Entscheidungsdatum: 14.12.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 025 166
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Jacobi und Schödel
beschlossen:
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Januar 2013 und 18. September 2014 werden aufgehoben und der Widerspruch aus der Unionsmarke 005 069 059 zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke (rot, schwarz, weiß)
ist am 27. April 2009 angemeldet und am 7. Juli 2009 unter der Nummer 30 2009 025 166 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der
Klasse 9: Bespielte und unbespielte Ton-, Bild, sowie Datenträger aller Art, soweit in Klasse 9 enthaltene (ausgenommen unbelichtete Filme), insbesondere Tonbänder, Kassetten, CDs, Video-Disks, Schallplatten, DAT-Bänder, Audio- und Videobänder, Disketten, CD-ROMs, Digital Versatile Discs (DVDs); Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computer-Software [gespeichert oder herunterladbar]; Brillen [Optik], Brillenetuis; elektronische Publikationen [herunterladbar];
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten), insbesondere Papierservietten, Papiertaschentücher, Toilettenpapier, Haushaltspapier und Papierhandtücher; Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Kataloge und Prospekte; Buchbinderartikel; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Schreibwaren; Plakate; Abziehbilder; Sammelkarten [Papierwaren]; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern, Druckstöcke;
Klasse 35: Werbeforschung, nämlich Absatz-, Markt- und Meinungsforschung; Verteilung von Waren zu Werbezwecken, insbesondere von Flugblättern, Prospekten, Drucksachen und Warenproben; Vermittlung von Werbeverträgen für Dritte; Werbung, insbesondere Rundfunk-, Fernseh-, Kino-, Druck-, Videotext- und Teletextwerbung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Erstellung von Marketingkonzepten; Vermietung von Werbematerial; Vermittlung von Werbeverträgen; Vermietung von Werbefilmen; Vermietung von Werbeflächen, auch in elektronischer Form im Internet; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Systematisierung und Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Aktualisierung von Daten in Computerdatenbanken, verwaltungstechnische Bearbeitung von Bestellungen für Waren und Dienstleistungen (auch für Teleshopping-Angebote), insbesondere Bestellannahme, Auftragsbearbeitung, Weiterleitung von Bestellungen, Bearbeitung von Reklamationen und Angebotsnachfragen und Vermittlung von Bestellungen; Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Verbraucherberatung]; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen für Werbezwecke;
Klasse 38: Telekommunikation; elektronische Übertragung und Weiterleitung von Tönen, Bildern, Dokumenten, Nachrichten und Daten; Telefondienste, auch mittels einer Hotline oder eines Callcenters; Mobil-Funktelefondienste; E-Mail-Dienste; Telefaxdienste; Dienstleistungen von Presseagenturen; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; elektronische Ausstrahlung, Sendung und Weiterleitung von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet und aus anderen Datennetzen; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet über Computerspiele, Videospiele und auf Informationen über damit verwandte Produkte; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet, insbesondere mittels eines Online-Informationscenters für die Kundenbetreuung im Zusammenhang mit Verlagserzeugnissen; Beratung und Auskünfte über Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Telefonkonferenzdienstleistungen; Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste und elektronische Marktplätze; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging); Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken;
Klasse 41: Unterhaltung, insbesondere Rundfunk- und Fernsehunterhaltung sowie Unterhaltung über das Internet; Beratung und Auskünfte über Unterhaltung, auch im Internet; Durchführung von Spielen im Internet; Filmproduktion, Videofilmproduktion; Produktion von Rundfunk-, Fernseh- und Hörfunksendungen; Erstellen von Texten (ausgenommen für Werbezwecke), insbesondere für Video- und Teletextprogramme; Filmvermietung [Filmverleih]; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), insbesondere von Zeitschriften, Zeitungen, Büchern; Erziehung; Ausbildung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;
Klasse 42: technische Beratung; Serveradministration; elektronische Datenspeicherung und elektronische Datensicherung, auch in Computerdatenbanken; Entwurf und Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting); Nachforschungen und Recherchen in Datenbanken und im Internet für die Computertechnik und die wissenschaftliche Forschung; Beratung und Auskünfte über Telekommunikationstechnik; Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen (Webspace) im Internet; Vermietung von Computersoftware.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 7. August 2009 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus der Unionswortmarke
MOVISTAR
die am 11. Mai 2006 angemeldet und am 5. Juni 2010 in das beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO, vormals: HABM) geführte Register unter der Nummer 005 069 059 eingetragen worden ist für Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 bis 45, darunter der
Klasse 9: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate zum Leiten, Verteilen, Umwandeln, Speichern, Regulieren oder Steuern der Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte;
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Klasse 38: Telekommunikation;
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;
Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und –vertretung.
