Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 30.05.2017


BPatG 30.05.2017 - 28 W (pat) 55/16

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "MEGIR" – zur Beweiskraft einer Zustellungsurkunde – zur Zustellung eines mittels Einschreiben übersandten Dokuments – erfolgt kein Widerspruch gegen die Löschung, so kann die Löschung der Marke ohne weitere Sachprüfung angeordnet werden – zur Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
30.05.2017
Aktenzeichen:
28 W (pat) 55/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 220 952

(hier: Löschungsverfahren S 57/16 Lösch)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 30. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein sowie der Richter Schmid und Dr. Söchtig

beschlossen:

1. Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

2. Der Markeninhaber trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Am 1. Dezember 2015 ist die Wortmarke 30 2015 220 952 „MEGIR“ für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 35 und 42 eingetragen worden. Am 14. Januar 2016 wurde die Übertragung der Marke auf den Markeninhaber beantragt, der sie zuvor zusammen mit einem Dritten, Herrn K…, angemeldet hatte. In dem entsprechenden, auch vom Markeninhaber unterschriebenen Formblatt wurde seine Adresse mit „…damm in K1…“ angegeben. Die Löschungsantragstellerin hat am 23. März 2016 Antrag auf Löschung der Eintragung der Marke gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG gestellt. Ausweislich des in der Amtsakte befindlichen Zustellnachweises wurde der Markeninhaber mit am 26. April 2016 versandtem Übergabeeinschreiben über den Löschungsantrag gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 MarkenG unterrichtet und aufgefordert mitzuteilen, ob er der Löschung widerspricht. Das Schreiben wurde an die im Umschreibungsantrag vom 14. Januar 2016 genannte Adresse versandt. Ein Widerspruch ist nicht zur Akte gelangt. Daraufhin wurde durch Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenabteilung 3.4, vom 26. Juli 2016 die Eintragung der Marke gelöscht. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Markeninhaber habe der Löschung nicht innerhalb der Zwei-Monatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen.

2

Der Beschluss ist laut dem in der Amtsakte befindlichen Zustellnachweis als Übergabeeinschreiben am 27. Juli 2016 an die oben genannte Anschrift des Markeninhabers gesandt worden. Nachdem das Einschreiben nicht abgeholt und an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückgeschickt wurde, ist der Beschluss vom 26. Juli 2016 mit Zustellungsurkunde dem Markeninhaber an seine Adresse „…damm in K1…“ übermittelt worden. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist das Schriftstück dort am 23. September 2016 in den „zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt“ worden.

3

Mit Schreiben vom 9. November 2016, das am 12. November 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist, hat der Vertreter des Markeninhabers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und Beschwerde gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2016 eingelegt. Er führt aus, dass den Markeninhaber kein eigenes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist treffe. Nach der Trennung von seiner Ehefrau lebe er nicht mehr in der Wohnung …damm in K1… Demzufolge habe seine Ehefrau das Beschlussdokument ausweislich der Zustellungsurkunde am 28. September 2016 entgegen genommen. Anschließend habe sie es Herrn K… übergeben, da ihr die vollständige Übertragung des Markenrechts auf den Markeninhaber nicht bekannt gewesen sei. Herr K… habe dem Markeninhaber das Schriftstück erst am 4. November 2016 ausgehändigt. Weder die Ehefrau noch Herr K… seien die Vertreter des Markeninhabers. Ihr Verschulden sei ihm nicht zuzurechnen. Insofern sei die Zustellung an den Markeninhaber erst am 4. November 2016 erfolgt. Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens hat der anwaltliche Vertreter die Kopie einer eidesstattlichen Versicherung des Markeninhabers vorgelegt, in der er die Aussagen in dem Schreiben vom 9. November 2016 bestätigt. Ergänzend widerspricht der anwaltliche Vertreter der Löschung der Marke. Dem Schreiben vom 9. November 2016 ist darüber hinaus die Kopie eines Briefumschlags beigefügt, der für förmliche Zustellungen Verwendung findet und auf dem in dem Feld „Zugestellt am“ handschriftlich das Datum „28/09/16“ mit einem nicht identifizierbaren Namenszeichen vermerkt ist.

