Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.03.2012


BPatG 22.03.2012 - 28 W (pat) 117/10

Markenbeschwerdeverfahren – „LYKOS (Wort-Bild-Marke) / LYTTOS“ – klangliche Verwechslungsgefahr – klangliche Wiedergabe der Marke auf dem Lebensmittelsektor


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
22.03.2012
Aktenzeichen:
28 W (pat) 117/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 40 706

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante und die Richter Schwarz und Schell

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Widersprechende hat gegen die am 4. Januar 2008 veröffentlichte Eintragung der am 24. April 2007 angemeldeten, für

2

mediterrane Feinkost, nämlich Käse, Speiseöle, Fisch, getrocknetes Obst; mediterrane Feinkost, nämlich Kaffee, feine Backwaren, Honig, Gewürze, Salz, Essig, Senf, Würzmittel; frisches Obst und Gemüse; mediterrane Feinkost, nämlich Samenkörner

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geschützten Marke Nr. 307 40 706

Abbildung

4

Widerspruch eingelegt aus ihrer am 21. Oktober2003 angemeldeten und seit 13. Januar 2004 u. a. für

5

Käse; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Konfitüren; Kompotte; Speiseöle und -fette; Fischgerichte; Fischkonserven; Obst (getrocknet, gekocht und/oder konserviert); Obst- und/oder Gemüsesalat; Oliven (konserviert) für Speisezwecke; Olivenöl; Paprika (konserviert); Teigwaren, insbesondere Nudeln; Pizzas; Brot, Brötchen; feine Backwaren und/oder Konditorwaren; Mehle und/oder Getreidepräparate; Kaffee und/oder Kaffee-Ersatzmittel; Tee; Kakao; Zucker; Reis; Tapioka; Sago; Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig; Gewürze; frisches Obst und Gemüse; Früchte (frisch); land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit sie in Klasse 31 enthalten sind; Austern (lebend); Beeren (Früchte); Bohnen, dicke (frisch); Cashewkerne; Endiviensalat; Erbsen (frisch); Erdnüsse (Früchte)

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eingetragenen Marke Nr. 303 54 048

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LYTTOS.

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Die Markenstelle für Klasse 31 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2008 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und die hiergegen eingelegte Erinnerung der Markeninhaberin mit weiterem Beschluss vom 23. August 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Nachdem alle Waren der angegriffenen Marke entweder ausdrücklich auch im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke aufgeführt sind oder zumindest unter einen dort enthaltenen Oberbegriff fallen, sei hinsichtlich sämtlicher beanspruchter Waren von Identität auszugehen. Den bei dieser Ausgangslage zur Vermeidung von Verwechslung erforderlichen, sehr deutlichen Abstand halte die angegriffene Marke zur Widerspruchsmarke nicht ein, wobei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen sei. Beide Marken seien klanglich hochgradig ähnlich und in der Regel reiche bereits die hinreichende Übereinstimmung in klanglicher Hinsichten für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus. Die jeweils zweisilbigen Markenwörter wiesen nicht nur den gemeinsamen Anlaut "LY-", sondern auch die gemeinsame Endung "-OS" auf. Die Konsonanten in der Wortmitte, mögen sie auch in der Widerspruchsmarke verdoppelt sein ("TT"), stellten jeweils harte Sprenglaute dar, so dass auch durch sie der jeweilige klangliche Gesamteindruck nicht deutlich in eine andere Richtung gelenkt werden könne. Vielmehr seien die Wörter "LYKOS" und "LYTTOS" selbst bei deutlicher Sprechweise nicht mit der erforderlichen Sicherheit auseinander zu halten. Die hochgradige klangliche Ähnlichkeit werde auch nicht durch einen unterschiedlichen Sinngehalt ausgeschlossen, weil die wenigsten Verbraucher "LYKOS" als Name der griechischen Antike bzw. Mythologie kennen würden und beiden Bezeichnungen ein Bezug zu Griechenland entnommen werde, wodurch die Verwechslungsgefahr eher noch erhöht werde.

