Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2011


BPatG 28.06.2011 - 27 W (pat) 111/10

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "VERO CUOIO" (IR-Kolletivmarke, Wort-Bild-Marke)" – zur Geltung von Vorschriften des Markengesetzes für international registrierte Kollektivmarken - Satzungsänderungen zu Kollektivmarken sind auch nach neuer Gesetzeslage dem DPMA grundsätzlich mitzuteilen, ansonsten entfaltet die geänderte Satzung mangels Publizität keinerlei Wirkung gegenüber Nichtverbandsmitgliedern - zum Löschungsantragsrecht durch analoge Anwendung von § 105 Abs 1 Nr 3 MarkenG - § 106 MarkenG betrifft nur Fälle, in denen die Markensatzung bereits im Zeitpunkt der Eintragung der Kollektivmarke fehlerhaft war


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2011
Aktenzeichen:
27 W (pat) 111/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

VERO CUOIO

1. § 105 Abs 1 Nr 3 und § 104 Abs 2 MarkenG gelten, mangels besonderer Regelung in den §§ 107 ff MarkenG, auch für international registrierte Kollektivmarken, deren Schutz auf Deutschland erstreckt worden ist.

2. Satzungsänderungen zu Kollektivmarken sind auch nach neuer Gesetzeslage dem Deutschen Patent- und Markenamt grundsätzlich mitzuteilen (§ 104 MarkenG). Unterbleibt dies, entfaltet die geänderte Satzung mangels Publizität keinerlei Wirkung gegenüber Nichtverbandsmitgliedern; auch dann nicht, wenn sie dem Betroffenen bekannt ist oder bekannt sein hätte können. Vielmehr bleibt die bisherige (ordnungsgemäße) Markensatzung rechtsverbindlich, so dass für ein Löschungsantragsrecht etwa durch analoge Anwendung von § 105 Abs 1 Nr 3 MarkenG kein Bedarf besteht.

§ 106 MarkenG betrifft nur Fälle, in denen die Markensatzung bereits im Zeitpunkt der Eintragung der Kollektivmarke fehlerhaft war.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR Marke 444 358 (SB 563/08 Lösch)

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin am Landgericht Werner am 28. Juni 2011

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.    

2

Gegen die IR Kollektivmarke 444 358

3

Abbildung ,

4

der am 28. November 1978 für die Waren

5

Klasse 7: Articles techniques en peau, à savoir courroies de transmission pour moteurs.

6

Klasse 10: Articles orthopédiques en peau et en cuir.

7

Klasse 16: Articles en peau et en cuir, à savoir produits pour la reliure de livres, ustensiles de bureau, articles en peau pour cadeaux.

8

Klasse 18: Cuir et peausseries, articles en peau et en cuir, à savoir sellerie, sacs, petits sacs, valises; articles en peau pour cadeaux, peau pour revêtement de meubles, peau pour revêtement de carrosserie d'automobiles; articles en peau pour l'aménagement d'appartements mobiles, articles en peau pour l´aménagement d´appartements.

9

Klasse 21: Peau chamoisée pour nettoyage.

10

Klasse 25: Articles en peau et cuir, tels que chaussures, articles d'habillement, gants, articles de sport; articles en peau pour cadeaux; gants, ceintures et chaussures pour usage industriel.

11

Klasse 28: Articles en peau et cuir, à savoir jeux, articles de sport; articles en peau pour cadeaux

12

Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewährt worden war, hat die Antragstellerin mit Eingang am 29. Oktober 2008 einen Antrag auf vollständige Löschung bzw. Schutzentziehung wegen Verfalls gestellt, da die Markensatzung entgegen § 104 Abs. 2, § 105 Abs. 1 Nr. 3 Marken G eingetragen sei.

13

Die Markeninhaberin hat dem ihr am 17. Dezember 2008 zugestellten Löschungsantrag mit Schreiben vom 6. Februar 2009 widersprochen.

