Entscheidungsdatum: 26.03.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2009 032 380
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2014 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn sowie die Richterin kraft Auftrags Kriener
beschlossen:
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen, soweit in dem Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 7, vom 27. März 2012 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke GM 5583299 „AKROMID“ die angegriffene Wortmarke 30 2009 032 380 „Capromid“ gelöscht wurde.
I.
Die Wortmarke
Capromid
ist am 2. Juni 2009 angemeldet und am 8. Oktober 2009 unter der Nummer 30 2009 032 380 für die Waren der
Klasse 1: Kunststoffe im Rohzustand; Kunstharze im Rohzustand; chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke;
Klasse 7: Maschinenteile, nämlich Laufrollen, Führungsrollen, Stützrollen, Richtrollen, Diabolorollen, Kranlaufrollen, Seilbahnrollen, Seilandruckrollen, Seilumlenkrollen, Drahtführungsrollen, Förderbandrollen, Laschenkettenrollen, Bandagen für Rollen, Umlenkwalzen, Abzugswalzen, Glättwalzen, Druckwalzen, Riemenscheiben, Mitnehmer, Anlaufscheiben, Zahnräder, Zahnstangen, Kegelräder, Schneckenräder, Kettenräder, Dosierräder, Flascheneinlaufsterne, Lagerbuchsen, Führungsbuchsen, Lagerböcke, Lagersegmente, Gleitsteine, Gleitleisten, Gleitplatten, Führungsleisten, Schutzleisten, Förderschnecken, Kurvenscheiben, Verteilerstücke, Zentriertulpen, Stützringe, Ventilsitze, Stampferplatten für Verdichter, Schneid- und Stanzplatten, Auswerfertrommeln, Formen für Beton/Keramik, Maschinenteile, nämlich Dichtringe;
Klasse 17: Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate)
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 13. November 2009 veröffentlicht wurde, hat die Widersprechende mit am 8. Dezember 2009 beim DPMA eingegangenem Schreiben aus ihrer für die Waren der
Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand, Additiv-Konzentrate für Kunststoffe
am 30. Oktober 2007 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke GM 5 583 299
AKROMID
Widerspruch gegen die Waren der Klassen 1 und 17 der angegriffenen Marke erhoben.
Gegenstand des patentamtlichen Verfahrens war ferner der Widerspruch einer weiteren Widersprechenden, der aber im Beschwerdeverfahren zurückgenommen wurde.
Mit Beschluss vom 27. März 2012 hat die Markenstelle für Klasse 7 des DPMA eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken bejaht und die angegriffene Marke im beantragten Umfang für die Waren der Klassen 1 und 17 gelöscht. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich identische bzw. hochgradig ähnliche Waren der Klassen 1 und 17 gegenüberstünden. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei diese berechtigt, von der angegriffenen Marke die Einhaltung eines deutlichen Abstands zu fordern, der nicht mehr eingehalten werde. Es stünden sich die beiden dreisilbigen Wörter „Capromid“ und „Akromid“ gegenüber, bei denen die klangprägende Vokalfolge a-o-i sowie die Buchstabenfolge „romid“ identisch enthalten seien. Die Abweichungen in der ersten Silbe führten angesichts des zusätzlichen, aber klangschwachen Buchstabens „p“ der angegriffenen Marke und der lediglich vertauschten Laute „Ka“ bzw. „Ak“ nicht zu einer signifikanten Veränderung des Klangbildes.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie ist der Ansicht, der zu fordernde größere Zeichenabstand sei eingehalten. Die Waren der angegriffenen Marke richteten sich an Fachleute der kunststoffverarbeitenden Industrie, die eine gegenüber dem Durchschnittsverbraucher gesteigerte Aufmerksamkeit hätten und die sich neben der Produktkennzeichnung vor allem an den chemischen Eigenschaften des Produkts orientierten, da im chemischen Bereich unter den gleichen Marken häufig Werkstoffe mit anderen Zusammensetzungen oder anderen Verarbeitungsmöglichkeiten angeboten würden. Zudem bestellten die Fachleute die chemischen Spezialprodukte anhand von Werkstofflisten, in denen neben den Markennamen auch die vorrangig interessierenden Werkstoffeigenschaften der Produkte genauestens spezifiziert seien, sodass mangels telefonischen oder auf Zuruf erfolgenden Kaufes und fehlender Radio- oder Fernsehwerbung für die Produkte die Gefahr klanglicher Verwechslungen auszuschließen sei.
