Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.05.2010


BPatG 19.05.2010 - 3 Ni 15/08 (EU)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Medikamente enthaltend Salmeterol und Fluticason (europäisches Patent) und ergänzendes Schutzzertifikat für das Arzneimittel Salmeterolxinafoat mit Fluticason-17-propionat" – zur Frage der Formulierung der Aufgabe und des Bestehens eines Vorurteils


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
19.05.2010
Aktenzeichen:
3 Ni 15/08 (EU)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 27. August 2013, Az: X ZR 83/10, Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 56 EuPatÜbk
Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk
Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 416 951

(DE 690 05 951)

und das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 040

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2010 unter Mitwirkung des Richters Engels als Vorsitzenden, der Richterin Dr. Proksch-Ledig, des Richters Dr. Gerster sowie der Richterinnen Prietzel-Funk und Dr. Münzberg

für Recht erkannt:

1. Das europäische Patent 0 416 951 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 040 wird für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 7. September 1990 beim Europäischen Patentamt angemeldeten, die Priorität der britischen Patentanmeldungen 8920392 vom 8. September 1989 und 8923644 vom 20. Oktober 1989 in Anspruch nehmenden und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 416 951 B1 (Streitpatent), dessen Erteilung am 12. Januar 1994 veröffentlicht worden ist und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 690 05 951 T2 geführt wird. Das Streitpatent betrifft "Medikamente enthaltend Salmeterol und Fluticason" und umfasst in der in englischer Sprache erteilten Fassung 6 Patentansprüche, die folgendermaßen lauten:

2

1. Compositions containing salmeterol and/or a physiologically acceptable salt thereof and fluticasone propionate for simultaneous administration by inhalation in the treatment of respiratory disorders.

3

2. Compositions as claimed in claim 1 wherein salmeterol is present as its 1-hydroxy-2-naphthoate salt.

4

3. Compositions as claimed in claim 1 or claim 2 presented in the form of a metered dose inhaler or a metered dry powder composition.

5

4. Compositions as claimed in any of claims 1 to 3 in dosage unit form containing 25 - 100 µg salmeterol, optionally in the form of a physiologically acceptable salt thereof and 25 - 500 µg of fluticasone propionate per dosage unit.

6

5. The use of salmeterol and/or a physiologically acceptable salt thereof and fluticasone propionate in the manufacture of pharmaceutical compositions for simultaneous administration of salmeterol and fluticasone propionate by inhalation in the treatment of respiratory disorders.

7

6. The use of salmeterol and/or a physiologically acceptable salt thereof and fluticasone propionate according to claim 5 in the manufacture of pharmaceutical compositions for administration on a twice daily basis.

8

Auf der Grundlage dieses Streitpatentes wurde der Beklagten vom Deutschen Patent- und Markenamt mit Beschluss vom 13. Februar 2006 das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 040 für das Arzneimittel Salmeterolxinafoat mit Fluticason-17-propionat mit einer Laufzeit vom 8. September 2010 bis zum 7. September 2013 erteilt.

9

Mit den vorliegenden Klagen machen die Klägerinnen die Nichtigkeit des Streitpatentes gestützt auf den Klagegrund der fehlenden Patentfähigkeit wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend. Die Klägerinnen zu 1) und zu 4) stützen ihre Klagen darüber hinaus auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Ausführbarkeit. Die Klägerinnen zu 1), zu 2) und zu 4) machen ferner die Nichtigkeit des Schutzzertifikates DE 199 75 040 wegen fehlender Patentfähigkeit des Streitpatentes geltend. Zur Begründung ihres Vorbringens stützen sich die Klägerinnen auf folgende Dokumente, die seitens des Senates fortlaufend neu nummeriert worden sind:

10

D1 EP 0 416 951 B1

11

D3 DE 690 05 951 T2

12

D6 SCRIP No. 1436 Aug. 4 th 1989, Seiten 12 bis 14

13

D8 Barnes, P. J. in "Directions for new anti-asthma drugs" Hrgs. O’Donnell S. R., Persson C. G., 1988 Birkhäuser Verlag Basel, S. 293 bis 313

14

D9 SCRIP No 1411 May 12 th 1989, S. 6 und 7

15

D10 Bauer, K. et al., Euro. Res. J. 1988, 1 (Suppl 2): 201S

16

D11 Ruffin, R. E. in "Mechanisms in Asthma: Pharmacology, Physiology, and Management", 1988 Alan R. Liss, Inc., S. 427 bis 435

17

D13 Martindale – The Extra Pharmacopoeia, 29. Aufl., 1989, "Beclomethason"

18

D14 GB 2 088 877 A

19

D20 ABPI Data Sheet Compendium 1988-89, Datapharm Publications Limited 12 Whitehall, London SW 1A 2DY, S. 52/53 - "VENTIDE® INHALER"

20

D25 GB 2 140 800 A

21

D27 Dal Negro, R.W. et. al., Clinical Trials J. 1983, 20, S. 366 bis 372

22

D39 gsk – GlaxoSmithKline-GalxoWellcome- cascan Datenblatt Viani® - Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels – November 2006

23

D40 SCRIP No. 1184 March 4th 1987 S. 8 bis 10

24

D46 Handbook of Pharmaceutical Excipients, 1986, S. 153 bis 162.

25

Die Klägerinnen zu 1), zu 2) bis 4) beantragen sinngemäß,

26

das europäische Patent EP 0 416 951 B mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

27

Die Klägerinnen zu 1) und 2) beantragen außerdem,

28

das deutsche ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 040 für nichtig zu erklären.

29

Die Beklagte beantragt,

30

die Klagen abzuweisen,

31

hilfsweise,

32

das Patent im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 7 aufrechtzuerhalten.

33

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß 1. Hilfsantrag. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 haben folgenden Wortlaut:

34

"1. Mittel in Form eines Kombinationspräparates, enthaltend Salmeterol und/oder ein physiologisch verträgliches Salz davon und Fluticasonpropionat zur gleichzeitigen Verabreichung durch Inhalieren bei der Behandlung respiratorischer Erkrankungen.

35

5. Verwendung von Salmeterol und/oder einem physiologisch verträglichen Salz davon und Fluticasonpropionat bei der Herstellung von Arzneimitteln als Kombinationspräparate, die in einem abgemessene Mengen dosierenden Inhalator oder in Form eines vordosierten trockenen Pulvermittels vorliegen, zur gleichzeitigen Verabreichung von Salmeterol und Fluticasonpropionat durch Inhalieren bei der Behandlung respiratorischer Erkrankungen."

36

Weiter hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 5 gemäß 2. Hilfsantrag. Gegenüber dem 1. Hilfsantrag wird das beanspruchte Mittel gemäß Patentanspruch 1 zusätzlich durch das Merkmal "wobei das Mittel in einem abgemessene Mengen dosierenden Inhalator oder in Form eines vordosierten trockenen Pulvermittels vorliegt" charakterisiert.

37

Weiter hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß 3. Hilfsantrag. Gegenüber dem 2. Hilfsantrag ist das beanspruchte Mittel zusätzlich zur zweimal täglichen Verabreichung vorgesehen.

38

Weiter hilfsweise verfolgt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß 4. Hilfsantrag. Gegenüber dem 3. Hilfsantrag werden das Mittel gemäß Patentanspruch 1 und dessen Verwendung gemäß Patentanspruch 3 weiter durch das Merkmal "dass jede Betätigung des Inhalators oder jede abgemessene Dosis 25 bis 100 µg Salmeterol, gegebenenfalls in Form eines physiologisch verträglichen Salzes davon, und 25 bis 500 µg Fluticasonpropionat, liefert" gekennzeichnet.

39

Weiter hilfsweise verfolgt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß 5. Hilfsantrag. Gegenüber dem 4. Hilfsantrag werden das Mittel gemäß Patentanspruch 1 und dessen Verwendung gemäß Patentanspruch 3 nunmehr "in Form eines vordosierten trockenen Pulvermittels" verteidigt.

40

Weiter hilfsweise verfolgt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß 6. Hilfsantrag. Gegenüber dem 5. Hilfsantrag erhält das mit diesem Hilfsantrag angegebene Mittel zusätzlich Lactose.

41

Weiter hilfsweise verfolgt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 gemäß 7. Hilfsantrag. Mit diesem werden das Mittel gemäß Patentanspruch 1 und dessen Verwendung gemäß Patentanspruch 3 auf die "Behandlung von Asthma" beschränkt.

42

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent im verteidigten Umfang für patentfähig. Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie auf folgende Dokumente:

43

HE1 British Thoracic Society: "Guidelines for management of asthma in adults: I - chronic persistent asthma" und "Guide-lines for management of asthma in adults: II - acute severe asthma" Br. Med. J. 1990, 301, S. 651 bis 653, 797 bis 800

44

HE2 MedReport 2004, 28 (42), S. 1 bis 3 und 12

45

HE3 "The chemistry of carboxylic acids and esters", Ed: Patai, S., 1969 Interscience-Publishers, John Wiley&Sons Ltd. London, S. 726 und 730

46

HE4 Erklärung Prof. M. Klibanov vom 29. Oktober 2008 nebst Übersetzung

47

HE5 Erklärung Prof. S. G. Davis vom 5. November 2008 nebst Übersetzung

48

HE6 Erklärung Prof. R. S. Langer, undatiert, mit Anlagen A bis F – nebst Übersetzung

49

HE7 Erklärung Prof. M. Ch. Davis vom 5. November 2008 mit Anlagen MD-1 bis MD-4 – nebst Übersetzung

50

HE8 Usmani, O. S. et. al., Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2005, 172, S. 704 bis 712

51

HE9 Pace, E. et. al., J. Allergy Clin. Immunol. 2004, 114, S. 1216 bis 1223

52

HE10 Reddy, S. et. al., Proc. Am. Thorac. Soc. 2006, A848

53

HE11 Swenson, C. et. al., J. Allergy Clin. Immunol. 2003, S126 Abstracts - 227

54

HE12 Aggarwal, S. K. et. al., Poster presented at ATS Int. Seatle, 16-21 May 2003

55

HE13 Orsida, B. E. et. al., Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2001, 164, S. 117 bis 121

56

HE14 Hague, R. A. et. al., Proc. Am. Thorac. Soc. 2006, A848

57

HE15 Sarir, H. et. al., Europ. J. Pharmacol. 2001, 571, S. 55 bis 61

58

HE16 Calverley, P. M. A. et. al., N. Engl. J. Med. 2007, 356, S. 775 bis 789

59

HE17 Celli, B. R. et. al., Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2008, 178, S. 332 bis 338

