Entscheidungsdatum: 09.03.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 000 516
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. März 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe sowie der Richterin Dorn und des Richters Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 12: Motorräder, Fahrräder, Fahrräder mit Elektrohilfsmotor sowie deren Teile und Komponenten, soweit in Klasse 12 enthalten; Elektromotoren für Landfahrzeuge
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen
Klasse 37: Wartung und Reparatur von Motorrädern, Fahrrädern, Elektrofahrzeugen; Fahrzeuginstandhaltung; Fahrzeugservice (Betanken und Instandhaltung); Reparatur von Motorrädern, Fahrrädern und Elektrofahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; Umbau von Motorrädern, Fahrrädern und Elektrofahrrädern
eingetragene Wortmarke 30 2011 000 516
3E
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 9: Batterien (elektrisch); Sonnenbatterien; Zündbatterien; Zwischenspeicher-Lade-Stationen (elektrisch)
Klasse 12: Elektrofahrzeuge; Elektrohybrid-, Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge; Elektromotoren für Landfahrzeuge
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung, insbesondere durch ein Energiemanagement-System bei der Energiegewinnung, -speicherung, -verteilung und den hierfür erforderlichen Einrichtungen, Anlagen, Netzen und Zwischenspeicher-Lade-Stationen; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung für Elektrofahrzeuge; Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) für die voranstehenden Dienstleistungen; alle vorstehend genannten Dienstleistungen in Bezug auf Elektrofahrzeuge
Klasse 39: Transportwesen; Dienstleistungen von Elektrizitäts-, Gas-, Heiz- und Wasserwerken, nämlich Transport und Verteilung von Elektrizität, insbesondere mittels Energiespeichern und Entnahmemöglichkeiten bei Zwischenspeicher-Lade-Stationen
eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke 30 2009 054 630
E3.
Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 7. März 2013 zurückgewiesen, weil zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke würden sich hinsichtlich der Klasse 12 teilweise identische oder im engsten Ähnlichkeitsbereich liegende Waren gegenüberstehen. Ob und in welchem Umfang die übrigen Waren und Dienstleistungen zueinander ähnlich seien, bedürfe keiner abschließenden Beurteilung, weil die Verwechslungsgefahr selbst bei identischen Waren zu verneinen sei. Der erforderliche überdurchschnittlich hohe Zeichenabstand werde von der jüngeren Marke in jeder Hinsicht eingehalten.
Auf dem hier betroffenen Sektor der Klasse 12 sei der Verkehr an Buchstaben-Zahlenkombinationen gewöhnt, wobei stets der Buchstabe vorangestellt sei, wie beispielsweise bei „Audi A4“ oder „BMW X1“. Zudem werde der Name des Herstellers häufig weggelassen; man spreche vom „neuen Q7“ oder „neuen Z4“. In diese Bezeichnungsgewohnheiten reihe sich die Widerspruchsmarke ein und werde auch schon entsprechend beworben. Aufgrund dieser Bezeichnungsgewohnheiten falle es dem Verbraucher auf, wenn statt „E drei“ von „drei E“ die Rede sei. Im Blick darauf, dass es sich bei den Waren der Klasse 12 um hochpreisige Produkte handele, bei denen die Verbraucher häufig sehr markenbewusst seien und das Produkt entsprechend sorgfältig auswählten, sei ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten gewährleistet und die Gefahr einer Verwechslung zu verneinen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hat zur Begründung vorgetragen, im Blick auf die identischen oder im engsten Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe zwischen den Vergleichszeichen Verwechslungsgefahr. Die Auffassung der Markenstelle, dass es im Bereich der Klasse12 üblich sei, Buchstaben-/Zahlenkombinationen zu verwenden, bei denen immer der Buchstabe vorangestellt sei, teile sie nicht, weil gerade im Bereich Kraftfahrzeuge eine Vielzahl von Abkürzungen benutzt werde, die aus Buchstaben-/Zahlenkombinationen bestehen könnten, in denen die Zahl vorangestellt werde, wie beispielsweise bei den Begriffen „1a (Top Zustand bei Gebrauchtwagen)“, „1.Hd (aus erster Hand)“, „4WD (4 Wheel Drive = Allradantrieb)“, „4WS (4 Wheel Steering = Lenkung an beiden Achsen)“ oder „5G oder 5GG (5 Gang-Getriebe)“. Im Kfz-Sektor sei es üblich, aus Buchstaben-/Zahlenkombinationen bestehende Abkürzungen zu verwenden, bei denen die Zahl vorangestellt werde, weshalb von normalen Umständen ausgegangen werden müsse. Mangels besonderer Umstände sei die Gefahr der Verwechslung der Vergleichsmarken zu bejahen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 7. März 2013 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
hilfsweise die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung.
Zur Begründung ihres Antrags hat sie sich auf ihr Vorbringen vor der Markenstelle und deren Beschluss vom 7. März 2013 bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil hinsichtlich der zu berücksichtigenden Waren und Dienstleistungen für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen zwischen der angegriffenen und der Widerspruchsmarke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
1. Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, wenn das Publikum glauben könnte, dass die von den Vergleichszeichen erfassten Waren/Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich im Hinblick auf die Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen einerseits und die Identität oder Ähnlichkeit der von diesen erfassten Waren und/oder Dienstleistungen andererseits. Die Verwechslungsgefahr hängt vom Vorliegen einer Vielzahl von Umständen ab, wobei neben dem Grad der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen und dem Grand der Ähnlichkeit der Vergleichsprodukte insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke eine Rolle spielt (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage 2015, § 9 RdNr. 31 f. m. w. N.). Dabei stehen die genannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann.
2. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist beim Waren- und Dienstleistungsvergleich und bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit jeweils von der Registerlage auszugehen. Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.
Wie die Markenstelle in ihrem angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, besteht hinsichtlich der Waren „Elektromotoren für Landfahrzeuge“ der Klasse 12 Identität; die übrigen Waren dieser Klasse liegen im engsten Ähnlichkeitsbereich. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden kann im Hinblick auf die zu berücksichtigende Wechselwirkung die Ähnlichkeit der übrigen Waren und Dienstleistungen offen bleiben, weil zwischen den Vergleichsmarken selbst hinsichtlich der identischen Waren mangels Zeichenähnlichkeit keine Gefahr von Verwechslungen besteht.
3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und damit ihr Schutzumfang ist mangels konkreter Anhaltspunkte, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, durchschnittlich, weil die Marke von Hause aus uneingeschränkt geeignet ist, zur Unterscheidung der Waren und Dienstleistungen ihres Inhabers von solchen anderer Unternehmen zu dienen, und keine Anhaltspunkte für eine Stärkung oder für eine Schwächung dieser Marke gegeben sind.
4. Hinsichtlich des Grades der Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Zeichen ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Vergleichszeichen dem angesprochenen Verkehr, also dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen vermitteln. Eine künstlich zergliedernde, analysierende Betrachtungsweise ist nicht vorzunehmen, weil auch eine größere Anzahl von Übereinstimmungen im Einzelnen nicht notwendig zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck führen muss. Denn der Verkehr nimmt eine Marke regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen.
a) Einen wesentlichen Einfluss auf die Ähnlichkeit hat die Länge der Vergleichswörter. Kurzwörter werden durch einzelne Abweichungen im Verhältnis stärker beeinflusst als längere Markenwörter. Auch bleiben kurze Wörter besser und genauer in Erinnerung. Abweichungen in nur einem Laut können deshalb Verwechslungen ausschließen, auch wenn bei Kurzmarken grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Unterscheidbarkeit zu stellen sind und auch bei solchen Marken Abweichungen in jeder Hinsicht deutlich in Erscheinung treten müssen. Namentlich die Ähnlichkeit von Buchstaben- und Zahlenzeichen ist unter dem Gesichtspunkt der Kurzzeichen zu bewerten (Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 271 f. m. w. N.).
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze unterscheidet sich die angegriffene Marke „3E“ in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht trotz teilweiser Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von der Widerspruchsmarke „E3“. Denn die Vergleichszeichen, die jeweils aus einem Buchstaben und einer Zahl bestehen, sind so kurz, dass der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die in umgekehrter Reihenfolge platzierten Vergleichszeichen hinreichend unterscheiden und nicht verwechseln wird. Die „Drei-E“ ausgesprochene angegriffene Marke und die „E-Drei“ ausgesprochene Widerspruchsmarke unterscheiden sich in ihrem phonetischen Befund deutlich. Schriftbildlich sind die beiden Marken ebenfalls nicht verwechselbar. Ein für den Durchschnittsverbraucher der beanspruchten Waren ohne Weiteres erkennbarer Sinngehalt kommt weder der angegriffenen noch der Widerspruchsmarke zu, weshalb sich die Vergleichszeichen ebenso wenig begrifflich ähneln.
b) Eine Umstellung einzelner Markenteile kann Verwechslungen oft nicht ausschließen, vor allem, wenn es sich lediglich um eine anagrammatische Klangrotation handelt. Der Durchschnittsverbraucher merkt sich nämlich bei flüchtiger Wahrnehmung eines Wortes dessen einzelne Elemente, kann sich aber - wenn der erste Eindruck verblasst ist - häufig nicht mehr an deren genaue Reihenfolge erinnern und ist deshalb versucht, in einem aus entsprechenden Teilen gebildeten, diese aber in anderer Reihenfolge enthaltenden Wort die früher gehörte Marke wiederzuerkennen. Soweit eine spontane begriffliche Zuordnung entweder gar nicht möglich ist - wie vorliegend - oder zu abweichenden Ergebnissen führt, ist dagegen Zurückhaltung bei der Annahme derartiger Verwechslungsmöglichkeiten geboten.
Vorliegend sind im Identitätsbereich Elektromotoren für Landfahrzeuge und im engen Ähnlichkeitsbereich andere Waren der Klasse 12 betroffen, bei deren Auswahl der Verbraucher eine hohe Aufmerksamkeit an den Tag legt und die Marke gerade nicht nur flüchtig wahrnimmt. Hiernach besteht zwischen den aus den jeweils kennzeichnungsschwachen Teilen zusammengesetzten Vergleichszeichen, nämlich der angegriffenen Marke „3E“ und der Widerspruchsmarke „E3“, auch unter dem Gesichtspunkt der anagrammatischen Klangrotation keine Gefahr von Verwechslungen.
Daher hält der Verkehr die beiden Marken auseinander, so dass eine markenrechtlich erhebliche Verwechslungsgefahr ausscheidet. Zwischen den Marken besteht mithin keine unmittelbare Verwechslungsgefahr.
c) Anhaltspunkte für das Bestehen mittelbarer Verwechslungsgefahr oder von Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.