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie meint, dass die Vergleichsmarken keine klangliche Ähnlichkeit aufwiesen, weil sie infolge der verschiedenen Binnenkonsonanten ohne Mühe unterschieden werden könnten. Im Geschäftsleben trete der Fall einer bloß mündlichen Wiedergabe der hier zu beurteilenden Marken dabei ohnehin nur selten auf. In schriftbildlicher Hinsicht wichen beide Marken sehr stark voneinander ab. Schließlich sei auch zu beachten, dass beide Beteiligten nur an ein Fachpublikum, nicht aber an Endkunden verkaufen würden.

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Die Markeninhaberin beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 31 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Dezember 2008 und 23. August 2010 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

12

Die Widersprechende beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

14

Sie tritt den Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke im Einzelnen entgegen und ist insbesondere der Ansicht, dass beide Marken wegen der identischen Wortanfänge und -enden sowie der gleichen Wortlänge hochgradig ähnlich seien.

15

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Die Widersprechende hat hierbei angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

16

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist gegeben, so dass die Markenstelle insoweit zu Recht deren Löschung angeordnet hat.

17

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] - Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).

18

Im vorliegenden Fall ist, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat und was auch die Markeninhaberin nicht in Abrede stellt, von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Identität der jeweils beanspruchten Waren auszugehen. ach der oben genannten Wechselwirkungstheorie des Europäischen Gerichtshofs insofern eine Verwechslungsgefahr nur zu verneinen, wenn die sich gegenüberstehenden Marken entweder unähnlich oder nur in einem sehr entfernten Grad ähnlich wären.

19

Die Ähnlichkeit der Marken ist dabei danach zu bestimmen, inwieweit ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2) die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414 [Rz. 19] - SIR/Zirh; s.a. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m w. N. [Fn. 311]). Dabei ist grundsätzlich auf ihren jeweiligen Gesamteindruck unabhängig vom Prioritätsalter abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] - Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] - SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/Elfi Rauch), was bei komplexen Marken nicht ausschließt, dass einzelne Bestandteile, die Bestandteilen der gegenüberstehenden Marke entsprechen, den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck dominieren (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Rz. 30] - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 18] - Malteserkreuz) oder prägen (vgl. BGH GRUR 2006, 60 Tz 17 - coccodrillo).

20

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist bei der Prüfung, wie weit die Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Marken geht, der Grad ihrer Ähnlichkeit im Bild, im Klang und in der Bedeutung im Rahmen einer umfassenden Beurteilung zu bestimmen sowie unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und der Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu bewerten, welche Bedeutung diesen einzelnen Elementen beizumessen ist (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 [Rz. 27] - Lloyd Schuhfabrik Meyer; GRUR 2006, 237, 239 [Rz. 37 ] - Picaro/Picasso; EuGH, GRUR 2006, 413, 414 [Rz. 21] - SIR/Zirh; GRUR 2007, 700, 701 f. [Rz. 36 f.] – Limoncello/LIMONCHELO). Dabei ist die Würdigung eines dieser drei Aspekte (etwa der klanglichen Ähnlichkeit) nur einer der relevanten Umstände im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung (EuGH, a. a. O. [Rz. 21] - SIR/Zirh). Damit lässt sich im Einzelfall zwar nicht ausschließen, dass die Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte für das Bestehen einer Verwechslungsgefahr ausreichen kann, aus der Ähnlichkeit in nur einem Aspekt (etwa in klanglicher Hinsicht) kann aber nicht notwendig auf eine Verwechslungsgefahr geschlossen werden (EuGH a. a. O. [Rz. 22] - SIR/Zirh); vielmehr können die Unterschiede zwischen zwei Zeichen in den anderen Aspekten (beispielsweise die begrifflichen und visuellen Unterschiede) die zwischen ihnen bestehenden Ähnlichkeiten in nur einem Aspekt (etwa dem klanglichen) neutralisieren (vgl. EuGH, a. a. O. [Rz. 35] - SIR/Zirh; GRUR 2006, 237 [Rz. 19 f.] – PICASSO/PICARO; GRUR 2008, 343, 344 f. [Rz. 34 bis 37] - BAINBRIDGE; GRUR-RR 2009, 356 [Rz. 98] – OBELIX/MOBILIX). Im Ergebnis erfordert diese Rechtsprechung zur umfassenden Beurteilung der Zeichenähnlichkeit in der Regel begriffsnotwendig die Prüfung einer komplexen Verwechslungsgefahr (so etwa auch Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 855).

