Entscheidungsdatum: 23.11.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 010 002.1
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung am 12. September 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 31, vom 20. April 2015 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen
„Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels in den Bereichen der veterinärpharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse, der diätetischen Lebensmittel und Erzeugnisse für veterinärmedizinische Zwecke, der Nahrungsergänzungsmittel für Tiere sowie der Futtermittel; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“
zurückgewiesen worden ist.
I.
Die Anmelderin hat am 22. Januar 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die Bezeichnung
SANO
als Wortmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 31, 35 und 44 in das Markenregister einzutragen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 31, hat die Anmeldung mit Beschluss vom 20. April 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf seinen Beanstandungsbescheid vom 5. März 2015, auf den die Anmelderin sich nicht geäußert hat, Bezug genommen. In dem Beanstandungsbescheid ist ausgeführt, dass das Anmeldezeichen in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft aufweise. Das Wort „SANO“ bedeute im Italienischen und Spanischen „gesund, bekömmlich“. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpfe es sich in einem schlagwortartigen Hinweis auf ihre Wirkungsweise im Sinne von „bekömmliches Futter“ bzw. „für gesunde Tiere“. Zumindest bei den zu berücksichtigenden Fachkreisen sei von zulänglichen Sprachkenntnissen auszugehen. Das Zeichen eigne sich daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis. Ferner bestehe auch ein Allgemeininteresse an seiner freien Benutzung.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, das angemeldete Wortzeichen sei schutzfähig. Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin mit Erklärung vom 19. September 2018 das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen auf die Dienstleistungen der Klasse 35 beschränkt, nämlich
„Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels in den Bereichen der veterinärpharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse, der diätetischen Lebensmittel und Erzeugnisse für veterinärmedizinische Zwecke, der Nahrungsergänzungsmittel für Tiere sowie der Futtermittel; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 31, vom 20. April 2015 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen der Klasse 35 zurückgewiesen worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere lässt sich weder ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG feststellen, noch kann dem Anmeldezeichen jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Der angefochtene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes war daher insoweit aufzuheben.
Soweit die Zurückweisung auch Waren und Dienstleistungen betrifft, für die die Anmeldung im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt wird, ist der angegriffene Beschluss wirkungslos.
1. Das Anmeldezeichen „SANO“ ist nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltebedürftig.
Nach dieser Regelung sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rdnr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Rdnr. 56 - Postkantoor; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 8, Rdnr. 362, 377). Für die Frage der Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der Waren bzw. Dienstleistungen als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BPatG, Beschluss vom 26. Juli 2012, 30 W (pat) 44/11 - PILLOLA; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnr. 515, 519).
a) Bei dem Anmeldezeichen „SANO“ handelt es sich insbesondere nicht um einen vom Markenschutz ausgenommenen Hinweis auf die Wirkung oder den Gegenstand der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen.
Der deutsche Wortschatz enthält verschiedene Begriffe mit dem Stamm „san-“, der auf das lateinische Adjektiv „sanus, -a, -um“ mit der deutschen Bedeutung „gesund“ zurückgeht. Beispielhaft seien die Wörter „sanitär“, „sanieren“ oder „Sanitäter“ genannt. Allerdings ist die Bezeichnung „SANO“ mit der Endung „-o“ keine in der deutschen Sprache gebräuchliche Sachangabe. Soweit das Wort im Inland insbesondere als Bestandteil von Wortkombinationen verwendet wird, handelt es sich ungeachtet seiner inhaltlichen Bezugnahme auf die Gesundheit oder das Gesundheitswesen um einen Kunstbegriff mit Namenscharakter (vgl. z. B. „Vita Sanotec“, „DensSano“, „bodysano“).
Demgegenüber weist das Wort „sano“ im Italienischen und Spanischen als männliche Singularform des Adjektivs „sano, sana“ die Bedeutungen „gesund, wohlauf, bekömmlich“ auf (vgl. Leo Online-Lexikon, Suchbegriff: „sano“). Den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen kann unterstellt werden, dass sie regelmäßig in der Lage sind, eindeutig beschreibende Angaben auch in fremden Sprachen zu erkennen. Hiervon ist insbesondere bei Markenwörtern auszugehen, die einer Welthandelssprache wie Italienisch oder Spanisch angehören. Ihnen kommt die grundsätzliche Eignung zur Beschreibung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnr. 518, 523). Entgegen der Auffassung der Markenstelle fehlen aber Anhaltspunkte dafür, dass das Anmeldezeichen „SANO“ als solches - in Alleinstellung und in seiner konkreten Flexionsform - sinnvoll zur Beschreibung von Merkmalen der noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen verwendet werden kann.
(1) Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels umfassen die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um Waren an Verbraucher zu verkaufen. Dieser Handel umfasst neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer ausübt, um zum Abschluss eines solchen Geschäftes anzuregen. Diese Tätigkeit besteht insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die einen Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen (vgl. EuGH GRUR 2005, 764, Rdnr. 34 - Praktiker; BGH GRUR 2016, 382, Rdnr. 22 - BioGourmet).
Die Angabe „SANO“ mit der Bedeutung „gesund, heilsam“ umschreibt nicht Merkmale dieser kaufmännischen Leistungen. Insbesondere das Zusammenstellen und die Präsentation von Waren haben als solche keine gesundheitsfördernde Wirkung.