Mit Beschlüssen vom 30. Januar 2013 und 18. September 2014, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA die Löschung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch, teilweise überdurchschnittlich ähnlich und teilweise normal ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei als durchschnittlich einzustufen, weil der inländische Verkehr das Markenwort nicht im Sinne von „Handy-Star“ verstehe. Er bringe den Bestandteil „MOVI“ nicht mit dem ihm unbekannten spanischen Wort „movil“ für „Handy, Mobiltelefon“, sondern mit dem englischen Verb „move“ mit der Bedeutung „bewegen“ oder dem englischen Substantiv „movie“ für „Film, Kinofilm“ in Verbindung. Dem daher einzuhaltenden deutlichen Abstand werde die angegriffene Marke nicht gerecht. Zwar unterschieden sich die Vergleichsmarken aufgrund des farbigen Bildelements in Form eines großen roten fünfzackigen Sterns mit einem grinsenden Gesicht in der obersten Zacke in ihrer Gesamtheit schriftbildlich deutlich, aber klanglich seien sie hochgradig ähnlich. Die angegriffene Wort-/Bildmarke werde durch das deutlich erkennbare in Fettdruck hervorgehobene Wortelement „MovieStar“ geprägt. Es eigne sich zur schnellen und einfachen mündlichen Bezeichnung. „MovieStar“ mit der Bedeutung „Kinostar, Filmstar, Filmgröße“ besitze in Alleinstellung keinen direkten die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsgehalt. Es enthalte keine Aussage zum Inhalt von Filmen oder Druckereierzeugnissen. Hierzu wären attributive Zusätze wie „famous moviestar“ erforderlich. Es stünden sich daher die Wortbestandteile „MovieStar“ und „MOVISTAR“ gegenüber. Beide verfügten über eine identische Silbenzahl, dieselbe Vokalfolge und eine übereinstimmende Aussprache. Selbst bei englischer Aussprache der jüngeren Marke und deutscher Aussprache der älteren Marke sei die Abweichung in den Anfangsvokalen „u“ und „o“ für eine eindeutige Unterscheidung nicht ausreichend, weil diese zu den klangverwandten Vokalen gehörten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie hat mit Schriftsatz vom 6. Juni 2015, beim Gericht eingegangen am 8. Juni 2015, die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Daraufhin hat die Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist der Ansicht, die Widersprechende habe eine rechtserhaltende Benutzung weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Für einen Großteil der eingetragenen Waren und Dienstleistungen habe sie überhaupt keine Unterlagen eingereicht. Im Hinblick auf das äußerst umfangreiche, fast alle Klassentitel umfassende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis handele es sich um eine reine Defensivmarke. Die vorgelegten Unterlagen beträfen Zeiträume oder örtliche Märkte, die vorliegend nicht relevant seien. Viele Dokumente zeigten andere Zeichen bzw. relevante Zeichenabweichungen. Am häufigsten seien die beiden Unionswort-/Bildmarken der Widersprechenden (004265088) und (008696668) abgebildet. Bei dieser Verwendung sei der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke durch den zusätzlichen, in besonderer Weise grafisch ausgestalteten Buchstaben „M“ und weitere Bildelemente verändert. Die Verwendung verschiedener Bildmarken allein mit dem grafisch stark verfremdeten Buchstaben „M“, wie z. B. (UM 004262796) oder (UM 008709453), belege nicht die Benutzung der älteren Marke. Auch das häufig vorangestellte Wort „Telefónica“ verändere die Widerspruchsmarke. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut AG 6 (= Anlagenmappe III) zum Schriftsatz vom 9. November 2017 Bezug genommen. Bei diversen Belegen der Widersprechenden sei eine markenmäßige Verwendung nicht gegeben. Auch sei die ältere Marke nicht in einem ausreichend großen Gebiet der europäischen Union benutzt worden. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft sei, ob die Nutzung in nur einem Mitgliedstaat der EU für eine ernsthafte Benutzung ausreiche, müsse die Nutzung ein gewisses Gewicht haben. Dagegen spreche, dass in Spanien von der Widersprechenden im Telekommunikationsbereich auch die Marke „Vivo“ verwendet werde. Wegen ihres weiteren Vortrages zu den von der Widersprechenden vorgelegten Anlagen 1 bis 29 im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 9. November 2017, Gliederungspunkt 1.7 (Bl. 83 – 89 GA) sowie Gliederungspunkte 5.1 und 5. 