Entscheidungsdatum: 27.09.2012
1. Fertigpackungen mit Feinen Backwaren (hier: Aprikosen-, Apfel-, Kirschtaschen, Butter-, Plunderhörnchen, Schoko-Croissants, Mini-Berliner) in einer Füllmenge von mehr als 100 g dürfen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Füllmenge nach Gewicht gekennzeichnet ist.
2. § 10 Abs. 1 FPackV (juris: FertigPackV 1981) stellt nur solche Fertigpackungen mit Lebensmitteln von der Füllmengenkennzeichnung frei, bei denen nach § 8 FPackV die Stückzahl angegeben werden darf.
3. Zur Abgrenzung von Brot in Form von Kleingebäck (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV) und Feinen Backwaren können die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs für Brot und Kleingebäck sowie für Feine Backwaren herangezogen werden.
4. Die Vorschriften über die Angabe der Nettofüllmenge in Art. 23, Anhang IX VO (EU) Nr. 1169/2011 (juris: EUV 1169/2011) gelten ab dem in der Verordnung bestimmten Zeitpunkt (13. Dezember 2014); ihnen kommt keine "Vorwirkung" im Sinne einer vorzeitigen Anwendbarkeit zu.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin, Fertigpackungen mit bestimmten Backwaren ohne Kennzeichnung der Füllmenge nach Gewicht in den Verkehr zu bringen.
Im Dezember 2008 stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz bei der amtlichen Überprüfung eines Verbrauchermarkts der Klägerin fest, dass auf Packungen mit Backwaren (Mini-Berliner, Butterhörnchen, Plunderhörnchen, Schokocreme-Croissants, Aprikosen-, Apfel- oder Kirschtaschen) die Füllmenge nach Stückzahl und nicht nach Gewicht angegeben war. Es handelte sich um Backwaren, die in dem Verbrauchermarkt aufgebacken oder aufgetaut wurden, dort von Hand in Papiertüten mit Sichtfenster verpackt und im Selbstbedienungsbereich "ofenfrisch" angeboten wurden. Das Landesamt sah in der fehlenden Gewichtsangabe einen Verstoß gegen die Vorschriften der Fertigpackungsverordnung (FPackV) und erließ im September 2009 einen Bußgeldbescheid. Die Entscheidung über den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin steht noch aus.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung, dass die Klägerin durch das Inverkehrbringen der Fertigpackungen nicht gegen § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV verstoße, mit Urteil vom 21. Januar 2010 abgewiesen. § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV schreibe unabhängig von der Verkehrsauffassung für Fertigpackungen mit flüssigen Lebensmitteln eine Kennzeichnung nach Volumen und für Fertigpackungen mit anderen Lebensmitteln eine Kennzeichnung nach Gewicht vor. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Füllmengenkennzeichnung nach Gewicht lägen nicht vor. Das gelte auch, soweit nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV die Angabe der Füllmenge nicht erforderlich sei bei Fertigpackungen mit "Brot in Form von Kleingebäck mit einem Gewicht des Einzelstücks von 250 Gramm oder weniger". Denn damit seien Fertigpackungen gemeint, die lediglich ein einzelnes Gebäckstück enthielten. Abgesehen davon handele es sich bei den in Rede stehenden Backwaren auch nicht um Brot im Sinne der Vorschrift.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Kennzeichnungspflicht nach Gewicht folge aus § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 des Eichgesetzes i.V.m. § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV. Eine Befreiung nach § 10 FPackV komme nicht in Betracht. § 10 Abs. 1 FPackV erfasse nur Erzeugnisse, die gemäß § 6 bis § 9 FPackV zulässigerweise nach Stückzahl in den Verkehr gebracht werden dürften. Dazu gehörten die Produkte der Klägerin nicht, weil § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV die Kennzeichnung nach Gewicht ausdrücklich vorschreibe. Ebenso wenig lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Füllmengenkennzeichnung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV vor. Die Regelung erfasse, worauf bereits der Wortlaut hindeute, nur Fertigpackungen mit einem einzigen Gebäckstück. § 10 Abs. 2 FPackV bezwecke, Packungen mit geringen Füllmengen von der Kennzeichnungspflicht freizustellen. Dem widerspreche es, wenn auch bei einer Fertigpackung mit beliebig vielen Einzelstücken von der Angabe der Füllmenge abgesehen werden könnte. Dahingestellt bleiben könne daher, ob es sich bei den Hörnchen und Schokocreme-Croissants, wie die Klägerin geltend mache, überhaupt um Brot im Sinne der Vorschrift handele. Grundrechte der Klägerin seien nicht verletzt. Die Pflicht zur Kennzeichnung nach Gewicht diene dem legitimen Ziel der Verbraucherinformation und belaste die Klägerin nicht unverhältnismäßig. Es verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass Fertigpackungen mit Backwaren nach Gewicht zu kennzeichnen seien, während unverpackte Gebäckstücke keiner entsprechenden Kennzeichnungspflicht unterlägen. Die unterschiedliche Behandlung beruhe auf einem sachlichen Grund. Die Kennzeichnungspflicht stehe schließlich auch in Einklang mit der europäischen Etikettierungs-Richtlinie 2000/13/EG.