Entscheidungsdatum: 11.10.2016
Ob ein Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag gegen eine Beitragssatzung hat, wenn er den aufgrund der Satzung gegen ihn ergangenen Beitragsbescheid hat unanfechtbar werden lassen und den Beitrag gezahlt hat, hängt von den weiteren Umständen des Falles ab.
I
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag des Antragstellers, die Satzung über die Beiträge der Bayerischen Tierseuchenkasse für das Jahr 2012 vom 11. Oktober 2011 für unwirksam zu erklären, als unzulässig abgelehnt, weil der Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis habe. Der aufgrund der Satzung gegen ihn erlassene Beitragsbescheid für das Jahr 2012 sei bestandskräftig; der Antragsteller habe den Beitrag bezahlt und Rechtsbehelfe gegen den Bescheid nicht eingelegt. Er habe nicht dargelegt, dass er auf der Grundlage der Satzung für das Jahr 2012 weitere Beitragsforderungen zu erwarten habe. Einen Weg für die Rückgängigmachung des nach seiner Meinung erlittenen Unrechts habe er nicht aufzuzeigen vermocht; eine Wiederholungsgefahr scheide aus. Eine andere Sicht sei auch nicht unter dem Blickwinkel der Prozessökonomie geboten; die zur Vermeidung der Bestandskraft notwendigen Prozessschritte stellten sich nicht als schwer überwindbares Hindernis dar.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat weder die geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Der Antragsteller möchte in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag über eine gültige Satzung fehlt, wenn der aufgrund der angegriffenen Satzung gegen ihn ergangene Beitragsbescheid bestandskräftig geworden ist.
Diese Frage lässt sich nicht fallübergreifend und damit rechtsgrundsätzlich beantworten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2014 - 4 BN 1.14 - juris Rn. 7 und Urteil vom 28. April 1999 - 4 CN 5.99 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 134 S. 11 m.w.N.) ist von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag u.a. dann auszugehen, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller mit der begehrten Entscheidung seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Wann dies der Fall ist, richtet sich im Wesentlichen nach den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall (BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <91> und vom 9. Februar 1989 - 4 NB 1.89 - juris Rn. 6). Das gilt auch im Hinblick auf die hier in Rede stehende Fallkonstellation: Ob ein Antragsteller, der den aufgrund einer Beitragssatzung gegen ihn ergangenen Beitragsbescheid hat unanfechtbar werden lassen und den Beitrag bezahlt hat, ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag gegen die Beitragssatzung hat, hängt von den weiteren Umständen des Einzelfalls ab; ein Rechtsschutzbedürfnis kann gegeben sein, dies muss aber nicht der Fall sein.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist ein Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag nicht schon deshalb zu bejahen, weil es dem Beitragsschuldner nicht zugemutet werden könne, auch den Beitragsbescheid anzufechten, insgesamt also zwei Rechtsbehelfe zu ergreifen. Der Beitragsbescheid ist ein gegenüber der Beitragssatzung selbständiger, gesondert rechtsbehelfsfähiger Rechtsakt. Warum ein Normenkontrollantrag gegen die Beitragssatzung die Anfechtung des Beitragsbescheides entbehrlich machen sollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere führt ein paralleles Vorgehen gegen den Beitragsbescheid und die Beitragssatzung nicht zu unzumutbaren zeitlichen oder sonstigen Unwägbarkeiten. Der Antragsteller hat es in der Hand, den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Beitragsbescheides zu verhindern, bis das Oberverwaltungsgericht über den Normenkontrollantrag gegen die Beitragssatzung entschieden hat. Hat er den Beitragsbescheid angefochten, wird das Verwaltungsgericht, wenn die Wirksamkeit der Beitragssatzung entscheidungserheblich ist, über die Klage erst entscheiden, nachdem das Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beendet ist. So sind auch die Verwaltungsgerichte in den hier anhängigen Parallelverfahren vorgegangen. Gegebenenfalls kann der Kläger hierauf durch einen Antrag auf Aussetzung des Klageverfahrens entsprechend § 94 VwGO hinwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2000 - 4 B 75.00 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 15 S. 6). Sollte ein Verwaltungsgericht die Klage bereits zuvor abweisen, ohne selbst die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 VwGO), kann der Antragsteller die Zulassung der Berufung beantragen (§ 124a Abs. 4 VwGO); über diesen Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht (§ 124a Abs. 5 VwGO).
