Entscheidungsdatum: 31.08.2012
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für amtliche veterinär- und hygienerechtliche Untersuchungen, die im Zeitraum von Januar bis Juli 2004 in ihrem Schlachthof in Gießen vorgenommen wurden. Sie hält die Gebührenbescheide für rechtswidrig, soweit sie über die in der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG festgelegten Pauschalgebühren hinausgehen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem nach § 130a VwGO ergangenen Beschluss des Berufungsgerichts hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Der Rechtssache kommt auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Klägerin möchte - zusammengefasst - geklärt wissen, unter welchen Voraussetzungen eine Gebührenerhebung nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG vom 26. Juni 1996 (ABl Nr. L 162 S. 1) zulässig ist. Sie vertritt die These, dass der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom 19. März 2009 (- Rs. C-270/07 -, Slg. 2009, I-1983, und - Rs. C-309/07 -, Slg. 2009, I-2077) ein "Realkostengebot und Pauschalierungsverbot" angenommen habe, dem eine Gebührenerhebung nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie nur dann gerecht werde, wenn zunächst allenfalls vorläufige Bescheide über Vorauszahlungen ergingen und nach Ablauf des Rechnungsjahres ein endgültiger Bescheid mit einer "betriebsbezogenen Einzelabrechnung" der tatsächlich angefallenen Kosten erlassen werde; eine Gebührenerhebung auf der Grundlage von prognostisch ermittelten Kostenwerten und "pauschalen Kostenansätzen (Tarifverträge)" sei unzulässig. Diese Auffassung kleidet die Beschwerde in verschiedene Fragen.
a) Die These der Klägerin trifft indes nicht zu. Der Europäische Gerichtshof hat in den besagten Entscheidungen (noch einmal) betont, dass die Erhebung einer die Pauschalgebühr übersteigenden spezifischen Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie unter der einzigen Voraussetzung steht, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet (- Rs. C-309/07 -, a.a.O. Rn. 20); sie darf ferner nicht die Form eines Pauschalbetrages annehmen (- Rs. C-309/07 -, a.a.O. Rn. 21 und - Rs. C-270/07 -, a.a.O. Rn. 30 ff.). Das letztgenannte Kriterium, auf das sich die Klägerin maßgeblich stützt, diente dem Europäischen Gerichtshof ersichtlich nur zur Abgrenzung der spezifischen Gebühr von den EG-Pauschalbeträgen sowie von einer durch Anhebung der Pauschalbeträge gebildeten Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie. Er sah sich zu dieser Klarstellung durch Ausführungen der Kommission veranlasst, die seiner Rechtsprechung meinte entnehmen zu können, dass eine Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie die Form eines Pauschalbetrages annehmen müsse. Dem ist der Europäische Gerichtshof mit den erwähnten Ausführungen entgegengetreten. Vor dem Hintergrund des Streitgegenstandes jener Verfahren, der jeweils den Ansatz für Kosten bestimmter Fleischuntersuchungen betraf, ist damit ersichtlich nur gemeint, dass eine solche Gebühr nicht wie die EG-Pauschalbeträge unbeschadet des konkreten Untersuchungsumfangs (also pauschal) erhoben werden darf, sondern Kostenanteile für bestimmte Fleischuntersuchungen nur dann in die Gebühr einfließen dürfen, wenn sie tatsächlich angefallen sind.
Diese Vorgabe ändert aber nichts daran, dass es sich um eine "Gebühr" handelt, deren Höhe auf der Grundlage einer Kostenkalkulation ermittelt wird und nicht etwa durch eine nachträgliche Kostenabrechnung jedes Einzelfalls. Die Vorstellungen der Klägerin sind mit der gemeinschaftsrechtlich und nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Möglichkeit der Kostendeckung im Wege der Gebührenerhebung nicht vereinbar; sie laufen darauf hinaus, eine Erhebung von Gebühren oberhalb der EG-Pauschalbeträge praktisch unmöglich zu machen (siehe auch BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 3 B 72.10 -, vom 6. Juni 2011 - BVerwG 3 B 29.11 - und vom 18. Juni 2012 - BVerwG 3 B 63.11 -, jeweils veröffentlicht in juris).
b) Die These der Klägerin wird auch nicht durch die von ihr angeführte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen gestützt, das - in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Beschluss - davon ausgeht, dass die Erhebung einer spezifischen Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie eine speziell auf den Einzelbetrieb bezogene - nachträgliche - Ermittlung und Abrechnung der tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten nicht voraussetzt (vgl. OVG Münster, Urteile vom 30. September 2009 - 17 A 2609/03 - KStZ 2010, 16 = juris Rn. 92 ff. und vom 27. Januar 2010 - 17 A 2509/03 - KStZ 2010, 78 = juris Rn. 62 ff.). Ebenfalls in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung erachtet das Oberverwaltungsgericht eine Gebührenerhebung auf der Grundlage prognostischer Werte ausdrücklich für zulässig (OVG Münster, Urteil vom 27. Januar 2010 a.a.O. m.w.N.). Soweit es bei der Überprüfung einer konkreten Gebührenkalkulation für den Sonderfall einer nachträglichen Neuberechnung von Gebühren für abgelaufene Zeiträume nicht die durch Zeitablauf obsolet gewordenen Prognosewerte der ursprünglichen Kalkulation, sondern die bereits feststehenden tatsächlich angefallenen Kosten für maßgeblich gehalten hat (OVG Münster, Urteil vom 27. Januar 2010 a.a.O. Rn. 66), ergibt sich keine Abweichung zu der Berufungsentscheidung, die eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen könnte. Ob prognostische Werte überholt sind und deshalb einer Kalkulation, die sich an den tatsächlichen Kosten orientieren muss, nicht mehr zugrunde gelegt werden dürfen, ist keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage, sondern eine Frage der Tatsachenwürdigung im Einzelfall. Hier hat das Berufungsgericht angenommen, dass die der Kalkulation des Beklagten zugrunde gelegten Kostenanteile und -werte nach wie vor die tatsächlichen Kosten der Schlachttieruntersuchungen widerspiegelten, weil weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht worden sei, dass die dem Beklagten entstehenden Kosten bis zum Erlass der Gebührenbescheide etwa gesunken wären. Eine sich daraus ergebende fallübergreifende Rechtsfrage zeigt die Klägerin nicht auf.