4

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,

5

die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist nach § 66 Abs. 2 MarkenG, die Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2016 sowie die Zurückweisung des Löschungsantrags.

6

Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

7

die Beschwerde zurückzuweisen.

8

Sie hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

9

Der Senat hat dem Markeninhaber mit Schreiben vom 17. Januar 2017 und vom 20. April 2017 seine vorläufige Auffassung mitgeteilt, nach der der angegriffene Beschluss vom 26. Juli 2016 keine Rechtsfehler aufweisen dürfte. Insbesondere gebe es keine Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Zustellung des Löschungsantrags. Der Markeninhaber hat sich hierzu nicht geäußert.

10

Auf Nachfrage informierte das Einwohnermeldeamt K1… mit Schreiben vom 8. Mai 2017 darüber, dass der Markeninhaber unter der Adresse „… damm in K1…“ gemeldet sei.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

12

Über die Beschwerde konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht beantragt (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und wurde seitens des Senats auch nicht als sachdienlich angesehen (§ 69 Nr. 3 MarkenG).

13

1. Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig.

14

Es ist davon auszugehen, dass der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2016 dem Markeninhaber am 4. November 2016 zugegangen ist, so dass die am 12. November 2016 eingegangene Beschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 66 Abs. 2 MarkenG erhoben worden ist.

15

Anhand der Aktenlage kann das Zustellungsdatum nicht eindeutig ermittelt werden. Auf der Zustellungsurkunde ist der 23. September 2016 als Datum vermerkt, an dem der angegriffene Beschluss in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt wurde. Gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i. V. m. § 180 Satz 2 ZPO gilt ein Schriftstück mit der Einlegung als zugestellt. Auf der vom Beschwerdeführer eingereichten Kopie des Briefumschlags ist jedoch der 28. September 2016 als Zustellungsdatum angegeben.

16

Zugunsten des Markeninhabers ist ungeachtet verschiedener Ungereimtheiten, die sein Vorbringen und insbesondere seine nicht datierte eidesstattliche Versicherung enthalten, zu unterstellen, dass er im September 2016 nicht mehr in der Wohnung „…damm in K1…“ gelebt hat. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde geht nicht dahin, dass unter der dort angegebenen Adresse die Wohnung des Zustellungsempfängers liegt. Sie stellt lediglich ein Indiz dar, das durch Vortrag des Empfängers erschüttert werden kann (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage, § 178, Rdnr. 7). Auch ein etwaiges Namensschild reicht nicht aus, um von einer Wohnung gemäß § 180 ZPO ausgehen zu können (vgl. BGH NJW 11, 2441). Ebenso kommt es nicht darauf an, dass der Markeninhaber laut Mitteilung des Einwohnmeldeamts K… vom 8. Mai 2017 seine Wohnung am …damm in K1…, hatte (vgl. Saarländisches OLG DGVZ 10, 83, Rdnr. 22). Zur Wohnung gehören vielmehr die Räume, in denen der Zustellungsadressat zur Zeit der Zustellung tatsächlich lebt und insbesondere schläft (vgl. BGH NJW-RR 2005, 415, Rdnr. 14).

17

Der Markeninhaber lebte laut eigener Aussage am 28. September 2016 nicht mehr in der Wohnung „…damm in K1…“. Auch bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er zu diesem Zeitpunkt in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer fortdauernden tatsächlichen Nutzung der Wohnung geschaffen hat (vgl. Thomas/Putzo, a. a. O., § 180, Rdnr. 3a). Demzufolge konnte ihm der angegriffene Beschluss am 28. September 2016 nicht wirksam durch Einlegung der Postsendung in den Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung der Wohnung „…damm in K1…“ zugestellt werden. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen, gilt es gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 VwZG als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dies ist der 4. November 2016, also der Tag, an dem ausweislich des Vorbringens des Markeninhabers ihm der angegriffene Beschluss von Herrn K… ausgehändigt wurde.