60

HE18 Chapman, K. R. et. al., Can. Respir. J. 1999, 6, S. 45 bis 51

61

HE19 Zetterström, O. et. al., Eur. Respir. J. 2001, 18, S. 262 bis 268

62

HE20 Drug and Therapeutics Bulletin 1986, 24, S. 15 bis 16

63

HE21 Maesen, F. P. V. et. al., JDR Journal for Drugtherapy and Research 1984, 9, S. 100 bis 104

64

HE22 McDonald, C. et. al., Curr. Med. Res. Opin. 1988, 11, S. 116 bis 122

65

HE23 Hambleton, G. et. al., Curr. Med. Res. Opin. 1987, 10, S. 548 bis 554

66

HE24 Jeppsson, A.-B. et. al., Pulm. Pharmacol. 1989, 2, S. 81 bis 85

67

HE25 Lindsay, D. A. in: "Mechanisms in Asthma: Pharmacology, Physiology, and Management", 1988 Alan R. Liss, Inc, S. 421 bis 425

68

HE26 Liste: "Beta agonists publicly at the priority date of EP 0 416 951"

69

HE27 Liste: "Corticosteroids publicly at the priority date of EP 0 416 951"

70

HE28 Sears, M. R. et. al., The Lancet 1990, 336, S. 1391 bis 1396

71

HE29 Twentyman, O. P. et. al., Resp. Med. 1992, 86, S. 471 bis 476

72

HE30 Page, C. and Costello, J., Resp. Med. 1992, 86, S. 477 bis 479

73

HE31 Erklärung M. Johnson, PhD, vom 12. November 2008 nebst Übersetzung

74

HE32 Cote, C. G. et. al., CHEST, October 29, 2008

75

HE33 Internet-Ausdruck: "Lung function testing – FEV1 – forced expiratory volume in 1 second, FEV1%VC" und "Lung function testing –MMEF, FEF25-75%", jeweils zwei Seiten, http://www.spirxpert.com/indices 7 bzw. 11.htm - undatiert

76

HE34 Virchow Jr., J.-Ch., Allergologie 1995, 18, S.167 bis 178

77

HE35 Angus, R. et. al., J. Clin. Pract. 2005, 59, S. 156 bis 162

78

HE36 O’Connor, R. D. et. al., Ann. Allergy Asthma Immunol. 2005, 95, S. 535 bis 540

79

HE37 Eidesstattliche Versicherung M. Johnson vom 4. Januar 2010 nebst Übersetzung mit Annex MJ(2)-1: Grove A. and Lipworth, B. J., The Lancet 1995, 346, S. 201 bis 206

80

HE37a Kotaniomi, J. et. al., Abstract: "Salbutamol controlled release tablets and individually titrated slow release Theophylline in the Management of chronic obstructive airways disease (COAD) – ohne Quellenangabe

81

HE38 Stellungnahme Prof. A. P. Greening vom 28. Januar 2010 nebst Übersetzung und 2 Annexes

82

HE39 Stellungnahme Prof. R. Wettengel vom 26. Januar 2010 nebst Anlagen 1 bis 7

83

HE40 Crane, J. et. al., The Lancet 1989, S. 917 bis 922

84

HE41 Mitchell, E., Thorax 1989, 44, S. 81 bis 83, nebst Datenblatt

85

HE42 Stellungnahme Prof. K. H. Dötz vom 6. Februar 2010 nebst Anlagen 1 bis 21

86

HE43 Stellungnahme Prof. K. H. Dötz vom 25. Januar 2010 nebst Anlagen 1 bis 15

87

HE44 Stellungnahme Prof. K. H. Dötz vom 11. Februar 2010 nebst Anlagen 1 bis 10

88

HE45 Stellungnahme Prof. K. H. Bauer vom 21. Januar 2010 nebst Anlagen 1 bis 5

89

HE46 Stellungnahme Prof. P. York vom 13. Oktober 2009 nebst Übersetzung

90

HE47a Stellungnahme Prof. R. Buhl vom 5. Februar 2010 nebst Anlagen 1 bis 4

91

HE47b Stellungnahme Prof. R. Buhl vom 8. Februar 2010

92

HE48 Information des Unternehmens AstraZeneca "Therapieoptionen bei Asthma bronchiale"

93

HE49 Information des Unternehmens Novartis "Foradil® beim Asthma bronchiale" 1999

94

HE50 Patel, K. R., Clinical Therapeutics 1985, 7, S. 452 bis 467

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HE51 Agũero, R. und Dal-RE, R., Clin. Trials J. 1988, 25,S. 109

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HE52 Svensson, L.-A. in: New anti-asthma drugs",1988, Birkhäuser Verlag Basel, S. 271 bis 276

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HE53 Sandstrõm, T. et. al., Respiration 1988, 53, S.31 bis 36

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HE56 Robuschi, M. et. al., Current Therapeutic Research 1988, 43, 1 Seite (Abstract)

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HE61 Guleria, J. S. et. al., Annals of Allergy 1979, 43, S. 123 bis 125

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HE62 Anderson, G. and Wilkins, E., Thorax 1977, 32, S. 717 bis 719

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HE63 Pasotti, C. et. al., Int. J. Clin. Pharmac. Biopharm. 1979, 17, S. 176 bis 180

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HE66 Beumer, H. M., Int. J. Clin. Pharmac. Biopharm. 1979, 17, S. 237 bis 239

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HE67a Màndi, A. et. al., Arzneim.Forsch./Drug Res. 1977, 27 (I), S. 64 bis 66

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HE67b Tabori, D. et. al., Arzneim.Forsch./Drug Res. 1977, 27 (I), S. 55 bis 60

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HE68 Nelson, H. S. et. al., J. Allergy Clin. Immunol 2003, 112, S. 29 bis 36

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HE69 Rosenhall, L. et. al., Respiratory Medicine 2003, 97, S. 702 bis 708

115

HE70 Ausführungen "Zum irischen Urteil"

116

HE71 Morris, H.G., NER Allergy Proc. 1987, 8, S. 85 bis 94

117

HE72 Devlin, R. G. et. al, J. Toxicol.-Cut. & Ocular Toxicol. 1986, 5, S. 35 (Abstract)

118

HE73a EP 0 057 401 A1

119

HE73b The Merck Index, 2001, S.1114

120

HE73c M. Jakob in: "Asthma XXs pocket", 2. Aufl., 2009, Börm Bruckmeier Verlag GmbH Grünwald, S. 72, 73

121

HE74 Littenberg, B. und Gluck, E. H., The New England Journal of Medicine 1986, 314, S. 150 bis 152

122

HE75 Ng, S. H. et. al., Postgraduate Medical Journal, 1977, 53, S. 315

123

HE76 Bernstein, I. L. et. al., CHEST 1982, 81, S. 20 bis 26

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HE77 Falliers, C. J. et. al., Journal of Asthma 1982, 19, S. 241 bis 247

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HE78 Sherman, B. et. al., J. Allergy clin. Immunol.1982, 69, S. 208 bis 212

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HE79a Slavin, R. G. et. al., J. Allergy clin. Immunol, 1980, 66, S. 379 bis 385

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HE79b Dry, J. et. al., J. Int. Med. Res. 1985, 13, S. 289 bis 293

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HE80 Smith, M. J. und Hodson, M. E., The Lancet, Feb. 5 1985, S. 265 bis 268

129

HE81a Field, H. V. et. al., Arch. Dis. Child. 1982, 57, S. 864 bis 866

130

HE81b Johannson, S.Å. et. al., Eur. J. Clin. Pharmacol. 1982, 22, S. 523 bis 529

131

HE82 "Asthma drugs could kill, say specialists" Sunday Times vom 12. Oktober 1986

132

HE83 Taylor, D. R. et. al., Thorax 1998, 53, S. 744

133

HE84 Stellungnahme Prof. C. Vogelmeier vom 17. Februar 2010

134

HE85 Stellungnahme Dr. J. Kaminski vom 16. Februar 2010

135

HE86 Rodrigo, G. und Rodrigo C., Am. J. Respir. Crit. Care Med. 1998, 157, S. 698 bis 703

136

HE87 Hauck, R. W., Pneumologie, 2003, 57 S. 674 bis 676

137

HE88 Page, C. P., "Developments in Asthma – A View of Current Research" 1987, PJB Publications Ltd., S. 18 bis 19

138

HE89 Page, C. P., The Lancet, 1991, 337, S. 717 bis 720

139

HE90 Shenfield, G. M., Current Therapeutics, December 1986, S. 15 bis 29

140

HE91 Eidesstattliche Versicherung S. J. Thorley vom 30. November 2009

141

HE92 Internet-Ausdrucke zu: Scrip Nr. 1408, 3. Mai 1989, S. 21 und CA 93:571825.

142

Mit Beschlüssen vom 29. Januar 2009, 27. Mai 2009 und 9. Dezember 2009 wurden die Nichtigkeitsklagen 3 Ni 15/08 (EU), 3 Ni 69/08 (EU), 3 Ni 3/09 (EU) und 3 Ni 24/09 (EU) unter dem führenden Aktenzeichen 3 Ni 15/08 (EU) miteinander verbunden.

143

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien, des Wortlauts der weiteren Patentansprüche sowie der eingereichten Dokumente wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. Februar 2010 und den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

144

Die gegen das Streitpatent EP 0 416 951 (DE 690 05 951) und das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 040 gerichteten Klagen erweisen sich als begründet.

145

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents in der nach Hauptantrag und den verteidigten Hilfsanträgen 1 bis 7 verteidigten Fassung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a i. V. m. Art. 54, 56 EPÜ).

I.

146

1. Das Streitpatent (Grundpatent) betrifft pharmazeutische Zusammensetzungen, enthaltend Salmeterol und/oder ein physiologisches Salz davon und Fluticasonpropionat und dessen Verwendung zur gleichzeitigen Verabreichung durch Inhalieren bei der Behandlung respiratorischer Erkrankungen, insbesondere von Asthma (vgl. DE 690 05 951 T2 (D3) Beschreibung S. 1 Abs. 1 i. V. m. Patentansprüchen 1 und 5).