2 (Bl. 92 – 95 GA) Bezug genommen. Ferner rügt sie ausdrücklich, dass die in englischer oder spanischer Sprache vorgelegten Unterlagen nicht übersetzt worden seien. Sie bestreitet daher mit Nichtwissen, dass sich aus dem Inhalt der fremdsprachigen Unterlagen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke oder deren Bekanntheit ergäben. Eine Benutzung der Unionswiderspruchsmarke in Spanien oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft seien ebenfalls nicht hinreichend belegt. Da auch die Marke „Vivo“ in Spanien benutzt werde, sei unklar, welche der Marken die Widersprechende zum angeblichen Marktführer mache. Die ältere Marke müsse zudem in Deutschland bekannt sein, eine Bekanntheit in Spanien genüge nicht. Der die Schrift größenmäßig überragende, auffällige Bildbestandteil der jüngeren Marke in Form eines roten lächelnden Sterns verfüge über eine eigene herkunftshinweisende Bedeutung im Sinne eines prägenden Elements, weil er das Erkennungsmerkmal der bekannten Fernsehzeitschrift „TV Movie“ sei, das nicht nur auf dem Zeitschriftentitel, sondern auch innerhalb der Publikation verwendet werde, um besondere Filmempfehlungen auszusprechen (Anlagenkonvolut 1). Im Jahre 2009 habe die Zeitschrift bei einer Druckauflage von 1,8 Mio. einen Bekanntheitsgrad von 74,2 % erreicht (Anlagen 2 u. 3). Außerdem verfüge sie über mehrere Marken mit dem Bestandteil „Movie“ und „Moviestar“ (Anlagenkonvolut 4). Auch im Internet unter www.tvmovie.de oder www.tv-movie.de werde die Marke verwendet. Schriftbildlich bestünden merkliche Unterschiede. Auch der Bedeutungsgehalt sei unterschiedlich, weil dem „Filmstar“ ein „Handystar“ gegenüberstehe. Da die jüngere Marke englisch mit „u“ und die ältere Marke des spanischen Mobilfunkanbieters spanisch mit „o“ sowie das „v“ mit weichem deutschen „b“ ausgesprochen werde, wiesen die Vergleichsmarken unterschiedliche Klangbilder auf.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des DPMA vom 30. Januar 2013 und 18. September 2014 aufzuheben und den Widerspruch aus der Unionsmarke 005 069 059 zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, sie habe durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 4. April 2016 (Anlage 1, Bl. 65 – 67 GA), der beiden eidesstattlichen Versicherungen vom 6. Juli 2018 (Anlagen 30 u. A 31a, Aktenordner zu Bl. 151 GA) und der Anlagen 2 bis 54 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke vorwiegend in Spanien für Festnetz- und Mobiltelefonie, Breitbandinternet, Digitalfernsehen sowie Medien- und Datenübertragung in den Jahren 2005 bis 2018 ausreichend glaubhaft gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 2. Mai 2016 (Bl. 51 – 56 GA) und 10. Juli 2018 (Bl. 140 – 150 GA) sowie die Anlagen 2 bis 29 (Anlagenmappen I und II) und die Anlagen 30 bis 54 (Aktenordner zu Bl. 151 GA) Bezug genommen. Sie biete unter ihrer Unionsmarke ein Kommunikationsnetz an, das vorwiegend SIM-Karten, Internet, Mobilfunk, Festnetz, Datenübertragung und Digitalfernsehen umfasse, und betreibe den Digitalsender „Movistar“. Außerdem erbringe sie unter der älteren Marke inzwischen EU-weit Internet of things- bzw. machine to machine (m2m)-Dienstleistungen. Aufgrund dieser umfangreichen und intensiven Benutzung sowie ihrer marktführenden Stellung stehe der älteren Marke auch ein erhöhter Schutzumfang zu. Die Vergleichsmarken stimmten im Wortbestandteil nahezu überein. Da das Bildelement der jüngeren Marke von den Verbrauchern nicht eigenständig bezeichnet werde, seien die Vergleichsmarken klanglich identisch. Denn der Verbraucher kenne das spanische Wort „movil“ für Handy nicht, weshalb er auch das „v“ nicht wie ein weiches deutsches „b“ aussprechen werde.
In der mündlichen Verhandlung hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Verspätung des ihr zwar per E-Mail am 10. Juli 2018 vorab zugeleiteten, aber erst in der mündlichen Verhandlung zugestellten Schriftsatzes der Widersprechenden vom 10. Juli 2018 gerügt. Der Senat hat der Markeninhaberin zur Erwiderung einen Schriftsatz bis zum 22. August 2018 nachgelassen und eine Entscheidung an Verkündungs Statt nicht vor dem 1. Oktober 2018 angekündigt. In ihrem am 22. August 2018 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage trägt sie vor, dass auch die überreichten Anlagen 30 bis 54 keine Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der älteren Marke darstellten, weil genaue Zeit- und Ortsangaben sowie die Zuordnung zu konkreten Waren und/oder Dienstleistungen fehlten. Ferner hat sie beanstandet, dass auch die beiden eidesstattlichen Versicherungen vom 6. Juli 2018 in englischer Sprache abgefasst und nicht übersetzt seien. Inhaltlich ließen sie weder erkennen, zu welchem Zweck sie abgegeben worden seien, noch auf Basis welcher Informationen die beiden Unterzeichner ihre Erklärungen abgegeben hätten. Die Umsatzzahlen und Werbeausgaben würden nur gebündelt für diverse Aktivitäten genannt und nicht auf konkrete Waren oder Dienstleistungen aufgeteilt. In den eidesstattlichen Versicherungen angeführte Anlagen seien nicht beigefügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22. August 2018 (Bl. 169 – 176 GA) Bezug genommen.
