Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.05.2015


BPatG 07.05.2015 - 27 W (pat) 525/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Stadtwerke Bremen" – Berühmung staatlicher bzw. kommunaler Trägerschaft – unzutreffende Erwartungen über die Verantwortlichkeit für die beanspruchten Warne und Dienstleistungen – Täuschungsgefahr – Prüfung im Eintragungsverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
07.05.2015
Aktenzeichen:
27 W (pat) 525/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 9. November 2016, Az: I ZB 43/15, Beschlussnachgehend BPatG München, 19. September 2017, Az: 27 W (pat) 525/12, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Stadtwerke Bremen

Berühmt sich der Anmelder durch die Marke selbst einer staatlichen bzw. kommunalen Trägerschaft, ist er aber weder zum Zeitpunkt der Anmeldung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde bezüglich deren Zurückweisung in erforderlichem Umfang an dem staatlichen bzw. kommunalen Träger, auf den die Marke selbst hinweist, beteiligt, erzeugt er unzutreffende Erwartungen über die Verantwortlichkeit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, womit die Marke geeignet ist, das Publikum i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu täuschen.

Drängt sich im Zusammenhang mit der Person des Anmelders (z. B. wegen des Namens oder der Firma) auf, eine kommunale Trägerschaft anzuzweifeln, ist dies bereits im Eintragungsverfahren zu prüfen.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 048 667.0

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Hermann und die Richterin Werner

beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung der Wortmarke

2

Stadtwerke Bremen

3

für folgende Waren und Dienstleistungen

4

"technische Öle und Fette; Schmiermittel; feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe, Brennstoffmischungen, insbesondere Erdgas und Biogas; elektrische Energie; Erdöl, Heizöl, Gas, Erdgas und Flüssiggas; wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten; Datenträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Software; Feuerlöschgeräte; wiederbeschreibbare bzw. wiederaufladbare Datenträger wie Chipkarten und Magnetkarten,  insbesondere als Wertkarten mit Guthaben beziehungsweise Kreditrahmen; elektronische Apparate und Geräte; Zähler, insbesondere Strom-, Gas-, Wasser-, Abwasser-, Wärmezähler, insbesondere von vorgenannten Datenträgern gesteuerte Zähler mit Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmefrei- bzw. -abschaltung sowie Fernbedienungen dafür; Abrechnungssysteme; Schreib- und Lesegeräte für vorgenannte Datenträger; Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen; Herausgabe von Statistiken; verwaltungstechnische Bearbeitung von Bestellungen; Öffentlichkeitsarbeit; Organisation  und Durchführung von Ausstellungen  und Messen für gewerbliche und Werbezwecke; Sponsoring in Form von Werbung; Aufstellung von Kosten-Preisanalysen; betriebswirtschaftliche Beratung; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte im Bereich der Energie- und Wasserversorgung (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Systematisieren von Daten in Computerdatenbanken; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mit Abfall, wiederverwertbaren Stoffen, Strom oder Heizwärme; Vermittlung von Verträgen mit Stromlieferanten; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klassen 4 und 9; Finanzwesen, Inkasso und Abrechnung; Ausgabe von Wert- und Kreditkarten, insbesondere von wiederaufladbaren Wertkarten für den Bezug von Strom, Gas, Wasser und Wärme; Verwaltung von Gebäuden und Grundstücken; Bauwesen; Reparatur der in Klasse 9 genannten Waren; Installationsarbeiten, Straßenreinigung; Vermietung von Reinigungsmaschinen und Straßenkehrmaschinen; Installation, Wartung und Reparatur von Erzeugnissen der Elektrotechnik und des Maschinenbaus; Entstörung in elektrischen Anlagen; Bau von Messeständen; Leitung von Bauarbeiten (Oberaufsicht); Abbrucharbeiten und Abdichtungsarbeiten an Gebäuden; Schacht- und Brunnenbohrungen; manuelle und maschinelle Reinigungsleistungen im kommunalen Bereich, insbesondere von Straßen und Plätzen, Entleeren von Papierkörben und Mülleimern; Reparatur, Installation und technische Wartung von Straßenbeleuchtungsanlagen; Errichtung, Unterhaltung und Reparatur von Bauten, Straßen, Brücken, Dämmen, Telekommunikationseinrichtungen, Anlagen, wie Energieerzeugungs- und -Verteilungsanlagen, insbesondere von Kraftwerken, insbesondere Kohlekraftwerken, Gas- und Dampfturbinenkraftwerken, Heizkraftwerken, Blockheizkraftwerken und Deponiegaskraftwerken, sowie Müllverbrennungsanlagen, Müllheizkraftwerken und Trafostationen, und Netzen, die der Versorgung mit Elektrizität, Gas, insbesondere Erdgas, Erdöl, Heiz- bzw. Fernwärme, der Wasserversorgung, Abwasserableitung und -behandlung, insbesondere im kommunalen Bereich, und der Telekommunikation dienen, insbesondere von Leitungen wie Elektrizitäts-, Gas-, Heiz- bzw. Fernwärme-, Wasser-, Abwasser- und Telekommunikationsleitungen; Telekommunikation, einschließlich Mobilfunkdienste und Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Telekommunikation; Vermietung von Geräten für die Nachrichtenübertragung über elektrische und faseroptische Netzwerke; Telekommunikation, nämlich Errichtung und Betrieb von Anlagen und Netzen zur Telekommunikation; Transportwesen; Veranstaltung von Reisen; Verpackung und Lagerung von Waren; Verteilen von Energie und Elektrizität, Gas und Wasser; Pipeline-Transporte, einschließlich Abwasserkanaldienste; Durchleitung und Transport von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas oder Wasser; Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas oder Wasser; Wasserversorgung; Abtransport und Lagerung von Abfall- und Recyclingstoffen; Vermietung von Parkplätzen; Lagerung von elektronisch gespeicherten Daten und Dokumenten; Rettungsdienste [Transport], Lotsendienste; Abtransport und Lagerung von Abfall- und Recyclingstoffen; Logistik-Dienstleistungen auf dem Transportsektor; Transport und Lagerung von Müll; Verteilung von Heizwärme; Transport von Fäkalien und Abwasser für nicht an das Abwassernetz angeschlossene Haushalte; Betrieb der öffentlichen Straßenbeleuchtung, nämlich Einspeisung von Energie für Straßenbeleuchtungsanlagen; Materialbearbeitung; Erzeugung von Energie, einschließlich erneuerbarer Energien, insbesondere aus Solarkraft, Wind- und Wasserenergie; Holzfällen und -zuschneiden; Lötarbeiten; Luftreinigung und Luftauffrischung (Klimatisierung); Abfallverarbeitung (Umwandlung); Müll- und Abfallvernichtung sowie -Sortierung, -Verbrennung und -recycling; Wasserbehandlung, insbesondere Wasserenthärtung; Offsetdruckarbeiten; Gravuren; Sortierung von Müll und wiederverwertbaren Stoffen; Betrieb von Müllverbrennungsanlagen, insbesondere Verbrennung von Müll in Müllverbrennungsanlagen; Erzeugung von Energie; Erdöl- und Erdgasverarbeitung; Wasserbehandlung, insbesondere Gewinnung und Aufbereitung von Trinkwasser; Ausbildung; Erziehung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Veranstaltungen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen und Ausstellungen; Online-Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften und Stadtinformationsdokumenten; Veröffentlichung von Büchern und Zeitschriften und Videos; Betrieb von Sportanlagen und Kinder-Vergnügungsparks; Vermietung von Bühnendekoration; Aus- und Fortbildungsberatung, insbesondere im Bereich der örtlichen Infrastruktur; Platzreservierung für Unterhaltungsveranstaltungen; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistung; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -Software; Erstellen von technischen Gutachten; Bauberatung zur Infrastruktur-Anschluss-Planung und technische Projektplanung; Eichen (Kalibrieren), insbesondere von Messeinrichtungen, Dienstleistungen von Ingenieuren; Materialprüfung; Qualitätsprüfung, insbesondere von Wasser; technische Umweltschutzberatung; Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung; Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten; Beratung für Telekommunikationstechnik; technische Beratung; technische Beratung für den Betrieb und die Betriebsführung von Energieerzeugungs- und -Verteilungsanlagen, insbesondere von Kraftwerken, insbesondere Kohlekraftwerken, Gas- und Dampfturbinenkraftwerken, Heizkraftwerken, Blockheizkraftwerken und Deponiegaskraftwerken, sowie Müllverbrennungsanlagen, Müllheizkraftwerken, Trafostationen und Verteilnetzen für elektrischen Strom oder Heizwärme; technische Beratung auf dem Gebiet der Erzeugung von elektrischer und thermischer Energie, insbesondere im Zusammenhang mit energiesparenden Maßnahmen und der Optimierung von Kraftwerken, insbesondere Kohlekraftwerken, Gas- und Dampfturbinenkraftwerken, Heizkraftwerken, Blockheizkraftwerken und Deponiegaskraftwerken, sowie Müllverbrennungsanlagen, Müllheizkraftwerken, Trafostationen und Verteilnetzen für elektrischen Strom oder Heizwärme; technische und ökologische Beratungsdienstleistungen im Energiebereich, insbesondere technische Energieberatung für Haushalt, Gewerbe und Industrie; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten; Ingenieurdienstleistungen für elektrische Strom- und Fernwärmenetze; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; wissenschaftliche und industrielle Forschung und Entwicklung; Umweltdienstleistungen, nämlich umweltbezogene Beratung, technische Entwicklung von Konzepten für das Umweltrisikomanagement; Dienstleistungen eines Ingenieurs, insbesondere die Erbringung von Ingenieurdienstleistungen für Anlagen zur Umwandlung und Anwendung von Energie, insbesondere Kraftwerke, insbesondere Kohlekraftwerke, Gas- und Dampfturbinenkraftwerke, Heizkraftwerke, Blockheizkraftwerken und Deponiegaskraftwerke, sowie Müllverbrennungsanlagen, Müllheizkraftwerke, Trafostationen und Verteilnetze für elektrischen Strom oder Heizwärme; Planung von Straßenbeleuchtungsanlagen"