147

Bei Asthma handelt es sich - wie auch einleitend in der Streitpatentschrift ausgeführt wird - um eine anfallsweise, rezidivierende Obstruktion der Atemwege. Verursacht wird diese durch eine reversible Bronchialverengung, die wiederum bedingt ist durch Entzündungsprozesse und eine Hyperreaktivität der Atemwege. Ausgelöst werden kann diese Erkrankung durch allergische Reaktionen, aber auch durch verschiedene andere Mechanismen, wie Infektionen oder chemisch-physikalische Inhalationsreize. Zwischen diesen verschiedenen Asthmaformen sind die Übergänge sehr häufig fließend, d. h. es treten häufig Mischformen auf. Während Asthma zunächst meist vollständig reversibel ist, trifft dies im weiteren Verlauf nur noch partiell zu. Die Regel sind chronische Krankheitsverläufe mit Übergang in ein sogenanntes Dauerasthma, weshalb in diesen Fällen eine Dauerbehandlung erforderlich wird. Nachdem aber der sodann chronische Krankheitsverlauf sowohl von entzündlichen Prozessen als auch von Bronchospasmen bestimmt wird, müssen bei Patienten in diesem Krankheitsstadium - wie ebenfalls im Zusammenhang mit der Darlegung des allgemeinen Standes der Technik in der Streitpatentschrift weiter ausgeführt wird - beide den Verlauf des Asthmas bestimmenden Komponenten behandelt werden. Zum Prioritätszeitpunkt wurden dabei zur Behandlung der Entzündungen Corticosteroide, wie beispielsweise Beclomethasondipropionat, eingesetzt. Zur akuten Behandlung der Bronchospasmen wurden Bronchodilatoren gegeben, von denen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Wirkstoff Salbutamol, ein stark selektiver ß 2 -Adrenozeptorstimulator, als erfolgreich und wirksam bekannt war (vgl. dazu z. B. auch HE25 S. 421 Abs. 1 bis S. 422 Abs. 2). Die Verabreichung beider Wirkstoff erfolgt der Streitpatentschrift zufolge üblicherweise durch Inhalation. Diese Medikation ist jedoch, wie im Stand der Technik beschrieben wird und von allen Parteien wiederholt vorgetragen worden ist, mit dem Problem verbunden, dass die Patienten zwar den Bronchodilator nehmen, nicht aber regelmäßig, so wie verschrieben, das zur Prophylaxe vorgesehene Corticosteroid. Während der Bronchodilator nämlich zu einer umgehenden Besserung der Symptomatik führt, tritt die Wirkung der Corticosteroide verzögert auf, weshalb ein Erfolg für den Patienten in diesem Fall nicht unmittelbar ersichtlich ist. Da diese Wirkstoffklasse darüber hinaus von Patienten als mit einem hohen Nebenwirkungspotential verbunden angesehen wird, wird die Einnahme von Corticosteroiden vielfach abgelehnt. Dieses Verhalten führt in der in Rede stehenden Patientengruppe jedoch dazu, dass die Krankheit - von den Patienten unbemerkt - weiter fortschreitet (vgl. DE 690 05 951 T2 (D3), Beschreibung S. 1 Abs. 2 bis S. 2 Abs. 1 sowie HE38 S. 2 Gliederungspunkte 6. bis 8., S. 3 Gliederungspunkte 11. und 12., HE82 und HE88 S. 18/19 übergreifender Absatz).

148

Der Streitpatentschrift weiter zufolge war zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits auch eine Zusammensetzung zur Kombinationstherapie von Asthma in Form des auf dem Markt befindlichen Präparats Ventide® bekannt. Sie umfasste die gleichzeitige Verwendung von Salbutamol als Bronchodilator und von Beclomethasonpropionat als prophylaktisch zu verabreichendes antiinflammatorisches Corticosteroid. Diese Kombinationstherapie ist aufgrund der kurzen Wirkungsdauer von vier bis sechs Stunden von Salbutamol jedoch mit einer Reihe von Nachteilen verbunden. Für die Patienten ist dieses Präparat insbesondere unmittelbar mit dem Nachteil verbunden, dass der Bronchodilator aufgrund seiner Wirkungsdauer nicht über den gesamten Zeitraum der Nacht wirksam ist und bei Asthmatikern daher zu gestörtem Schlaf führt. Die Fachwelt diskutierte dieses Präparat darüber hinaus aber auch kontrovers, weil die kurze Wirkungsdauer des Salbutamols dazu führt, dass auch das Corticosteroid in diesen kurzen Zeitabständen, und damit zu häufig, verabreicht wird (vgl. D3 Beschreibung S. 1 Abs. 2 bis S. 2 Abs. 1 sowie HE25 S. 424 Abs. 2).

149

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das objektive technische Problem, ein verbessertes Kombinationspräparat zur Behandlung von Asthma bereitzustellen.

150

3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß dem in der englischen Originalsprache erteiltem Patentanspruch 1 eine Zusammensetzung vorgeschlagen, die

151

1. die Wirkstoffe

152

a) Salmeterol und/oder ein physiologisch verträgliches Salz davon

153

und

154

b) Fluticasonpropionat

155

enthält

156

2. zur gleichzeitigen Verabreichung

157

3. durch Inhalieren bei der Behandlung respiratorischer Erkrankungen.

158

Gelöst wird diese Aufgabe im weiteren gemäß Patentanspruch 5 durch die Verwendung der Zusammensetzungen gemäß Patentanspruch 1 bei der Herstellung von Arzneimitteln zur gleichzeitigen Verabreichung durch Inhalieren bei der Behandlung respiratorischer Erkrankungen.

159

4. Der zuständige Fachmann ist ein pharmazeutischer Chemiker, der über ein abgeschlossenes Pharmaziestudium verfügt, typischerweise auf diesem Fachgebiet promoviert hat und mehrere Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung von Arzneimitteln auf dem Gebiet der respiratorischen Erkrankungen hat. Dieser Fachmann ist eingebunden in ein Team bestehend aus Spezialisten auf dem Gebiet der Entwicklung neuer Präparate auf diesem Fachgebiet, dem jedenfalls ein Galeniker mit Erfahrung bei der Entwicklung von Formulierungen von Arzneimitteln mit der in Rede stehenden Indikation sowie einem Mediziner mit Erfahrung bei der Behandlung respiratorischer Erkrankungen angehören (vgl. BGH GRUR 2007, 404, 406 [26] - Carvedilol II; GRUR 2010, 123, 125 [27] - Escitalopram).

II.

160

Die Patentansprüche 1 bis 6 in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig.

161

1. Es kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, inwiefern der beanspruchte Gegenstand tatsächlich unvollständig offenbart ist im Sinne einer mangelnden Ausführbarkeit, weil im Streitpatent als einzige respiratorische Erkrankung Asthma angegeben ist und weder die Ansprüche noch die Beschreibung die dort angegebene allgemeine medizinische Indikation "respiratorische Erkrankungen" definieren. Die Lehre des Streitpatentes ist auch neu, nachdem keine der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen eine Zusammensetzung mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Wirkstoffen beschreibt. Mangelnde Neuheit ist auch von den Klägerinnen nicht geltend gemacht worden.

162

2. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag fällt jedoch deshalb gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. 56 EPÜ der Nichtigkeit anheim, weil die Bereitstellung der beanspruchten Zusammensetzung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

163

2.1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten technischen Lehre ist von der dem Streitpatent objektiv zugrunde liegenden Aufgabe auszugehen, ein verbessertes Kombinationspräparat zur Behandlung von Asthma bereitzustellen.

164

a) Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur richtet sich die Formulierung der Aufgabe allein nach dem tatsächlich, d. h. objektiv, Erfundenen. Die Aufgabe muss daher auf das Ergebnis der Erfindung abgestellt sein, weshalb Ausgangspunkt das gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich Geleistete ist. Ferner kann sie nur an solchen Problemen orientiert werden, die durch die Erfindung tatsächlich gelöst werden (vgl. BGH GRUR 1967, 194 - Hohlwalze, BGH GRUR 1981, 186, 188 - Spinnturbine II, BGH GRUR 1991, 811 - Falzmaschine, BGH GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger, BPatG GRUR 2004, 317 - Programmartmitteilungen sowie BGH GRUR 2009, 382, 387 [51] - Olanzapin Schulte, PatG 8. Aufl. § 1 Rdn. 62, 63 und 65, Busse PatG 6. Aufl. § 1 Rdn. 88, 92 bis 94, Benkard PatG 10. Aufl. § 1 Rdn. 55a, 56, § 34 Rdn. 18 bis 20). Die Leistung des vorliegend Erfundenen besteht darin, dass mit der streitpatentgemäßen Kombination der Wirkstoffe Salmeterol und Fluticasonproprionat ein Präparat bereitgestellt wird, das eine beträchtlich größere Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der bronchodilatorischen Wirkung aufweist, als sie bei aus dem Stand der Technik bekannten Kombinationen beobachtet wird, und das eine Festlegung eines zweimal-täglichen Dosierungsplanes (bis in diem - b. i. d.) mit durchweg wesentlichen Vorteilen, insbesondere bei der Behandlung von nächtlichem Asthma, erlaubt, aber wenig Anlass zu - im Zuge der Gabe von Corticosteroiden oft befürchteten - systemischen Nebenwirkungen gibt (vgl. D3 S. 2/3 Brückenabsatz).

165

b) Von einer allumfassenden Aufgabe, wie sie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung formuliert hat, nämlich die Bereitstellung eines neuen Asthmamittels, kann nicht ausgegangen werden. Der Senat kann sich nicht der im Zusammenhang damit vorgetragenen Auffassung der Beklagten anschließen, die Entscheidung zu Gunsten eines Kombinationspräparates sei bereits Teil der Lösung. Ausgangspunkt ist vorliegend die Behandlung von Asthma, einer Krankheit, die, wie in der Patentschrift angegeben, von zwei "Komponenten" bestimmt wird, nämlich der Verkrampfung der Bronchialmuskulatur und einer Entzündung der Atemwege. Dies hat zur Folge, dass die Therapie - gemäß Stand der Technik und auch der Streitpatentschrift folgend - ab einem bestimmten Stadium der Erkrankung die Behandlung beider Komponenten einschließt, wozu gegenüber den beiden Komponenten jeweils wirksame, unterschiedliche Arzneistoffe in Kombination eingesetzt werden (vgl. z. B. HE25 S. 421 Abs. 1 und 2 sowie D3 S. 2 Z. 1 bis 5). Die Bereitstellung eines neuen Asthmamittels im Sinne der Entwicklung und damit der aufwändigen Synthese eines neuen Wirkstoffes, der die Eigenschaft aufweisen müsste, gegenüber beiden die Krankheit bestimmenden Komponenten gleichermaßen wirksam zu sein, wird in der Streitpatentschrift nicht erwähnt und steht damit auch nicht in deren Fokus.

