Entscheidungsdatum: 25.06.2014
THE GREAT CHINA WALL
Die angesprochenen Verbraucher haben Anlass zur Annahme eines gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereichs der Widerspruchswaren „Bekleidungsstücke, nämlich Hemden, Hosen, Jacken“ der Klasse 25 einerseits und der Waren der angegriffenen Marke „Brillen“ der Klasse 9 und „Schmuck“ und „Uhren“ der Klasse 14 andererseits, da diese der Modebranche zuzurechnenden Produkte regelmäßig am Markt nebeneinander auftreten, gemeinsam vertrieben und beworben werden und in ihrer Verwendung zunehmend aufeinander abgestimmt sind und sich ergänzen. Insoweit liegt jedenfalls eine entfernte Warenähnlichkeit vor (a. A.: BPatG 24 W (pat) 87/08 – Noor: Bekleidung/Schmuck unähnlich; vgl. auch BPatG 27 W (pat) 234/04 – BIG LEXX: Brillen/Bekleidungsstücke gewisse Ähnlichkeit).
Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen; jedoch nicht eingelegt
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 57 601
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2014 durch die Richterin Dorn als Vorsitzende, die Richterin Hartlieb und die Richterin kraft Auftrags Kriener
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Wort-/ Bildmarke
ist am 4. September 2007 angemeldet und am 7. Januar 2008 unter der Nummer 307 57 601 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für die Waren der
Klasse 09: Brillen;
Klasse 14: Schmuck, Uhren;
Klasse 25: Damen- und Herrenbekleidung insbesondere Hosen, Jeans, Sweatshirts, T-Shirts, Hemden, Gürtel (Bekleidung), Jacken, Shorts, Pullover, Schals, Handschuhe, Socken, Strumpfhosen, Krawatten, Schultertücher, Unterwäsche; Kopfbedeckungen, Mützen.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 8. Februar 2008 veröffentlicht wurde, hat der Widersprechende aus der für die Waren der
Klasse 25: Clothing, namely shirts, pants and jackets
registrierten und Schutz für das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft innehabenden prioritätsälteren IR-Wort-/Bildmarke 888 676
mit am 28. April 2008 beim DPMA eingegangenem Schreiben Widerspruch erhoben.
Der Widersprechende hat parallel zum Widerspruchsverfahren gegen den Markeninhaber vor dem Landgericht Düsseldorf eine Klage u. a. auf Einwilligung in die Löschung der angegriffenen Marke erhoben. In diesem Verfahren sind in erster und zweiter Instanz Urteile des Landgerichts Düsseldorf (38 O 62/08 vom 27. März 2009) und des Oberlandesgerichts Düsseldorf (I – 20 U 65/09 vom 1. Juni 2010) ergangen. Das Landgericht Düsseldorf hatte zunächst den Inhaber der angegriffenen Marke dazu verurteilt, in deren Löschung einzuwilligen. Das Urteil wurde mit einer bestehenden Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken und der Identität bzw. Ähnlichkeit der durch die Marken erfassten Waren begründet. Hiergegen wandte sich der Inhaber der angegriffenen Marke mit der Berufung, woraufhin das Oberlandesgericht Düsseldorf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - dahingehend teilweise abänderte, dass die Verurteilung zur Einwilligung in die Löschung der angegriffenen Marke die Eintragung für die Waren „Brillen“, „Uhren“ und „Schmuck“ nicht erfasst. Insoweit fehle es an der für die Annahme einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Warenähnlichkeit. Das Urteil ist seit 30. Juli 2010 rechtskräftig.
Der Markeninhaber und Beschwerdeführer hat daraufhin mit am 22. Juni 2010 beim DPMA eingegangenem Schreiben auf die Waren der Klasse 25 verzichtet.
Mit Beschluss vom 7. August 2012 hat die Markenstelle für Klasse 14 des DPMA eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken bejaht und die angegriffene Marke gelöscht. Zur Begründung ist ausgeführt, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich und der Verkehr werde sich bei beiden Vergleichszeichen unter Vernachlässigung des jeweiligen Bildelements am Wortbestandteil orientieren. Die sich damit gegenüberstehenden Wortfolgen „The Great China Wall“ seien klanglich identisch und die sich in der Klasse 9 „Brillen“ und in der Klasse 14 „Schmuck, Uhren“ der angegriffenen Marke und in der Klasse 25 „Clothing, namely shirts, pants, jackets“ der Widerspruchsmarke gegenüberstehenden Waren seien noch ähnlich, wenn auch mit erheblicher Warenferne, da es sich um im Modebereich einander ergänzende Waren handele. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Verkehr zu der Annahme gelange, die fraglichen Waren stammten von demselben Anbieter oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Eine Bindungswirkung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf bestehe für das DPMA nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke, die er auf die o. g. Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf stützt, wonach von einer Unähnlichkeit der hier in Rede stehenden Vergleichswaren auszugehen sei. Dem hätte sich das DPMA bei seiner Entscheidung anschließen müssen, da die gegenteilige Auffassung von der europäischen Rechtsprechung abweiche, ohne mit vertretbaren Argumenten begründet zu sein. Zwischen den sich noch gegenüberstehenden Waren bestehe keine Verwechslungsgefahr, da sie sich hinsichtlich ihres Ursprungs, Verwendungszwecks und der Vertriebskanäle unterschieden.