Die Endung „-mid“ sei für technische Kunststoffe aus Polyamid eine gebräuchliche Endung; dies zeige sich auch durch die im einschlägigen Produktbereich insgesamt 392 eingetragenen Marken mit diesem Bestandteil mit Schutz in Deutschland. Angesichts dieser Kennzeichnungspraxis würden sich die angesprochenen Verkehrskreise daher vorrangig an dem der Endung „-mid“ vorangestellten Zeichenbestandteil orientieren und entsprechend ihr Augenmerk auf die abweichenden Wortanfänge „Capro-“ und „Akro-“ legen.
Mit am 6. Januar 2014 eingegangenem Schriftsatz hat die Beschwerdeführerin und Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Der Senat hatte in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2013 den Verfahrensbeteiligten aufgegeben, die Verhandlung durch schriftsätzliches Vorbringen bis zum 17. Januar 2014 vorzubereiten.
Die Beschwerdeführerin und Inhaberin der angegriffenen Marke, die an der mündlichen Verhandlung nach vorheriger Ankündigung nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. März 2012 insoweit aufzuheben, als die Löschung der Marke 30 2009 032 380 für die Waren der Klassen 1 und 17 angeordnet wurde und den Widerspruch aus der Marke GM 5 583 299 „AKROMID“ zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin und Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die Einrede der Nichtbenutzung sei als verspätet zurückzuweisen, weil sie sehr kurz vor der mündlichen Verhandlung erhoben worden sei und zu einer nicht zu rechtfertigenden Verfahrensverzögerung führe, die bei rechtzeitiger Erhebung vermieden worden wäre. Zudem sei nicht erkennbar, ob die Nichtbenutzungseinrede auf der Basis von § 43 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 MarkenG erhoben werde, daher sei sie unklar.
Die Widersprechende hat gleichwohl diverse Unterlagen zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke eingereicht, u. a. eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden, Werbeanzeigen, eine Aufstellung des Werbeaufwands, Rechnungen, Werbebroschüren sowie Aufkleber. Darüber hinaus trägt die Widersprechende vor, die Marke richte sich nicht ausschließlich an Fachleute, aber auch bei diesem Personenkreis könne es bei flüchtigem Lesen oder Zuhören zu Verwechslungen der sich gegenüberstehenden Marken kommen. Zudem sei die Aufmerksamkeit bei Waren, die laufend gekauft würden, verringert, sodass es durchaus zu Verwechslungen bei dem Bezug der Produkte kommen könne und dies umso leichter, als es sich um identische Waren handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Zwischen der angegriffenen Wortmarke „Capromid“ und der Widerspruchsmarke „AKROMID“ ist Verwechslungsgefahr im Sinn der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 125 b Nr. 1 MarkenG gegeben, so dass die in dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Löschung der jüngeren Marke insoweit zu bestätigen war.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. hierzu EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICARO/ PICASSO; BGH GRUR 2012, 1040, 1042, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-Gry; GRUR 2013, 833, Tz. 30 - Culinaria/Villa Culinaria).
a. Die Widersprechende konnte auf die von der Inhaberin der angegriffenen Marke zulässig erhobene Einrede der Nichtbenutzung die Benutzung der Widerspruchsmarke „AKROMID“ in Bezug auf die Ware „Kunststoffmaterialien“ glaubhaft machen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit am 6. Januar 2014 eingegangenem Schriftsatz erstmalig die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, ohne Satz 1 oder Satz 2 des § 43 Abs. 1 MarkenG präzise zu zitieren. Das undifferenzierte Bestreiten der Benutzung macht aber, anders als die Widersprechende meint, die Einrede nicht unklar, da in ständiger Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass diese dann beide Zeiträume, nämlich 30. Oktober 2007 bis 30. Oktober 2012 und 26. März 2014 bis 26. März 2009, umfassen soll, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind. (BGH GRUR 2008, 719 Rdnr. 20 - idw Informationsdienst Wissenschaft; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 43 Rdnr. 18).
Das Erheben der Einrede der Nichtbenutzung ist, anders als die Widersprechende geltend macht, nicht verspätet. Voraussetzung für das Vorliegen einer Verspätung i. S. d. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG i. V. m. §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2 ZPO wäre die Verzögerung des Verfahrens. Die Einrede der Nichtbenutzung ist am 6. Januar 2014 und damit 23 Tage vor der zunächst am 29. Januar 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung und 11 Tage vor Ablauf der mit der Ladung den Beteiligten gemäß § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG i. V. m. § 129 Abs. 2 ZPO mitgeteilten Schriftsatzfrist bis 17. Januar 2014 erhoben worden. Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts wird die eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eingegangene und dem Widersprechenden zugestellte Einrede im Sinn von § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG nicht als verspätet angesehen (siehe 29 W (pat) 76/06 Net-T/NETT; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 43 Rdnr. 33 ff., 35). Danach ist von einer Verfahrensverzögerung im vorliegenden Fall nicht auszugehen.
