Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.06.2013


BPatG 03.06.2013 - 27 W (pat) 563/11

Markenbeschwerdeverfahren – "CHIEMSEE/Waterski Chiemsee" – Warenidentität – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
03.06.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 563/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 399 64 178

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

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CHIEMSEE

3

ist am 15. November 1999 unter der Nummer 399 64 178 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 9, 12, 14, 16, 18, 20, 21, 22, 24, 25 und 28 (Leitklasse 25) eingetragen worden.

4

Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, am 12. Juni 1999 angemeldeten Marke 399 33 785

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„Waterski Chiemsee“,

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eingetragen für

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„03: Wasch- und Bleichmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel;

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09: Sonnenbrillen, Brillen und Brillengestelle, ausgenommen solche, die sportliche Aktivitäten zum Inhalt haben; Magnetaufzeichnungsträger, ausgenommen solche, die sportliche Aktivitäten zum Inhalt haben; Schallplatten;

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14: Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren- und Zeitmessinstrumente, ausgenommen solche, die speziell zur Verwendung beim Sport bestimmt sind“.

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Durch Beschluss der mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzten Markenstelle für Klasse 25 des DPMA vom 2. August 2011 ist u.a. der Widerspruch aus der Marke 399 33 785 „Waterski Chiemsee“ zurückgewiesen worden.

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Zur Begründung ist ausgeführt, die Waren der Klassen 3, 9 und 14 der Widerspruchsmarke seien mit den Waren der angegriffenen Marke größtenteils identisch, sodass ein deutlicher Abstand der Marken zu fordern sei, dem die angegriffene Marke jedoch noch gerecht werde. Beim markenrechtlichen Vergleich sei der Gesamteindruck maßgeblich. Klanglich und schriftbildlich unterscheide sich der aus zwei Wortelementen zusammengesetzte Gesamtbegriff „Waterski Chiemsee“ von dem Einwortzeichen „CHIEMSEE“ deutlich. Auch begrifflich unterschieden sich die Marken hinreichend. Der Wortbestandteil „Chiemsee“ der Widerspruchsmarke weise beschreibende Anklänge auf, da das Gebiet um den See als geografischer Hinweis verstanden werden könne. Für eine Verkürzung der Widerspruchsmarke auf „Chiemsee“ sei kein konkreter Anlass zu erkennen. Eine Prägung der älteren Marke durch diesen Zeichenteil komme nur in Betracht, wenn der weitere Markenbestandteil „Waterski“ in einer Weise zurückträte, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte. Dies sei nicht der Fall, da „Chiemsee“ keinen zu den beanspruchten Waren der Widerspruchsmarke bestehenden beschreibenden Sinngehalt aufweise. Beide Zeichenteile würden zu einem Gesamtbegriff verschmelzen, der die Bedeutung von Wasserski am oder auf dem Chiemsee habe. Zudem stelle der Umstand, dass der Begriff „Chiemsee“ selbst kennzeichnungsschwach sei, ein erhebliches Indiz gegen dessen selbständig kennzeichnende und kollisionsbegründende Stellung in der Widerspruchsmarke dar. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe nicht, da die Widersprechende keine Markenserie besitze.

12

Gegen den Beschluss der Markenstelle vom 2. August 2011, der dem Widersprechenden am 8. August 2011 zugestellt wurde, hat dieser Beschwerde mit Schriftsatz vom 7. September 2011 eingelegt.

13

Er beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle des DPMA vom 2. August 2011 in Ziffer I. aufzuheben und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

15

Er beantragt zudem Entscheidung über die Beschwerde nach Lage der Akten.

16

In seiner Beschwerdebegründung vom 3. April 2012 hat der Widersprechende ausgeführt, die Zeichenbestandteile „Waterski Chiemsee“ ergäben keinen Gesamtbegriff. Da der Chiemsee der größte bayerische See sei, werde diese Bedeutung durch den Bestandteil „Waterski“ nur marginal verändert. Der Chiemsee sei für seine touristischen und wassersportlichen Aktivitäten bekannt, sodass eine Separierung der beiden Begriffe nicht angezeigt sei.