14

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 10. Mai 2010 den Antrag auf Schutzentziehung zurückgewiesen.

15

Das hat sie damit begründet, eine Löschung könne weder auf §§ 115, 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG noch auf §§ 115, 106 MarkenG gestützt werden, noch wäre sie nach §§ 115, 50 MarkenG gerechtfertigt.

16

Eine Löschung der Kollektivmarke wegen Änderungen der Satzung komme nach geltender Rechtslage nicht mehr in Betracht, so dass dahinstehen könne, ob die vorgelegte Neufassung der Satzung tatsächlich gegen die guten Sitten oder andere gesetzliche Vorschriften verstoße und damit unzulässig sei.

17

Eine nicht eingetragene Satzungsänderung könne, sofern sie gegen § 104 Abs. 2 MarkenG verstoße, formlos rückgängig gemacht werden oder bleibe unberücksichtigt. Einer formalen Löschung bedürfe es nicht (mehr).

18

Auch ein durch § 106 MarkenG auf die Schutzhindernisse des § 50 MarkenG erweiterter Löschungsgrund liege nicht vor. Die angegriffene Kollektivmarke sei nicht entgegen § 103 MarkenG eingetragen, da sie nicht von Anfang an, also bei Eintragung bzw. Schutzerstreckung, rechtsfehlerhaft gewesen sei.

19

Selbst die Antragstellerin behaupte nicht, dass die der hier angegriffenen Kollektivmarke zugrunde liegende Satzung bereits im Zeitpunkt der Schutzerstreckung im Jahr 1978 gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen habe. Soweit die Marke sowie die ihre Nutzung regelnde Satzung im Widerspruch zu der im Jahr 1994 erlassenen EU-Richtlinie 94/11/EG stünden, könne die Markensatzung auch bei unterstellt richtigem Vortrag der Antragstellerin allenfalls nachträglich fehlerhaft geworden sein, so dass § 106 MarkenG nicht einschlägig sei.

20

Auch die neben § 106 MarkenG auf Kollektivmarken anwendbaren weiteren Löschungsgründe des § 50 MarkenG setzten einen hier weder behaupteten noch näher dargelegten noch ersichtlichen Rechtsverstoß zum Eintragungs- bzw. zum Schutzerstreckungszeitpunkt voraus (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

21

Auch die Annahme einer Sperrmarke gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG scheide aus, weil die Markeninhaberin im Anmeldezeitpunkt, als es die möglicherweise verwechselbar ähnlichen europarechtlichen Kennzeichnungen noch gar nicht gegeben habe, nicht mit der insoweit erforderliche Behinderungsabsicht habe handeln können.

22

Auf die demnach allein in Betracht zu ziehenden Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und der beschreibenden Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG könne sich die Antragstellerin nach Ablauf der zehnjährigen Ausschlussfrist seit Markeneintragung bzw. Schutzrechtsgewährung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG) nicht mehr berufen.

23

Der Beschluss ist der Antragstellerin am 21. Mai 2010 zugestellt worden.

24

Dagegen wendet sie sich mit ihrer Beschwerde vom 16. Juni 2010.