Allenfalls könnte „SANO“ als Hinweis auf die „veterinärpharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse, diätetischen Lebensmittel und Erzeugnisse für veterinärmedizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für Tiere sowie Futtermittel“, die den Gegenstand dieser Tätigkeiten bilden, verstanden werden. Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels beziehen sich jedoch in erster Linie auf Warengattungen oder Branchen, wie beispielsweise „(Tier-) Gesundheit“. Diese werden von dem Adjektiv „sano“ nicht angesprochen. Es kann zwar die Wirkung eines bestimmten Einzelprodukts benennen. Ein eindeutiger Sachhinweis - und nicht nur eine bloße Anspielung - auf den Gesundheitsbereich als solchen ist dem Begriff in seiner konkreten Wortform als Adjektiv aber allenfalls nach einer unzulässigen Zeichenanalyse zu entnehmen (vgl. BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 12 - Link economy; BPatG, Beschluss vom 13. Februar 2014, 30 W (pat) 47/12 - Selecta). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der internationale Handel zur Vermeidung von sprachlichen Missverständnissen auf einfache und klare Aussagen über die angebotenen Waren und Dienstleistungen zurückzugreifen pflegt.
Auch ansonsten kann dem Anmeldezeichen keine Aussage über Merkmale der beanspruchten Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen entnommen werden.
(2) Aus den vorgenannten Gründen eignet sich das Adjektiv „sano“ auch für die weiteren verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“ nicht als beschreibende Angabe. Insbesondere kann ihm kein gebräuchlicher oder naheliegender Hinweis auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich, auf den sich die Geschäftsführungs- oder Unternehmensverwaltungsleistungen beziehen, entnommen werden. Auch hier erfordert die Interpretation des gegenständlichen Zeichens als Synonym für das Gesundheitswesen eingehendere Überlegungen, die im Wirtschaftsleben normalerweise nicht angestellt werden.
b) Das Wort „SANO“ bezeichnet ferner eine japanische Stadt in der Präfektur Tochigi mit ca. 120.000 Einwohnern. Sie genießt Wertschätzung auf Grund der Herstellung von japanischen Ramen-Nudeln (vgl. „www.wikipedia.org“, Suchbegriff „Sano“). In Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen handelt es sich aber nicht um eine gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossene geografische Herkunftsangabe.
Angesichts der nicht unerheblichen Größe und Wirtschaftskraft dieser Stadt mögen die verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen von Sano/Japan aus zwar gegenüber inländischen Kunden erbracht werden, sofern sie nicht Tierarzneimittel betreffen (§ 43 Abs. 5 Arzneimittelgesetz). Allerdings ist nicht ersichtlich, dass das Wort „Sano“ in Alleinstellung - ohne erläuternde regionale Einordnung - gegenwärtig mit den einschlägigen Dienstleistungen in Verbindung gebracht wird. Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dies vernünftiger Weise in Zukunft zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rdnr. 31 - Chiemsee; für den Bereich der Dienstleistungen BPatG GRUR 2009, 994, Rdnr. 16 - Vierlinden; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, a. a. O., § 8, Rdnr. 455).
Anders als bei Dienstleistungen etwa im Bereich Touristik oder kreativer Gestaltung (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, a. a. O., § 8, Rdnr. 455) sind mit dem Erbringungsort der in Rede stehenden Handels-, Geschäftsführungs- und Unternehmensverwaltungsdienstleistungen im Allgemeinen keine ihre Wertschätzung begründenden positiven Vorstellungen verbunden. Der geografische Hinweis auf die Stadt „Sano“ mag vorliegend im Inland die beträchtliche räumliche Distanz zum Erbringungsort der Dienstleistungen deutlich machen und damit vertragsrechtliche sowie logistische Folgeprobleme ins Bewusstsein rücken. Der Senat hat allerdings keine Anzeichen dafür ermitteln können, dass die japanische Stadt „Sano“ dem inländischen Publikum in maßgeblichem Umfang bekannt ist. Zudem wird das Anmeldezeichen durch seinen Wortstamm „San-“ mit den Bedeutungen „Gesundheit“ bzw. „Gesundheitswesen“ hier regelmäßig nicht als Name einer japanischen Stadt wahrgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Angabe „Sano“ als solche - ohne ergänzenden Hinweis auf Tochigi und/oder Japan - vorliegend nicht die Funktion einer geografischen Angabe zu erfüllen vermag.
2. Das angemeldete Wortzeichen verfügt in Verbindung mit den gegenständlichen Dienstleistungen darüber hinaus über die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Wie oben bereits ausgeführt, weist es keinen im Vordergrund stehenden merkmalsbeschreibenden Charakter auf, noch wird es als geografische Angabe wahrgenommen.
Das Publikum sieht in dem Zeichen im Übrigen keine zeichenrechtlich unerhebliche Abwandlung einer beschreibenden Angabe. Hiervon wäre dann auszugehen, wenn der Verkehr in der Abwandlung ohne Weiteres eine sachbezogene oder werbeübliche Angabe erkennen würde (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnr. 196). Dem Anmeldezeichen „Sano“ lässt sich jedoch kein klarer Bezug auf eine - auch hinsichtlich ihrer Flexionsform - aussagekräftige beschreibende Angabe entnehmen. Dass es den Wortstamm „San-“ enthält und dadurch einen sprechenden Charakter aufweist, steht dem Verständnis als Fantasiewort nicht entgegen (vgl. zu dem Wort „Sana“: BGH GRUR 1993, 972, 973 - Sana/Schosana). Gerade im Gesundheitswesen ist das Publikum umfangreich an sprechende Zeichen gewöhnt.
Es ist auch nicht erkennbar, dass dem angemeldeten Zeichen aus anderen Gründen - etwa wegen Verwendung als geläufige Werbeaussage - die Unterscheidungskraft fehlt.
Der Beschwerde war daher im beschwerdegegenständlichen Umfang stattzugeben.