17

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

19

Es sei nicht ersichtlich, dass der Bestandteil „Chiemsee“ bei der älteren Mehrwort-Marke eine kollisionsbegründende kennzeichnende Stellung habe. Vielmehr richte sich die Aufmerksamkeit des Verbrauchers üblicherweise auf den Anfang des Wortes, also auf „Waterski“. Dieser Bestandteil trete nicht in einer Weise zurück, dass sich der Verbraucher ausschließlich an „Chiemsee“ orientiere. Das geografische Wort „Chiemsee“ weise auf den bayerischen See hin und sei daher in der Widerspruchsmarke nur von untergeordneter Bedeutung. Aufgrund der unterschiedlichen Silbenzahl hätten die beiden Marken einen deutlich abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus. Auch der visuelle Eindruck gewähre ein sicheres Auseinanderhalten. Es liege ein Widerspruch in der Behauptung des Widersprechenden, einerseits würden „Chiemsee“ und „Waterski“ nicht zu einem Gesamtbegriff verschmelzen, andererseits sei keine Separierung der beiden Begriffe möglich.

II.

20

Da der Widersprechende eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt hat und auch die Inhaberin der angegriffenen Marke keinen (hilfsweisen) Terminsantrag gestellt hat, konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

21

Eine Verwechslungsgefahr (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) zwischen den Vergleichsmarken „CHIEMSEE“ und „Waterski Chiemsee“ ist nicht gegeben.

a)

22

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des BGH unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z.B. EuGH GRUR 2010, 933 – BARBARA BECKER; BGH GRUR 2012, 1040 – pjur/pure). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zu vergleichenden Marken sowie der von diesen beanspruchten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus sind die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und deren Schutzumfang in die Prüfung einzubeziehen. Der Begriff der Verwechslungsgefahr beinhaltet dabei eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren, sodass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (BGH GRUR 2010, 729 – Pralinenform).

23

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen.

b)

24

Hinsichtlich der einander gegenüberstehenden Waren der Klassen 3, 9 und 14 ist – wie die Markenstelle bereits festgestellt hat - eine teilweise Identität gegeben, sodass bei der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hohe Anforderungen an den Ausschluss der Verwechslungsgefahr zu stellen sind. Den erforderlichen Abstand halten die Vergleichsmarken jedoch ein.

c)

25

Beim Zeichenvergleich ist stets von der registrierten Form der Marke auszugehen und von dem durch diese Form vermittelten Gesamteindruck. Eine zergliedernde Betrachtungsweise ist zu vermeiden. Das Publikum nimmt eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt. Demnach stehen einander zunächst die angegriffene Marke „CHIEMSEE“ und die Widerspruchsmarke „Waterski Chiemsee“ in ihrer Gesamtheit gegenüber. Sowohl in klanglicher (Wortlänge, Silbengliederung, Vokal- und Konsonantenfolge), in schriftbildlicher (Wortlänge, visuelles Erscheinungsbild der zusätzlichen Buchstaben) und auch in begrifflicher Hinsicht unterscheiden sie sich dabei jeweils deutlich aufgrund der zusätzlichen Buchstabenfolge „Waterski“ in der Widerspruchmarke, die sich zudem am meist stärker beachteten Zeichenanfang befindet.

d)

26

Ein unterschiedlicher Gesamteindruck schließt es indessen nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64 – Maalowx/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 – MIXI; GRUR 2009, 1055 – airdsl). Dies ist vor allem bei nicht schutzfähigen und kennzeichnungsschwachen Bestandteilen zu bejahen.

