Entscheidungsdatum: 15.01.2015
Yosaja / YOSOI
1. Das undifferenzierte Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke ist regelmäßig als Erhebung beider Einreden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Soweit nach der Datenlage nur die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gegeben sind, ist eine solche verfahrensrechtliche Erklärung entsprechend § 133 BGB im Zweifel dahingehend auszulegen, dass nur diese nach dem Gesetz mit Rechtswirkung mögliche und damit sinnvolle Einrede erhoben werden soll.
2. Die Rechtsauffassung des Präsidenten des HABM gemäß Mitteilungen Nr. 4/03 vom 16. Juli 2003 und Nr. 2/12 vom 20. Juni 2012, wonach vor dem 20. Juni 2012 mit allen in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffen eingetragene Marken für sämtliche in der zum Anmeldezeitpunkt maßgeblichen alphabetischen Liste der entsprechenden Klasse aufgeführten Produkte Schutz genießen sollen, widerspricht fundamentalen registerrechtlichen Grundsätzen und auch der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2012, 822 - Chartered Institut of Patent Attorneys = IP-Translator). Sie ist nicht vereinbar mit der Funktion des Markenregisters, allein mit den dort aufgeführten Angaben die Öffentlichkeit und insbesondere die Mitbewerber über den waren- und dienstleistungsmäßigen Schutzumfang von Marken klar und eindeutig zu unterrichten.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 44 345
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie des Richters Schmid und der Richterin Kriener
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Die am 6. Juli 2007 angemeldete Wortmarke
Yosoja
ist am 22. Februar 2008 unter der Nummer 307 44 345 für Waren der Klassen 5, 29 und 30 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden und genießt seit dem Teilverzicht vom 14. Juli 2010 Schutz noch für folgende Waren:
Klasse 5:
Diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke auf der Basis von Ballaststoffen; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke, ausschließlich oder im Wesentlichen aus Ballaststoffen;
Klasse 29
Butter; Sauermilcherzeugnisse, Joghurterzeugnisse, auch gefroren, Sahneerzeugnisse, Kefirerzeugnisse, Buttermilcherzeugnisse, Molkeerzeugnisse, soweit in Klasse 29 enthalten; Quarkerzeugnisse, alle vorgenannten Waren auch als Mischerzeugnisse mit überwiegendem Milchanteil; Dessertspeisen, im Wesentlichen aus Milch und/oder bisher genannten Milcherzeugnissen unter Zugabe von Fruchtzubereitungen und/oder frischen Früchten und/oder Geschmackszutaten und/oder Aromastoffen und/oder Schokolade; diätetische Lebensmittel für nicht-medizinische Zwecke, nämlich Milchprodukte unter Zusatz von Ballaststoffen; Gemüse und Obst, alle vorgenannten Waren auch in Form von Zubereitungen oder Extrakten; alle Waren dieser Klasse, soweit in Klasse 29 enthalten; alle vorgenannten Waren nicht als Getränke;
Klasse 30:
Fertigpuddinge, Mousse (Schokoladenpudding), Grieß- und Mehlspeisen, alle vorgenannten Waren auch unter Zugabe von Fruchtzubereitungen und/oder frischen Früchten und/oder Schokolade; süße Grützen, Götterspeisen, süße Soßen; diätetische Lebensmittel für nicht-medizinische Zwecke, nämlich Getreidepräparate, Müsli und Backwaren unter Zusatz von Ballaststoffen; Back- und Konditorwaren, Teigwaren, Müsli, Cerealien (Getreidepräparate); alle Waren dieser Klasse, soweit in Klasse 30 enthalten; Nahrungsergänzungsmittel für nicht-medizinische Zwecke, ausschließlich oder im Wesentlichen aus Ballaststoffen.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 28. März 2008 veröffentlicht worden ist, hat die Inhaberin der am 31. Oktober 2003 angemeldeten und am 22. September 2008 unter der Nummer EM 343 94 86 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) eingetragenen Wortmarke
YOSOI
mit am 5. Juni 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schreiben Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für folgende Waren:
Klasse 5:
Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygieneartikel für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide;
Klasse 29:
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Konfitüren und Gelees; Kompotte; Eier, Milch; Speiseöle und –fette;
Klasse 30:
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffeeersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Würzsoße; Kühleis.
