern 1211, 1213, 1215, 1222, 1232, 1252 des KostVerz-GKG entsprechen und damit in zivilrechtlichen Fällen ebenfalls (erst recht) eine Gebührenreduzierung rechtfertigen würde.

19

Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung der Gebührenregelungen des Gerichtskostengesetzes im (Ersten) Kostenrechtsmodernisierungsgesetz bei gleichzeitiger (bisheriger) Belassung der „alten“ Regelungen im PatKostG-Gebührenverzeichnis von seiner ursprünglichen Orientierung an den Gebühren nach dem Gerichtskostengesetz bewusst abrücken und sich zugleich von der o. g. Rechtsprechung zur alten Fassung des GKG-Kostenverzeichnisses distanzieren wollte (vgl. zusammenfassende Darstellung der bisherigen Änderungen des Patentkostengesetzes in Benkard, PatG, 11. Aufl., vor § 1 PatkostG, Rn. 10 ff.; Schulte, 10. Aufl., S. 2359). Vielmehr scheint eine Anpassung der Wertvorschriften des PatG-Gebührenverzeichnisses eher versehentlich unterblieben zu sein.