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe fehlerhaft nicht darauf abgestellt, dass die Gebäckteile nach allgemeiner Verkehrsauffassung stets nach Stückzahl gehandelt würden. Die Verkehrsauffassung unterscheide bei frisch aufgebackener, verzehrfertiger Ware nicht danach, ob diese als Fertigpackung oder lose verkauft werde. § 10 FPackV sei eine andere Rechtsvorschrift im Sinne von § 6 Abs. 6 FPackV, die Vorrang vor § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV habe. Entgegen dem Berufungsurteil würden die Fertigpackungen mit den Hörnchen und die Packungen mit den Schokocreme-Croissants nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV von der Füllmengenkennzeichnung freigestellt. Fertigpackungen mit mehreren Einzelstücken seien von dem Anwendungsbereich der Vorschrift nicht ausgenommen. Es handele sich bei diesen Backwaren auch um Brot in Form von Kleingebäck, weil sie aus Brotteig gebacken würden, der weniger als 10 % Fett und/oder Zucker enthalte; wertbestimmende Zusätze wie der Belag und die Füllung blieben außer Ansatz. Die Pflicht zur Kennzeichnung nach Gewicht sei ein unzulässiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Es bedeute einen wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Aufwand, die Backwaren nach dem Aufbacken zu wiegen.
Die Klägerin begehrt hilfsweise die Feststellung, dass sie nach der europäischen Lebensmittelinformations-Verordnung Nr. 1169/2011 berechtigt sei, ihre Fertigpackungen mit Backwaren ohne Angabe der Füllmenge nach Gewicht in den Verkehr zu bringen. Art. 23 i.V.m. Anhang IX der Verordnung stelle klar, dass die Angabe der Nennfüllmenge bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht würden, nicht erforderlich sei. Die Vorschrift sei bereits vor dem in Art. 55 bestimmten Geltungsbeginn (13. Dezember 2014) anwendbar, weil ihr eine "Vorwirkung" zukomme.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses ist in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie der Auffassung, dass die streitigen Fertigpackungen nach Gewicht zu kennzeichnen seien. Ein Rückgriff auf die allgemeine Verkehrsauffassung komme nicht in Betracht. Auch § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV sei nicht anwendbar; aufgrund ihrer Zusammensetzung und der bei der Herstellung verwendeten Zutaten handele es sich bei den Backwaren der Klägerin nicht um Brot.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin nicht berechtigt ist, Fertigpackungen mit Backwaren der genannten Art ohne Gewichtsangabe in den Verkehr zu bringen.
1. Nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes über das Mess- und Eichwesen (Eichgesetz - EichG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. März 1992, BGBl I S. 711, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. März 2011, BGBl I S. 338) dürfen Fertigpackungen nur hergestellt, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht oder in den Verkehr gebracht werden, wenn die Nennfüllmenge angegeben ist und die Füllmenge den festgelegten Anforderungen entspricht. § 6 Abs. 1 EichG definiert Fertigpackungen als Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des Käufers abgepackt und verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann. Diese Voraussetzungen sind bei den von der Klägerin vertriebenen Packungen mit Backwaren gegeben. Sie unterliegen daher den Ausführungsvorschriften über die Füllmengenkennzeichnung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 11 EichG) in der Verordnung über Fertigpackungen (Fertigpackungsverordnung - FPackV - i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. März 1994, BGBl I S. 451, 1307, zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. Juni 2008, BGBl I S. 1079). Hiernach sind Fertigpackungen mit Backwaren nach Gewicht zu kennzeichnen (2.). Von dieser Kennzeichnungspflicht wird die Klägerin weder nach § 10 Abs. 1 noch nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV befreit (3.). Die Pflicht, die Füllmenge nach Gewicht anzugeben, verletzt die Klägerin nicht in Grundrechten (4.) und steht mit europäischem Recht in Einklang (5.).
2. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FPackV dürfen Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die (Nenn-)Füllmenge nach Gewicht, Volumen oder Stückzahl oder in einer anderen Größe angegeben ist. § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV konkretisiert die Anforderung für Fertigpackungen mit anderen als flüssigen Lebensmitteln dahin, dass sie nach Gewicht (in Gramm oder Kilogramm, vgl. § 18 Abs. 4 FPackV) zu kennzeichnen sind. Auf die allgemeine Verkehrsauffassung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 FPackV ist nicht abzustellen, weil die Kennzeichnung nach Gewicht ausdrücklich vorgeschrieben ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 FPackV).
§ 8 FPackV, der abweichend von § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV für bestimmte Lebensmittel vorsieht, dass die Füllmenge nach Stückzahl angegeben werden darf, ist nicht einschlägig. Die Erzeugnisse der Klägerin gehören nicht zu den dort genannten Lebensmitteln.
3. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Kennzeichnung der Füllmenge nach Gewicht liegen nicht vor.
a) Gemäß § 10 Abs. 1 FPackV ist bei Fertigpackungen mit Erzeugnissen, die der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechend nach Stückzahl gehandelt werden dürfen oder bei denen nach den §§ 8 und 9 FPackV die Stückzahl angegeben werden darf, die Angabe der Stückzahl nicht erforderlich, wenn alle Stücke sichtbar und leicht zählbar sind oder wenn das Erzeugnis handelsüblich nur als einzelnes Stück oder Paar in den Verkehr gebracht wird. Beide Befreiungstatbestände sind hier nicht erfüllt. § 10 Abs. 1 Alt. 2 FPackV kommt nicht zur Anwendung, weil kein Fall des § 8 oder § 9 FPackV gegeben ist. Ebenso wenig greift § 10 Abs. 1 Alt. 1 FPackV; denn der Befreiungstatbestand gilt nicht für Fertigpackungen, deren Füllmengenkennzeichnung sich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV bestimmt (so auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. II, C 116 - FPackV, Stand: Juli 2009, § 10 Rn. 6; Hagenmeyer, Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung, 2. Aufl. 2006, § 7 Rn. 1 und § 10 Rn. 2; Liebegall, in: Strecker, Kommentar Fertigpackungsrecht, Bd. 1, Stand: Mai 2012, § 6 FPackV, Anm. 2 S. 40; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Mai 2011, § 10 Rn. 1).
aa) Mit der Formulierung "der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechend nach Stückzahl gehandelt werden dürfen" knüpft § 10 Abs. 1 Alt. 1 FPackV an § 6 Abs. 1 FPackV an und setzt voraus, dass die allgemeine Verkehrsanschauung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 FPackV für die Bestimmung der Füllmengengröße maßgeblich ist. Das ist jedoch nur der Fall, wenn nicht nach den §§ 7 bis 9 FPackV die Angabe in einer bestimmten Größe vorgeschrieben ist. § 6 Abs. 1 FPackV trifft die Grundregel für die Füllmengenkennzeichnung und weist den §§ 7 bis 9 FPackV bei der Festlegung der Füllmengengröße den Vorrang zu vor der allgemeinen Verkehrsauffassung. Letztere ist daher lediglich heranzuziehen, wenn die §§ 7 bis 9 FPackV dies vorsehen (vgl. § 8 Abs. 1, § 9 Nr. 4 FPackV) oder wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die in den §§ 7 bis 9 FPackV nicht geregelt sind. Weil § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV im Grundsatz alle Fertigpackungen mit Lebensmitteln erfasst, kann § 10 Abs. 1 Alt. 1 FPackV nur Fertigpackungen mit anderen Erzeugnissen betreffen.
bb) Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 14 Abs. 1 Satz 1 EichG i.d.F. vom 11. Juli 1969 (BGBl I S. 759) sowie § 16 Abs. 1 Satz 2 EichG i.d.F. vom 20. Januar 1976 (BGBl I S. 141) sahen ein grundsätzliches Verbot der Kennzeichnung nach Stückzahl bei Fertigpackungen mit Lebensmitteln vor. Erlaubt war eine Kennzeichnung der Füllmenge nach Stückzahl nur, wenn eine Rechtsvorschrift dies ausdrücklich bestimmte (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3, § 17 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EichG 1969; § 16 Abs. 3, § 17c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EichG 1976, §§ 7 f. FPackV i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1976
§ 10 Abs. 1 Alt. 1 FPackV geht zurück auf die Fertigpackungsverordnung vom 18. Dezember 1981 (BGBl I S. 1585). § 10 Abs. 1 FPackV 1981 bestimmte, dass abweichend von § 16 Abs. 1 Satz 1 EichG 1976 bei Fertigpackungen mit Erzeugnissen, die der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechend nach Stückzahl gehandelt werden, die Angabe der Stückzahl nicht erforderlich ist, wenn alle Stücke sichtbar und leicht zählbar sind oder wenn das Erzeugnis handelsüblich nur als einzelnes Stück oder Paar in den Verkehr gebracht wird. Damit erstreckte sich die Vorschrift nicht auf Fertigpackungen mit Lebensmitteln; denn § 10 Abs. 1 FPackV 1981 knüpfte nicht an die einschlägige Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 17) EichG 1976 an. Entsprechend heißt es in der Verordnungsbegründung, dass eine Änderung der bisherigen Rechtslage nicht bezweckt war (vgl. BRDrucks 424/81 S. 75). Nichts anderes gilt für die mit der Änderungsverordnung vom 26. November 1993 (BGBl I S. 1973) bewirkte Übernahme von § 16 EichG 1976 in die Fertigpackungsverordnung (vgl. die Begründung zur Vierten Verordnung zur Änderung der Fertigpackungsverordnung, BRDrucks 690/93 S. 24, 26 zu Nr. 5 bis 9). Die in § 14 Abs. 1 EichG 1969, § 16 Abs. 1 EichG 1976 getroffene Regelung, wonach sich die Befugnis zur Mengenkennzeichnung nach Stückzahl bei Fertigpackungen mit Lebensmitteln nicht nach der allgemeinen Verkehrsauffassung bestimmt, findet sich seitdem in § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV.
cc) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin demgegenüber auf § 6 Abs. 6 FPackV. Hiernach gelten die Absätze 1 bis 5 nicht, soweit andere Rechtsvorschriften Bestimmungen über die Füllmengenkennzeichnung enthalten. § 10 Abs. 1 FPackV ist keine andere Rechtsvorschrift im Sinne von § 6 Abs. 6 FPackV und kann daher der allgemeinen Verkehrsanschauung nicht abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 2 FPackV Vorrang vor den §§ 7 bis 9 FPackV verleihen. Dagegen steht bereits, wie gezeigt, der systematische Regelungszusammenhang von § 10 FPackV mit § 6 Abs. 1, §§ 7 bis 9 FPackV. Hinzu kommt die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 6 FPackV, die erhellt, dass mit "anderen Rechtsvorschriften" spezielle Füllmengenkennzeichnungsregelungen außerhalb der Fertigpackungsverordnung gemeint sind (vgl. die Begründung zu § 14 Abs. 1 Satz 3 EichG 1969: BTDrucks V/1073 S. 21 a.E.; zu § 16 Abs. 3 EichG 1976: BTDrucks 7/4016 S. 12, S. 15 f.; Rathke, a.a.O. § 6 Rn. 9b ff.).
b) Die Klägerin ist auch nicht nach § 10 Abs. 2 FPackV von der Kennzeichnungspflicht nach Gewicht befreit. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Befreiungstatbestandes in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV liegen nicht vor. Hiernach ist die Angabe der Füllmenge nicht erforderlich bei Fertigpackungen mit Brot in Form von Kleingebäck mit einem Gewicht des Einzelstücks von 250 g oder weniger. Bei den verpackten Backwaren der Klägerin handelt es sich nicht um Fertigpackungen mit Brot im Sinne der Vorschrift.