Zum Anmeldetag am 31. Oktober 2003 hatte die Widerspruchs-Gemeinschaftsmarke über die vorstehend wiedergegebenen Waren hinaus noch Schutz in der Klasse 5 für „Entkeimungsmittel“ und in der Klasse 29 für „Milchprodukte“ sowie anstelle der Ware „Kompotte“ für die Ware „Fruchtmuse“ beansprucht und hierauf im Zuge der gegen die Widerspruchsmarke gerichteten Widerspruchsverfahren mit Wirkung zum 22. September 2008 verzichtet.
Mit Beschlüssen vom 27. November 2009 und vom 26. April 2011, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts zunächst eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken bejaht und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, im Erinnerungsverfahren aber das Vorliegen der Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch vollständig zurückgewiesen. Im Erinnerungsbeschluss ist ausgeführt, dass bei der Beurteilung der klanglichen und schriftbildlichen Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Wortmarken „ Yosoja “ und „ YOSOI “ die Unterschiede am Zeichenende einen hinreichenden Abstand bewirkten. Da es sich bei der Buchstabenfolge „Yo“ am Zeichenanfang der Markenwörter um eine im Bereich der Lebensmittelmarken häufig verwendete Vorsilbe handele, richte sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs weniger auf den identischen Zeichenanfang, sondern auf das unterschiedliche Zeichenende der Vergleichswörter. Im schriftbildlichen Vergleich seien die Abweichungen in der Zeichenlänge, die durch die Unterlänge des Buchstabens „j“ zusätzlich auffalle, deutlich erkennbar. Klanglich stimmten die Marken nur in der ersten Silbe „Joh-“ überein, während die weitere Silbe „-seu“ bei der Widerspruchsmarke bzw. die Silben „-soh -ja“ bei der angegriffenen Marke durch die zusätzlich vorhandene Silbe „-ja“ einen erheblichen klanglichen Unterschied erzeugten. Der klanglichen Ähnlichkeit komme beim Zeichenvergleich die größte Bedeutung zu. Auch begrifflich bestünden keine erkennbaren Übereinstimmungen. Zwar sei in der jüngeren Marke das Wort „Soja“ gut erkennbar und enthalte die ältere Marke den mit dem Wortbestandteil „soi“ klanglich zu dem englischen Wort „soy“ für „Soja“ identischen Begriff. Da es sich aber für die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich weitgehend um Endverbraucher handele, um im Wesentlichen nicht erkennbare Andeutungen handele, würden diese den Vergleichsmarken insgesamt keine gemeinsamen Begrifflichkeiten zuweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit der sie unter anderem geltend macht, die sich gegenüberstehenden Zeichen seien hochgradig ähnlich. Angesichts unbestrittener teilweiser Warenidentität, teilweiser Warenähnlichkeit und normaler Kennzeichnungskraft eigneten sich die geringfügigen Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken keinesfalls dazu, ein sicheres Ausschließen der Verwechslungsgefahr zu gewährleisten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erfahre wegen des im Lebensmittelbereich häufig verwendeten Wortbestandteils „Yo“ (für Yoghurt) keine Einschränkung, denn das bloße Vorhandensein zahlreicher Eintragungen mit einem bestimmten Zeichenbestandteil führe sich nicht dazu, eine „verbrauchte Wortbildung von geringer Originalität“ anzunehmen. Zwar komme dadurch in einem konkreten Warenbereich eine gewisse Vorliebe für eine bestimmte Kennzeichenbildung zum Ausdruck, ohne eingehende Kenntnis der Benutzungslage sei damit aber noch keine Aussage über eine tatsächliche Kennzeichnungsschwäche verbunden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH träten die übereinstimmenden Merkmale zweier Zeichen mehr hervor als deren Unterschiede, so dass es weniger auf diese, sondern vielmehr auf die Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen ankäme. Dies gelte vor allem in einem Fall, in dem wie bei den Marken „Yosoja“ und „YOSOI“ der übereinstimmende Anteil schriftbildlich quantitativ überwiege. Auch gelte der Erfahrungssatz, dass Wortanfänge stärker beachtet würden. Klanglich sei der erforderliche Zeichenabstand ebenso wenig eingehalten. Unterschiede in den Schlussbuchstaben hätten häufig ein geringeres klangliches Gewicht als solche in den Wortanfängen. Da die Marken fast identisch gesprochen und sich nur im letzten Buchstaben unterscheiden würden, der leicht verschluckt oder überhört werden könne, sei von einer hohen Zeichenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht auszugehen.