Die Voraussetzungen für die Einrede gemäß §§ 125 b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 30. Oktober 2007 eingetragenen Widerspruchsmarke erst nach der am 13. November 2009 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, nämlich am 30. Oktober 2012, endete. Das Bestreiten der Benutzung war aber gemäß §§ 125 b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig. Der Widersprechenden oblag es damit glaubhaft zu machen, dass ihre Marke für die von ihr umfassten Waren innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also in der Zeit vom 26. März 2014 bis 26. März 2009, gemäß Art. 15 GMV in der Gemeinschaft benutzt worden ist. Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren - benutzt wird, um für diese Waren einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke geschäftlich verwertet wird. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 428, Rn. 38 - Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584, Rn. 70 - VITAFRUIT). Nach der europäischen Spruchpraxis ist davon jedenfalls auszugehen, wenn die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ (vgl. EuGH GRUR 2008, 343, 346, Nr. 74 – I Ponte Finanziaria SpA).
Aus der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden vom 23. Januar 2014 geht hervor, dass die Widersprechende mit der Widerspruchsmarke „AKROMID“ für unterschiedliche Kunststoffmaterialien, wie Polyamide, Polyamid/Polypropylen-Mischungen und weitere Mischungen mit ABS und PBT mit jährlich verkauften ca. 3.800 bis 10.562 Tonnen in Deutschland Umsätze in Höhe von über … bis zu über … Euro in den Jahren von 2009 bis 2013 erzielt hat.
In quantitativer Hinsicht ist mit diesen für die Bundesrepublik Deutschland, der gemessen am Bruttoinlandsprodukt größten Volkswirtschaft in Europa, glaubhaft gemachten Umsatzzahlen von einer ernsthaften Benutzung in der Gemeinschaft auszugehen (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 - OMEL/ONEL; BPatG 24 W (pat) 35/07 - Stradivari; 30 W (pat) 1/10 - TOLTEC/TOMTEC).
Die Art und die Form der Benutzung der Marke „AKROMID“ sind sowohl aus dem eingereichten Plastiksack für die in Form von Granulat vertriebenen Waren und dem eingereichten Produktaufkleber sowie den eingereichten Werbeunterlagen und den Werbebroschüren zu entnehmen. Aus diesen ergibt sich, dass die Kunststoffe der Widersprechenden unter der Bezeichnung „AKROMID“ teilweise auch zusammen mit angehängten Buchstabenergänzungen A, B, Lite, HI, M, -RM, -FR, -C oder -S vertrieben und in unterschiedlichen Bau- und Produktteilen (Airbags, Schibindungen, Bohrer, Autoverkleidungen, Stecker) Verwendung finden. Der überwiegende Teil der von der Widersprechenden eingereichten Broschüren ist nicht mit einem Erscheinungsdatum versehen. Im Zusammenhang mit der Erklärung in der eidesstattlichen Versicherung, die auf die Broschüren Bezug nimmt, sowie aus dem Inhalt der Broschüre „Ihr Spezialist für innovative und anwendungsorientierte Kunststoff-Compounds“ (Anlage 6 zum Schriftsatz vom 26. Februar 2014) ergibt sich jedoch, dass die Jahre 2010 bis 2012 und damit der Benutzungszeitraum 26. März 2014 bis 26. März 2009 betroffen ist.
Die Widersprechende hat daher die ernsthafte Benutzung in der Gemeinschaft für „Kunststoffmaterialien“ und damit für die unter die Warenbegriffe „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“ und „Kunststoffe im Rohzustand“ der Klasse 1 zu subsumierenden Waren durch die eidesstattliche Versicherung und die ergänzend hierzu eingereichten Unterlagen für den maßgeblichen Benutzungszeitraum ausreichend glaubhaft gemacht.
b. Mit den von der angegriffenen Marke „Capromid“ beanspruchten Waren der Klasse 1 „Kunststoffe im Rohzustand; Kunstharze im Rohzustand; chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“ und den von der Widerspruchsmarke benutzten Waren der Klasse 1 besteht Identität zwischen den „Kunststoffen im Rohzustand“ sowie den „chemischen Erzeugnissen für gewerbliche Zwecke“ zu den „Kunstharzen im Rohzustand“ hochgradige Ähnlichkeit.