21

Der Anwendung der vorgenannten Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs steht dabei nicht entgegen, dass sie allein zu Art. 8 Abs. 1 GMV ergangen sind. Da Art. 4 Abs. 1 MarkenRichtl, der durch § 9 MarkenG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, mit der vorgenannten Vorschrift wortidentisch ist, liegt es auf der Hand, die vom Europäischen Gerichtshof für Gemeinschaftsmarken entwickelten Grundsätze auch auf nationale Marken anzuwenden (vgl. BGH GRUR 2010, 235, 236 - AIDA/AIDU; GRUR 2011, 824, 826 - Kappa/KAPPA). Angesichts des Umstandes, dass der Europäische Gerichtshof nach Art. 101 GG i. V. m. Art. 267 AEUV für die Auslegung des auf der Grundlage der MarkenRichtl im MarkenG aufgenommenen Begriffs der Verwechslungsgefahr der gesetzliche Richter ist (vgl. BVerfG 75, 223; 82, 159; zuletzt BVerfG 1 BvR 2065/10, Beschluss vom 10.11.2010, abrufbar unter www.juris.de), kommt eine Abweichung von den Grundsätzen des Europäischen Gerichtshofs, ohne dass dieser im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des letztinstanzlichen Gerichts hierzu vorher befragt worden wäre, nicht in Betracht. Für ein solches Vorabentscheidungsersuchen besteht aber im vorliegenden Fall  keine Veranlassung, da, wie bereits ausgeführt wurde, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ersichtlich nichts erkennen lässt, was für eine von Art. 8 GMV abweichende Auslegung des Art. 4 MarkenRichtl. sprechen könnte (i. E. ebenso Ingerl/Rohnke, a. a. O.).

22

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze scheiden bei den vorliegend zu beurteilenden Marken, selbst wenn bei der angegriffenen Bildmarke nur deren Wortbestandteil „LYKOS“ der Beurteilung zugrunde gelegt wird, visuelle und begriffliche Ähnlichkeiten aus.

23

In visueller Hinsicht scheiden nach dem Gesamteindruck beider Marken Ähnlichkeiten schon deshalb aus, weil die bildlichen Elemente der jüngeren Marke in der Widerspruchsmarke, bei der es sich um eine reine Wortmarke handelt, keine Entsprechung haben. Aber selbst wenn der Prüfung der optischen Ähnlichkeit nur das Wortelement der jüngeren Marke unter der Annahme, dass sie auch bei der optischen Wahrnehmung allein von diesem geprägt würde, zugrunde gelegt würde, ergäben sich keine visuellen Ähnlichkeiten. Zwar findet sich der Unterschied zwischen beiden Zeichen jeweils nur in der Wortmitte, die allerdings wegen der Kürze beider Markenwörter selbst bei flüchtiger Wahrnehmung nicht unbeachtet bleibt. Bereits die graphische Wiedergabe der beiden die Marken unterscheidenden Konsonanten „K“ und „T“ ist dabei derart verschieden, dass der Verkehr keine Mühe hat, beide Zeichen selbst bei ihrer ungenauen Erinnerung ohne Mühe auseinander zu halten. Hinzu kommt, dass vorliegend der Konsonant „T“ in der älteren Marke noch verdoppelt ist, was ihr einen deutlich von der jüngeren Marke zu unterscheidenden visuellen Eindruck vermittelt, den der Verbraucher ohne Weiteres in Erinnerung behält und damit von der angegriffenen Marke, in der sich Vergleichbares nicht findet, unterscheiden kann.

24

In begrifflicher Hinsicht stellt der in der jüngeren Marke enthaltene Begriff „Lykos“ einen griechischen Namen dar (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lykos), der insbesondere in der (alt-) griechischen Mythologie einen König bezeichnet (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lykos_(K%C3%B6nig). Der in der Widerspruchsmarke enthaltene Begriff „Lyttos“ wiederum ist die neugriechische Fassung der antiken griechischen Stadt „Lyktos“ auf Kreta (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lyttos); daneben kennt die neugriechische Sprache auch den Begriff λυτός (= lytos) für „lose“ (vgl. http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=%CE%BB%CF%85%CF%84% CF%8C%CF%82&in=el&kbd=el&l=deel). Der jeweilige Begriffsinhalt der beiden Marken weist damit selbst für den eher geringen Teil des von ihnen angesprochenen Publikums - bei dem es sich wegen der Art der beanspruchten Waren um alle inländischen Verbraucher handelt -, denen alt- oder neugriechischen Begriffe bekannt sind, keinerlei Berührungspunkte auf.