Auf Anregung des Senats fanden Ende des Jahres 2013 zwischen den Beteiligten Vergleichsverhandlungen statt, die nach Mitteilung der Widersprechenden vom 2. Januar 2014 nicht erfolgreich beendet werden konnten. Daraufhin hat der Senat mit der den Beteiligten jeweils am 10. Januar 2014 zugestellten Ladung Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2014 anberaumt. Die am 15. Januar 2014 erhobene Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hatte die Widersprechende als verspätet gerügt, da sie nur wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung erhoben worden sei. Die Widersprechende sei in Italien ansässig, daher sei es ihr nicht möglich, die notwendigen Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung beizubringen, zumal für diese wie auch für die eidesstattliche Versicherung eine Übersetzung notwendig sei. Auch beruhe die Erhebung der Einrede kurz vor der mündlichen Verhandlung auf grober Nachlässigkeit, da sie bereits im September 2013 hätte erhoben werden können. Hilfsweise hatte die Widersprechende beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verschieben.
Nachdem der Senat unter Hinweis darauf, dass eine Zurückweisung der Nichtbenutzungseinrede als verspätet nicht in Betracht komme, auf den Hilfsantrag der Widersprechenden den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben hat, hat die Widersprechende diverse Unterlagen zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Sojajoghurt“ in Italien eingereicht, u. a. eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden mit einer Aufstellung von Umsatzzahlen, Fotos und Broschüren, Kopien von Rechnungen und Preislisten.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2014 hat der Senat darauf hingewiesen, dass bereits fraglich sei, ob die Ware „Sojajoghurt“ unter einen für die Widerspruchsmarke geschützten Warenbegriff subsumiert werden könne.
Daraufhin hat die Widersprechende weiter ausgeführt, die Ware „Sojajoghurt“ falle unter den Oberbegriff „konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse“ der Klasse 29. Das Ausgangsprodukt „Soja“ selbst sei eine reine Hülsenfrucht, „Sojajoghurt“ werde aus getrockneten, gekochten und fermentierten Sojabohnen hergestellt und bestehe ausschließlich aus Gemüse. Damit sei eine Einordnung unter den genannten Oberbegriff folgerichtig. Zudem sei die Widerspruchsmarke für sämtliche Oberbegriffe der drei beanspruchten Klassen angemeldet worden. Nach den Auslegungsregeln des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM), wie sie vor der Entscheidung IP-Translator des EuGH bestanden haben, seien damit sämtliche Waren dieser Klassen beansprucht worden. Die nach der Anmeldung erfolgte Streichung des Oberbegriffs „Milchprodukte“ aufgrund von Widersprüchen Dritter, ändere nichts daran, dass sämtliche Waren der Klasse beansprucht worden seien und der Schutzumfang der eingetragenen Marke dementsprechend alle Waren dieser Klasse mit Ausnahme der Ware „Milchprodukte“ umfasse. Das HABM lege den Schutzumfang von Gemeinschaftsmarken, die vor der Entscheidung IP-Translator angemeldet worden sind, noch immer in diesem Sinn aus. Der Anmelder müsse sich daher darauf verlassen können, dass die Marke für alle Waren der beanspruchten Klasse geschützt sei. Die Widerspruchsmarke sei mithin für „Sojajoghurt“ in der Klasse 29 geschützt. Die Auslegung der Oberbegriffe nach dem Wortsinn, wie sie das DPMA vornehme, führe zu einem geringeren Schutz der Gemeinschaftsmarke in Deutschland und zu großer Rechtsunsicherheit. Dies sei nicht vereinbar mit der einheitlichen Wirkung der Gemeinschaftsmarke gemäß Art. 1 Abs. 2 der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) und beschneide die Rechte des Gemeinschaftsmarkeninhabers nach Art. 9 Abs. 1 GMV.
Die Widersprechende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich angeregt, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Art. 1 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 der GMV dahingehend auszulegen seien, dass sie eine wortsinngemäße Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses von Gemeinschaftsmarken, die vor der IP-Translator Entscheidung des EuGH für sämtliche Oberbegriffe nach der Nizzaer Klassifikation einer Klasse angemeldet worden seien, dergestalt verbiete, dass in nationalen Widerspruchsverfahren diese Gemeinschaftsmarke nur für solche Waren, die ihrem Wortsinn nach unter die Oberbegriffe fallen, als geschützt gelte.