25

Dazu trägt sie vor, die angegriffene Marke sei verwechselbar ähnlich mit dem durch die EU-Richtlinie 94/11/EG vom 23. März 1994 vorgegebenen Piktogramm für Leder. Dieses sei gemäß dieser Richtlinie sowie der diese Richtlinie umsetzenden Bedarfsgegenständeverordnung vom 23. Dezember 1997 für Hersteller von Lederschuhen sowie für Händler, die derartige Produkte in der Europäischen Gemeinschaft auf den Markt brächten, zwingend zu verwenden. Aus dieser Verpflichtung folge gleichzeitig ein Rechtsanspruch auf Nutzung des Piktogramms. Dieser Rechtsanspruch werde jedoch durch die Monopolisierung der angegriffenen Marke vereitelt. Zwar handle es sich um eine Kollektivmarke, zu deren Nutzung grundsätzlich jeder berechtigt sei, soweit er die in der Satzung aufgestellten Bedingungen erfülle. Diese gingen jedoch über die in den gesetzlichen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen hinaus, indem u. a. die Nutzung von der Zahlung einer Lizenzgebühr sowie einer vorherigen Untersuchung der Produkte durch die Antragsgegnerin abhängig gemacht werde. Mit dieser gesetzeswidrigen Beschränkung der Nutzung verstoße die Markensatzung gegen die öffentliche Ordnung und sei sittenwidrig. Bei derartigen Mängeln der Satzung sei eine Kollektivmarke nach § 105 Abs. 1 Nr. 3, § 115 MarkenG bzw. hilfsweise nach § 106 Satz 1, § 103 MarkenG zu löschen.

26

Zudem werde die Intention der Antragsgegnerin deutlich, die angegriffene Marke zweckfremd als Sperrmarke zur Generierung von Einnahmen zu verwenden.

27

Die Antragstellerin beantragt,

28

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Mai 2010 aufzuheben und

29

der IR Marke 444 358 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu entziehen.

30

Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens beantragt,

31

die Beschwerde zurückzuweisen.

32

Sie ist der Ansicht, die Argumentation der Antragstellerin sei vornehmlich darauf angelegt, einen Löschungsantrag wegen mangelnder Unterscheidungskraft der angegriffenen IR Marke zu begründen. Ein solcher sei jedoch bereits gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG verfristet, so dass sich der vorliegende Antrag als rechtsmissbräuchlicher Versuch der Umgehung dieser Präklusionsvorschrift darstelle.

33

Zudem sei die angegriffene Kollektivmarke nicht entgegen § 103 eingetragen.

34

Dass die der hier angegriffenen Kollektivmarke zugrunde liegende Satzung bereits im nach §§ 106, 50 MarkenG maßgeblichen Zeitpunkt der Schutzerstreckung im Jahr 1978 gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen habe, behaupte die Antragstellerin, die ihre ablehnenden Gründe lediglich aus der EU-Richtlinie 94/11/EG aus dem Jahr 1994 und der nationalen Umsetzungsvorschrift der umsetzende Bedarfsgegenständeverordnung vom 1997 entnehme, nicht.

35

II.     

36

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

37

Da kein Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorliegt und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem die Antragstellerin ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Beschwerde zu begründen, und die Inhaberin des angegriffenen Zeichens ebenfalls ausreichend Gelegenheit hatte, zu der Beschwerde der Antragstellerin schriftlich Stellung zu nehmen (§ 69 MarkenG).

2.

38

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, soweit sie sich gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Schutzentziehung richtet (§ 66 Abs. 1 MarkenG).

39

Die Markeninhaberin hatte dem Schutzentziehungsantrag (wirksam) widersprochen, so dass das Löschungsverfahren durchzuführen war (§ 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG).

3.

40

Die Markenabteilung hat den Antrag, der angegriffenen IR Marke 444 358 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu entziehen, zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen und darauf gestützt, dass eine Löschung vorliegend weder auf §§ 115, 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG noch auf §§ 115, 106 MarkenG gestützt werden kann, noch ist sie nach §§ 115, 50 MarkenG gerechtfertigt.

a)

41

§ 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG bestimmt, dass gegen § 104 Abs. 2 MarkenG (i. V. m. §§ 102, 103 MarkenG) verstoßende, in das Register eingetragene Änderungen der Markensatzung zur Löschung führen, sofern der Löschungsgrund nicht durch eine erneute (ordnungsgemäße) Satzungsänderung wieder beseitigt wird.