Mit einem am 20. Juli 2018 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 17. Juli 2018 hat die Widersprechende zu den als Anlagen 30 und 31a vorgelegten Kopien die beiden eidesstattlichen Versicherungen vom 6. Juli 2018 die beiden Originale (Bl. 160 – 162) nachgereicht.
Auf den nachgelassenen Schriftsatz der Markeninhaberin wiederholt die Widersprechende ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dass die Dienstleistungen Festnetz- und Mobiltelefonie, Breitbandinternet, Digitalfernsehen sowie Medien- und Datenübertragung ineinander übergriffen, als Gesamtpaket den Kunden angeboten und deshalb auch in den Rechnungen nicht einzeln aufgegliedert würden. Eine Unterscheidung zwischen diesen Dienstleistungen sei daher nicht möglich. In der Gesamtschau aller eingereichten Unterlagen sei eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gelungen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28. September 2018 (Bl. 182 – 186 GA) verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke gemäß Art. 18 der Verordnung über die Unionsmarke (UMV) in der Union für den nach §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht hat.
1. Nach § 125b Nr. 4 MarkenG sind für den Fall, dass ein Widerspruch auf eine ältere Unionsmarke gestützt wird, die Glaubhaftmachungsregeln des § 43 Abs. 1 MarkenG entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Unionsmarke gemäß Art. 18 UMV tritt.
a) Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der aufgrund früherer Anmeldung älteren Unionswortmarke am 8. Juni 2015 bestritten. Die Einrede ist wirksam erhoben worden, weil die am 5. Juni 2010 registrierte Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Erhebung länger als fünf Jahre eingetragen war.
b) Da die Einrede der Nichtbenutzung undifferenziert erhoben wurde, ist davon auszugehen, dass die Einrede beide Zeiträume des §§ 125b Abs. 4, 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfassen soll (BGH GRUR 1998, 938 – DRAGON; lngerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 12; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 43 Rdnr. 26; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, 3. Aufl., Rdnr. 560).
c) Allerdings sind die Voraussetzungen der Einrede nach §§ 125b Abs. 4, 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht erfüllt, weil die am 5. Juni 2010 eingetragene Unionswiderspruchsmarke nicht vor, sondern erst nach der am 7. August 2009 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke registriert worden ist. Bei dieser Sachlage ist die Einredeerklärung entsprechend §§ 133, 157 BGB im Zweifel dahingehend auszulegen, dass lediglich die im konkreten Fall ausschließlich rechtserhebliche Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erhoben werden soll (vgl. BPatG 25 W (pat) 76/11 – Yosoja/YOSOI).
2. Damit sind für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr gemäß §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 3, MarkenG nur die Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen, für die eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht worden ist. Es obliegt daher der Widersprechenden, die Benutzung ihrer älteren Unionswortmarke für die in den Klassen 1 bis 45 geschützten Waren und Dienstleistungen im Zeitraum vom 11. Juli 2013 bis zum 11. Juli 2018 gemäß §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG im maßgeblichen Unionsgebiet (Art. 18 UMV) nach Art, Dauer und Umfang glaubhaft zu machen. Dabei handelt es sich um den Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über die Beschwerde, welcher vorliegend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz ist (vgl. BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 20 – idw Informationsdienst Wissenschaft; BPatG 28 W (pat) 109/12 – K&K/K+K).
a) Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, zu garantieren – verwendet wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren (EuGH WRP 2017, 1066 Rdnr. 37 – Gözze/VBB; GRUR 2003, 425 Rdnr. 38 - Ansul/Ajax; BGH GRUR 2013, 725 Rdnr. 38 - Duff Beer). Nach der europäischen Spruchpraxis erfordert eine ernsthafte Benutzung, dass die Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist (EuGH GRUR 2008, 343 Rdnr. 72 - 74 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM [BAINBRIDGE]).
b) Bei einer Dienstleistungsmarke kommen wegen der fehlenden körperlichen Verbindung zwischen der Marke und dem Produkt als Benutzungshandlungen grundsätzlich nur die Anbringung der Marke am Geschäftslokal sowie eine Benutzung auf Gegenständen in Betracht, die bei der Erbringung der Dienstleistung zum Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung, auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen. Voraussetzung ist dabei, dass der Verkehr die konkrete Benutzung des Zeichens zumindest auch als Herkunftshinweis versteht; er muss erkennen können, dass mit der Verwendung der Bezeichnung nicht nur der Geschäftsbetrieb benannt, sondern auch eine Leistung bezeichnet wird, die aus ihm stammt. Des Weiteren muss sich die Benutzung auf eine bestimmte Dienstleistung beziehen. Dies setzt voraus, dass der Verkehr ersehen kann, auf welche konkrete Dienstleistung sich der Kennzeichengebrauch bezieht (BGH GRUR 2008, 616 Rdnr. 13 - AKZENTA; MarkenR 2010, 35 Rdnr. 17 – ATOS III).