25

Damit kann ein für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hinreichender geringer Grad der Markenähnlichkeit nur aus der klanglichen Ähnlichkeit beider Marken hergeleitet werden.

26

Ob und unter welchen Bedingungen im Rahmen der umfassenden Beurteilung des Grades der Zeichenähnlichkeit eine klangliche Ähnlichkeit für sich geeignet sein kann, die Verwechslungsgefahr zu begründen, hängt nach den zugrunde zu legenden Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zunächst davon ab, welche Bedeutung der klanglichen Wiedergabe der Marken auf dem jeweils einschlägigen Warensektor zukommt. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist die Würdigung einer etwaigen klanglichen Ähnlichkeit nur einer der relevanten Umstände im Rahmen der umfassenden Beurteilung. Folglich lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass notwendig immer dann Verwechslungsgefahr vorläge, wenn nur eine klangliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen besteht (EuGH, BAINBRIDGE, Urteil vom 13.9.2007, C-234/06 [Rz. 35, 35]).

27

Auf dem hier zu betrachtenden Lebensmittelsektor spielt die klangliche Wiedergabe von Marken für sämtliche Vergleichswaren eine relevante Rolle. Hinsichtlich einzelner Waren der jüngeren Marke ( z. B. „Fisch; frisches Obst und Gemüse“) mag die Häufigkeit der Benennung von Markennamen zwar unterdurchschnittlich sein, hält sich dabei aber in jedem Fall in einem kollisionsrechtlich relevanten Rahmen. Die fraglichen Waren werden überwiegend in Supermärkten, Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften bzw. speziellen Obst- und Gemüseläden oder auf Märkten vertrieben. Werden sie vom einzelnen Verbraucher mündlich nachgefragt oder seitens des Verkaufspersonals oder von anderen Kunden mündlich empfohlen, so werden dabei häufig nicht nur die entsprechenden Gattungs- oder Sortenbezeichnung, sondern auch die entsprechenden Markennamen genannt. Dass dies anders zu beurteilen ist, hat weder die Markeninhaberin dargetan noch ist dies dem Senat bekannt.

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Die ausgeprägte klangliche Ähnlichkeit der beiden sich gegenüberstehenden Markenwörter begründet somit angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der dargestellten Warenlage hinsichtlich aller Vergleichswaren eine relevante Verwechslungsgefahr. Hierfür spricht bereits, dass die Anfangssilbe beider Marken in klanglicher Hinsicht jeweils identisch ausgesprochen wird. Diese durch die Anfangsbuchstaben „LY“ gebildete Silbe mit dem in ihr enthaltenen Vokal „Y“, der vom - hier allein relevanten - Durchschnittsverbraucher entsprechend der bestehenden Ausspracheregeln üblicherweise wie ein „Ü“ wiedergegeben (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Aussprache_der_deutschen_Sprache) wird, wirkt dabei für den deutschen Durchschnittsverbraucher untypisch, weil entsprechende deutsche Begriffe, soweit es sich hierbei nicht wie „Lycra“, „Lyra“ oder „Lychee“ um Fremdworte handelt, nicht existieren. Die beiden Schlusssilben „KOS“ bzw. „TTOS“ enthalten zwar unterschiedliche Konsonanten, die jedoch angesichts der weitgehenden Übereinstimmungen die klangliche Ähnlichkeit beider Markenwörter nicht überwinden können.

29

Die Beschwerde der Markeninhaberin war somit zurückzuweisen.

30

Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, verbleibt es  dabei, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

31

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1 Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Vielmehr war allein darüber zu befinden, ob im konkreten Einzelfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofs  die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen einer rechtserheblichen Verwechslungsgefahr zwischen den konkreten gegenüberstehenden Marken vorlagen.