aa) Es spricht Einiges dafür, dass die Regelung auf Fertigpackungen mit einem einzigen Gebäckstück ("Einzelstück") abzielt und sie daher Packungen mit mehreren Stück Kleingebäck unabhängig davon nicht erfasst, dass das einzelne Stück nicht mehr als 250 g wiegt. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV geht auf eine Bestimmung im Brotgesetz (BrotG) zurück, das mit Inkrafttreten der Verordnung zur Neuordnung lebensmittelrechtlicher Kennzeichnungsvorschriften vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1625) außer Kraft getreten ist (vgl. Art. 24 Nr. 4 der Verordnung). Nach § 2 Abs. 2 BrotG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 21. April 1969 (BGBl I S. 309) musste das Gewicht des frischen Brotes mindestens 500 g betragen und durch 250 teilbar sein; das Gewicht war von dem Hersteller auf dem Brot für den Käufer leicht erkennbar anzugeben. Von dieser Kennzeichnungspflicht ausgenommen war Brot mit einem Gewicht von bis zu 250 g (§ 2 Abs. 4 BrotG). Die Ausnahmebestimmung ist für verpacktes Brot als § 10 Abs. 2 Nr. 7 in die Fertigpackungsverordnung vom 18. Dezember 1981 übernommen worden (für unverpacktes Brot: § 32 Abs. 6 FPackV). In der amtlichen Begründung zu § 10 FPackV 1981 heißt es, dass in Absatz 2 Fertigpackungen mit bestimmten Erzeugnissen von der Füllmengenangabe befreit werden, wenn die Füllmenge bestimmte Werte nicht überschreitet (BRDrucks 424/81 S. 75). Dieses Regelungsziel legt nahe, dass der Begriff "Einzelstück" in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 (= Nr. 7 a.F.) FPackV nicht allein der Definition des Kleingebäcks zu dienen bestimmt ist (vgl. die entsprechende Begriffsbestimmung im Abschnitt I. Nr. 1.2 der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs für Brot und Kleingebäck vom 19. Oktober 1993, zuletzt geändert am 19. September 2005, BAnz Nr. 184 vom 28. September 2005, GMBl Nr. 55 S. 1125), sondern der Verordnungsgeber damit eine Beschränkung des Befreiungstatbestandes auf Fertigpackungen mit nicht mehr als einem Stück Kleingebäck bezweckt hat. Der Zielsetzung, nur geringe und bestimmte Werte nicht überschreitende Füllmengen von der Kennzeichnungspflicht auszunehmen, widerspricht es, Fertigpackungen mit einer beliebigen Anzahl von Kleingebäck und demzufolge mit einer unbegrenzten Gesamtfüllmenge in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV einzubeziehen (a.A. Hagenmeyer, a.a.O. § 10 Rn. 11, allerdings ohne nähere Begründung).
Die Frage bedarf indes keiner abschließenden Klärung, weil der Befreiungstatbestand unabhängig davon nicht erfüllt ist. Die Erzeugnisse in den Fertigpackungen der Klägerin - Mini-Berliner, Butterhörnchen, Plunderhörnchen, Schokocreme-Croissants, Aprikosen-, Apfel- und Kirschtaschen - sind kein Brot im Sinne der Norm.
bb) Für die Bestimmung des Begriffs "Brot" in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 FPackV können die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs für Brot und Kleingebäck (a.a.O.) herangezogen werden. Nach § 15 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) ist das Deutsche Lebensmittelbuch eine Sammlung von Leitsätzen, in denen Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale von Lebensmitteln, die für die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel von Bedeutung sind, beschrieben werden (Abs. 1). Die Leitsätze werden von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission unter Berücksichtigung des von der Bundesregierung anerkannten internationalen Lebensmittelstandards beschlossen (Abs. 2) und vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie veröffentlicht (Abs. 3). Die Leitsätze sind zwar keine Rechtsnormen und daher nicht rechtsverbindlich. Sie dürfen aber aufgrund der ihnen kraft § 15 LFGB zukommenden Legitimation bei der Bestimmung der Beschaffenheitsmerkmale eines Lebensmittels als Auslegungshilfe zugrunde gelegt werden (vgl. Urteil vom 10. Dezember 1987 - BVerwG 3 C 18.87 - Buchholz 418.711 LMBG Nr. 24; Wehlau, LFGB, 2010, § 16 Rn. 4 ff.; speziell zum Brotbegriff siehe auch Zipfel, in: ders./Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. IV, C 305 - Backwaren, Stand: Juli 2002, Vorb. Rn. 7; Rathke, a.a.O. § 10 Rn. 39).