c) Zur Glaubhaftmachung muss von dem Widersprechenden konkret angegeben werden, wer die Marke auf welche Weise für welche Waren und Dienstleistungen in welchen Jahren an welchem Ort benutzt hat und wie viel Umsatz damit erwirtschaftet worden ist. Dabei müssen die detaillierten Angaben zu den Umsatzzahlen entweder in Geldbeträgen oder in Stück- bzw. Auftragszahlen konkret auf die jeweiligen Waren und Dienstleistungen bezogen und in die jeweiligen für die Benutzung rechtserheblichen Zeiträume aufgeteilt sein.
d) Die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke nach §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 MarkenG unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz (§§ 59 Abs. 1, 73 Abs. 1 MarkenG) dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz (BPatG GRUR-RR 2015, 468, 469 – Senkrechte Balken; BGH GRUR 2006, 152 Rdnr. 19 – GALLUP).
e) In Anwendung dieser Grundsätze hat die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Unionswortmarke „MOVISTAR“ nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.
aa) Dabei kann das Vorbringen der Widersprechenden zur Benutzung der Widerspruchsmarke im Schriftsatz vom 10. Juli 2018 und in den Anlagen 30 bis 54, die erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung eingegangen sind, nicht gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden. Zwar sind der Sachvortrag und die Vorlage der Anlagen 30 bis 54 verspätet erfolgt und die Verspätung ist auch nicht (genügend) entschuldigt worden. Denn bereits für den 29. November 2017 war ein Verhandlungstermin anberaumt worden mit dem Hinweis, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht worden sei. Diesen Ladungszusatz haben die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden am 3. August 2017 erhalten. Der Termin ist dann wegen Vergleichsverhandlungen auf beiderseitigen Antrag der Verfahrensbeteiligten vom 17. November 2017 aufgehoben worden. Die Widersprechende hatte also seit der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede am 8. Juni 2015 insgesamt fast drei Jahre Zeit, die erforderlichen Benutzungsunterlagen von ihrer in Spanien ansässigen Mandantin anzufordern und vorzulegen. Gleichwohl können weder das Vorbringen noch die vorgelegten Benutzungsunterlagen als verspätet zurückgewiesen werden, da deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO verzögert. Die zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegten Unterlagen können vom Senat abschließend bewertet werden, wobei die Markeninhaberin zum gegnerischen Schriftsatz vom 10. Juli 2018 nebst Anlagen im nachgelassenen Schriftsatz vom 22. August 2018 hat Stellung nehmen können. Der Umstand, dass der Senat nicht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2018, sondern erst nach Ablauf der Frist für den nachgelassenen Schriftsatz gemäß § 283 ZPO entscheiden konnte, kann nicht als relevante Verzögerung im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO gewertet werden. Denn eine Verfahrensverzögerung ist dann nicht gegeben, wenn lediglich ein Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO bei einem ansonsten entscheidungsreifen Verfahren gewährt werden kann (BVerfG NJW 1989, 705; BGH NJW 1985, 1556; BPatG 33 W (pat) 27/08 – CPC/cpc).
bb) Soweit die Widersprechende nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2015 mit Schriftsatz vom 17. Juli 2018 die beiden eidesstattlichen Versicherungen vom 6. Juli 2018, die in Kopie als Anlagen 30 und 31a (Aktenordner zu Bl. 151 GA) dem Schriftsatz vom 10. Juli 2018 beigefügt waren, im Original nachgereicht hat, kann dieser Vortrag gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 296a ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die Einreichung von Schriftsätzen war der Widersprechenden nicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 139 Abs. 5 ZPO nachgelassen. Damit fehlt es an einer – rechtzeitigen – Glaubhaftmachung. Denn die Einreichung einer Kopie der beiden eidesstattlichen Versicherungen erfüllt nicht die Voraussetzungen gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO (BPatG 30 W (pat) 562/13 – GRiPiN/Doregrippin; 24 W (pat) 505/12 - meddix/MEDATIXX; 24 W (pat) 40/01 – SINTEC/Sim Tec). Sie kann höchstens neben weiteren Glaubhaftmachungsmitteln im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung ergänzende Bedeutung erlangen (BPatG GRUR-RR 2009, 96, 97 f. – FlowParty/flow; BlPMZ 2004, 499, 500 – BONSAL/Bonfal).
cc) Die Widersprechende trägt in ihrem Schriftsatz vom 2. Mai 2016 vor, dass ihre Unionswortmarke „MOVISTAR“ „vorwiegend in Spanien“ in den Jahren 2010 bis 2015 für Festnetz- und Mobiltelefonie (Fixed and Mobile telephony), Breitbandinternet (Broadband Internet), Digitalfernsehen (Digital Television) sowie „Inhalt-, Medien- und Datenübertragung (Content & Media Data Transmission)“ benutzt worden sei und die Widersprechende insgesamt jährliche Umsätze zwischen …
…Euro erzielt habe.