42

Nachdem seit der Aufhebung von § 18 Nr. 11 MarkenV a. F. Änderungen von Markensatzungen nicht mehr in das Register eingetragen werden, spielt dieser Löschungsgrund nur noch für unter der früheren Rechtslage eingetragene Satzungsänderungen eine Rolle (Fezer, MarkenG, 4. Aufl., § 104 Rn. 2; Kober-Dehm in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 104 Rn. 1). Unter der jetzigen Rechtslage vorgenommene (nicht im Register eingetragene) unzulässige Änderungen der Markensatzung können formlos rückgängig gemacht werden bzw. bleiben unberücksichtigt (Kober-Dehm, a. a. O., § 104 Rn. 1 und 4).

43

§ 105 Abs. 1 Nr. 3 und § 104 Abs. 2 MarkenG gelten, mangels besonderer Regelung in den §§ 107 ff. MarkenG, auch für international registrierte Kollektivmarken, deren Schutz auf Deutschland erstreckt worden ist.

44

In Bezug auf international registrierte Marken können die nationalen Löschungsgründe nur innerhalb der Grenzen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MMA i. V. m. Art. 6 bis, 6 ter, 6 quinquies B PVÜ geltend gemacht werden (Kober-Dehm, a. a. O., § 115 Rn. 1).

45

Dies wird durch § 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG i. V. m. § 104 Abs. 2, § 103 MarkenG gewährleistet, der einen Mangel der Satzung sanktioniert, sofern ein Verstoß gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung vorliegt. Darüber hinaus muss es sich um einen nicht durch Satzungsänderung behebbaren Mangel handeln, der infolgedessen auch die Sittenwidrigkeit bzw. die Gesetzeswidrigkeit der Kollektivmarke an sich nach sich zieht und deshalb deren Löschung rechtfertigt. Somit entspricht dieser Löschungsgrund dem in Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ normierten Schutzverweigerungsgrund.

46

Die Voraussetzungen einer registerlichen Eintragung einer unzulässigen Satzungsänderung entsprechend § 105 Abs. 1 Satz 3 MarkenG sind vorliegend nicht gegeben, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat.

47

Auch nach dem Vortrag der Antragstellerin ist die Satzungsänderung bislang nicht eingetragen, so dass § 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG nicht direkt anzuwenden ist.

48

Satzungsänderungen sind allerdings auch nach neuerer Gesetzeslage dem Deutschen Patent- und Markenamt grundsätzlich mitzuteilen (§ 104 MarkenG). Unterbleibt dies, entfaltet die geänderte Satzung mangels Publizität keinerlei Wirkung nach außen; entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch dann nicht, wenn sie den Betroffenen bekannt ist oder bekannt sein hätte können. Sofern bei einer bereits eingetragenen Kollektivmarke unzulässige Änderungen der Markensatzung vorgenommen werden, werden diese gemäß § 104 Abs. 2 i. V. m. § 103 MarkenG zurückgewiesen und entfalten keine Rechtswirkung. Die bisherige (ordnungsgemäße) Markensatzung bleibt rechtsverbindlich (Kober-Dehm, a. a. O. § 104 Rn. 1, 4). Dies gilt erst recht, wenn schon die Mitteilung über die Satzungsänderung unterblieben ist.

49

Insofern besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Löschung, dem durch die Einräumung eines Löschungsantragsrechts bzw. ggf. - wie von der Löschungsantragstellerin postuliert - durch analoge Anwendung von § 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG Rechnung getragen werden müsste.

50

Eine Löschung der Kollektivmarke wegen Änderungen der Satzung kommt somit generell nicht in Betracht, so dass dahinstehen kann, ob die vorgelegte Fassung der Satzung tatsächlich gegen die guten Sitten oder andere gesetzliche Vorschriften verstößt und damit unzulässig wäre.

b)

51

Auch eine Löschung der Marke nach §§ 106, 103, 50 MarkenG kommt nicht in Betracht.

52

§ 106 MarkenG erweitert die Löschungsgründe um die absoluten Schutzhindernisse des § 50 MarkenG in Bezug auf Kollektivmarken.