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hat die Markenstelle mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 zurückgewiesen. Das ist damit begründet, die Bezeichnung "Stadtwerke Bremen" setze sich sprachüblich aus verständlichen Begriffen des deutschen Sprachschatzes zusammen. "Stadtwerke" bezeichne private Unternehmen, die kommunale Grunddienstleistungen abdeckten, bzw. von einer Stadt betriebene wirtschaftliche Unternehmen, die besonders für die Versorgung, den öffentlichen Verkehr o.Ä. zuständig seien. "Stadtwerke Bremen" wirke damit für die angesprochenen Verbraucher im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren/Dienstleistungen ohne weiteres als Sachinformation über deren Beschaffenheit, Zweckbestimmung und den lokalen Erbringungsort. Eine individualisierende Kennzeichnungswirkung für einen bestimmten Anbieter habe es nicht, zumal die zunehmende Privatisierung einstiger kommunaler Dienste sowie die Aufbrechung des Monopols in einigen Branchen die Individualisierung eines bestimmten Herstellers/Anbieters verhindere (vgl. BIPMZ 2009, 443 - Stadtwerke Bochum).

6

Wegen der Sprachüblichkeit der Bezeichnung und ihrer Eignung zur Beschreibung sei darüber hinaus ein Bedürfnis an der Freihaltung der Bezeichnung2zur Verwendung für vergleichbare Projekte nicht auszuschließen.

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Der Beschluss ist der Anmelderin am 27. Dezember 2011zugestellt worden.

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Die Anmelderin hat am 24. Januar 2012 Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle vom 20. Dezember 2011 aufzuheben.

10

Auf den Hinweis des Senats, dass auch § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG als Schutzhindernis in Betracht komme, weil die Beteiligungsverhältnisse dem in "Stadtwerke Bremen" zum Ausdruck kommenden Einfluss der Stadt Bremen nicht entsprächen, sind mit Schriftsätzen vom 28. Juni und 23. Oktober 2012 zunächst die Beteiligungsverhältnisse an der früheren Anmelderin dargelegt worden. Aktuell führt die Beschwerdeführerin unter dem 7. März 2015 aus, dass die Anmeldung im März 2015 an sie übertragen wurde. Sie sei zu … % von der B…-… GmbH gehalten und zu … % von der s… AG. Letztere habe früher S… AG geheißen; ihr Grundkapital sei in … Aktien eingeteilt. Diese seien bis auf eine im Besitz der E… AG in O…. Die eine Aktie sei im Besitz der landeseigenen B… mbH und damit im Besitz des Landes Bremen. Die E… AG befinde sich zu … % über Beteiligungsgesellschaften (nämlich die … % an der E… AG haltende W…-… GmbH und die … % an der E… AG haltende Weser-E… GmbH, die wiederum zu … % von der E1…-… mbH gehalten werde) im Besitz des E1…, dessen … Mitglieder Städte und Landkreise in der E2… seien. Weitere … % der Besitzanteile der E… AG gehörten der E3…-… AG, die zu … % im Besitz des Landes Baden-Württemberg und zu … % im Besitz des Zweckverbandes O… (O…) über die O1… GmbH sei. Der O1… sei ein Zusammenschluss von Gebietskörperschaften und Kommunen im südlichen Baden-Württemberg. Weitere … % der Aktien seien im eigenen Besitz der E3…-… AG. Voraussichtlich seien weitere kleinere Anteile im Besitz der öffentlichen Hand, nämlich der …-%-Anteil des G…-…, der …-%-Anteil des N…-… sowie der …-%-Anteil des L…-….