Hilfsweise regt die Widersprechende die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des DPMA vom 27. November 2009 und vom 26. April 2011 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 343 94 86 zurückgewiesen worden ist und auf den Widerspruch hin die angegriffene Marke 307 44 345 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus ihrer Sicht ist zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr gegeben. Der Anfangsbestandteil „Yo“ der Vergleichsmarken weise angesichts der Tatsache, dass eine Vielzahl von Marken mit diesem Zeichenbestandteil eingetragen sei, eine Kennzeichnungsschwäche auf. Dies belege das Ergebnis einer aktuellen Recherche mit Hilfe des Suchprogramms Cedelex, die ca. 360 entsprechende Eintragungen in den Klassen 29 und 30 in Deutschland ausweise. Nach ständiger Rechtsprechung könnten eingetragene Drittmarken, über deren Benutzung nichts bekannt sei, unter besonderen Umständen als Indiz für die ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche herangezogen werden; solche besonderen Umstände seien in einer großen Anzahl eingetragener im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke liegender Drittmarken zu sehen. Darüber hinaus würde eine Vielzahl dieser Marken im geschäftlichen Verkehr auch genutzt. Da die Vergleichsmarken lediglich in einem kennzeichnungsschwachen Bestandteil übereinstimmten und die anderen Wortbestandteile hinreichend unterschiedlich seien, bestünde keine Zeichenähnlichkeit. Die Zeichen seien nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen, angesichts des kennzeichnungsschwachen Wortanfangs würden die jeweiligen Endsilben die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich ziehen und deren Abweichungen stärkere Beachtung finden. Im Schriftbild seien die Abweichungen der kennzeichnungsstarken Endsilben „soi“ und „soja“ durch deren unterschiedliche Länge und die Unterlänge des allein in der angegriffenen Marke vorhandenen Buchstabens „j“ insgesamt verwechslungsverhindernd. In klanglicher Hinsicht führe die unterschiedliche Silbenlänge zu einem abweichenden Sprechrhythmus. Zudem würden die Unterschiede noch dadurch betont, dass die Endsilbe der angegriffenen Marke auf einen offenen Vokal „a“ ende, die Endsilbe der Widerspruchsmarke dagegen auf den geschlossenen Vokal „i“.
Ihre am 15. Januar 2014 erhobene Einrede der Nichtbenutzung hat die Markeninhaberin auch nach Vorlage von Benutzungsunterlagen durch die Widersprechende und auch noch kurz vor der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2015 ausdrücklich aufrechterhalten, da die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung für die geschützten Waren nicht glaubhaft gemacht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist jedoch im Ergebnis nicht begründet, da die Widersprechende auf die im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise erhobene Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in dem maßgeblichen Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG für eine der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren nicht glaubhaft gemacht hat. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke i. S. d. § 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG konnten der Widerspruch und auch die Beschwerde der Widersprechenden schon deshalb – unabhängig von der Frage der Verwechslungsgefahr nach der Registerlage – keinen Erfolg haben. Demzufolge ist der gemäß § 125 b Nr. 4, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene und im Verfahren vor dem DPMA wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesene Widerspruch im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden.
1. Die mit Schriftsatz vom 15. Januar 2014 (Bl. 117 d. A.) gemäß § 43 MarkenG i. V. m. Art. 15 GMV pauschal bzw. undifferenziert erhobene Einrede der Nichtbenutzung ist als zulässige Einrede nach § 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG auszulegen, wobei sich die Beurteilung, ob eine Marke rechtserhaltend benutzt worden ist, nach Art. 15 GMV richtet.