In Bezug auf die „Waren aus Kunststoffe (Halbfabrikate)“ der Klasse 17 der angegriffenen Marke und den benutzten Widerspruchswaren „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“, „Kunststoffe im Rohzustand“ besteht angesichts gleicher Beschaffenheit und der Herstellung in den gleichen kunststoffverarbeitenden Betrieben als „Rohstoffe“ der „Halbfabrikate aus Kunststoffen“ hochgradige Ähnlichkeit.
c. Die Widerspruchsmarke verfügt über durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Kennzeichnungskraft ist die Eignung eines Zeichens, sich dem angesprochenen Verkehrskreis aufgrund seiner Eigenart einzuprägen, d. h. als Herkunftshinweis erkannt, in Erinnerung behalten und wieder erkannt zu werden. Je größer die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist, umso größer ist ihr Schutzumfang und umso eher ist auch eine Verwechslungsgefahr zu bejahen (EuGH GRUR 1998, 387 - Springende Raubkatze, GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd Schuhfabrik).
Anhaltspunkte für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Anders als die Inhaberin der angegriffenen Marke meint, handelt es sich bei der Wortendung „-mid“ nicht um die beschreibende Abkürzung für Kunststoffe aus Polyamid. Denn die Kurzform für Polyamide lautet üblicherweise „PA“, auch kommt der Endung „-mid“ bei „Polyamid“ keine eigenständige Bedeutung zu, vielmehr ist mit dem Suffix „-amid“ der Hinweis auf eine Amidbindung enthalten. Von einer Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist daher nicht auszugehen.
d. Ausgehend von identischen und hochgradig ähnlichen Waren und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „ACROMID“ hält die angegriffene Marke „Capromid“ den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand nicht mehr ein.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2010, 933 Tz. 33 - Barbara Becker; BGH, a. a. O. - Maalox/Melox-GRY; a. a. O. - pure/ pjur). Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei in der Regel bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH GRUR 2011, 824 Nr. 26 - Kappa; GRUR 2009, 1055 Rdnr. 26 - airdsl; MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 - HEITEC).
Die sich gegenüber stehenden Wortmarken „Capromid“ und „AKROMID“ sind angesichts identischer Silbenanzahl, der identischen das Klangbild maßgeblich prägenden Vokalfolge „a-o-i“ und der identischen übereinstimmenden letzten fünf Buchstaben „-romid“ unmittelbar klanglich verwechselbar. Der in der angegriffenen Marke zusätzlich vorhandene Konsonant „p“ spielt für das Klangbild, da er vor dem Konsonanten „r“ eher klangschwach ist und auf den klangstarken Vokal „a“ folgt, keine Rolle. Der einzige Unterschied in der Reihenfolge der Buchstabenanfänge geht angesichts der geschilderten Übereinstimmungen und der Tatsache, dass die Buchstaben „Ca-“ bzw. „Ak-“ am Wortanfang lediglich vertauscht sind (sogenannte Klangrotation) im klanglich sonst identischen Gesamtgefüge unter.
Anders als die Inhaberin der angegriffenen Marke meint, tritt im Bereich der hier maßgeblichen Produkte die klangliche Zeichenähnlichkeit nicht in den Hintergrund. Nach ständiger Rechtsprechung kommt der klanglichen Ähnlichkeit von Marken in der Praxis die weitaus größte Bedeutung zu. Auch wenn, nach dem Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, die in Rede stehenden Waren hauptsächlich anhand von Werkstofflisten bestellt würden und insgesamt tatsächlich weniger Gelegenheit zu klanglichen Verwechslungen bestünde, ist nicht zu vernachlässigen, dass Bestellvorgängen dennoch auch mündliche, etwa telefonische Nachfragen vorausgehen und im Übrigen hierbei nicht nur fachkundige Adressaten mit den Kennzeichen in Berührung kommen, sondern auch fachfremde Personen beteiligt sind. Hinzu kommt, dass erfahrungsgemäß selbst bei einer nur optischen Wahrnehmung einer Marke gleichzeitig der klangliche Charakter des Markenworts unausgesprochen mit aufgenommen und damit die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken geweckt werden, die von früheren Begegnungen bekannt sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 9 Rdnr. 230 m. w. N.). Die klangliche Verwechslungsgefahr wird also nicht nur durch unmittelbares Hören, sondern auch durch die ungenauen Erinnerungen an den Klang der beiden Marken ausgelöst (vgl. auch BPatGE 23, 176, 179).
Im Hinblick auf die festgestellte Identität bzw. die hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken und der klanglich ähnlichen Wortzeichen ist eine Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
e. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufzuerlegen.