Entscheidungsdatum: 09.05.2018
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 201 4 003 390
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke
ist am 20. Mai 2014 angemeldet und am 8. Juli 2014 unter der Nummer 30 2014 003 390 für die Waren
Klasse 9: Laser Pointer (Licht-Zeiger), Leuchtdioden, Schalter (Stromunterbrecher), Dimmer (Lichtregler), Batterien (elektrisch), Taschenlampenbatterien (elektrisch), Knopfzellen (elektrisch), Akkumulatoren (elektrisch), Ladegeräte für elektrische Akkumulatoren, Leuchtschilder; Vorsatzlinsen, insbesondere für Taschenlampen;
Klasse 11: Lampen und Leuchten (ausgenommen für medizinische Zwecke), insbesondere Taschenlampen, Kopflampen, Arbeitslampen, Haushaltslampen, Wohnraumlampen, Tischlampen, Bürolampen, Außen- und Gartenbeleuchtung, Messebeleuchtung, Fahrzeugbeleuchtung, Baulampen, LED-Beleuchtungssysteme, insbesondere LED-Beleuchtungssysteme oder LED-Taschenlampen mit mehreren Vorsatzoptiken, LED-Wohnraumlampen, LED-Bürolampen, LED-Autoleselampen; Lampenzubehör;
in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 8. August 2014.
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der Unionswort-/bildmarke UM 010 243 814
die am 6. September 2011 angemeldet und am 7. Februar 2012 für die Waren der
Klasse 11: Tragbare elektrische Lampen für Beleuchtungszwecke; Scheinwerfer
eingetragen worden ist.
Mit Beschluss vom 11. April 2017 hat die Markenstelle für Klasse 11 des DPMA eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Ihr Wortelement weise keinen beschreibenden Anklang auf. Hinsichtlich der sich gegenüber stehenden Waren der Klasse 11 bestehe teilweise Identität. Ob darüber hinaus Ähnlichkeit bestehe, könne dahingestellt bleiben, denn auch für identische Waren bestehe unter keinem Gesichtspunkt eine Verwechslungsgefahr, da der erforderliche deutliche Markenabstand eingehalten werde. Bei den Vergleichszeichen „NEO“ und „NAO“ handele es sich um Kurzwörter, die im Allgemeinen besser in Erinnerung blieben als längere Wörter und bei denen auch Abweichungen in nur einem Buchstaben die Verwechslungsgefahr ausschließen könnten. Schriftbildlich und klanglich seien die Unterschiede ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Die unterschiedliche Vokalfolge „(hell klingendes) E-O“ und „(dunkel klingendes) A-O“ wiege stärker als der klangschwache gemeinsame Anfangsbuchstabe „N“. Durch die unterschiedliche Bedeutung der Markenwörter – „Neo“ bedeute „neu“, während „Nao“ keinen ohne weiteres erfassbaren Sinngehalt habe – werde die Verwechslungsgefahr weiter vermindert.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie ist der Auffassung, auch bei Kurzwörtern dürften grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Unterscheidbarkeit gestellt werden. Angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der festgestellten (Teil-)Identität der Waren sei ein deutlicher Unterschied erforderlich, der jedoch nicht eingehalten werde. Den zahlreichen Gemeinsamkeiten beider Zeichen, nämlich identischer Anfangs- und Endbuchstabe, identische Buchstaben- und Silbenzahl, identischer Sprachrhythmus und identische Betonung, stünde nur eine einzige Abweichung gegenüber. Der phonetische Unterschied zwischen „a“ und „e“ reiche jedoch, unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass der Verbraucher sich in der Regel auf ein undeutliches Erinnerungsbild verlassen müsse, nicht aus, um die Zeichenähnlichkeit zu verneinen. Es komme nicht so sehr auf die Unterschiede, sondern vielmehr auf die Übereinstimmungen der Vergleichszeichen an. Überdies habe das Bundespatentgericht in zahlreichen Entscheidungen eine phonetische Ähnlichkeit der Buchstaben „E“ und „A“ festgestellt. Auch die begrifflichen Unterschiede führten nicht von der Verwechslungsgefahr weg. Die von den europäischen Gerichten insoweit herangezogene „Neutralisierungslehre“ werde in der deutschen Rechtsprechung nur für die Ausnahmefälle anerkannt, in denen unterschiedliche Begriffsgehalte zur schnelleren Erfassung bildlicher oder klanglicher Unterschiede beim Leser oder Hörer führten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zum einen handele es sich bei „NEO“ nicht um einen glatt beschreibenden Begriff, sondern um ein Präfix. Zum anderen komme ein gegebenenfalls abweichender Sinngehalt gar nicht zum Tragen, da die angegriffene Marke optisch und akustisch wie die Widerspruchsmarke wahrgenommen werde.
Die Beschwerdeführerin beantragt daher sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. April 2017 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2014 003 390 anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zum Teil sei nur von einer durchschnittlichen Warenähnlichkeit auszugehen. Schriftbildlich seien deutliche und relevante Unterschiede festzustellen. Auch klanglich ergebe sich durch die unterschiedlichen Vokale „A“ und „E“, die in beiden Wörtern jeweils betont würden, selbst bei undeutlicher Aussprache eine ausreichende Abweichung. Dass „NEO“ beim angesprochenen Durchschnittsverbraucher als „neu“ bekannt, „NAO“ dagegen ein Fantasiewort sei, führe ferner zu deutlichen begrifflichen Unterschieden. Da das Wort „NEO“ an sich nicht schutzfähig sei, dürfe beim Zeichenvergleich nur die konkrete schriftbildliche Darstellung berücksichtigt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 125 b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH MarkenR 2014, 245 ff. – Bimbo/HABM [BIMBO DOUGHNUTS/ DOGHNUTS]; GRURInt. 2012, 754 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH./.HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM [CK CREATIONES KENNYA/CK CAKVIN KLEIN]; GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rn. 9 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. - Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 1301 Rn. 44 – Kinderstube; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie unter anderem etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
1. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen wurden, ist für den Warenvergleich von der Registerlage auszugehen.
Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR Int. 2009, 397 Rn. 65 – P Les Éditions Albert René Sàrl/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH MarkenR 2016, 157 Rn. 21 – BioGourmet; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM/ZOOM; GRUR 2004, 601 – d-c-fix/CD-FIX; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/ REVIAN).
Ausgehend von der Registerlage besteht zwischen den sich gegenüber stehenden verfahrensgegenständlichen Waren teilweise Identität, teilweise hochgradige oder durchschnittliche Ähnlichkeit. Letztlich kommt es auf den genauen Grad der Ähnlichkeit der vorgenannten Waren nicht entscheidend an, da auch im Identitätsbereich der Vergleichswaren der Abstand zwischen den Vergleichsmarken ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Die Widerspruchswaren „Tragbare elektrische Lampen für Beleuchtungszwecke; Scheinwerfer“ sind identisch bzw. hochgradig ähnlich zu den von der angegriffenen Marke in Klasse 11 beanspruchten „Lampen und Leuchten (ausgenommen für medizinische Zwecke), insbesondere Taschenlampen, Kopflampen, Arbeitslampen, Haushaltslampen, Wohnraumlampen, Tischlampen, Bürolampen, Außen- und Gartenbeleuchtung, Messebeleuchtung, Fahrzeugbeleuchtung, Baulampen, LED-Beleuchtungssysteme, insbesondere LED-Beleuchtungssysteme oder LED-Taschenlampen mit mehreren Vorsatzoptiken, LED-Wohnraumlampen, LED-Bürolampen, LED-Autoleselampen; Lampenzubehör“.
Ob zwischen den Waren der Klasse 9 „Laser Pointer (Licht-Zeiger), Leuchtdioden, Schalter (Stromunterbrecher), Dimmer (Lichtregler), Batterien (elektrisch), Taschenlampenbatterien (elektrisch), Knopfzellen (elektrisch), Akkumulatoren (elektrisch), Ladegeräte für elektrische Akkumulatoren; Vorsatzlinsen, insbesondere für Taschenlampen“ der angegriffenen Marke und „tragbaren elektrischen Lampen für Beleuchtungszwecke“ der Widerspruchsmarke noch eine durchschnittliche Ähnlichkeit besteht, muss letztlich nicht abschließend geprüft werden. „Batterien, Knopfzellen und Akkumulatoren“ sind für den Betrieb von „tragbaren elektrischen Lampen für Beleuchtungszwecke“ ebenso wie Schalter und Dimmer zur Bedienung dieser Lampen erforderlich; ferner kann mit Vorsatzlinsen bei Taschenlampen die Farbe des Lichts verändert werden (vgl. http://flashlite.de/?p=308 – Muliticolorlampen); Taschenlampen werden außerdem mit integrierten Laser-Pointern angeboten (vgl. https://www.amazon.de/PEARL-Stabtaschenlampe-2in1-LED-Taschenlampe-Laserpointer-Edelstahl-Geh%C3%A4use-Silber/dp/ B078WTP2PR.). Es handelt sich somit um Zubehör bzw. einander ergänzende Produkte, die, zumal sie zueinander kompatibel sein müssen, in der Regel unmittelbar nebeneinander angeboten werden, so dass die von den Vergleichswaren angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise denken könnten, sie stammten von demselben oder von miteinander verbundenen Unternehmen.
2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit über einen normalen Schutzumfang. Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rn. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH GRUR 2017, 75 Rn. 19 – Wunderbaum II; BGH, GRUR 2016, 382 Rn. 31 – BioGourmet). Auch wenn das ähnlich klingende, in der Schreibweise abweichende Wort „não“ das portugiesische Wort für „nein“ ist, kann in Bezug auf die hierfür geschützten Waren kein beschreibender Bezug oder ein sonstiger die Kennzeichnungskraft schwächender Sinngehalt festgestellt werden. Tatsachen, die eine Stärkung bzw. Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Die relevanten Vergleichswaren richten sich überwiegend an den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Endverbraucher, der den Waren - je nach Preissegment - mit normaler bzw. leicht erhöhter Aufmerksamkeit begegnet. Soweit auch Fachkreise angesprochen sind, ist ebenfalls von etwas erhöhter Aufmerksamkeit auszugehen.
4. Die angegriffene Marke hält auch den im Bereich der Warenidentität erforderlichen weiten Abstand zur Widerspruchsmarke noch ein.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 35 – Specsavers/ Asda; BGH GRUR 2014, 1101 Rn. 54 – Gelbe Wörterbücher; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 930 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 23 – MIXI; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST; BPatG, Beschluss vom 18.04.2011, 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Rn. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 14 – Maalox/ Melox-GRY; GRUR 2009, 487 Rn. 32 – Metrobus; GRUR 2009, 672 Rn. 33 – OSTSEE-POST). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einem der Wahrnehmungsbereiche aus (BGH GRUR 2017, 1104 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2015, 114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; BGHZ 139, 340, 347 -Lions; MarkenR 2008, 393, Rn. 21 – HEITEC).
a) Die sich gegenüber stehenden Wort-/Bildmarken
und
unterscheiden sich schriftbildlich deutlich durch die unterschiedliche Schriftart und die sichtbare Abweichung in den ersten beiden und somit in zwei von drei Buchstaben.
b) In klanglicher Hinsicht ist maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben (BPatG, Beschluss vom 11.08.2009, GRUR 2010, 441, Rn. 39 – pn printnet/PRINECT). Dabei kann die klangliche Wiedergabe auch durch die grafische Gestaltung der Marke beeinflusst werden (vgl. BPatG, Beschluss vom 24.10.2013, 25 W (pat) 66/12, Rn. 28 – POPPIES/PoppiXie; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 295).
Bei den sich gegenüber stehenden Zeichen handelt es sich jeweils um als Wort aussprechbare Buchstabenzusammenstellungen. Die Widerspruchsmarke besteht eindeutig aus den Buchstaben „N“, „A“ und „O“ und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen mit „N-A-O“ wiedergegeben werden. Bei der jüngeren Marke liegt die Benennung der Buchstaben nicht gleichermaßen eindeutig auf der Hand. Die sich in der Mitte des Zeichens befindlichen drei untereinander angeordneten waagrechten Striche lassen sich keiner gängigen Schriftart zuordnen; es existieren aber, wie die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom Senat übergebenen Rechercheunterlagen zeigen, bereits mehrere Marken, die den Buchstaben „E“ durch drei waagrecht untereinander angeordnete Striche ersetzen, so dass dem Verkehr eine solche Ersetzung nicht unbekannt sein dürfte (vgl. z. B. ; ; ; ; ). Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall gerade durch die Einbettung in die Buchstaben „N“ und „O“ eine Interpretation als „E“ und somit eine entsprechende Aussprache naheliegend ist; dies gilt umso mehr als es sich bei „NEO“ nicht um ein Fantasiewort, sondern um ein geläufiges Wort bzw. Präfix handelt. Schließlich ist der Verkehr daran gewöhnt, dass insbesondere in der Werbung von den Standardschriften abweichende fantasievolle Schriftgestaltungen verwendet oder einzelne Buchstaben durch Bilder bzw. Grafiken ersetzt werden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist davon auszugehen, dass der Verkehr die drei Striche hier als den Buchstaben „E“ liest und das Zeichen mit „NEO“ benennen wird.
Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke selbst darauf hinweist, dass das Wort „NEO“ schutzunfähig ist, schließt sich hieran die Frage, ob das Wort „NEO“ dem klanglichen Markenvergleich überhaupt zugrunde gelegt werden darf. „NEO“ stammt von dem griechischen Wort „néos“ („neu“) ab und bedeutet in Bildungen mit Adjektiven oder Substantiven „neu, erneuert; jung“. Es drückt in Bildungen mit Substantiven oder Adjektiven auch aus, dass etwas (eine Ideologie, Kunstrichtung o. Ä.) eine Wiederbelebung erfährt oder dass an Früheres angeknüpft wird (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/neo). In dieser Bedeutung ist „neo“ als Präfix in Wortkombinationen wie Neofaschismus, Neoklassizismus, Neoliberalismus usw. allgemein bekannt. Der Verkehr misst dem Wort die Bedeutung „neu“ auch in Alleinstellung zu (vgl. BPatG, Beschluss vom 29.01.2013, 33 W (pat) 531/11 – NEO).
Der klangliche Gesamteindruck einer Wort-/Bildmarke – wie sie auch die hier angegriffene Marke darstellt - wird in der Regel durch den Wortbestandteil geprägt (vgl. etwa BGH GRUR 2008, 903 Rn. 25 - SIERRA ANTIGUO). Diesem Erfahrungssatz steht vorliegend nicht der Rechtssatz entgegen, dass schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente einer kombinierten Marke im Allgemeinen bereits aus Rechtsgründen nicht geeignet sind, den Gesamteindruck der Marke zu prägen. Denn dieser Grundsatz ist letztlich nur ein Ausfluss des allgemeineren Grundsatzes, dass aus schutzunfähigen Elementen einer kombinierten Marke keine Rechte hergeleitet werden können. Damit bezieht er sich in erster Linie auf die ältere Marke und ist mithin nicht ohne weiteres und einschränkungslos auf die Fallkonstellation übertragbar, dass der potentiell kollisionsbegründende schutzunfähige Bestandteil nicht in der Widerspruchsmarke, sondern in der angegriffenen Marke enthalten ist (BGH GRUR 2016, 283 Rn. 18 – BSA/DAS DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 31.08.2009, 24 W (pat) 79/09 – THERMARIVM/THERMARIUM)). Ein schutzunfähiger Bestandteil einer angegriffenen Wort-/Bildmarke kann nach der Rechtsprechung des BGH prägende und damit kollisionsbegründende Wirkung haben, wenn er von rechtlich beachtlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise als Produktkennzeichnung und nicht lediglich als beschreibend aufgefasst wird (BGH GRUR 1998, 930 – Fläminger) oder dieser Bestandteil zwar vom Verkehr als beschreibend erkannt, aufgrund der besonderen grafischen Gestaltung jedoch als das dominierende Element wahrgenommen wird, weil weitere schutzfähige Bestandteile in der zusammengesetzten Marke fehlen (BGH a. a. O. Rn. 19 – BSA/DAS DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE).
Die Frage, ob dem Wort „NEO“ – das aufgrund seiner grafischen Ausgestaltung, nämlich der Ersetzung des Buchstabens „E“, zur Eintragung gelangt ist – nach diesen Grundsätzen eine solche dominierende Stellung zukommt und dem klanglichen Vergleich zugrunde gelegt werden kann, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich und bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung.
Denn selbst wenn man „NEO“ dem Markenvergleich zugrunde legen würde, liegt keine klangliche Verwechslungsgefahr vor.
Vergleicht man die Wörter „NEO“ und „NAO“, ist zu berücksichtigen, dass es sich um relativ kurze Vergleichswörter handelt, bei denen einzelne Unterschiede stärker ins Gewicht fallen als bei längeren Vergleichsbezeichnungen. Kurzwörter werden durch einzelne Abweichungen im Verhältnis stärker beeinflusst als längere Markenwörter. Auch bleiben kurze Wörter besser und genauer in der Erinnerung. Daraus ergibt sich, dass hier mitunter Abweichungen in nur einem Laut Verwechslungen ausschließen können (BPatG, Beschluss vom 09.03.2015, 28 W (pat) 24/13 – 3E/E3; Beschluss vom 08.08.2013, 25 W (pat) 104/12 – Talo/tilo; Beschluss vom 12.01.2011, 29 W (pat) 51/10 – E-tat/ETAX; Beschluss vom 13.05.2009, 26 W (pat) 324/03 – WELT/WEST; vgl. auch neuerdings EuG, Urteil vom 04.05.2018, T-241/16 – EW/WE; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 285). Wie die Beschwerdeführerin richtigerweise geltend macht, bedeutet dies nicht, dass bei Kurzwörtern geringere Anforderungen an die Unterscheidbarkeit gestellt werden dürften, wovon die Markenstelle allerdings auch nicht ausgegangen ist. Trotzdem hat die Länge der Vergleichswörter einen – im Einzelfall unterschiedlichen – Einfluss auf die Ähnlichkeit. Vorliegend ergibt sich – trotz der Übereinstimmungen in Silben- und Buchstabenzahl, im jeweils ersten und letzten Buchstaben sowie in der Betonung - angesichts der Kürze und Einprägsamkeit der Wörter phonetisch ein Unterschied durch die jeweils in der Mitte liegenden Vokale „E“ und „A“. Gerade weil auf diesen Vokalen die Betonung liegt, treten sie wesentlich deutlicher hervor als der normalerweise eher beachtete Wortanfang und bestimmen somit das Klangbild. Das „O“ am Wortende ist weniger klangstark und tritt im Verhältnis zu den Buchstaben „E“ bzw. „A“ zurück. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Verkehr diese klanglichen Unterschiede schneller und besser erfasst, weil er, wie oben dargelegt, dem Wort „NEO“ ohne weiteres einen bestimmten Begriffsinhalt zuordnen kann (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, Rn. 20 – PICASSO/PICARO; BGH GRUR 2003, 1047, Rn. 36 – Kellog`s/Kelly`s; GRUR 2010, 235, Rn. 19 – AIDA/AIDU). Denn ein erkennbarer Sinngehalt führt dazu, dass der Verkehr klangliche Unterschiede stärker wahrnimmt.
Auch bei undeutlicher Aussprache ist nicht zu befürchten, dass die Unterschiede zwischen „E-O“ und „A-O“ verschwimmen. Dies gilt auch, wenn man mit der Beschwerdeführerin eine englische Aussprache zugrunde legen würde. Denn das helle „i“ in „ni:o“ hebt sich ebenso von dem „e:i“ in „ne:io“ ab, wie das dunklere „a“ von dem helleren „e“. Die Unterschiede sind daher bei allen relevanten Aussprachemöglichkeiten ausreichend. Eine derartig hochgradige Klangähnlichkeit, die dazu führen würde, dass der Sinngehalt von „NEO“ gar nicht mehr erfasst würde, liegt entgegen der Auffassung der Widersprechenden hier nicht vor (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 312).
Aus den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen des Bundespatentgerichts ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Die Entscheidungen 24 W (pat) 25/10 – ENVITEC/EnviCat und 29 W (pat) 190/04 – CALLWAY/ Cellway betrafen zwei- bzw. dreisilbige Wörter mit fünf oder mehr Buchstaben, die ohnehin schon nicht als Kurzmarken gelten (vgl. BGH GRUR 2015, 1004 Rn. 45 – IPS/ISP). Hinzu kommt, dass die Abweichung im Verhältnis zur Wortlänge zu geringfügig war, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Bei den Vergleichswörtern „Elec“ und „Elac“ (28 W (pat) 46/12 – Elec Design/Elac) liegt die Betonung in dem identischen Anfangsbuchstaben, wodurch die Übereinstimmung besonders hervorgehoben wird. Die Entscheidung des 33. Senats „DEX/DAX“ (33 W (pat) 138/03) beruht darauf, dass die Vokale „E“ bzw. „A“ nur sehr kurz ausgesprochen werden, und das Gesamtklangbild durch die übereinstimmenden Konsonanten „D“ und „X“ bestimmt wird, während das Gesamtklangbild bei den sich hier gegenüber stehenden Vergleichszeichen durch die voneinander abweichenden Vokale dominiert wird. Zudem lag eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „DAX“ zu Grunde. Auch gegenüber dem Vergleichspaar „TENGO“ und „TANGO“ (26 W (pat) 39/09) ergibt sich vorliegend ein anderes Gesamtklangbild.
c) Anhaltspunkte für eine begriffliche Verwechslungsgefahr bestehen schon angesichts des Charakters der Widerspruchsmarke als Fantasiewort ebenfalls nicht.
Selbst unter Berücksichtigung der (teilweise bestehenden) Warenidentität und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nach Abwägung der vorgenannten Umstände eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auszuschließen.
3. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.