Dieser Vortrag steht teilweise im Widerspruch zu der – rechtzeitig im Original – vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des „General Counsel“ R…
…vom 4. April 2016 (Anlage 1, Bl. 65 – 67 GA), wonach die ältere Marke
„MOVISTAR“ in den Jahren 2010 bis 2015 nur in Spanien benutzt worden ist. Ferner werden dort Inhalt und Medien („Content & Media“) einerseits und Datenübertragung („Data Transmission“) andererseits getrennt aufgeführt, während sie im Schriftsatz als „Inhalt-, Medien- und Datenübertragung (Content & Media Data Transmission)“ zusammengefasst worden sind.
Aber selbst wenn man nur den Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherung zugrunde legt, weist diese mehrere Mängel auf:
aaa) Das Wesen und die Aussagekraft einer eidesstattlichen Versicherung liegen darin, dass eine natürliche Person ihr aus unmittelbarer Wahrnehmung erlangtes Wissen über tatsächliche Verhältnisse und Ereignisse erklärt. Die Sachkenntnis muss sich anhand von tatsächlichen Ausführungen aus der eidesstattlichen Versicherung ergeben (vgl. BPatG 28 W (pat) 49/12 – IMATEC; BPatGE 33, 228, 231 f. – Lahco). Daran fehlt es hier.
Herr S… macht keine Angaben darüber, seit wann er bei der Wider-
sprechenden angestellt ist und woher er als „General Counsel“ die Erkenntnisse über die geschäftlichen Tätigkeiten der Widersprechenden und deren Umsätze hat. Dies gilt umso mehr, als normalerweise das Geschäftsführungsorgan der
S…, einer Aktiengesellschaft nach spanischem Recht, um die es
sich bei der Widersprechenden handelt, Kenntnis von Umsatzzahlen hat, nicht aber der „General Counsel“, der sich mit „Leiter einer Rechtsabteilung“ übersetzen lässt (www.leo.org).
bbb) Aber selbst wenn man davon ausginge, dass Herr S… über
die entsprechende Sachkenntnis verfügt, bliebe die eidesstattliche Versicherung mängelbehaftet.
(1) Sie weist auf beigefügte Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Kataloge und Werbeprospekte („enclosed Packages, labels, price lists, catalogs and advertising prospect(s)“) hin, die zeigen sollen, wie und wodurch die Widerspruchsmarke in den Jahren 2010 bis 2015 in Spanien verwendet worden ist. Beigefügte Rechnungen („enclosed invoices“) sollen den tatsächlichen Vertrieb unter der älteren Marke im gleichen Zeitraum im gleichen Land zeigen. Aber keine der dort genannten Anlagen ist der eidesstattlichen Versicherung beigefügt worden. Sie nimmt aber auch nicht konkret auf die als Anlagen 2 bis 29 eingereichten Unterlagen Bezug.
(2) Ein weiterer schwerwiegender Mangel liegt darin, dass die für die einzelnen Jahre des relevanten Benutzungszeitraums jeweils angeführten Umsatzangaben keine Aufschlüsselung bezüglich einzelner Waren und Dienstleistungen bzw. Waren- und Dienstleistungsgruppen erkennen lassen.
Das Erfordernis einer derartigen, auf einzelne Waren und/oder Dienstleistungen bzw. entsprechende Gruppen bezogenen Glaubhaftmachung der Benutzung ergibt sich im Widerspruchsverfahren aus § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG, auf den bei Unionsmarken § 125b Nr. 4 MarkenG verweist (vgl. im Übrigen die entsprechenden Vorschriften für andere Verfahrensarten: § 25 Abs. 2 Satz 3, § 55 Abs. 3 Satz 4 MarkenG; BPatG 24 W (pat) 69/08 – Butterfly by Max Gordon/Butterfly; 30 W (pat) 505/15 – Universal Nutrition).
(2.1) Zunächst sind Festnetz- und Mobiltelefonie (Fixed and Mobile telephony), Breitbandinternet (Broadband Internet), Digitalfernsehen (Digital Television), Inhalt und Medien (Content & Media) sowie Datenübertragung (Data Transmission), für die in den Jahren 2010 bis 2015 jeweils ein einheitlicher Jahresumsatz ausgewiesen wird, mit „goods/services“, also „Waren/Dienstleistungen“ überschrieben, so dass schon unklar ist, ob sich hinter den vorgenannten Begriffen Produkte oder Dienste verbergen. Zudem finden sich diese Begriffe nicht im Waren-/Dienstleistungsverzeichnis der Widersprechenden wieder.
(2.2) Ferner wird nicht erläutert, welche konkreten Dienstleistungen mit Inhalt und Medien (Content & Media) gemeint sind. Im Gegensatz zu den übrigen Begriffen lassen sich Inhalt und Medien (Content & Media) nicht nur unter die in Klasse 38 für die Widerspruchsmarke geschützte Dienstleistung „Telekommunikation“ subsumieren, sondern sie können sich auch auf Waren der Klasse 9, z. B. „Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten“, Produkte der Klasse 16, z. B. „Druckereierzeugnisse“, oder Dienstleistungen der Klasse 41, z. B. „Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“, beziehen.