Der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 14, vom 7. August 2012 unter Zurückweisung des Widerspruchs aufzuheben und hilfsweise aus Billigkeitsgründen die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse aufzuerlegen.
Der Widersprechende und Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den Beschluss der Markenstelle und weist ergänzend darauf hin, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine bösgläubige Anmeldung handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht Verwechslungsgefahr im Sinn der § 125 b MarkenG, Art. 151 Abs. 1, Abs. 2 GMV i. V. m. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle die angegriffene Marke zu Recht gelöscht hat.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. hierzu EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICARO/ PICASSO; BGH GRUR 2012, 1040, 1042, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-Gry; GRUR 2013, 833, Tz. 30 - Culinaria/Villa Culinaria).
1. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Die in englischer Sprache wiedergegebene Bezeichnung der Chinesischen Mauer „THE GREAT CHINA WALL“ eignet sich zur markenmäßigen Kennzeichnung von „Clothing, namely shirts, pants and jackets”, es handelt bei der Bezeichnung des berühmten chinesischen Bauwerks insbesondere nicht um eine geografische Herkunftsangabe.
2. Auch ist mit der Markenstelle von einer klanglichen Identität der sich gegenüberstehenden Marken auszugehen.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2010, 933 Tz. 33 - Barbara Becker; BGH, a. a. O. - Maalox/Melox-GRY; a. a. O. - pure/pjur). Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Bedeutungs- oder Sinngehalts zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei in der Regel bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH GRUR 2011, 824 Nr. 26 - Kappa; GRUR 2009, 1055 Rdnr. 26 - airdsl; MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 - HEITEC). Zu berücksichtigen ist, dass beim Vergleich der Marken mehr auf die Übereinstimmungen der Marken als auf deren Abweichungen abzustellen ist. Dies gilt vor allem aufgrund des Erfahrungssatzes, dass der Verkehr die Marken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt, sie deshalb nicht miteinander vergleichen kann und daher lediglich anhand einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken Verwechslungen unterliegen kann, wenn er sie in einer anderen ähnlichen Marke wiederzuerkennen glaubt (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 237 – Davidoff II; GRUR 2005, 264, 265 – Das Telefon-Sparbuch).
Bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr ist zunächst davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die jüngere Marke nach ihren Wortbestandteilen als einfachster Bezeichnungsform, also mit „THE GREAT CHINA WALL“ benennen werden (vgl. BGH GRUR 2008, 903, 905 Rdnr. 25 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2006, 859, 862 Rdnr. 29 – Malteserkreuz I). Entsprechend den zutreffenden Feststellungen der Markenstelle werden die überwiegenden Teile der Abnehmerschaft das Bildelement der angegriffenen Marke, welches aus chinesischen Schriftzeichen besteht, deren Sinn bzw. Bedeutung für den inländischen Verkehr größtenteils nicht erkennbar ist, neben dem ohne Weiteres verständlichen Wortelement bei der Benennung vernachlässigen. Auch bei der grafisch gestalteten Widerspruchsmarke stellt der Wortbestandteil „THE GREAT CHINA WALL“ zweifellos die einfachste und kürzeste Bezeichnungsform dar. Damit stehen sich klanglich identische Wortfolgen gegenüber.
3. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist für die Frage der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren die Registerlage maßgebend. Danach stehen sich mit den Waren „Brillen“ (Klasse 9); „Schmuck“ und „Uhren“ (Klasse 14) der angegriffenen Marke und den Widerspruchswaren der Klasse 25 (übersetzt) „Bekleidung, nämlich Hemden, Hosen und Jacken“ jedenfalls entfernt ähnliche Waren gegenüber.
Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH MarkenR 2009, 47, 53 Rn. 65 - Éditions Albert René; BGH GRUR 2014, 488, 489 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2007, 1066 Rn. 23 – Kinderzeit; GRUR 2004, 901 – d-c-fix/DC-Fix; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/ REVIAN).