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Die Beteiligung der S1… über die hiesige Anmelderin "W…-… GmbH" (an der auch Bremerhaven zu einem Drittel beteiligt ist) entspreche wirtschaftlich einem Anteil von … %, auch wenn sie aus steuerlichen Gründen nominell nur ein Prozent vom Stammkapital halte und die weiteren … % als stille Beteiligung zur Verfügung gestellt habe. Insofern nehme sie die Stellung eines qualifizierten Minderheitsgesellschafters ein, dem gesellschaftsvertragliche Vetorechte eingeräumt seien.

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Also sei der weitaus größte Anteil der Anmelderin im Besitz der öffentlichen Hand, insbesondere im Besitz von Städten, Landkreisen, Gebietskörperschaften und  Kommunen, aber auch der B… und B…. Über die wirtschaftliche Beteiligung der S… sei der kommunale Einfluss gewahrt.

II.

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Die nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zwar fehlt der angegriffenen Wort-/Bildmarke in ihrer Gesamtheit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Doch ist die Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG geeignet, das Publikum zu täuschen.

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Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 Markengesetz sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, welche geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen. Die Täuschungseignung muss dabei ersichtlich i. S. v. § 37 Abs. 3 MarkenG sein.

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Eine Täuschungsgefahr i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG muss von der angemeldeten Marke an sich ausgehen. Es muss also der Inhalt oder die Aussage der Marke selbst in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen irreführend sein. Auf die persönlichen oder rechtlichen Verhältnisse des jeweiligen Markenanmelders bzw. die Modalitäten einer bereits erfolgten oder zu erwartenden Markenbenutzung kommt es nicht an. Entscheidend sind die Eigenschaften, die die Marke selbst besitzt. Die Zurückweisung einer nicht täuschenden Marke kann deshalb nicht damit begründet werden, bei der Verwendung der Marke im Markt seien Irreführungen zu erwarten (EuG GRUR Int. 2005, 1017 Rn. 28, 29 - INTERTOPS; BGH GRUR 2002, 540, 541 – OMEPRAZOK; BPatG, Beschluss vom 28. Juni 2006, 26 W (pat) 139/104, GRUR 2007, 789, 790 Rn. 24 - Miss Cognac; Ströbele, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 8 Rn. 579 m. w. N.). Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG erfasst die Täuschung über den Geschäftsbetrieb grundsätzlich nicht.

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Die Kombination "Stadtwerke Bremen" spezifiziert einen Betrieb. "Stadtwerke" ist ein gebräuchlicher Begriff. Dieser wird wegen seiner üblichen Verwendung im Kontext mit einer geographischen Angabe als Unterscheidungsmittel verstanden. Wie der 33. Senat des Bundespatentgerichts in seiner Entscheidung vom 20. Mai 2008, 33 W (pat) 118/06, GRUR-RR 2009, 128 - Stadtwerke Bochum ausgeführt hat, bezeichnet "Stadtwerke" ein kommunales Unternehmen. Bei einem solchen handelt es sich um den wirtschaftlichen Betrieb einer Kommune, der sich um die Grundversorgung der Bevölkerung, insbesondere mit Strom, Wasser und Gas, oder um die Abfall- und Abwasserentsorgung kümmert. Kommunale Unternehmen nehmen Aufgaben der unmittelbaren Daseinsvorsorge wahr. Deshalb kann die Unternehmensbezeichnung "Stadtwerke" nicht mit Bezeichnungen wie "Firma, "Einkaufsmarkt" o. ä., gleichgesetzt werden. Sie enthalten nämlich in Verbindung mit der Ortsangabe eine eindeutige betriebliche Herkunftsangabe.