Nach den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck ist das Lebensmittel Brot dadurch gekennzeichnet, dass es weniger als 10 Gewichtsteile Fett und/oder Zuckerarten auf 90 Gewichtsteile Getreide und/oder Getreideerzeugnisse enthält (Abschnitt I. Nr. 1.1). Kleingebäck entspricht den Anforderungen an Brot (I. 1.2). In Abgrenzung dazu bestimmen die Leitsätze für Feine Backwaren, dass der Gehalt an Fett und/oder Zuckerarten in Feinen Backwaren mehr als 10 Teile auf 90 Teile Getreide und/oder Getreideerzeugnisse und/oder Stärken beträgt (vgl. Leitsätze vom 17./18. September 1991, zuletzt geändert am 8. Januar 2010, BAnz Nr. 16 vom 29. Januar 2010, GMBl Nr. 5/6 S. 120 ff., Abschnitt I. Nr. 1.). Beurteilungsmerkmale für Feine Backwaren sind des Weiteren Füllungen (I. Nr. 7.), darunter Fruchtfüllungen (Buchst. a), sowie Zutaten wie Schokolade (I. Nr. 11. Buchst. f). Abschnitt II. der Leitsätze ("Besondere Beurteilungsmerkmale") führt u.a. Plundergebäck als Feine Backware auf (Nr. 13).
Hiernach ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Erzeugnisse der Klägerin als Feine Backwaren und nicht als Brot in Form von Kleingebäck eingestuft hat. Das gilt nicht nur in Bezug auf die Aprikosen-, Apfel-, Kirschtaschen und Mini-Berliner, für die die Klägerin selbst nicht geltend macht, es handele sich um Brot. Auch die übrigen Backwaren unterfallen nach Maßgabe der genannten Beurteilungsmerkmale für Brot und Kleingebäck sowie für Feine Backwaren nicht dem Brotbegriff. Das ergibt sich anhand der Feststellungen der Vorinstanzen zur Beschaffenheit der Backwaren, die auf die Zutatenverzeichnisse auf den Verpackungen und auf den Prüfbericht des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz - Institut für Lebensmittelchemie - vom 15. Oktober 2009 gestützt sind.
4. Die Kennzeichnungspflicht nach Gewicht verletzt die Klägerin nicht in Grundrechten.
a) Das Gebot der Füllmengenkennzeichnung nach § 7 Abs. 1 EichG, § 7 Abs. 2 Satz 1 FPackV ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls, nämlich das Ziel der Verbraucherinformation und den Schutz der Verbraucher vor verdeckten Preiserhöhungen gerechtfertigt und beschwert die Klägerin nicht unverhältnismäßig in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Dass der von ihr geltend gemachte Mehraufwand beim Inverkehrbringen der Fertigpackungen zumutbar ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass andere Hersteller vergleichbare Fertigpackungen mit Gewichtsangabe in den Verkehr bringen.
b) Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Die unterschiedliche Regelung der Kennzeichnungspflicht für das Inverkehrbringen von unverpackten Backwaren (vgl. § 32 FPackV) und Fertigpackungen ist sachlich gerechtfertigt. Anders als beim Erwerb loser Backwaren, die der Verbraucher einzeln aussuchen kann, hat er beim Kauf von vorverpackten Backwaren diese Wahlmöglichkeit nicht. Das rechtfertigt es, Fertigpackungen mit Backwaren in Bezug auf die Kennzeichnung der Füllmenge genauso zu behandeln wie andere Fertigpackungen mit (nicht flüssigen) Lebensmitteln.
5. Die nationale Kennzeichnungspflicht verstößt auch nicht gegen europäisches Recht.
a) Maßgeblich ist insoweit die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl EG Nr. L 109 S. 29, zuletzt geändert durch Verordnung
aa) Die Richtlinie 2000/13/EG gilt nach ihrem Art. 1 auch für die Etikettierung von vorverpackten Lebensmitteln, soweit diese an Endverbraucher abgegeben werden. Vorverpackte Lebensmittel im Sinne der Richtlinie (Art. 1 Abs. 3 Buchst. b) entsprechen den Fertigpackungen nach dem Eichrecht (Urteil vom 13. September 2007 - BVerwG 3 C 12.06 - Buchholz 451.02 EichG Nr. 2 Rn. 22). Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie schreibt für Fertigpackungen mit anderen als flüssigen Lebensmitteln zwingend die Angabe der Nettofüllmenge in Kilogramm oder Gramm vor. Für Lebensmittel, die gewöhnlich nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden, können die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 von der Verpflichtung zur Angabe der Nettofüllmenge absehen, sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen ist oder, falls das nicht der Fall ist, in der Etikettierung angegeben ist. Danach ist den Mitgliedstaaten freigestellt, ob sie auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht vorsehen. Demzufolge steht es im Einklang mit der Richtlinie, dass die Klägerin die in Rede stehenden Fertigpackungen mit Backwaren nach Maßgabe der Fertigpackungsverordnung nach Gewicht zu kennzeichnen hat.