Zwar handelt es sich bei „Brillen“ bzw. „Schmuck“ und „Uhren“ um Waren, die, wie der Verbraucher auch weiß, in zu den Bekleidungswaren unterschiedlichen und voneinander getrennten Herstellungsstätten produziert werden, denn der Herstellung der zu vergleichenden Waren liegen schon aufgrund der unterschiedlichen verwendeten Materialien unterschiedliche Herstellungsprozesse zugrunde. Aber solche Kriterien wie die unterschiedliche Materialbeschaffenheit und eine getrennte Herstellungsstätte stehen der Annahme einer Ähnlichkeit der Waren nicht zwingend entgegen, wenn die zu vergleichenden Produkte als sogenannte „Modeartikel“ gewisse tatsächliche Berührungspunkte aufweisen, aufgrund derer bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Gedanke an einen gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich aufkommen kann (EuGH GRUR 1998, 922, 924 - Nr. 28, 29 – Canon; BGH GRUR 1999, 496, 498 – TIFFANY; GRUR 2002, 1079, 1081 – TIFFANY II; sowie Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rdnr. 86). Denn von einer Warenunähnlichkeit kann nur ausgegangen werden, wenn trotz unterstellter Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vorneherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH a. a. O. – REVIAN/EVIAN; GRUR 2004, 594,596 – Ferrari-Pferd; GRUR 2006, 941 Rn. 13 – TOSCA BLU).
Dies ist aus Sicht des Senats vorliegend aber nicht der Fall. Die sich gegenüberstehenden Produkte weisen gewisse tatsächliche Berührungspunkte auf, die dem angesprochenen Verbraucher Anlass dazu geben, an einen gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Vergleichswaren zu denken:
Die zu vergleichenden Waren können allesamt dem Bereich der Mode zugeordnet werden. In dieser spezifischen Branche werden mittlerweile unter dem Namen der Bekleidungshersteller nicht nur Bekleidungsstücke, sondern regelmäßig auch darüber hinausgehend weitere Modeprodukte als sogenannte modische Accessoires wie Uhren, Düfte, Brillen und Schmuck angeboten. Dies belegen zahlreiche von dem Beschwerdegegner eingereichte Unterlagen (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 30. August 2010), wie auch die Ergebnisse der Recherchen des Senats (Anlagen 1 bis 10 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2014). Die zu vergleichenden Waren treten dementsprechend am Markt häufig nebeneinander auf, beim Handel und Vertrieb über das Internet auf einer gemeinsamen Verkaufsplattform:
- „Chiemsee vergibt Kleinlederlizenz
…Nach Lizenzen für Heimtextilien, Uhren, Düften und Brillen erweitert Chiemsee die Produktpalette nun um Ledergeldbörsen“ – www.textilwirtschaft.de (Anlage 1);
- „Tory Burch lanciert Uhrenkollektion
…Die New Yorker Designerin Tony Burch lanciert Uhrenkollektion“ - www.textilwirtschaft.de (Anlage 1);
- „Louis Vuitton (Unternehmen)
…unter dem Markennamen Louis Vuitton werden über ein internationales Netzwerk von eigenen Boutiquen…hochpreisige Bekleidung für Damen und Herren, Schuhe, Schmuck und Uhren angeboten“ - de.wikipediia.org/wiki/Louis Vuitton (Unternehmen) (Anlage 2);
- „Lizenzmarken – Der schöne Schein
… Die Brille von Gucci, das Shirt von Lacoste, die Schuhe von Tommy Hilfiger…Auch bei Brillen gibt es kaum eine Marke von der es keine Brille gibt. … Und die Qualität der Produkte ist meistens hervorragend. Schlechte Produkte würden das Image der Marke zerstören…“ – www.markengeheimnisse.de (Anlage 3);
- „Bogner Woman
Kollektion Taschen & Gürtel Schuhe Brillen Düfte
… Designer Damenbrillen/Bogner Woman/bogner.com … Die Bogner Damenbrillen Kollektion präsentiert sich … feminin und dynamisch …“ – de.bogner.com/Bogner-Woman/Brillen (Anlage 4);
- „IDEE Marketing
Versace Designerbrillen – Eine Gianni Versace Sonnenbrille … Die Kollektion des Labels umfasst luxuriöse Kleidung, Designer-Sonnenbrillen, … Brillen, Uhren und Schmuck … “ – www.idee-marketing.de/versace-brille-und-sonnenbrille (Anlage 5);
- „Accessoires
… Armbänder & Armreife Halsketten und Colliers Ohrringe Ringe Sonnenbrillen Uhren … Damenaccessoires für jeden Anlass Die meisten Frauen sind Uhrenträgerinnen… Chronografen genauso gut als modisches Accessoire dienen“ – www.heine.de/Damen-Accessoires/Schuhe-und-Accessoires (Anlage 9).