c) Auch mit ihren übrigen Ausführungen zur "einzelbetrieblichen Abrechnung" wirft die Klägerin keine grundsätzlich bedeutsame Frage auf. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie eine Gebühr erhoben werden kann, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere unterscheidet, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich auf die Kosten auswirken (Urteil vom 19. März 2009 - Rs. C-309/07 -, a.a.O. Rn. 22). Wenn der Europäische Gerichtshof eine "einzelbetriebliche Abrechnung" nach den Vorstellungen der Klägerin für erforderlich gehalten hätte, hätte er nicht eine solche Gebührenstaffelung ausdrücklich gebilligt.
2. Die Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch.
a) Der geltend gemachte absolute Revisionsgrund der nicht mit Gründen versehenen Entscheidung (§ 138 Nr. 6 VwGO) liegt nicht vor. Nicht mit Gründen versehen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung zwar nicht nur, wenn der Entscheidungsformel überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie völlig unzureichend sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <230 f.> = Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 41; Beschluss vom 28. April 2010 - BVerwG 3 B 94.09 - juris Rn. 7 m.w.N.). Davon kann hier aber nicht die Rede sein. Die Klägerin hält die Begründung des angefochtenen Beschlusses für unzureichend und unverständlich, soweit es die Folgerungen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs betrifft. Im Kern kreisen auch diese Ausführungen der Klägerin um die von ihr vertretenen Thesen zur Erhebung einer spezifischen Gebühr, die sie vom Berufungsgericht nicht richtig gewürdigt sieht. Damit lässt sich der behauptete Revisionsgrund nicht belegen. Es steht im Übrigen außer Frage, dass sich das Berufungsgericht im Einzelnen mit der besagten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs befasst hat (vgl. Beschlussabdruck S. 10 f., 12 ff.). Ebenso wenig ergibt sich ein Begründungsmangel hinsichtlich der von der Klägerin angesprochenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs hierzu sind ohne Weiteres verständlich (vgl. Beschlussabdruck S. 13).
Damit hat das Berufungsgericht auch nicht gegen seine Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen, in der Entscheidung die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Es hat ausführlich seine Annahme begründet, dass die Gebührenregelungen des Landesrechts nicht in Widerspruch zu den Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG stehen. Dabei ist es auf den von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt einer unzulässigen Pauschalierung ebenso eingegangen wie auf den von ihr gerügten Verstoß gegen das "Realkostengebot" und das Erfordernis einer "einzelbetrieblichen Abrechnung". Desgleichen hat das Berufungsgericht im Einzelnen dargelegt, weshalb es die Kostenkalkulation des Beklagten im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Festlegung einer Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie sieht.
b) Die Klägerin rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO, gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO sowie gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. All diese Rügen beruhen auf der Prämisse der Klägerin, dass das Berufungsgericht sich nicht mit der Kalkulation des Beklagten hätte begnügen dürfen, sondern - im Sinne ihrer Thesen - eine nachträgliche einzelbetriebliche Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten der jeweiligen Amtshandlungen hätte anfordern müssen. Maßgeblich für die Frage, ob das Berufungsgericht einen Verfahrensfehler begangen hat, ist jedoch dessen materiellrechtlicher Standpunkt. Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof die von dem Beklagten erstellte und im Verfahren erläuterte Kalkulation kontrolliert und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gebühren den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen (vgl. Beschlussabdruck S. 11 ff.). Dabei hat er sich entgegen dem Beschwerdevorbringen davon leiten lassen, dass mit der Anknüpfung der Gebührenbemessung an die tarifvertraglichen Regelungen die tatsächlichen Kosten der Schlachttieruntersuchungen im Betrieb der Klägerin abgebildet würden (vgl. S. 11 f., 14). Hiernach hat das Berufungsgericht ohne Verfahrensfehler davon abgesehen, eine weitergehende Kostenermittlung und -überprüfung vorzunehmen.
c) Der Verwaltungsgerichtshof hat auch nicht verfahrensfehlerhaft im Wege des Beschlusses nach § 130a VwGO entschieden. Ist das Einstimmigkeitserfordernis erfüllt und die nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO vorgeschriebene Anhörung ordnungsgemäß durchgeführt worden, hat das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Anwendung des vereinfachten Berufungsverfahrens ein weites Ermessen. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist nur zu beanstanden, wenn er auf sachfremden Erwägungen oder auf grober Fehleinschätzung beruht (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 Rn. 22 m.w.N.; Beschluss vom 23. Juni 2010 - BVerwG 3 B 89.09 - Buchholz 451.16 § 9 BJagdG Nr. 9 Rn. 23). Einen solchen Ermessensfehler zeigt die Beschwerde nicht auf. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht einen außergewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufweist (vgl. hierzu Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <214 ff.>). Mit den aufgeworfenen Streitfragen hat sich das Berufungsgericht bereits im Einzelnen in mehreren zuvor ergangenen Entscheidungen befasst, auf die die Klägerin mit dem Anhörungsschreiben vom 13. Januar 2012 (nochmals) hingewiesen worden ist.