(2.3) Aber auch der Umstand, dass die ältere Marke in Klasse 38 für den weiten, breit gefächerten Oberbegriff „Telekommunikation“ eingetragen ist, worunter Festnetz- und Mobiltelefonie (Fixed and Mobile telephony), Breitbandinternet (Broadband Internet), Digitalfernsehen (Digital Television) und Datenübertragung fallen, ändert nichts am zwingenden Erfordernis, eine Aufschlüsselung der jährlichen Umsatzzahlen auf konkrete Dienstleistungen oder jedenfalls einzelne Dienstleistungsgruppen vorzunehmen (BPatG 24 W (pat) 69/08 – Butterfly by Max Gordon/Butterfly; 30 W (pat) 505/15 – Universal Nutrition). Dieser Verpflichtung ist die Widersprechende nicht nachgekommen.
Zwar hat sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Juli 2018 vorgetragen, sie biete unter ihrer Unionsmarke ein Kommunikationsnetz an, das vorwiegend SIM-Karten, Internet, Mobilfunk, Festnetz, Datenübertragung und Digitalfernsehen umfasse, und betreibe den Digitalsender „Movistar“. Außerdem erbringe sie unter der älteren Marke inzwischen EU-weit Internet of things- bzw. machine to machine (m2m)-Dienstleistungen. Dieses Vorbringen hat sie in der mündlichen Verhandlung dahingehend ergänzt, dass diese Dienstleistungen ineinander übergriffen, als Gesamtpaket den Kunden angeboten und deshalb auch in den Rechnungen nicht einzeln aufgegliedert würden.
Aber dieses Vorbringen hat sie nicht durch Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung oder gleichwertiger anderer aussagekräftiger Benutzungsunterlagen glaubhaft gemacht.
(2.4) Die Anlagen 2 bis 29 und 31 sowie 32 bis 54, auf die keine der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen Bezug nimmt, insbesondere die vorgelegten Rechnungen, reichen nicht für die hinreichende Darlegung und Glaubhaftmachung einer einheitlichen Abrechnung eines die Dienstleistungen Festnetz- und Mobiltelefonie (Fixed and Mobile telephony), Breitbandinternet (Broadband Internet), Digitalfernsehen (Digital Television), Inhalt und Medien (Content & Media) sowie Datenübertragung (Data Transmission) umfassenden Kommunikationsnetzes im maßgeblichen Benutzungszeitraum vom 11. Juli 2013 bis zum 11. Juli 2018 aus:
(2.4.1) Anlage 23 besteht aus vier Rechnungen aus dem Jahr 2015 in spanischer Sprache an Kunden in Spanien über folgende Dienstleistungen unter der Widerspruchsmarke:
- Rechnung vom 19. September 2015 über eine Kombination aus Festnetztelefonie, Breitbandinternet und Mobilfunktarif unter der Bezeichnung „Movistar ADSL hasta 10 Mb“
- Rechnung vom 19. September 2015 über eine Kombination aus Festnetztelefonie, Breitbandinternet und Mobilfunktarif sowie Software nebst 3 Lizenzen unter der Bezeichnung „Movistar Internet“.
- Rechnung vom 4. September 2015 über Festnetz-, Breitbandinternet- und Mobilfunkdienstleistungen unter der Bezeichnung „Movistar Fusión Fibra 4G“.
- Rechnung vom 1. September 2015 über nicht näher bezeichnete Dienstleistungen unter der Bezeichnung „Servicios Movistar Fusión Empresas“.
Die beiden Rechnungen vom 19. September 2015 und die Rechnung vom 4. September 2015 zeigen jeweils eine Kombination aus Festnetztelefonie, Breitbandinternet und Mobilfunktarif, aber damit nur einen Teil des von der Widersprechenden behaupteten Kommunikationsnetzes. Gleichzeitig werden auch Softwarelizenzen angeboten.
(2.4.2) Die als Anlage 31 vorgelegten, an spanische Kunden versandten Rechnungen, von denen jeweils eine aus den Jahren 2016 und 2018 stammt, während die übrigen 12 in den Monaten September bis Dezember 2017 erstellt worden sind, beziehen sich entweder auf eine Kombination aus Festnetztelefonie, Breitbandinternet und Mobilfunk, auf Mobilfunkdienstleistungen oder auf die Kombination Festnetztelefonie, Breitbandinternet, Mobilfunk und digitales Fernsehen.
Selbst wenn man annimmt, dass die Widersprechende die Kombination von Festnetztelefonie, Breitbandinternet, Mobilfunk und digitalem Fernsehen als Gesamtpaket zu einem einheitlichen Preis im maßgeblichen Benutzungszeitraum in Spanien angeboten hat, wobei ausweislich der Rechnungen auch ein Kombinationspaket ohne Digitalfernsehen in Betracht kommt, hätten zumindest die mit diesen jeweiligen Paketen erzielten Umsätze getrennt ausgewiesen werden können und müssen, aber auch eine solche Aufschlüsselung hat die Widersprechende nicht vorgenommen.