27

Die Widerspruchsmarke „Waterski Chiemsee“ weist zwar insgesamt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Der Bestandteil „Chiemsee“ besitzt aber als geografische Angabe für das den größten bayerischen See umgebende Gebiet eine originäre Kennzeichnungsschwäche, was gegen eine Prägung der Widerspruchsmarke durch diesen Zeichenteil und damit gegen die Annahme einer Verwechslungsgefahr spricht (vgl. BGH GRUR 2007, 1071, 1073 – Kinder II; GRUR 2009, 766, 772 – Stofffähnchen). Demgegenüber ist eine Kennzeichnungsschwäche des weiteren Zeichenteils „Waterski“ in Bezug auf die Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, nicht feststellbar. Zu den Waren der Klasse 3 „Wasch- und Bleichmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“ ist kein beschreibender Aspekt von „Waterski“ erkennbar. Dies gilt auch in Bezug auf die in Klasse 9 beanspruchte Ware „Schallplatten“ sowie hinsichtlich der Waren der Klasse 14 „Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine“. Bezüglich der weiteren beanspruchten Waren der Klasse 9 „Sonnenbrillen, Brillen und Brillengestelle, ausgenommen solche, die sportliche Aktivitäten zum Inhalt haben; Magnetaufzeichnungsträger, ausgenommen solche, die sportliche Aktivitäten zum Inhalt haben“ sowie „14: Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren- und Zeitmessinstrumente, ausgenommen solche, die speziell zur Verwendung beim Sport bestimmt sind“ weist der Zeichenteil „Waterski“ aufgrund des Umstands, dass diese Waren für die Bestimmung „sportliche Aktivitäten“ ausdrücklich ausgenommen sind, ebenfalls keinen beschreibenden Sinngehalt auf, weshalb ein Zurücktreten dieses Bestandteils zu verneinen ist und das Publikum keine Veranlassung hat, den Bestandteil „Chiemsee“ gegenüber dem sich zudem am Zeichenanfang befindlichen Zeichenbestandteil „Waterski“ herauszugreifen. Insbesondere ist das Wort „Waterski“ entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht nur ein marginales Attribut des Begriffs „Chiemsee“, sondern weist einen eigenständigen Sinngehalt auf, der nicht von vornherein außer Betracht bleiben kann. Auf die Frage, ob die beiden Zeichenteile der Widerspruchsmarke einen Gesamtbegriff bilden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an, denn die Annahme der Prägung eines Zeichenteils geht nicht notwendigerweise mit der Verneinung eines Gesamtbegriffs einher, sondern ist vielmehr immer dann gerechtfertigt, wenn die übrigen Zeichenteile weitgehend in den Hintergrund treten, was vorliegend mangels des beschreibenden Charakters von „Waterski“ zu verneinen ist.

28

Zwischen den Marken besteht auch nicht die Gefahr von Verwechslungen durch gedankliche Verbindung i.S.d. § 9 Abs.1 Nr. 2 letzter HS MarkenG.

29

Das Vorhandensein eines übereinstimmenden Elements in beiden Marken reicht zur Annahme einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr noch nicht aus. Vielmehr wäre zusätzlich erforderlich, dass diesem Bestandteil Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommt, was die tatsächliche Benutzung einer Markenserie voraussetzt, in die sich die prioritätsjüngere Marke einfügt (EuGH GRUR 2008, 343, 346 – Il Ponte Finanziaria Spa). Die Widersprechende hat die Benutzung einer solchen Markenserie nicht dargetan. Zudem handelt es sich bei dem Bestandteil „Chiemsee“ der Widerspruchsmarke aufgrund des beschreibenden Sinngehalts als geografische (Gebiets-)Bezeichnung nicht um einen besonders charakteristisch hervorstechenden Markenbestandteil, der das Vorliegen einer benutzten Markenserie entbehrlich zu machen geeignet ist.

III.

30

Da weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der Verfahrensbeteiligten Anlass dazu gibt, einem von ihnen aus Billigkeitsgründen die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG), verbleibt es bei der gesetzlich bestimmten Kostenfolge des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.