a) Soweit eine Nichtbenutzungseinrede undifferenziert ohne konkrete Bezeichnung der beiden nach dem Gesetz in § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG grundsätzlich vorgesehenen Einreden erhoben wird, ist dies regelmäßig als Erhebung beider Einreden zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (vgl. BGH GRUR 2008, 714, Rn. 23 – idw; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 43 Rn. 26 m. w. N.). Die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind vorliegend nicht gegeben, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 22. September 2008 eingetragenen Widerspruchs-Gemeinschaftsmarke erst mehrere Jahre nach der am 28. März 2008 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der prioritätsjüngeren angegriffenen Marke endete, nämlich erst am 22. September 2013. Bei einer solchen Fallgestaltung, bei der nur eine der beiden Nichtbenutzungseinreden zulässig ist bzw. Rechtswirkung entfalten kann, ist die undifferenziert erhobene Einrede als verfahrensrechtliche Erklärung nach dem mutmaßlichen Willen entsprechend § 133 BGB dahingehend auszulegen, dass der Einredende nur die nach dem Gesetz mit Rechtswirkung mögliche und damit sinnvolle Einrede erheben will. Die Auslegung von verfahrensrechtlichen Erklärungen hat sich im Zweifel danach zu richten, was nach der Gesetzeslage vernünftig ist und der Gesetzeslage entspricht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., Einleitung III, Rn. 16). Ausgehend davon ist es entgegen der gelegentlich vertretenen Auffassung (vgl. z. B. die Beschlüsse 26 W (pat) 530/13 vom 25. Juni 2014, 29 W (pat) 40/12 vom 28. Juni 2013 oder 33 W (pat) 70/11 vom 25. Juni 2013) nicht sachgerecht, der Inhaberin der angegriffenen Marke zu unterstellen, dass sie neben der nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässigen noch eine nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG unzulässige und im Ergebnis wirkungslose Einrede erheben wollte.
b) Die im Beschwerdeverfahren von der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 15. Januar 2014 zwei Wochen vor dem ursprünglich am 30. Januar 2014 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung erhobene Einrede der Nichtbenutzung war auch nicht als verspätet gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Abgesehen davon, dass diese Frage durch die Absetzung des Termins durch den Senat und den weiteren Verfahrensablauf prozessual überholt und damit aktuell nicht mehr relevant ist, weil eine Verzögerung der Erledigung des konkreten Rechtsstreits i. S. d. § 296 Abs. 2 ZPO im aktuellen Verfahrensstadium durch die Einrede nicht mehr verursacht werden kann, lagen auch im Januar 2014 die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Einrede als verspätet nicht vor. Die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG war erst seit 22. September 2013 mit dem Ablauf der Benutzungsschonfrist in Bezug auf die am 22. September 2008 eingetragene Widerspruchsmarke möglich. Zudem hatten die Beteiligten nach einem ersten für den 31. Oktober 2013 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst Vergleichsverhandlungen geführt, die erst Ende Dezember 2013 bzw. Anfang Januar 2014 gescheitert sind, was dem Senat mit Schriftsatz vom 2. Januar 2014 mitgeteilt worden war. Angesichts dieses Ablaufs mit den zwischen den Beteiligten geführten Vergleichsverhandlungen, die sinnvollerweise nicht durch verfahrensrechtliche Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel wie eine Nichtbenutzungseinrede gestört werden, kann und konnte die bereits zwei Wochen nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen am 15. Januar 2014 erhobene Nichtbenutzungseinrede weder als verspätet noch als auf grober Nachlässigkeit beruhend i. S. d. § 296 Abs. 2 ZPO eingestuft werden, auch wenn sie erst zwei Wochen vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen ist.
c) Nach der in zulässiger Weise gemäß §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erhobenen Einrede der Nichtbenutzung oblag es der Widersprechenden, glaubhaft zu machen, dass ihre Marke für die von ihr beanspruchten Waren innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also in der Zeit vom 15. Januar 2010 bis zum 15. Januar 2015 (Schluss der mündlichen Verhandlung) in der Gemeinschaft benutzt worden ist (Art. 15 GMV). Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke geschäftlich verwertet wird. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 428, Tz. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584, Tz. 70 – VITAFRUIT). Nach der europäischen Spruchpraxis ist davon jedenfalls auszugehen, wenn die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ (vgl. EuGH a. a. O. Tz. 74 – II Ponte Finanziaria SpA/HABM).
d) Aus der in englischer Sprache abgefassten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden vom 27. März 2014, der eine deutsche Übersetzung beigefügt war und die nach § 93 MarkenG und dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 1 Nr. 3 MarkenV entsprechend im Beschwerdeverfahren von dem erkennenden Senat Berücksichtigung finden kann, sowie aus den beigefügten Broschüren mit Abbildungen der Waren in verpackter Form und zahlreichen Rechnungen geht hervor, dass die Widersprechende unter der Bezeichnung „Yosoi“ seit dem Jahr 2009 Sojajoghurts in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten und hauptsächlich über eine bekannte Supermarktkette in Italien verkauft und damit in Italien Jahresumsätze in Höhe von über … Millionen bis zu über … Millionen Euro in den Jahren von 2009 bis 2013 erzielt
hat.