166

Dies trifft gleichermaßen auf das Argument der Beklagten zu, die Formulierung der Aufgabe habe allumfassend zu erfolgen, weil ein weiterer vom Fachmann in Erwägung zu ziehender Weg das Ergreifen galenischer Maßnahmen sei. Auch in diesem Fall wäre es jedoch weiterhin erforderlich, eine Kombination unterschiedlicher Wirkstoffe, zu verabreichen, um beide die Krankheit bestimmenden Komponenten zu behandeln. Dieser von der Beklagten vorgebrachte Aspekt ändert also nichts daran, dass die Entscheidung zur Verbesserung eines Kombinationspräparats nicht Teil der Problemlösung, sondern dem Problem selbst als Vorgabe zuzurechnen ist (vgl. BGH GRUR 2010, 44 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

167

c) Der Senat vermag auch nicht dem Einwand der Beklagten zu folgen, zum Prioritätstag habe ein Vorurteil gegenüber der Verwendung von Kombinationspräparaten bei der Behandlung von Asthma im Hinblick auf eine damit verbundene fixe Kombination der beiden Wirkstoffe bestanden, weshalb die im Streitpatent angegebene Aufgabe falsch formuliert sei und es bei dem dem Streitpatent zugrunde liegenden Problem vielmehr grundsätzlich darum gehe, die Therapiemöglichkeit bei respiratorischen Erkrankungen, insbesondere Asthma, zu verbessern. Unabhängig davon, dass die Frage eines Vorurteils nicht geeignet ist, das objektiv zu lösende technische Problem - die Aufgabe - anders zu bestimmen, sondern als Hilfskriterium (Beweisanzeichen) für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit lediglich Anlass gibt, bekannte Lösungen kritisch darauf zu überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens hinreichende Anhaltspunkte für ein Naheliegen bieten (vgl. BGH GRUR 2010, 44 - Dreinahtschlauchfolienbeutel), liegt ein derartiges Vorurteil auch in tatsächlicher Hinsicht nicht vor.

168

Zum Einen spricht nach geltender Rechtsprechung bereits die Nichterwähnung in der Beschreibung des Streitpatentes gegen das Vorliegen eines Vorurteils (vgl. BGH GRUR 1967, 25 - Spritzgußmaschine III). Auch vorliegend finden sich im Streitpatent keinerlei Angabe dahingehend, die Fachwelt habe solche Kombinationen als problematisch angesehen bzw. grundsätzlich abgelehnt. Vielmehr werden diese Kombinationen dort als verbesserungswürdig geschildert.

169

Zum Anderen liegt ein Vorurteil, d. h. eine allgemein eingewurzelte technische Fehlvorstellung, nur dann vor, wenn es in der einschlägigen Fachwelt tatsächlich und allgemein, z. B. dargelegt in Standardwerken oder Lehrbüchern, besteht (vgl. dazu auch Schulte PatG 8. Aufl. § 4 Rdn. 127, 128 sowie Hesse GRUR 1982, 514 bis 519). Die Ablehnung einzelner Fachleute genügt dagegen ebenso wenig, dessen Vorliegen zu begründen (vgl. EPA T 62/82, EPA T 410/87 sowie EPA T 500/88), wie Bedenken der Fachwelt, die nicht so schwerwiegend sind, dass sie allgemein von Überlegungen in Richtung auf die Lehre abhalten (vgl. BGH GRUR 1984, 580 - Chlortoluon). Diese Situation ist vorliegend gegeben. Eine einhellig ablehnende Haltung der Fachwelt ist aus den im Verfahren genannten Dokumenten nämlich nicht ableitbar. Vielmehr ist der Nutzen der Verabreichung von fixen Kombinationen, die neben einem Bronchodilator ein Corticosteroid enthalten, von der Fachwelt zum maßgeblichen Zeitpunkt lediglich kontrovers diskutiert worden (vgl. z. B. HE20 S. 15/16 "VENTIDE – A USEFULL COMBINATION?" sowie HE25 S. 423/424 übergreifender Absatz und S. 424 Abs. 5 bis S. 425 Abs. 3). Nichtsdestotrotz stellten fixe Kombinationen aus einem Bronchidilator und einem Corticosteroid zum Prioritätszeitpunkt gemäß den wissenschaftlichen Veröffentlichungen von P. J. Barnes in "Directions for new anti-asthma drugs" (D8) und von R. E. Ruffin in "Mechanisms in Asthma: Pharmacology, Physiology and Management" (D11), beide im Jahr 1988 erschienen, sowie der Anmerkung in "Martindale - The Extra Pharmacopoeia", 1989 (D13) eine für die Fachwelt durchaus in Betracht zu ziehende Darreichungsform dieser Wirkstoffe dar. Dieses trifft insbesondere für jenes Patientenkollektiv zu, das regelmäßig beide Wirkstoffe nehmen sollte, aber die Corticosteroid-Einnahme nicht zuverlässig handhabt (vgl. D8 S. 308/309 "Conclusions"; D11 S. 427 Abs. 1 und 2, S. 428/429 übergreifender Absatz bis S. 429 vorl. Absatz und S. 430 "Conclusion" sowie D13 re. Sp. le. Abs.).

170

Auch den von der Beklagten in diesem Zusammenhang im Wesentlichen diskutierten wissenschaftlichen Beiträgen HE20 bis 23, HE25 und HE90 lässt sich eine übereinstimmend ablehnende Haltung der Fachwelt nicht entnehmen. In den Dokumenten HE20, HE21 und HE22 wird die Wirkung vergleichbar der getrennten Gabe gesehen, wobei als Vorteil der fixen Kombination die bessere Compliance, d. h. die größere Bereitschaft der Patienten, der ärztlichen Verordnung zu folgen, beschrieben wird (vgl. HE20 S. 15/16 übergreifender Absatz, S. 16 "Conclusions" und HE21 S. 100 re. Sp. Abs. 2, S. 103 "Discussion"). Den wissenschaftlichen Veröffentlichungen HE22 und HE23 ist eine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber der Verabreichung von fixen Kombinationen gleichfalls nicht zu entnehmen. Im Dokument HE22 wird diese Applikationsform im Ergebnis als Alternative zur getrennten Verabreichung der Wirkstoffe gesehen (vgl. S. 116 "Summary" i. V. m. S. 120 Tabellen IV. und V. sowie S. 121 le. Abs.), gemäß den Schlussfolgerungen der Autoren des Artikels HE23, in dem die darin beschriebene Datenerhebung im Übrigen von den Autoren selbst nicht als vollständig angesehen wird, wird jedenfalls von einer vergleichbaren Kontrolle der Symptome bei Anwendung beider Verabreichungsformen berichtet (vgl. 548 "Summary", S. 553/554 "Discussion"). Auch der Beitrag von D. A. Lindsay aus dem Jahr 1988 (HE25) kann den Einwand der Beklagten hinsichtlich einer einheitlich ablehnenden Haltung der Fachwelt gegenüber fixen Kombinationen nicht stützen. So vertritt der Autor selbst zwar die Auffassung, dass die Kombination von Wirkstoffen unterschiedlicher Wirkmechanismen für eine optimale Therapie von Asthmatikern zwar erforderlich ist, aufgrund der fehlenden Flexibilität der Medikation fixe Kombinationen aber abzulehnen seien (vgl. S. 424 Abs. 5 bis S. 425 Abs. 3). In diesem Artikel wird andererseits aber auch ausgeführt, dass andere Wissenschaftler eine Vereinfachung der Therapie durch die Gabe fester Kombinationen sehen (vgl. S. 423/424 übergreifender Absatz). Der von der Beklagten als weiterer Beleg für das Bestehen eines Vorurteil in der Fachwelt zitierte Artikel von G. M. Shenfield in "Current Therapeutics, 12/1986" (HE90) betrifft eine kritische Wertung von Wirkstoffkombinationen. Im Zusammenhang mit Bronchodilator-Kombinationen führt der Autor darin aus, dass eine Anzahl solcher Produkte, die einen ß-Agonisten zusammen mit einem Anticholinergikum oder Corticosteroid enthalten, von der pharmazeutischen Industrie hergestellt werde und diese Zubereitungen sowohl von Patienten wie auch von Ärzten als attraktiv angenommen würden. Er selbst dagegen erachte solche Zusammensetzungen als weniger erwünscht, weil sie eine Erziehung der Patienten zwischen Prophylaxe und symptomatischer Behandlung zu unterscheiden, verhindere. So kommt er schlussendlich zu dem Ergebnis, dass solche Produkte zwar vordergründig Vorteile aufwiesen, für die allgemeine Verwendung aber nicht zu empfehlen seien (vgl. S. 28 li./re. Sp. "Bronchodilator Aerosol Combinations"). Somit werden auch in diesem Beitrag lediglich Bedenken eines Einzelnen dargelegt, während jedoch eine einhellig ablehnende Haltung der Fachwelt daraus nicht ersichtlich ist. Vielmehr wird sogar darauf verwiesen, dass viele Ärzte solche Kombinationen alleine schon wegen der Verringerung der Anzahl der zu handhabenden Inhalatoren schätzen.

171

Zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage können die von der Beklagten vor gelegten Gutachten HE38 und HE39 bzw. die Darlegungen des Herrn Gutachters Prof. Wettengel in der mündlichen Verhandlung führen. Diese belegen gleichfalls lediglich jeweils die Bedenken eines einzelnen Fachmannes bzw. seine jeweils daraus resultierende persönliche ablehnende Haltung gegenüber dem Arzneimittel Ventide®, nicht jedoch eine grundsätzlich ablehnende Haltung der gesamten Fachwelt gegenüber einem einen Bronchodilator und einen entzündungshemmenden Wirkstoff enthaltenden Arzneimittel. So wird im Gutachten von Prof. A. P. Greening (HE38) unter Absatz 10 ausgeführt, dass dieses Medikament zum maßgeblichen Zeitpunkt keine Behandlungsform in vorderster Front bei der Asthmatherapie gewesen sei. Daraus aber ist kein grundsätzliches Vorurteil der Fachwelt ableitbar. Gestützt wird diese Sichtweise durch die Tatsache, dass zu dieser Zeit in Großbritannien, wie die Klägerinnen unwidersprochen von der Beklagten vorgetragen haben, jährlich ca. … Packungen des Arzneimittels Ventide® verkauft worden sind, weshalb selbst dieses Arzneimittel zum Prioritätstag von der Fachwelt augenscheinlich nicht einhellig als unbrauchbar beurteilt worden ist. Im Dokument HE39 führt der Gutachter Prof. Dr. R. Wettengel lediglich aus, dass die Einstellung der Fachwelt gegenüber Kombinationspräparaten zum Prioritätstag generell kritisch gewesen sei und deren Anwendung als nicht wünschenswert galt. Auch für ihn selbst, stellt die individuelle Behandlung ein wichtiges Prinzip bei der Behandlung von Asthma dar, wie aus dem vorgelegten Gutachten ersichtlich ist und er in der mündlichen Verhandlung vortrug (vgl. S. 5 Abs. 3 und S. 7/8 "Der Stufenplan" und S. 8 Abs. 3 und 4). Pauschalmedikationen entsprechend einer Kombinationstherapie dagegen steht er weiterhin kritisch gegenüber, wie sich aus seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung gibt, wonach diese auch leider heute noch durchgeführt werde. Damit aber wird hier zwar eine persönliche Ablehnung einer Medikation unter Verwendung von Wirkstoffkombinationen dargelegt, das Gutachten HE39 sowie der Vortrag des Herrn Gutachters ist aber - insbesondere auch in einer Zusammenschau mit den vorstehend bereits zitierten Dokumenten - nicht dazu geeignet, eine grundsätzlich ablehnende Haltung der gesamten Fachwelt zu belegen.