bb) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 8 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie berufen. Hiernach ist die Angabe der Nettofüllmenge nicht vorgeschrieben für Lebensmittel, bei denen in Volumen oder Masse erhebliche Verluste auftreten können und die nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht oder in Anwesenheit des Käufers abgewogen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO), wonach innerhalb von 10 Stunden nach der Herstellung maximal ein Masseverlust von 2,5 % und innerhalb von 24 Stunden maximal ein Verlust von 4,82 % zu erwarten sei, handelt es sich bei den von der Klägerin vertriebenen Backwaren nicht um solche, bei denen erhebliche Masseverluste auftreten können.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 keine "Vorwirkung", die sie von der Kennzeichnungspflicht freistellen könnte, so dass auch das darauf gerichtete hilfsweise Feststellungsbegehren ohne Erfolg bleibt. Dahinstehen kann, ob sich Art. 23 Abs. 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 1 Buchst. c der Verordnung die Berechtigung entnehmen lässt, bei Fertigpackungen mit Backwaren der hier in Rede stehenden Art von der Angabe der Nennfüllmenge nach Gewicht abzusehen. Es fehlt jedenfalls an der geltend gemachten "Vorwirkung" im Sinne einer vorzeitigen Anwendbarkeit der Regelung. Gemäß Art. 55 Abs. 2 der Verordnung gelten (u.a.) Art. 23 und Anhang IX erst ab dem 13. Dezember 2014. Soweit Art. 54 der Verordnung Übergangsmaßnahmen vorsieht und einige Bestimmungen der Verordnung abweichend von dem in Art. 55 festgelegten Geltungsbeginn für vorzeitig anwendbar erklärt, gehören Art. 23 und Anhang IX nicht dazu. Auch aus den Erwägungsgründen lässt sich nichts für eine "Vorwirkung" gewinnen. Erwägungsgrund 55 betont die Notwendigkeit angemessener Übergangsfristen, damit die Lebensmittelunternehmer die Kennzeichnung ihrer Erzeugnisse an die mit der Verordnung eingeführten neuen Anforderungen anpassen können. Nach Erwägungsgrund 56 sollte den Unternehmern in Anbetracht der erheblichen Änderungen, die die Verordnung für die Nährwertkennzeichnung mit sich bringt, gestattet werden, die Verordnung insoweit schon früher als vorgeschrieben anzuwenden. Diesen - in Art. 54, Art. 55 Abs. 2 umgesetzten - Zielsetzungen ist gerade nicht zu entnehmen, dass die Verordnung über die ausdrücklich angesprochenen, punktuellen Übergangsmaßnahmen hinaus generell vor dem in Art. 55 bestimmten Geltungsbeginn anwendbar sein soll. Gegen eine vorzeitige Anwendbarkeit von Art. 23 Abs. 3, Anhang IX streitet zudem, dass die Richtlinie 2000/13/EG erst mit Wirkung vom 13. Dezember 2014 aufgehoben wird (Art. 53 Abs. 1 der Verordnung). Damit korrespondiert Art. 38 Abs. 1 der Verordnung, wonach die Mitgliedstaaten in den durch die Verordnung harmonisierten Bereichen keine einzelstaatlichen Vorschriften erlassen oder aufrechterhalten dürfen. Art. 38 Abs. 1 gilt nach Art. 55 Abs. 2 ebenfalls ab dem 13. Dezember 2014. Dementsprechend sind die Mitgliedstaaten bis zum 12. Dezember 2014 auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 RL 2000/13/EG befugt, keine Freistellung von der Angabe der Nettofüllmenge für Lebensmittel vorzusehen, die gewöhnlich nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden.
Die fehlende "Vorwirkung" in Bezug auf Art. 23 Abs. 3 i.V.m. Anhang IX lässt sich der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 zweifelsfrei entnehmen, so dass es der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht bedarf (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, CILFIT - Slg. 1982 S. 3415 Rn. 12 ff.).