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Es ist angesichts der Privatisierungstendenzen im kommunalen Bereich und der Liberalisierung des Energiemarkts nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere Anbieter von Daseinsvorsorge-Leistungen mit Sitz in Bremen auf dem Markt auftreten. Die Stadtwerke kommunaler Träger stehen dazu wirtschaftlich in Konkurrenz, nicht jedoch in der Namensgebung, weil die Bezeichnung "Stadtwerke" die kommunale Trägerschaft zum Ausdruck bringt. Dagegen spricht auch nicht, dass in kommunaler Trägerschaft befindliche Stadtwerke in anderen Kommunen unter der dortigen geografischen Bezeichnung wettbewerblich tätig werden können.

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Es ist aber zu berücksichtigen, dass es nach den zu "Bundesdruckerei" (vgl. BGH GRUR 2007, 1079; nachfolgend OLG München, Urt. v. 19. Juni 2008 - 29 U 5133/03, BeckRS 2010, 09548) entwickelten Grundsätzen wettbewerbswidrig (§§ 3, 5 Abs. 1 UWG) wäre, die Bezeichnung "Stadtwerke" ohne eine Trägerschaft durch eine Kommune zu verwenden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich Regelungen finden, die die Bezeichnung "Stadtwerke" ausdrücklich schützen. Das Wort hat einen Sinngehalt, den das angesprochene Publikum unabhängig von gesetzlichen Vorschriften nur so versteht, dass Träger des Unternehmens die lokale "öffentliche Hand" ist, womit es regelmäßig die Erwartung verknüpft, auf einen leistungsfähigen, lokal engagierten (Vertrags-) Partner mit den entsprechenden Sicherheiten bei z. B. Verlässlichkeit oder Insolvenzfestigkeit zu treffen. Auch die Möglichkeit, dass Stadtwerke ihre Leistungen in verschiedenen Gebietskörperschaften anbieten, hindert die Verbraucher nicht, den Begriff "Stadtwerke" mit einer geographischen Angabe einem bestimmten kommunalen Unternehmen zuzuordnen, weil sie annehmen werden, das so bezeichnete Unternehmen (etwa einer benachbarten Kommune) übernehme auch die Versorgung in Hoheitsgebieten anderer Kommunen und trage insoweit die Verantwortung. Welche öffentlich-rechtlichen Verträge bzw. Regelungen dies ermöglichen, interessiert die Abnehmer dabei nicht.

19

Der Senat hat bereits in dem Beschluss "St. Petersburger Staatsballett" vom 22. Mai 2012 (27 W (pat) 51/11, GRUR-RR, 2013, 59, 61) für unternehmensbezogene Angaben mit dem Anspruch hoheitlicher Rechte angenommen, dass eine Geschäftsbezeichnung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG ersichtlich täuschend sein kann. Wenn nämlich eine Marke beim Anbieter eine staatliche Trägerschaft erwarten lasse, müsse schon im Eintragungsverfahren die Berechtigung dazu geprüft werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Anmelder selbst vortrage, dass keine Beziehungen zu staatlichen Stellen bestehen würden. Der Begriff "Staatsballett" sei üblich und verleite den Verbraucher zu besonderen Qualitätserwartungen. Damit sei diese Angabe geeignet, das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen. Für die Berücksichtigung der Irreführung durch Berühmung staatlicher Trägerschaft schon im Eintragungsverfahren spreche auch der Gedanke des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sowie des Art. 7 Abs. 1 lit. h GMV, staatliche Hoheitszeichen vom Markenschutz auszuschließen, wenn kein Berechtigungsnachweis (§ 8 Abs. 4 S. 2 MarkenG, Art. 6ter Abs. 8 PVÜ) vorliege.