e) Auch wenn zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen wird, dass sie die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Sojajoghurt“ damit in dem geforderten Zeitraum und im erforderlichen Umfang in der Gemeinschaft ausreichend glaubhaft gemacht hat, fehlt es vorliegend aber an der Benutzung für eine Ware, für die die Widerspruchsmarke auch tatsächlich noch Schutz genießt, §§ 125 b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG, Art. 15 Abs. 1 GMV.
Im Verzeichnis der von der Widerspruchsmarke umfassten Waren findet sich der Begriff des „Sojajoghurts“ nicht explizit. Nach Auffassung des Senats unterfällt die Ware „Sojajoghurt“ auch keinem im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke eingetragenen Waren- bzw. Warenoberbegriff.
Das Verzeichnis der Widersprechenden enthält ausschließlich Oberbegriffe der beanspruchten Klassen 5, 29 und 30. Die unterstellte glaubhaft gemachte Benutzung für „Sojajoghurt“ verhilft dem Widerspruch und damit der Beschwerde nur dann zum Erfolg, wenn die Ware „Sojajoghurt“ unter einen der registrierten ausdrücklich aufgeführten Oberbegriffe zu subsumieren ist (vgl. hierzu auch Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdn. 243 ff.; vgl auch Ströbele, Die rechtliche Beurteilung der Klasseneinteilung für die Verzeichnisse von Waren und Dienstleistungen angemeldeter Marken, in Mitt. 2004, 249, 253). Für die Auslegung, ob die mit der Marke gekennzeichnete Ware unter einen entsprechenden Warenbegriff des Verzeichnisses fällt, ist von der natürlichen Bedeutung eines Begriffs nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sowie daneben von der im Zusammenhang mit der Klasseneinteilung und der Frage der Ähnlichkeit von Waren verwendeten Fachterminologie auszugehen (vgl. auch BPatGE 31, 245, 246, 247 – Dignorapid; BPatG Mitt. 1993, 370 f. - Benutzungszwang). Auch wenn eine Marke für alle in der Überschrift einer Klasse der amtlichen Klasseneinteilung genannten Warenbegriffe eingetragen ist, stellt ihre Verwendung für Waren, die zwar nach der Klassifikation von Nizza dieser Klasse zuzuordnen sind, aber unter keinen der in der Klassenüberschrift enthaltenen Begriffe zu subsumieren sind, nach der gefestigten deutschen Rechtsprechung, die durch die Entscheidung des EuGH „IP Translator“ vom 19. Juni 2012 (EuGH GRUR 2012, 822 – IP-Translator) in vollem Umfang bestätigt worden ist, keine Benutzung für eingetragene Waren dar (siehe auch Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdn. 253; vgl. auch Bender, Erbeben in Alicante – Die Entwicklung der Gemeinschaftsmarke in Rechtsprechung und Praxis im Jahr 2012, MarkenR 2013, 1 ff.).