18

Unter Zugrundelegung dieser Annahme wurde nicht nur die Beschwerde am 12. November 2016 fristgerecht erhoben (§ 66 Abs. 2 MarkenG), sondern auch die Beschwerdegebühr am 16. November 2016 rechtzeitig eingezahlt (§ 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Einer Entscheidung über die beantragte Wiedereinsetzung bedurfte es daher nicht.

19

2. Die Beschwerde des Markeninhabers ist unbegründet.

20

Die in dem Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2016 angeordnete Löschung der Eintragung der Marke 30 2015 220 952 war gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG rechtmäßig.

21

a) Der Löschungsantrag ist dem Markeninhaber spätestens am 29. April 2016 zugestellt worden. Er wurde am 26. April 2016 als Übergabeeinschreiben an die Anschrift „…damm in K1…“ versandt. Gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt ein mittels Einschreiben übersandtes Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich und auch vom Markeninhaber nicht geltend gemacht worden, die für eine Zustellung des Löschungsantrags nach dem 29. April 2016 sprechen. Insbesondere ist hierbei zu berücksichtigen, dass er die besagte Adresse noch in seinem Umschreibungsantrag vom 14. Januar 2016 angegeben hat. Dass er im April 2016 dort nicht mehr wohnte, hat er in seiner Beschwerde vom 9. November 2016 nicht vorgetragen. Auch auf die Bescheide des Senats vom 17. Januar 2017 und vom 20. April 2017 hat er sich nicht dahingehend geäußert. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass den Markeninhaber die Obliegenheit trifft, auf streiterhebliche tatsächliche Umstände aus seinem Einflussbereich aufmerksam zu machen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 73, Rdnr. 9).

22

b) Der Markeninhaber hat der Löschung nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Löschungsantrags am 29. April 2016 widersprochen. Ein solcher Widerspruch wurde erstmals im Beschwerdeschriftsatz vom 9. November 2016 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Zwei-Monatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG bereits abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in diese Frist gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG wurde seitens des Markeninhabers nicht beantragt. Eine Wiedereinsetzung ohne Antrag scheidet vorliegend aus. Sie setzt gemäß § 91 Abs. 2 und Abs. 4 MarkenG voraus, dass der Löschung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, das Ursache für die Versäumung der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG war, widersprochen wird. Entsprechende Hindernisse, geschweige denn der Zeitpunkt ihres Wegfalls, sind jedoch nicht bekannt.

23

Da der Löschung nicht fristgerecht widersprochen wurde, konnte die Markenabteilung in dem angegriffenen Beschluss gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG die Löschung der Eintragung der Marke 30 2015 220 952 ohne weitere Sachprüfung anordnen.

24

3. Der Markeninhaber hat aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG zu tragen. Die Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen ist in Abweichung vom Grundsatz der eigenen Kostentragung (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) dann gerechtfertigt, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen prozessuale Sorgfaltspflichten verstößt, indem er in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71, Rdnr. 12). Sinn der Kostenvorschrift ist es nämlich, die Verfahrensbeteiligten zu veranlassen, sorgfältig zu prüfen, ob ihre Rechtsverfolgung sinnvoll und gerechtfertigt ist (vgl. BPatG Mitt. 2010, 529 - IGEL PLUS/plus).

25

Eine solche Fallgestaltung ist hier gegeben. Der Markeninhaber hatte der beantragten Schutzentziehung nicht binnen zwei Monaten nach Zustellung des Löschungsantrags widersprochen. Unter diesen Umständen kann im Hinblick auf die eindeutige Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG, die im Falle eines nicht oder nicht rechtzeitig eingereichten Widerspruchs die Anordnung der Löschung zwingend vorsieht, die erhobene Beschwerde nicht zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses führen, zumal kein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG gestellt wurde.