53

Im Unterschied zu § 105 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG, der die Löschung einer Kollektivmarke bei nach der Eintragung erfolgten (unzulässigen) Satzungsänderungen regelt, betrifft § 106 MarkenG nur die Fälle, in denen die Markensatzung bereits im Zeitpunkt der Eintragung der Kollektivmarke fehlerhaft war, sei es von Anfang an oder aufgrund einer zwar nach der Anmeldung, aber noch vor der Eintragung vorgenommenen Änderung.

54

Dass die der hier angegriffenen Kollektivmarke zugrunde liegende Satzung bereits im Zeitpunkt der Schutzerstreckung im Jahr 1978 gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen haben soll, behauptet schon die Antragstellerin nicht.

55

Vielmehr begründet sie ihren Löschungsantrag damit, dass die Marke sowie die ihre Nutzung regelnde Satzung gegen die im Jahr 1994 erlassene EU-Richtlinie 94/11/EG, die die Kennzeichnung u. a. von Schuhen aus Leder regelt, sowie gegen die diese Richtlinie umsetzende Bedarfsgegenständeverordnung vom 23. Dezember 1997 verstoße, also gegen Vorschriften, die fast 20 Jahre später erlassen worden sind.

56

Mithin könnte die Markensatzung, legt man den Vortrag der Löschungsantragstellerin zugrunde, allenfalls nachträglich fehlerhaft geworden sein; die Voraussetzungen des § 106 MarkenG sind damit jedenfalls nicht erfüllt.

57

Auch die neben § 106 MarkenG auf Kollektivmarken anwendbaren Löschungsgründe des § 50 MarkenG verhelfen der Antragstellerin nicht zum Erfolg, denn sie setzen ebenfalls einen Rechtsverstoß zum Eintragungs- bzw. zum Schutzerstreckungszeitpunkt voraus (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

58

Diesem Grundsatz entspricht auch die Übergangsbestimmung des § 162 Abs. 2 MarkenG für Marken, die - wie hier - vor dem 1. Januar 1995 eingetragen worden sind. Nachträglich vom Gesetzgeber geschaffene Eintragungshindernisse können eine einmal erfolgte Eintragung nicht rückwirkend gesetzeswidrig machen und müssen insoweit unberücksichtigt bleiben (Kirschneck in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 50 Rn. 6).

59

Demnach muss letztlich nicht entschieden werden, ob die streitgegenständliche Kollektivmarke (bzw. die Kollektivmarkensatzung) tatsächlich gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstößt (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG), oder ob sie gesetzlichen Benutzungsverboten unterliegt (§ 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG). Da die nach Ansicht der Antragstellerin entgegenstehenden Rechtsvorschriften (EU-Richtlinie und Bedarfsgegenständeverordnung) zum Eintragungszeitpunkt noch nicht bestanden, lag auch ein sich daraus möglicherweise ergebendes Schutzhindernis zum Schutzerstreckungszeitpunkt noch nicht vor.

c)

60

Entgegen der Annahme der Antragstellerin kann auch nicht festgestellt werden, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine unzulässige Sperrmarke gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG handelt.

61

Da es die möglicherweise verwechselbar ähnlichen europarechtlichen Kennzeichnungen zum Anmeldezeitpunkt der angegriffene Marke noch nicht gab, konnte die Markeninhaberin nicht mit der insoweit erforderlichen Behinderungsabsicht handeln.

62

Auf die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und der beschreibenden Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG kann sich die Antragstellerin auch nicht berufen.

63

Insoweit hat es die Antragstellerin versäumt, die Löschung binnen der Ausschlussfrist von zehn Jahren (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG) ab Markeneintragung bzw. für die Altmarke seit 1995 zu beantragen.

64

Daher kann die Löschung auch nicht auf § 50 MarkenG gestützt werden.

4.

65

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

5.

66

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil diese Entscheidung nicht von denen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abweicht.