172

Die weiteren im Verfahren von der Beklagten genannten, in der mündlichen Verhandlung nicht diskutierten und zum Teil nachveröffentlichten Dokumente können ein zum Prioritätstag bestehendes Vorurteil gegenüber der Verabreichung einer fixen Wirkstoffkombination aus den in Rede stehenden Arzneistoffen nach Auffassung des Senates ebenfalls nicht begründen.

173

2.2. Geltender Rechtsprechung folgend, ist bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit zunächst zu klären, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet (BGH GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger) und ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern. Dabei besteht bei der Wahl des Ausgangspunktes jedoch kein Vorrang eines "nächstkommenden Standes der Technik" (BGH GRUR 2009, 382, 387 [51] - Olanzapin; BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; BPatG GRUR 2004, 317 - Programmartmitteilung). Vielmehr bedarf es bei der Auswahl des Ausgangspunktes der Rechtfertigung, die in der Regel in dem Bemühen des Fachmannes liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt. Auch bedarf es, um die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, dafür über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH GRUR 2009, 746 Ls. - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).

174

Diese Voraussetzungen für die Auswahl des als Ausgangspunkt maßgeblichen Standes der Technik werden von dem Übersichtsartikel D8 des Autors P. J. Barnes in "Directions for new anti-asthma drugs" aus dem Jahr 1988 erfüllt. Dieser betrifft zukunftsweisende Entwicklungen in der Wirkstofftherapie von Asthma und gibt einen umfassenden Überblick über jene Wirkstoffklassen, die von den auf diesem Gebiet forschenden Fachleuten als potentielle Kandidaten zum maßgeblichen Zeitpunkt ins Auge gefasst wurden. Gleichzeitig enthält dieser Beitrag auch eine jeweilige Bewertung der einzeln besprochenen Wirkstoffklassen bzw. -kandidaten hinsichtlich ihrer arzneilichen Wirksamkeit und der damit gegebenenfalls verbundenen potentiellen Verwendbarkeit bei der Behandlung von Asthma. Dabei kommt der Autor im Zusammenhang mit der Mehrzahl der darin vorgestellten Wirkstoffe aus der Gruppe der Bronchodilatoren und aus der Gruppe der entzündungshemmenden Substanzen zu dem Schluss, dass diese entweder wegen zu starker Nebenwirkungen oder einer zu wenig stark ausgeprägten spezifischen Wirkung weniger geeignet seien, Untersuchungen erst noch erfolgen müssten, weil die Synthese von geeigneten Wirkstoffen von als aussichtsreich erachteten Wirkstoffklassen noch nicht erfolgt sei, oder die neu entwickelten Wirkstoff-Kandidaten noch nicht ausreichend hinsichtlich ihrer Wirkungen untersucht seien. Als von klinischer Relevanz werden dort nur einige wenige Wirkstoffe beschrieben (vgl. S. 294 Abs. 1 und 2, S. 296 Abs. 1 le. Satz, S. 297 Abs. 3 le. Satz und Abs. 5 2. Satz, S. 298 Abs. 4 1. Satz, S. 299 Abs. 1 und Abs. 2 le. Satz, S. 300 Abs. 2 1. Satz und Abs. 3 le. Satz, S. 302 Abs. 2 bis 5 jeweils le. Satz, S. 303 Abs. 3, S. 304 Abs. 1 1. Satz, Abs. 2 2. und 3. Satz, Abs. 3, S. 305 Abs. 1 bis 3 jeweils le. Satz, S. 306 Abs. 1 le. Satz, S. 307/308 übergreifender Satz). Schließlich sind es lediglich zwei Wirkstoffklassen, die in diesem Artikel als sehr wirksam bzw. jeweils als die effektivste Wirkstoffgruppe benannt werden. Dabei handelt es sich zum Einen bei den Bronchodilatoren um die ß 2 -Adrenorezeptoragonisten und zum Anderen bei den entzündungshemmenden Substanzen um die Corticosteroide (vgl. S. 293 "Summary" sowie S. 308/309 "Conclusions"). Im Zusammenhang mit der spezifischen Beschreibung der ß 2 -Adrenozeptoragonisten wird in diesem Übersichtsartikel sodann weiter ausgeführt, dass diese Substanzklasse deshalb allen anderen Brochodilatoren überlegen sei, weil in humanen Luftwegen nur ß 2 -Adrenozeptoren vorhanden seien und mit der inhalativen Abgabe dieser Wirkstoffe eine hohe ß-Selektivität erreicht werde. Als besonderer Fortschritt werden sodann die Neuentwicklungen Formoterol und Salmeterol beschrieben, weil sie eine lang anhaltende Wirkungsdauer aufwiesen und mit ihnen die Möglichkeit bestehe, nächtliche Asthmaanfälle wirkungsvoll zu verhüten (vgl. S. 294/295 "ß-Adrenoceptor agonists"). Hinsichtlich der in diesem Artikel als sehr effektive Entzündungshemmer beschriebenen Corticosteroide wird ausgeführt, dass insbesondere Steroide mit hoher topischer Potenz, wie z. B. Budenosid und Beclomethason, inhalativ verabreicht sehr wirkungsvoll seien. Gleichzeitig führt der Verfasser aus, dass Weiterentwicklungen von der Suche nach inhalativ verabreichbaren Steroiden bestimmt sein werden, die eine noch höhere topische Potenz ohne die mit Steroiden verbundenen systemischen Nebenwirkungen aufwiesen (vgl. S. 303 Abs. 1). Abschließend weist der Autor explizit darauf hin, dass eine Kombinationstherapie aus zu inhalierenden Steroiden und ß-Adrenozeptor-Agonisten erforderlich sei und die Bereitstellung eines Kombinationsinhalators eine vernünftige Entwicklung darstelle. Solche Formulierungen würden die Compliance für die zu inhalierenden Steroide verbessern (vgl. S. 308/309 "Conclusions").

175

Gleichzeitig war dem Fachmann aus dem Abstract D10 zum Prioritätstag auch bekannt, dass in Gestalt von inhalierbarem Fluticasonpropionat ein neues Corticosteroid zur Behandlung von schwerem Asthma bereitstand. Dieses Abstract basiert auf einer großen internationalen Studie, an der – wie aus der Autorenangabe zu ersehen ist – acht Kliniken beteiligt waren. Fluticasonpropionat wird darin als ein neues Corticosteroid mit einer größeren topischen Aktivität, als sie Beclomethason aufweise, und minimalen systemischen Nebenwirkungen beschrieben, wobei sogar die Mehrzahl der im Zusammenhang mit der oralen Gabe beobachteten Nebenwirkungen in keiner Beziehung zur inhalativen Behandlung zu stehen schienen.

176

In Anbetracht dieser Sachlage bedurfte es keines erfinderischen Zutuns, um zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe zu kommen, eine Zusammensetzung vorzuschlagen, die Salmeterol und/oder ein physiologisches Salz davon und Fluticasonpropionat zur Inhalation enthält. So stellen nicht nur Wirkstoffkombinationen bei der Behandlung von Asthma auch gemäß Dokument D8 eine wünschenswerte und sinnvolle Abgabeform dar, insbesondere zur Verbesserung der Compliance. Dieses Dokument vermittelt dem Fachmann in diesem Zusammenhang darüber hinaus die Lehre, welche Wirkstoffgruppe aus der großen Anzahl der dort beschriebenen Möglichkeiten jeweils für die beiden Wirkstoffkomponenten in Betracht zu ziehen sind. Explizit genannt werden dafür nämlich nur die Bronchodilatoren und die Corticosteroide. Dieser Artikel offenbart dem Fachmann zudem, welche zu diesen Wirkstoffgruppen zu zählenden Einzelverbindungen besonders geeignet sind bzw. welche Eigenschaften solche Einzelverbindungen aufweisen sollten. So wird dort zum Einen in Verbindung mit den Bronchodilatoren expressis verbis auf die neu entwickelten Wirkstoffe Formoterol und Salmeterol hingewiesen, weil sie - für den Fall der inhalativen Verabreichung - unter den Bronchodilatoren die wirksamsten seien. Zum Anderen wird im Zusammenhang mit der zweiten Wirkstoffkomponente der genannten Kombination, den - gleichfalls bevorzugt inhalativ zu verabreichenden - Corticosteroiden, ausgeführt, dass, obwohl die bekannten Corticosteroide unter den Entzündungshemmern die wirksamsten Substanzen darstellten, die Fachwelt diese Wirkstoffe nichtsdestotrotz hinsichtlich topischer Potenz und systemischer Nebenwirkungen als weiterhin verbesserungswürdig erachte.