Die unter den Oberbegriff „Brillen“ fallenden „Sonnenbrillen“ und der unter den Oberbegriff „Schmuck“ fallende „Modeschmuck“ sowie „Uhren“ der angegriffenen Marke werden gemeinsam in den Bekleidungsläden und vor allem auch im Rahmen eines einheitlichen Shoppingangebots im Internet nicht nur von den Herstellern hochpreisiger Bekleidung, wie beispielsweise den Unternehmen P…, L… V… oder B…, sondern auch von den Produzenten niedrigpreisiger Bekleidung wie H… Z… usw. angeboten. Sie stellen - auch von den Unternehmen als solche bezeichnet - ein zu der jeweiligen Bekleidung passendes ergänzendes, modisches Accessoire dar. Die Waren begegnen sich also regelmäßig an derselben Vertriebsstätte.
Weiter dienen die zu vergleichenden Waren dem gleichen Zweck und stehen zueinander in einem ästhetischen Ergänzungsverhältnis. Brillen, insbesondere Sonnenbrillen, und Schmuckwaren, vor allem Modeschmuck, sowie Uhren dienen mittlerweile der modisch abgestimmten Ergänzung (modisches Accessoire) der Bekleidung, sie werden zu diesen entsprechend als Zusatzprodukt und zu deren Vervollständigung angeboten. Sie komplettieren das Outfit, den Style und die äußere Erscheinung des Trägers oder der Trägerin, gestalten deren Image und unterliegen, ebenso wie die Kleidung selbst, gewissen Trends. Das von der Bekleidungsmarke bekannte Image - stilvoll, modisch, exklusiv, hochwertig, extravagant - wird auf die mit dem gleichen Kennzeichen versehenen Schmuckwaren, die Uhren und/oder die Brillen übertragen. Für die angesprochenen Verbraucher tritt dabei zunehmend das Bewusstsein in den Hintergrund, dass die Produkte nach ihrem Ursprung tatsächlich in unterschiedlichen Herstellungsstätten produziert werden, da sie regelmäßig unter der gleichen Marke beworben werden, die Waren gemeinsam auftreten und diese insgesamt, sei es in Farbe, Gestaltung oder Stil aufeinander abgestimmt, einem aktuellen Trend oder Lebensgefühl entsprechen.
Diese Berührungspunkte der Vergleichswaren in ihrem Verwendungszweck, dem ästhetischen Ergänzungsverhältnis und nicht zuletzt der gemeinsamen Vertriebs- und Angebotsstätte - auch gerade im Bereich des Onlinehandels (gleichen Stores) - sprechen aus Sicht des Senats für die Annahme einer jedenfalls entfernten Ähnlichkeit der Vergleichsprodukte. Denn angesichts dessen haben die beteiligten Verkehrskreise, die Endverbraucher, trotz der tatsächlich bestehenden Unterschiede in der Beschaffenheit und dementsprechend verschiedenen Herstellungsstätten der Produkte Anlass anzunehmen, die Vergleichswaren stammten aus demselben Unternehmen oder würden unter der Kontrolle desselben oder wirtschaftlich zusammenhängender Unternehmen erbracht, die auch für ihre Qualität verantwortlich sind (a. A. Bekleidung/Schmuck unähnlich: BPatG Beschluss vom 23. Februar 2010, 24 W (pat) 87/08 – Noor; Brillen/Bekleidungsstücke gewisse Ähnlichkeit: BPatG BlPMZ 2006, 296 – BIG LEXX). Der Umstand, dass die Übereinstimmung bei den Marken sowohl beim Warenauftritt als auch in der Werbung für die hier in Rede stehenden Vergleichswaren umfangreich genutzt wird, unterscheidet den vorliegenden Fall von dem der Entscheidung des BGH „DESPERADOS/DESPERADO“ (a. a. O. Rdnr. 16, 17) zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dem diese Berührungspunkte zwischen „Bier“ und „Esswaren“ der Klassen 29 bis 31 beim Warenauftritt und in der Werbung nicht festgestellt worden waren.