aa. Die Klasseneinteilung im Sinn von § 19 MarkenV ist grundsätzlich insofern als vollständig in dem Sinne zu verstehen, dass theoretisch alle gewerblich verkehrsfähigen Waren und Dienstleistungen umfasst sind (fiktive Vollständigkeit) und einer bestimmten Klasse gemäß Klasseneinteilung zuordenbar sind. Es kann danach auch keine außerhalb der Klasseneinteilung liegende Ware oder Dienstleistung geben. Der Begriff des „Sojajoghurts“ war weder im Zeitpunkt der Anmeldung oder Eintragung am 31. Oktober 2003 bzw. 22. September 2008 noch ist er zum heutigen Zeitpunkt als eigene Warenbezeichnung in der „Internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (Nizza-Klassifikation)“ aufgenommen. Bei einem „Sojajoghurt“ handelt es sich um ein milch- und fettfreies, rein pflanzliches Erzeugnis mit Kalzium und Vitaminen, das als „Joghurtersatz“ dient und entsprechend dem allgemeinen Sprachverständnis im Lebensmittelbereich unter den Oberbegriff der „Molkerei-/Milchersatzprodukte“ in der Klasse 29 zu fassen ist. Dafür spricht auch die Einordnung der Ware „Sojamilch“ mit dem der Präzisierung dienenden Klammerzusatz „[Milchersatz]“ (Anleitung für den Benutzer Nr. 6 aus Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken Teil I Zehnte Ausgabe, Version 2015 gültig ab 1. Januar 2015), die als eigenständige Ware der Klasse 29 seit der neunten Ausgabe der Nizzaer Klassifikation (Serien-Nr. (DE) S-0941, Seite 180 gültig ab 1. Januar 2007) Erwähnung findet. Sojaprodukte werden in erheblichem Umfang als Milchersatzprodukte eingesetzt und überwiegend von Personen, die an Milch- bzw. Laktoseintoleranz leiden, konsumiert. Bedingt durch diesen Zweck und die tatsächliche Inanspruchnahme als (Milch)Ersatzprodukt werden Sojaprodukte als Alternative zu den Milchprodukten im Supermarkt auch in unmittelbarer Nähe dieser Produkte (Kühlregal oder bei ungekühlt haltbaren Produkten neben haltbaren Milchprodukten wie z. B. H-Milch) angeboten. Auch in der vom Deutschen Patent- und Markenamt und dem HABM für die Markenanmelder als Hilfe bei der Klassifizierung einzelner Warenbegriffe im Rahmen der Anmeldung angebotenen einheitlichen Klassifikationsdatenbank (sog. eKDB bzw. TMclass - vgl. Homepage des DPMA, www.dpma.de) findet sich der Begriff „Sojajoghurt“ unter dem (Taxonomie)Begriff „Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte“ in der Klasse 29. Für diesen Oberbegriff genießt die Widerspruchsmarke nach dem Wortlaut des Warenverzeichnisses aber keinen Schutz.
bb. Sofern man die Ware „Sojajoghurt“ nach der sprachlichen Zuordnung gemäß dem Grundwort als Spezialware unter den in der Klasse 29 der Nizzaer Klassifikation explizit aufgeführten Warenbegriff des „Joghurts" subsumiert, verhilft dies der Beschwerde ebenso wenig zum Erfolg. Denn die im Verzeichnis nicht explizit aufgeführte Ware „Joghurt“ unterfällt nach der natürlichen und üblichen Bedeutung dem Oberbegriff der mit der Anmeldung am 31. Oktober 2003 zunächst beanspruchten Ware „Milchprodukte“. Die Eintragung der Marke am 22. September 2008 erfolgte aber nicht mehr für den Oberbegriff „Milchprodukte“ und damit auch nicht mehr für die darunter fallende Ware „Joghurt“. Somit genießt die Widerspruchsmarke zum aktuellen Zeitpunkt keinen Schutz für solche Waren, die von dem Oberbegriff der „Milchprodukte“ umfasst werden.
cc. Angesichts des oben geschilderten Verständnisses, Zwecks und Einsatzes der Ware sowie des allgemeinen Sprachgebrauchs des Begriffs „Sojajoghurt“ ist die von der Widersprechenden vorgenommene Einordnung der Ware „Sojajoghurt“ unter den Oberbegriff „konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse“ der Klasse 29 fernliegend und deshalb nicht zu bejahen. Allein der Umstand, dass der Ausgangsstoff der Fertigware „Sojajoghurt“, nämlich „Soja“, aus getrockneten Sojabohnen, also „getrocknetem Gemüse“ hergestellt wird, führt zum einen schon nach der Systematik der Wareneinteilung nach der Nizzaer Klassifikation nicht dazu, dass auch das aus dem Rohstoff hergestellte Fertigprodukt nach dem Rohstoff klassifiziert wird. Vielmehr ist in den „Allgemeinen Anmerkungen“ zu der Klasseneinteilung der Waren nach Artikel 2 Abs. 2 des Abkommen von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (v. 15. Juni 1957; vgl. die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken Teil I Zehnte Ausgabe, Version 2015 gültig ab 1. Januar 2015) als maßgebliche Kriterien der Klassifikation nach Auffassung des Senats zutreffend ausgeführt, dass
„ a. …Fertigwaren grundsätzlich nach ihrer Funktion oder Bestimmung klassifiziert werden … Falls keine entsprechende Position gefunden werden kann, sind andere untergeordnete Kriterien heranzuziehen, wie z. B. das Material, aus dem die Waren hergestellt sind, oder ihre Wirkungsweise. …“.