177

Die im Dokument D8 gemachten Vorschläge weiterverfolgend bzw. aufgreifend, musste der Fachmann sodann nur noch unter den zwei in dieser Druckschrift als Bronchodilator gleichermaßen geeignet genannten Wirkstoffen "Formoterol" und "Salmeterol" einen Wirkstoff auswählen. Wenn seine Wahl dabei auf den Wirkstoff Salmeterol fiel, weil sich dieser zur Erfüllung seine Zielsetzungen besonders eignete, so beruhte dieses nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dabei handelte es sich nämlich lediglich um das Ergebnis einer Wahl zwischen zwei nahegelegten Alternativen, die der Fachmann stets zunächst ausprobieren wird, bevor er weitere Überlegungen anstellt bzw. andere Wirkstoffe in Erwägung zieht. Solche Versuche aber sind seiner Routinetätigkeit zuzuordnen (vgl. BGH GRUR 1992 375, 376, 377 3. und 5. - Tablettensprengmittel; BGH GRUR 2008, 56 Abs. [25] - Injizierbarer Mikroschaum m. w. N). Im Weiteren für die zweite Komponente in der im Übersichtsartikel D8 vorgeschlagenen Wirkstoffkombination, dem Corticosteroid, das neu entwickelte Fluticasonpropionat in Erwägung zu ziehen, bedurfte gleichfalls keine Überlegungen erfinderischer Art. Nachdem dieser Wirkstoff – wie aus dem Abstract D10 zu ersehen ist – genau die im Übersichtsartikel D8 gemachten Vorgaben für eine Weiterentwicklung der als Entzündungshemmer in der Asthmatherapie eingesetzten Corticosteroide erfüllt, lag es auf der Hand, diesen Arzneistoff als geeignete Komponente in einer Kombination mit einem Bronchodilator in Betracht zu ziehen, zumal solche Kombinationen für eine regelmäßige Anwendung auf Dauer vorgesehen sind. Nachdem ferner beide Wirkstoffe ihre größte Wirksamkeit laut Stand der Technik dann entfalten, wenn sie inhalativ verabreicht werden, diese Verabreichungsform so auch im Dokument D8 für eine entsprechende Kombination als sinnvoll beschrieben wird, kann ferner auch die Maßnahme, die im strittigen Patentanspruch 1 genannte Zusammensetzung zur inhalativen Gabe bereitzustellen, keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten.

178

Diese beiden Wirkstoffe als zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe geeignet anzusehen, hatte der Fachmann im Übrigen eine umso größere Veranlassung, weil ihm – wie aus dem auf die Streitpatentinhaberin zurückgehenden Dokument SCRIP No 1184 aus dem Jahr 1987 (D40) ersichtlich ist - überdies bekannt war, dass Salmeterol und Fluticasonpropionat explizit als - im Falle des Salmeterol sogar idealer - Ersatz des zum maßgeblichen Zeitpunkt üblicherweise verwendeten ß 2 -Adrenozeptor-Agonisten Salbutamol und des Corticosteroids Beclomethason entwickelt worden waren, und beide Wirkstoffe - laut diesem Bericht sowie dem ebenfalls auf die Streitpatentinhaberin zurückgehenden Bericht in SCRIP No 1411 vom 12. Mai 1989 (D9) über Salmeterol, in dem auch Fluticasonpropionat unter "…full development compounds" für die Indikation Asthma mittels Inhalation aufgeführt wird - bereits in der Phase der klinischen Untersuchungen waren (vgl. D40 S. 9 li./re. Sp. "...salmeterol and fluticasone" sowie D9 S. 6 li. Sp. Tabelle und re. Sp. "...salmeterol"). Damit war für ihn mit diesen Publikationen um so mehr eine realistische Erwartung verbunden, mit der in Rede stehenden Wirkstoff-Kombination zu einem nützlichen Ergebnis zu kommen. Die Beklagte hat im Zusammenhang mit diesen Publikationen zwar eingewendet, deren Inhalt habe keinen sachlichen Aussagewert, weil es sich bei diesen lediglich um Verlautbarungen handele, die im Zusammenhang mit der Geschäftspolitik eines Unternehmens zu sehen seien, kann sich der Senat nicht anschließen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG umfasst der Stand der Technik alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitraum der Anmeldung maßgeblichen Tag u. a. durch schriftliche Beschreibung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Dabei fallen unter die Definition "schriftliche Beschreibungen" alle Erzeugnisse der Druckerpresse, wobei der Ort der Veröffentlichung ohne Belang ist (vgl. Schulte PatG. 8. Aufl. § 3 Rdn. 20, Benkard 10. Aufl. § 3 Rdn. 24).

179

Die mit dieser Wirkstoffkombination aus Salmeterol und Fluticasonpropionat erzielten verbesserten Wirkungen, wie eine längere Wirkungsdauer des Bronchodilators, geringere systemische Nebenwirkungen durch das Corticosteroid und eine bessere Compliance, waren für den Fachmann angesichts des vorliegenden Standes der Technik sodann von vornherein zu erwarten gewesen. Wird doch im Dokument D8 beschrieben, dass Salmeterol über eine längere Wirkungsdauer verfügt als das bis dahin üblicherweise verwendete Salbutamol und im Abstract D10, dass Fluticasonpropionat wirksamer ist und geringere systemische Nebenwirkungen aufweist, als das üblicherweise verwendete Beclomethason. So war mit der Gabe beider Wirkstoffe für den Fachmann nicht nur vorhersehbar, dass aufgrund der längeren Wirkungsdauer von Salmeterol das Auftreten nächtlicher Asthmaanfälle vermieden werden kann. Mit der Gabe von Fluticasonpropionat war auch vorhersehbar, dass weniger systemische Nebenwirkungen auftreten werden, zumal dieses Corticosteroid sich wirksamer als das üblicherweise verwendete Beclomethason erwiesen hatte. Damit ist aber im Allgemeinen zur Erzielung einer vergleichbaren Wirkung - und dieses ist dem Wissen des Fachmannes zuzuordnen - auch eine Reduzierung der erforderlichen Dosis verbunden. Bedingt durch die längere Wirkungsdauer des Salmeterols konnte der Fachmann darüber hinaus im Übrigen noch mit einer weiteren Verringerung der mit der Gabe des Corticosteroids verbundenen Nebenwirkungen rechnen. Mit der nur noch zweimal täglich erforderlichen Applikation des Mittels wird nämlich zudem die – wie die Beklagte vorgetragen hat - von der Fachwelt in Verbindung mit solchen Kombinationen allgemein gesehene Gefahr einer Überdosierung vermieden. Durch die mit diesen Wirkstoffen ermöglichte Reduzierung der Anzahl der erforderlichen regelmäßigen Applikationen zur Sicherstellung einer für den Patienten bestmöglichen Behandlung seiner Asthmaerkrankung in Verbindung mit der Verringerung der im Zusammenhang mit Corticosteroiden befürchteten systemischen Nebenwirkungen konnte der Fachmann schließlich von vornherein davon ausgehen, dass dieses zu einer verbesserten Compliance beiträgt.

180

Die Bereitstellung solcher fixen Wirkstoffkombinationen führt dabei nicht – wie die Beklagte vorgetragen hat – zu eine Einschränkung der Therapiefreiheit, weshalb der Fachmann auch aus diesem Grunde solche Formulierungen von vornherein ablehne. Nach Auffassung des Senates stellt die Zusammensetzung gemäß geltendem Patentanspruch 1 lediglich eine weitere, vom Fachmann ebenfalls in Betracht gezogene Möglichkeit der Medikation dar. Dieses trifft umso mehr zu, als im Stand der Technik – wie vorstehend dargelegt – regelmäßig darauf hingewiesen wird, dass mit Rücksicht auf die Compliance der zur Behandlung von Asthmapatienten erforderlichen Corticosteroide fixe Kombinationen mit ß 2 -Adrenozeptoragonisten erwünscht seien (vgl. insbesondere D13 S. 882 re. Sp. le. Abs., D8 S. 308/309 "Conclusions"; D11 S. 427 Abs. 1 und 2, S. 428/429 übergreifender Absatz bis S. 429 vorl. Absatz und S. 430 "Conclusion"). Die zur Verfügungstellung solcher Formulierungen hindert den Fachmann, selbst wenn er ein Gegner dieser Applikationsart ist, zudem nicht, die Wirkstoffe weiterhin getrennt und flexibel zu verabreichen, da sie als solche ebenfalls im Handel sind und der Arzt in der Therapie frei bleibt.

181

Der von der Beklagten unter Hinweis auf eine große Anzahl von Publikationen vorgetragene weitere Einwand, der Fachmann habe, um zu der strittigen Zusammensetzung zu kommen, unter einer unüberschaubar großen Zahl von Wirkstoffen erst die geeigneten Komponenten auffinden müssen, wobei er sich bei seiner Auswahl am Gesamtprofil aller Kandidaten orientiere, kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Übersichtsartikel D8 dargelegt, waren der Fachwelt zum Prioritätstag zwar eine Vielzahl unterschiedlicher Wirkstoffgruppen bekannt, die zur Behandlung von Asthma als gegebenenfalls geeignet in Betracht gezogen werden konnten. Gleichzeitig waren von diesen jedoch auch jene Fakten bekannt, die bereits anhand des druckschriftlichen Standes der Technik gegen deren Verwendung sprachen. Im Endergebnis hatten sich dabei unter diesen als die vorteilhafteste und ein großes Interesse auf sich ziehende Wirkstoffgruppe jene der ß 2 -Adrenozeptoragonisten und unter diesen wiederum die beiden Wirkstoffe Formoterol und Salmeterol herauskristallisiert. Das große Interesse der Fachwelt an dieser Wirkstoffgruppe erweist sich im Übrigen auch anhand der vielen Publikationen, die die Beklagte selbst zur Wirkstoffgruppe der ß 2 -Adrenozeptoragonisten eingereicht hat. So wird z. B. auch im Gutachten HE39 darauf hingewiesen, dass ß 2 -Adrenozeptoragonisten zum maßgeblichen Zeitpunkt als wesentliche Therapeutika zur Behandlung von Asthma angesehen wurden. Wie aus diesem Gutachten ebenfalls zu ersehen ist, trifft dieses im Übrigen auch auf deren kombinierte Gabe mit der Wirkstoffgruppe der Corticosteroide zu (vgl. S. 4/5 übergreifender Abs. S. 7 Z. 1 bis 3, S. 7/8 übergreifender Absatz).