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Nach § 37 Abs. 3 MarkenG kann im markenrechtlichen Eintragungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt eine Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nur zurückgewiesen werden, wenn die Eignung zur Täuschung ersichtlich, also ohne weiteres erkennbar ist, was umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen ausschließt (Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 597). Eine konkrete Prüfung der Beteiligungsverhältnisse zur Feststellung, ob ein Mindestumfang hoheitlicher Beteiligung erreicht wurde, kann deshalb wohl nicht im Registereintragungsverfahren geschehen, wenn etwa aufwändige Ermittlungen nötig wären, die dem Löschungsverfahren nach den §§ 50, 54 MarkenG vorbehalten sind (so Hoffmann/Albrecht, "Stadtwerke" als Marke und Betriebsbezeichnung, NVwZ 2013, 896, 900). Vorliegend drängte sich indessen angesichts des Namens / der Firma der früheren Anmelderin auf, eine kommunale Trägerschaft der p… GmbH anzuzweifeln. Aufgrund des darauf gehaltenen Vortrags sind die genauen Beteiligungsverhältnisse ohne weitere Ermittlungen bekannt und entsprechend zugrundezulegen.

21

Berühmt sich der Anmelder durch die Marke selbst einer staatlichen bzw. kommunalen Trägerschaft, ist er aber weder zum Zeitpunkt der Anmeldung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde bezüglich deren Zurückweisung in erforderlichem Umfang an dem staatlichen bzw. kommunalen Träger, auf den die Marke selbst hinweist, beteiligt, erzeugt er unzutreffende Erwartungen über die Verantwortlichkeit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, womit die Marke geeignet ist, das Publikum i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu täuschen.

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Die begehrte Marke ist geeignet, hinsichtlich der für sie registrierten Waren und Dienstleistungen das Publikum zu täuschen, denn zum Zeitpunkt der Anmeldung und auch der mündlichen Verhandlung war die Stadt Bremen, auf die die Marke hinweist, an der Inhaberschaft dieses Zeichens nicht wesentlich beteiligt, weil es sich bei der Anmelderin eigenen Angaben zufolge um eine Tochtergesellschaft der Stadt Bremen zu einem Prozent Anteil und im Übrigen der s… AG handelt, an der die Stadt Bremen nicht beteiligt ist, sondern mit einer Aktie die landeseigene Bremer Verkehrsgesellschaft mbH. Die Marke weist demgegenüber auf die Herkunft der Waren- und Dienstleistungen aus dem städtischen Betrieb "Stadtwerke Bremen" hin, wonach die Verbraucher lebensnah annehmen werden, ein im Wesentlichen in der Trägerschaft der Stadt Bremen stehender Betrieb versorge sie z. B. mit Strom. Diese Annahme wäre aber unrichtig, weil der Stadt Bremen allenfalls ein geringer Anteil an einer Netzinhaberin gehört, bei der ein gesellschaftsinterner kommunaler Einfluß die Erwartungen, die das Publikum mit kommunaler Trägerschaft verbindet, wie Versorgungssicherheit oder Insolvenzschutz, nicht in Täuschungsgefahr ausschließender Weise sicherstellen kann.

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Eine Täuschungsgefahr i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG setzt nicht nur die Unrichtigkeit eines Zeichens oder einer Angabe voraus. Vielmehr muss das Zeichen bzw. die Angabe zusätzlich geeignet sein, die beteiligten Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen (BGH GRUR 2003, 628, 630 - Klosterbrauerei; BPatGE 12, 233, 237 – SCOTCH-GRIP; Ströbele, a. a. O., § 8 Rn. 593 m. w. N.). Die Eignung der Angabe "Stadtwerke Bremen", das Publikum in seinen wirtschaftlichen Entschlüssen zu beeinflussen, ist zu bejahen, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher unter einem mit "Stadtwerke" bezeichneten Unternehmen einen kommunalen oder gemeindenahen Versorgungsbetrieb versteht, bei dem die Kommune einen bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik hat, was eine unmittelbare oder mittelbare Mehrheitsbeteiligung der Gemeinde selbst voraussetzt (BPatG a. a. O. – Stadtwerke Bochum).

24

Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG bei der Anmeldung vorgelegen hätten, sind nicht ersichtlich.

25

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob die Eignung einer Marke, das Publikum hinsichtlich der geschützten Waren und Dienstleistungen i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG zu täuschen, aufgrund der mangelnden bzw. geringen staatlichen oder kommunalen Trägerschaft des Anmelders zu prüfen ist, soweit ersichtlich höchstrichterlich nicht entschieden und von grundsätzlicher Bedeutung ist.