Der Annahme einer Warenähnlichkeit steht hier nicht entgegen, dass dem gemeinsamen Auftritt der sich gegenüberstehenden Waren unter einer Marke häufig eine Lizenzierungspraxis zugrunde liegt, die den angesprochenen Verbrauchern teilweise auch bewusst ist (vgl. auch „Markengeheimnisse-Lizenzmarken-Der schöne Schein“ – Anlage 3). Zwar kann aus dem Vorliegen einer Lizenzierungspraxis allein nicht auf eine Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren geschlossen werden. Die Erteilung von Vermarktungsrechten zum Zwecke der Verkaufsförderung berührt aber andererseits den Warenähnlichkeitsbereich grundsätzlich nicht (vgl. BGH a. a. O. – Ferrari-Pferd; BGH a. a. O. –TOSCA BLU) und bestimmt insbesondere nicht die Grenzen der Warenähnlichkeit. Denn es ist auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, dass die Lizenzierungspraxis bei funktionsverwandten Produkten einen Faktor darstellt, der im Grenzbereich für die Warenähnlichkeit bzw. bei gegebener Warenähnlichkeit für die Verwechslungsgefahr sprechen kann (vgl. BGH a. a. O. Rn. 14 – TOSCA BLU).
Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile in der Modebranche sämtliche Assoziationen, die der Verbraucher mit der Marke verbindet, nicht nur bei bekannten als exklusiv geltenden Marken, sondern bei nahezu allen Mode-Bekleidungsmarken auch für solche Produkte nutzbar gemacht werden, die im Zusammenhang mit der Kleidung stehen und die das Erscheinen/das Outfit des Trägers mit passender Brille, Schmuck und Uhr vervollständigen, ist nicht auszuschließen, dass die unter derselben Bezeichnung angebotenen Produkte nach der Auffassung der Verbraucher unter der Qualitätskontrolle eines Unternehmens erzeugt werden.
Auch führt der Verweis des Inhabers der angegriffenen Marke und Beschwerdeführers auf die bezüglich der Frage der Ähnlichkeit der hier zu beurteilenden Vergleichswaren anders lautende rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Juni 2010 (I-20 U 65/09) nicht zum Erfolg.
Denn das Löschungsverfahren wegen Bestehens älterer Rechte nach §§ 51, 55 Abs. 1 MarkenG vor den ordentlichen Gerichten kann anstelle oder neben einem Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG durchgeführt werden. Abweichende Entscheidungen entfalten keine Bindungswirkung im jeweils anderen Verfahren (vgl. auch die Amtl. Begr. Absatz 2 a. E. zu § 42, Sonderheft zum BlPMZ 1994, 86; OLG Karlsruhe, Urt. vom 22. April 2009, Mitt. Heft 11/2010, S. 529, 536 – Porta; Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdnr. 4 zu § 55; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage 2010, Rdnr. 41 zu § 55). Ebenso wenig überzeugt der Hinweis auf die Widerspruchsentscheidung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt vom 30. September 2011 (Widerspruchsnummer B 001399007), hinsichtlich derer gleichermaßen keine Bindungswirkung besteht.
Andererseits greift aber auch der Hinweis des Widersprechenden auf die vermeintlich bösgläubige Anmeldung der angegriffenen Marke nicht. Die Frage einer bösgläubigen Anmeldung des angegriffenen Zeichens als Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wird im Widerspruchsverfahren nicht geprüft; die Widerspruchsgründe sind in § 42 Abs. 2 MarkenG abschließend geregelt (vgl. auch Ströbele/Hacker, a. a. O. § 42 Rdnr. 3).
Bei der festgestellten klanglichen Identität der Marken sowie durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reicht die jedenfalls entfernte Warenähnlichkeit aus, um eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken anzunehmen.
4. Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Im Hinblick darauf, dass die Frage der Warenähnlichkeit von Modeaccessoires, wie beispielsweise Schmuck und Brillen einerseits und modischer Bekleidung andererseits von den Senaten des Bundespatentgerichts nicht einheitlich bzw. abweichend vom erkennenden Senat beantwortet wurde (vgl. BPatG a. a. O. – Noor; BPatG a. a. O. – BIG LEXX), erscheint die Zulassung der Rechtsbeschwerde gerechtfertigt.
5. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufzuerlegen. Da eine fehlerhafte Sachbehandlung des DPMA nicht ersichtlich ist, war auch keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG gerechtfertigt. Der von Seiten des Beschwerdeführers gestellte Antrag, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse aufzuerlegen, entbehrt einer Rechtsgrundlage. Der insoweit abschließend die Kosten des Beschwerdeverfahrens regelnde § 71 MarkenG sieht eine dementsprechende Kostenauferlegung nicht vor, insbesondere können dem Präsidenten des Patentamts Kosten allenfalls nach einem Verfahrensbeitritt und Antragstellung auferlegt werden (§ 71 Abs. 2 MarkenG).