182

Damit stand der Fachmann nicht orientierungslos einer unübersehbaren Anzahl unterschiedlichster, stets gleichermaßen in Frage kommender Wirkstoffe gegenüber. Vielmehr werden ihm mit den Dokumenten D8 und D10 bereits die Hinweise vermittelt, welche Wirkstoffe die Kriterien für eine verbesserte Asthmatherapie weitestgehend erfüllen, weshalb er sich zunächst auch diesen Wirkstoffen zuwenden wird. Er wird umso mehr dazu veranlasst sein, als diese Wirkstoffe nicht nur einer in der Praxis bereits erprobten Wirkstoffgruppe angehören, sondern als erfolgversprechende Weiterentwicklungen bereits selbst in der klinischen Phase sind und augenscheinlich als Mittel der Wahl erachtet werden. Diese Anregungen wird er, bevor er sich anderen Lösungsmöglichkeiten und damit gegebenenfalls neuen Wegen mit ungewissem Ausgang zuwendet, vorliegend realistischerweise insbesondere auch deshalb zuvörderst aufgreifen, weil ihm die Anwendung von Kombinationen der in Rede stehenden Wirkstoffgruppen, d. h. von ß 2 -Adrenozeptoragonisten und Corticosteroiden - sei es in freier, d. h. flexibler, oder in fixer Form -, in der Praxis bereits bekannt ist und er zudem bestrebt sein wird, beginnend mit den ihm – wie anhand der Dokumente D9 und D40 zu ersehen ist - bereits zur Verfügung stehenden und unmittelbar bekannten Wirkstoffen Salmeterol und Fluticason die bestmögliche Lösung aufzufinden, bevor er sich - bei Misserfolgen - danach alternativen Wirkstoffen anderer Arbeitsgruppen - auf die die Beklagte unter Vorlage einer Reihe von Dokumenten verwiesen hat – zuwendet. Dieses trifft auch im Hinblick auf den Einwand der Beklagten zu, für den Fachmann sei bei einer Auswahl das Gesamtprofil eines Wirkstoffes maßgeblich. Abgesehen davon, dass es sich dabei um ein Erfordernis für eine arzneimittelrechtliche Zulassung handelt und sich erst im Zusammenhang mit den dazu erforderlichen Untersuchungen und klinischen Versuchen ergibt, stehen dem Fachmann solche Daten von allen für sein Einsatzgebiet nur denkbar möglichen Wirkstoffen, die üblicherweise von anderen Forschungsgruppen erhoben wurden, nicht ohne Weiteres zur Verfügung. Der mit der Erhebung solcher Daten verbundene Aufwand dürfte von vornherein alleine schon aus rein wirtschaftlichen Überlegungen nicht als gerechtfertigt angesehen werden. Geltender Rechtsprechung folgend, vermag im Übrigen das Vorhandensein anderer Lösungsalternativen alleine eine erfinderische Tätigkeit auch dann nicht zu begründen, wenn diese aus Sicht aller oder eines Teils der Fachleute näher liegend oder vorteilhafter erscheint. Aus einer relativen Einordnung in diesem Sinn lässt sich nämlich die für die Beantwortung der Frage der Patentfähigkeit ausschlaggebende Frage, ob die Entwicklung der beanstandeten Lehre Können und Fähigkeit des Durchschnittsfachmannes im Prioritätszeitpunkt überstiegen, nichts gewinnen (vgl. GRUR 1996, 857, 860 III. 2. b) – "Rauchgasklappe").

183

Auch das Argument, es habe ein Vorurteil der Fachwelt bestanden, ß 2 -Adrenozeptoragonisten für eine Dauerbehandlung in Kombination mit einem Corticosteroid in Betracht zu ziehen, kann den Senat nicht überzeugen. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang genannten Publikationen, in denen von der Möglichkeit einer erhöhten Mortalität im Zusammenhang mit der Gabe von ß 2 -Adrenozeptoragonisten berichtet wird, sind nicht dazu geeignet, dieses Argument zu stützen. Der Artikel HE40 von Crane, J. et. al in "The Lancet, 29. April 1989" betrifft ausschließlich Fenoterol, einen im Vergleich zu Salbutamol mit stärkeren Nebenwirkungen verbundenen, weniger selektiven ß 2 -Adrenozeptoragonisten. Die schweren Nebenwirkungen werden als Grund für die in Verbindung mit Fenoterol beobachtete erhöhte Mortalität gesehen (vgl. S. 918 li. Sp. Abs. 4 sowie S. 921 re. Sp. Abs. 3 und 4). Dieser Artikel vermittelt dem Fachmann jedoch nicht die Lehre, die dortigen Aussagen seien so auch auf selektivere ß 2 -Adrenozeptoragonisten wie Salbutamol bzw. Weiterentwicklungen dieses Wirkstoffes übertragbar. Die Beiträge HE41 von B. A. Mitchell in "Thorax" aus dem Jahr 1989 und HE82 in der "Sunday Times" vom 12. Oktober 1986 beschäftigen sich mit den Folgen einer Monotherapie mit ß 2 -Adrenozeptoragonisten. Die im Zusammenhang damit berichtete Mortalität wird dort auf eine Überschätzung und falsche Handhabung dieses Wirkstoffes sowie die Behandlung nur einer der die Krankheit bestimmenden Komponenten zurückgeführt (vgl. HE41: S. 82 li. Sp. Abs. 3 sowie HE82: li. Sp. Abs. 4 bis 2. mi. Sp. Abs. 2). Dieses führt aber nicht dazu, dass die Autoren von der Verwendung von ß 2 -Adrenozeptoragonisten abraten. Vielmehr plädieren sie dafür, diesen Wirkstoff für den Fall, er werde regelmäßig gegeben, nicht in hohen Dosen zu verabreichen bzw. zusätzlich Corticosteroide zu geben (vgl. HE41 S. 83 li./re. Sp. übergreifender Absatz und HE82 2. mi./re. Sp. übergreifender Absatz). Ein zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehendes Vorurteil hinsichtlich der Verwendung von ß 2 -Adrenozeptoragonisten bei Asthmatikern in Kombination mit Corticosteroiden ist daraus nicht ableitbar. Dem Einwand der Beklagten widerspricht im Übrigen auch das zum maßgeblichen Zeitpunkt erkennbare Bestreben der Fachwelt - wie es z. B. anhand der Dokumente D40, HE50 bis HE59, HE64 ersichtlich ist - die Wirkstoffklasse der ß 2 -Adrenozeptoragonisten durch die Entwicklung neuer Wirkstoffkandidaten weiter zu entwickeln.

184

Die Beklagte weist im Rahmen ihres Vortrages ferner darauf hin, der Fachmann habe eine Zusammensetzung gemäß strittigem Patentanspruch 1 auch deshalb nicht ohne Weiteres in Erwägung gezogen, weil Salmeterol einen gegenüber Salbutamol verzögerten Wirkungseintritt habe, im Bedarfsfall somit nicht sofort erkennbar wirke. Dieses Argument kann jedoch nicht greifen, weil es sich bei der strittigen Zusammensetzung nicht um eine Wirkstoff-Kombination für den Akutfall handelt, sondern um eine Zusammensetzung zur Herstellung eines zur Symptomkontrolle vorgesehenen regelmäßig einzunehmenden Arzneimittels, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst hingewiesen hat. Auch das Salbutamol-enthaltende Präparat Ventide® war nicht für den Akutfall vorgesehen, vielmehr wurde dafür die Verwendung eines zusätzlichen separaten, nur Salbutamol enthaltenden Inhalators anempfohlen (vgl. D20 S. 52 li. Sp. vorletzter Absatz i. V. m. S. 53 li. Sp. "Ventolin® Inhaler"). Entsprechend wird - wie aus D39, dem "Datenblatt Viani®" zu ersehen ist - auch i. V. m. mit der strittigen Wirkstoffkombination angegeben, dass eine ausreichende Dosierung eines Beta 2 -Agonisten verschrieben werden sollte, wenn der Patient diesen außerhalb des empfohlenen Behandlungsschema benötige (vgl. 4.2. "Dosierung", 2. Sp. Abs. 4).

185

Gleichfalls kann sich der Senat dem Argument der Beklagten nicht anschließen, der Fachmann habe die Kombination der Substanzen Salmeterol und Fluticasonpropionat wegen der zu erwartenden chemischen Inkompatibilität von vornherein ausgeschlossen. Im Zusammenhang mit den Wirkstoffen selbst, wird von einer zu befürchtenden chemischen Instabilität aufgrund der Reaktivität der Substituenten – der Thioestergruppe des Fluticasonpropionats und der nukleophilen Gruppen des Salmeterols - im Stand der Technik nichts berichtet. Vielmehr wird in den insbesondere diese Wirkstoffe selbst betreffenden Dokumenten sogar eine Zubereitung mit dem üblicherweise Wasser enthaltenden Zucker Lactose (vgl. dazu D46 S. 155 re. Sp. "Moisture content") beschrieben, ohne dass gleichzeitig auf die Notwendigkeit von besonderen Maßnahmen zur Unterbindung unerwünschter Nebenreaktionen hingewiesen wird (D14 Patentansprüche 1 und 14 i. V. m. S. 24 Z. 18 bis 21 sowie S. 26 "Example (D)" und D25 Patentansprüche 1, 9 und 10 i. V. m. Beschreibung S. 4 Z. 21 bis 26 und 35 bis 62 sowie S. 33 Z. 44 bis 56). Damit aber konnte der Fachmann zwar theoretisch unerwünschte Nebenreaktionen aus dem Vorliegen der Substituenten nicht ausschließen, konkrete Hinweise dafür lagen aber nicht vor. Geltender Rechtsprechung folgend wird der mit der praktischen Entwicklung von Arzneimitteln betraute Fachmann jedoch nicht umfangreiche theoretische Betrachtungen anstellen, wie sie z. B. in den Gutachten HE4 bis HE7 und HE42 bis HE44 dargelegt sind, sondern die chemische Stabilität solcher Substanzen experimentell überprüfen (vgl. BGH GRUR 2010 123, 127 [40] - Escitalopram).

186

Der Einwand der Streitpatentinhaberin, dem Fachmann hätten auch andere Wege der Verabreichung der Wirkstoffe als durch Inhalation zur Verfügung gestanden, kann ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Bereits in den britischen Patentschriften D14 und D25, die beide Wirkstoffe als neue Stoffe beschreiben, werden diese insbesondere dann, wenn es um die Behandlung von Asthma geht, zur Inhalation vorgeschlagen (vgl. D14 S. 24 Z. 53 bis 61 und D25 S. 3 Z. 9/10 i. V. m. S. 4 Z. 29). Auch im Weiteren dem Senat vorliegenden Stand der Technik werden die in Rede stehenden Wirkstoffe in erster Linie inhalativ verabreicht. Auf diese Weise nämlich kann der Arzneistoff direkt auf dem kürzesten Weg zu seinem Wirkungsort transportiert werden, was zu einer Reduzierung der systemischen Nebenwirkungen beiträgt (vgl. z. B. D8 S. 295 Abs. 1, vorletzter Satz und Abs. 2, S. 303 Abs. 1, S. 308 Abs. 2 und 3, D9 S. 6 li. Sp. Tabelle und 4. Abs. von unten, D10 le. Abs, HE41 S. 83 li./re. Sp. übergreifender Absatz oder HE82). Damit stellt die Verabreichung der in Rede stehenden Wirkstoffe in der Asthmatherapie durch Inhalation einen vielfach begangenen Weg dar. Die entsprechende Formulierung des beanspruchten Mittels ergab sich daher für den Fachmann in nahe liegender Weise.