(2.4.3) Die als Anlage 31a eingereichten Rechnungen, auf die die Kopie der eidesstattlichen Versicherung vom 6. Juli 2018 als ANNEX I ausdrücklich Bezug nimmt, beziehen sich ausschließlich auf machine to machine (m2m)-Dienstleistungen, d. h. automatischen Datenaustausch zwischen Maschinen, Geräten und Fahrzeugen, die mittels SIM-Karten erbracht worden sein sollen, die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet sind. Drei dieser Rechnungen an deutsche Kunden stammen vom 31. Mai 2018, von den an spanische Adressaten gerichteten Rechnungen stammt jeweils eine aus den Jahren 2014 bis 2016, eine ist 2014 an einen englischen Kunden und eine ist 2015 an einen niederländischen Kunden versandt worden.
Abgesehen davon, dass Umsatzzahlen für Deutschland, Großbritannien oder die Niederlande weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sind, zeigen diese Rechnungen, dass die m2m-Datenübertragungsdienstleistungen isoliert abgerechnet worden sind, so dass auch insoweit gesonderte Umsätze hätten ausgewiesen werden können. Aber auch das ist in der eidesstattlichen Versicherung vom 4. April 2016 unter dem Begriff „Data Transmission“ nicht geschehen.
(2.4.4) Ohne Angabe der Umsätze für „Data Transmission“ und „Content & Media“ kann auch nicht herausgerechnet werden, in welcher Höhe die angegebenen Gesamtjahresumsätze auf erbrachte Kombinationspakete aus Festnetz- und Mobiltelefonie (Fixed and Mobile telephony), Breitbandinternet (Broadband Internet) und Digitalfernsehen (Digital Television) entfallen sein könnten.
(2.5) Die beiden in Kopie vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vom 6. Juli 2018, die neben weiteren Glaubhaftmachungsmitteln im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung ergänzende Bedeutung erlangen könnten, sind ebenso wie die eidesstattliche Versicherung vom 4. April 2016, nämlich ohne eine Aufschlüsselung der Jahresumsatzzahlen strukturiert, und ergänzen nur die Umsatzzahlen um die Jahre 2016 und 2017, so dass sie, selbst wenn sie in der Gesamtschau berücksichtigt würden, zu keiner anderen Beurteilung führen würden.
Somit ist schon der Umfang der Benutzung nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.
f) Mangels Glaubhaftmachung der Benutzung können gemäß §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG keinerlei Waren bei der Prüfung Berücksichtigung finden, so dass eine Verwechslungsgefahr gemäß § 125b Nr. 1, § 9 MarkenG schon aus diesem Grund ausgeschlossen ist.
g) Wegen der beiden nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Original nachgereichten eidesstattlichen Versicherungen vom 6. Juli 2018 bestand schon deshalb kein Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 76 Abs. 6 Satz 2 MarkenG wiederzueröffnen, weil sie keine Änderung der Entscheidung herbeigeführt hätten.
aaa) Ein Fall des § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 156 Abs. 2 Nr. 1, 139 Abs. 5 ZPO ist ebenfalls nicht gegeben. Abgesehen davon, dass der Senat bereits vor dem ersten anberaumten Verhandlungstermin darauf hingewiesen hatte, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht worden ist, waren weitere gerichtliche Hinweise zu Mängeln der Benutzungsunterlagen schon deshalb nicht veranlasst, weil sie im Widerspruch zur Neutralitätspflicht des Gerichts gestanden hätten (vgl. BPatG GRUR 2000, 900 – Neuro-Vibolex).
bbb) Auch nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 156 Abs. 2 Nr. 2, 579, 580 ZPO ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht veranlasst, zumal mangelhafte Benutzungsunterlagen, insbesondere ungenügende eidesstattliche Versicherungen, keine fälschlich angefertigten Urkunden im Sinne des § 580 Nr. 2 ZPO darstellen.
III.
Gründe für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen auf eine der Verfahrensbeteiligten nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG liegen nicht vor.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG 27 W (pat) 40/12 - mcpeople/McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 - Valsette/Garsette). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH a. a. O. – Lewapur; a. a. O. – Schutzverkleidung).
Solche besonderen Umstände sind im Widerspruchsverfahren beispielsweise dann angenommen worden, wenn der Widerspruch nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede ohne einen ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (BPatG GRUR 1996, 981, 982 – ESTAVITAL; BPatGE 22, 211, 212 f.).
Vorliegend hat die Widersprechende umfangreiche Benutzungsunterlagen sowie mehrere eidesstattliche Versicherungen, davon eine auch rechtzeitig im Original vorgelegt. Dass die eingereichten Unterlagen zur Glaubhaftmachung für den Umfang der Benutzung im maßgeblichen Benutzungszeitraum nicht ausgereicht haben, ist kein Grund für eine Auferlegung von Kosten (Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 71 Rdnr. 18).