Dass dem Beitragsschuldner der gezahlte Beitrag - wie der Antragsteller meint - zu erstatten sei, wenn die Beitragssatzung für unwirksam erklärt wird, und ihm das Normenkontrollverfahren bereits aus diesem Grund nütze, trifft nicht zu. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 13). Rechtsgrund der Beitragszahlung bleibt, auch wenn die Beitragssatzung für unwirksam erklärt wird, der Beitragsbescheid. Dass hier ein Anspruch auf Rücknahme des Beitragsbescheides oder auf Wiederaufgreifen des Beitragsverfahrens in Betracht kommen könnte, hat der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht; hierfür ist angesichts der in § 47 Abs. 5 Satz 3 VwGO in Bezug genommenen Wertung des § 183 VwGO auch nichts ersichtlich (vgl. Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 183 Rn. 18 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 183 Rn. 6).
Dass ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben sein kann, obwohl der Antragsteller den auf der Grundlage der Satzung ergangenen Bescheid nicht angefochten und den Beitrag bezahlt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede gestellt; er hat hierfür im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte gesehen. Insoweit zeigt der Antragsteller einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er bei Bestand der Satzung für das Jahr 2012 auf deren Grundlage weitere Beitragsforderungen zu erwarten habe. Der Antragsteller meint, es müsse genügen, dass gemäß Nr. 3 der Beitragssatzung in Verbindung mit § 12 Abs. 5 der Anstaltssatzung Beiträge nacherhoben werden könnten, wenn nachträglich festgestellt werde, dass der am Stichtag tatsächlich vorhandene Tierbestand größer war als gemeldet oder ein am Stichtag vorhandener Tierbestand nicht gemeldet wurde. Eine nur theoretische Möglichkeit der Beitragsnacherhebung kann zur Begründung eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht ausreichen. Dass eine Nacherhebung von Beiträgen für das Jahr 2012 hier nicht nur theoretisch möglich sei, weil er nicht alle Tiere gemeldet habe oder die Tierseuchenkasse hierfür Anhaltspunkte sehe, hat der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Beitragserstattung, wenn am Stichtag aufgrund amtlich angeordneter Sperren eine erhebliche Überbelegung bestand (Nr. 3 der Beitragssatzung in Verbindung mit § 11 Abs. 7 der Anstaltssatzung). Der Antragsteller meint weiter, die Tierseuchenkasse bleibe, auch wenn der Beitragsbescheid bestandskräftig sei, verpflichtet, sich an die Vorgaben des § 14 der Anstaltssatzung für die Verwendung der Beitragsmittel zu halten; die Übertragung der Überschüsse und die Rücklagenbildung im Vorjahr würden bei einer Normenkontrolle der Beitragssatzung für das Folgejahr nicht überprüft. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass etwaige Erkenntnisse über die Beitragsverwendung dem Antragsteller keine relevante Rechtsposition verliehen. An diese Auslegung des nichtrevisiblen Landesrechts wäre das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Auf der Grundlage dieser Auslegung des Landesrechts ist nicht ersichtlich, inwiefern eine gerichtliche Entscheidung über den Normenkontrollantrag die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern sollte.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
a) Der Antragsteller meint, der Verwaltungsgerichtshof habe die gesetzlichen Grundlagen, insbesondere die Satzungen der Tierseuchenkasse, und die Aktenlage nicht hinreichend geprüft und dadurch seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt. Ein Verfahrensmangel ist mit diesem Vorbringen nicht bezeichnet. Der Antragsteller wendet sich gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof. Welche tatsächlichen Umstände näherer Aufklärung bedurft hätten, legt er nicht dar.
b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Verwaltungsgerichtshof ihm auch in ausreichender Weise rechtliches Gehör gewährt. Dass der Verwaltungsgerichtshof Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für das Normenkontrollverfahren hatte, nachdem der Antragsteller den Beitragsbescheid nicht angefochten und den Beitrag bezahlt hatte, durfte den anwaltlich vertretenen Antragsteller in der mündlichen Verhandlung trotz der vorherigen Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs zur Beitragsfähigkeit von Aufwendungen für präventive Schutzimpfungen (Urteil vom 12. August 2010 - 9 S 171/10; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2011 - 3 BN 1.10) nicht überraschen. Im Übrigen hätte er die Einräumung eines Schriftsatznachlasses beantragen und sich dadurch selbst weiteres Gehör verschaffen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.