187

Nachdem somit bereits die Kombination der Wirkstoffe für den Fachmann nahe liegend war, kann - wie in der BGH-Entscheidung "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" (vgl. BGH GRUR 2003, 317 Ls.) ausgeführt - der von der Beklagten geltend gemachte synergistische Effekt nichts zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit beitragen. Abgesehen davon konnte der Fachmann sogar davon ausgehen, dass ein synergistischer Effekt zusätzlich auftreten könnte, nachdem bereits im Stand der Technik auf die Möglichkeit eines entsprechenden Zusammenwirkens von ß 2 -Agonist und Corticosteroiden hingewiesen wird (vgl. D27 S. 366 Abs. 2 und S. 371 Abs. 3 und 4).

188

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.

189

3. Ein bestandsfähiger Rest kann vom Senat auch nicht im Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruches 5 sowie den Gegenständen der jeweils nachgeordneten erteilten Patentansprüche 2 und 4 sowie 6 sehen. Sie teilen daher das Schicksal des Patentanspruches 1 und fallen ebenso der Nichtigkeit anheim.

190

Der nebengeordnete Patentanspruch 5 betrifft die Verwendung von Salmeterol und/oder einem physiologisch verträglichen Salz davon und Fluticasonpropionat zur Herstellung eines Arzneimittels, somit keinen anderen Sachverhalt, als er mit dem erteilten Patentanspruch 1 vorliegt, weshalb die zum Patentanspruch 1 dargelegten Gründe hier ebenfalls vollumfänglich gelten.

191

Dieses trifft auch auf die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 und 6 zu, die lediglich bevorzugte Ausführungsformen der im Patentanspruch 1 genannten Zusammensetzung bzw. im Patentanspruch 5 angegebenen Verwendung betreffen. Das im rückbezogenen Patentanspruch 2 genannte Salz stellt nämlich ebenso eine bereits bekannte Ausführungsform dar (vgl. D25 Beschreibung S. 3 Z. 48/49 i. V. m. S. 2 Z. 58/59), wie die nachfolgend im Zusammenhang mit der Diskussion der Hilfsanträge 1 bis 7 erörterten im Patentanspruch 3 genannten Darreichungsformen, die im Patentanspruch 4 angegebenen Dosismengen bzw. die im rückbezogenen Patentanspruch 6 angegebene zweimal tägliche Verabreichung von Salmeterol.

III.

192

Die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 7 erweisen sich aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit gleichfalls als nicht bestandsfähig.

193

1. Die Patentansprüche 1 bis 6 gemäß 1. Hilfsantrag entsprechen den erteilten Patentansprüchen 1 bis 6, mit der Ausnahme, dass statt einer Zusammensetzung nunmehr ein Mittel beansprucht wird und es sich dabei um ein Kombinationspräparat handelt. Der Gegenstand wird damit gegenüber den erteilten Unterlagen nicht erweitert (vgl. Streitpatentschrift D1 S. 2 Z. 51 bis 54). Auch der Kategoriewechsel ist zulässig, weil mit dem Mittelanspruch eine Einschränkung gegenüber dem erteilten Stoffanspruch, der trotz der Zweckangaben absoluten Schutz gewährt, erfolgt (vgl. Schulte PatG 8. Aufl. § 1 202, 203, 215, 217, 218, 221, 274, Busse PatG 6. Aufl. § 1 Rdn. 124, 139, 140, 141 und Benkard PatG 10. Aufl. § 1 Rdn. 5, 7, 20, 39 und 76, § 14 Rdn. 39, 44, 45). Damit mag der beanspruchte Gegenstand beschränkt worden sein. Nachdem die Bereitstellung eines Kombinationspräparates für den Fachmann aber – wie vorstehend unter II. 2. 1. a) bis c) dargelegt – insbesondere für ein spezielles Patientenkollektiv eine in Betracht zu ziehende Alternative zur getrennten Gabe von Salmeterol und/oder seiner physiologisch verträglichen Salze und Fluticasonpropionat darstellt, treffen die zu den entsprechenden erteilten Patentansprüchen jeweils dargelegten Gründe hier ebenso zu.

194

2. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Hilfsanträge 2 bis 5, deren jeweilige Patentansprüche 1 und die mit den Patentansprüchen 4 bzw. 3 beanspruchte Verwendung des Mittels durch die Aufnahme von in den erteilten Patentansprüchen 3, 4 und 6 angegebenen Merkmalen weiter beschränkt worden sind. Bei diesen Merkmalen handelt es sich um Maßnahmen zur Formulierung des beanspruchten Mittels sowie einer Dosierungsempfehlung. Salmeterol bzw. Fluticasonpropionat in einem abgemessene Mengen dosierenden Inhalator oder in Form eines vordosierten Pulvermittels zu verabreichen, war dem Fachmann aus dem Stand der Technik für beide Wirkstoffe zum maßgeblichen Zeitpunkt aber bereits bekannt, ebenso die Abgabemengen, bei denen er mit einer Wirkung dieser Arzneistoffe rechnen konnte (vgl. D14 S. 24 Z. 22 bis 28, Z. 37 bis 49, Z. 53 bis 61 sowie S. 25 Z. 40 bis S. 26 Z. 13; D25 S. 4 Z. 27 bis 39 sowie S. 4 Z. 63 bis S. 5 Z. 3 und S. 32 Z. 41 bis 57 sowie S. 33 Z. 44 bis 55; D9 S. 6 re. Sp. Abs. 5 1. Satz). Diesen jeweiligen Vorgaben sodann zu folgen, stellt eine rein handwerkliche Tätigkeit dar und kann keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten. Dieses trifft ebenso auf die Maßgabe der zweimal täglichen Verabreichung zu. Dabei mag es dahingestellt bleiben, inwiefern es sich hierbei nicht nur sogar lediglich um einen Teil der Aufgabe handelt bzw. dieses Merkmal eine Dosisempfehlung darstellt, und von daher überhaupt zulässig ist (vgl. BGH GRUR 1985, 31 Ls. - Acrylfasern; BGH GRUR 2007 404, 405 [16], [17] – Carvedilol II). Wie aus dem Bericht D9, S. 6 re. Sp. vorl. Abs. ersichtlich, handelt es sich bei Salmeterol um einen Wirkstoff, dessen Wirkungsdauer sich in Versuchen über einen Zeitraum von 20 Stunden erstreckte. Präparate, die diesen Wirkstoff enthalten, sodann mit entsprechenden Zeitintervallen, während denen eine konstante Wirksamkeit gewährleistet ist, einzusetzen, liegt auf der Hand. Da sich mit der Aufnahme dieser Merkmale somit kein anderer Sachverhalt ergibt, gelten die im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit des Patentgegenstandes gemäß Hauptantrag genannten Nichtigkeitsgründe daher entsprechend.

195

Auch der Verweis der Streitpatentinhaberin auf die im jeweiligen Patentanspruch 1 des 4. und 5. Hilfsantrages angegebenen geringen Dosismengen, die streitpatentgemäß nur noch erforderlich sind, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, kann zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit nichts beitragen. Zum Einen bewegen sich die in diesen Patentansprüchen angegebenen Bereiche in den für die in Rede stehenden Wirkstoffen empfohlenen Dosierungsbereichen. Zum Anderen geben die Druckschriften D14 und D25 dem Fachmann bereits den Hinweis, dass im Falle der Inhalation verglichen mit oralen oder parenteralen Applikationen, die zu verabreichende Dosierung mit weit geringeren Mengen erfolgen kann (vgl. D14 S. 24 Z. 48/49 sowie Z. 53 bis 61 und D25 S. 4 Z. 63 bis S. 5 Z. 3). Davon ausgehend brauchte der Fachmann nur noch in Dosisfindungsstudien, die seiner Routinetätigkeit zuzurechnen sind, die für ihn optimale Dosierung zu ermitteln.

196

3. Die jeweiligen Patentansprüche 1 und 3 des 6. und 7. Hilfsantrages unterscheiden sich von den vorausgehenden Hilfsanträgen darüber hinaus dadurch, dass das dort angegebene Mittel zusätzlich die in der Beschreibung des Streitpatentes als Hilfsstoff genannte Lactose enthält (vgl. Streitpatentschrift D1 S. 3 Z. 13 bis 15) und gemäß Hilfsantrag 7 nur noch auf die Behandlung von – auf S. 2 Z. 3 bis 40 der Streitpatentschrift D1 als Beispiel für eine respiratorische Erkrankung beschriebenem – Asthma gerichtet ist. Bei Lactose handelt es sich, wie wiederum aus den Dokumenten D14 und D25 zu ersehen ist, um einen üblichen Formulierungs-Hilfsstoff, insbesondere auch bei der Herstellung von zur Inhalation vorgesehenen Pulver-Zubereitungen. Ebenso ist aus diesen Druckschriften sowie im Übrigen auch dem weiteren Stand der Technik bekannt, die in Rede stehenden Wirkstoffe insbesondere zur Behandlung der respiratorischen Erkrankung Asthma einzusetzen (vgl. D14 S. 24 Z. 40 bis 42 sowie S. 26 "Example (D)" und D25 S. 3 Z. 9/10, S. 4 Z. 35 bis 37, S. 30 Z. 14 bis 33 sowie S. 33 Z. 44 bis 55 sowie auch D8 S. 295 Abs. 2, D10 und D9 S. 6 li. Sp. Tabelle). Damit aber ergibt sich auch für die Patentansprüche 1 bis 3 der Hilfsanträge 6 und 7 keine andere Bewertung, weshalb diese ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen vermögen.

IV.

197

Damit erweist sich auch das von den Klägerinnen zu 1), zu 2) und zu 4) ebenfalls angegriffene Schutzzertifikat DE 199 75 040 als nicht bestandsfähig, weil das Grundpatent, wie im Urteilstenor angegeben, nichtig zu erklären ist. Die Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikates folgt daher gemäß Art. 15 Abs. 1 c) VO (EWG) Nr. 1768/92 (AMVO) aus der Nichtigkeit des Grundpatentes.

V.

198

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.