Sojajoghurt ist als Endprodukt, ausweislich der von Seiten der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen, dem aus Milch hergestellten Joghurterzeugnis sehr ähnlich in verschiedenen Geschmacksrichtungen und mit unterschiedlichen Zusätzen wie Ballaststoffen und Bifidusbakterien erhältlich, wird als Milch- und Molkereiersatzprodukt mit ähnlichem Geschmack und vergleichbarer Konsistenz eingesetzt und verzehrt und mithin nach dem naheliegenden und damit landläufigen Verständnis der Verbraucher einem Joghurtprodukt gleichgesetzt, sodass eine Einordnung unter den Oberbegriff „getrocknetes Gemüse“ (also nach dem Rohstoff) nicht nahegelegt ist und deshalb im Rahmen der Subsumtion auch nicht in Betracht kommt.
dd. Der von der Widersprechenden vertriebene „Sojajoghurt“ ist trotz der genauen Erläuterung der Inhaltsstoffe auf den vorgelegten Produktprospekten auch nicht als „diätetisches Erzeugnis für medizinische Zwecke“ der Klasse 5 zu klassifizieren. Sofern der Diätcharakter der Ware zugunsten der Widersprechenden unterstellt wird, wäre nämlich auch eine Einordnung als „diätetisches Erzeugnis für Ernährungszwecke bzw. nichtmedizinische Zwecke“ denkbar, wobei solche Erzeugnisse nicht zur Warenklasse 5, sondern je nach beanspruchtem Warenbereich entweder zur Warenklasse 29 oder 30 oder als Diätgetränke auch zur Warenklasse 32 zu rechnen sein können.
Grundsätzlich ist die Grenzziehung zwischen den Warenbereichen der „diätetischen Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ einerseits und der „diätetischen Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke“ andererseits schwierig. Der Umstand, dass ein „diätetisches Erzeugnis“ unter die Diätverordnung fällt, rechtfertigt für sich genommen jedenfalls noch nicht die Einordnung als „diätetisches Erzeugnis bzw. Lebensmittel für medizinische Zwecke“, da unter die Diätverordnung auch „diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinischen Zwecke“ fallen können. Um eine Einordnung einer Ware als „diätetisches Erzeugnis bzw. Lebensmittel für medizinische Zwecke“ zu bejahen, ist es andererseits auch nicht erforderlich, dass es sich um ein „diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ (bilanzierte Diäten) handelt im Sinne der Richtlinie 1999/21 EG der Kommision vom 25. März 1999 bzw. im Sinne von § 1 Abs. 4a der Diätverordnung. Aus den nur in italienischer Sprache vorgelegten Produktprospekten kann zwar entnommen werden, dass das vorliegend zu beurteilende Produkt 100 % pflanzlich ist, laktosefrei und deshalb leicht verdaulich ist, kein Cholesterin (Fett) enthält, mit Kalzium und Vitaminen B 2, B 12 und D2 angereichert ist und pflanzliche Proteine enthält. Diese Angaben treffen aber ohne weiteres auf eine große Anzahl von natürlichen Gemüse- und Obstsorten und entsprechend verarbeitete Produkte zu. Als Zielgruppen (consumatori in target) der beworbenen Produkte sind auf den vorgelegten Prospekten „Personen, die auf die Gesundheit achten und über gewisse Esskultur/Esserziehung verfügen, Personen mit Laktoseintoleranz, Personen mit einer Milchproteinallergie und Vegetarier“ angegeben. Diese Angaben sind aber derart breit gefasst, dass nach Auffassung des Senats nicht von einer hinreichend spezifischen medizinischen Zweckbestimmung ausgegangen werden kann, die eine Einordnung dieser Ware als „diätetisches Erzeugnis für medizinische Zwecke“ rechtfertigen könnte. Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich bei einem Sojajoghurt um ein milch- und fettfreies Erzeugnis, das nach seinem tatsächlichen Einsatz und Zweck den Verbrauchern als „Joghurtersatz“ bzw. „Milchersatzprodukt“ dient.
Gegen die Einordnung des „Sojajoghurts“ als „diätetisches Erzeugnis für medizinische Zwecke“ spricht letztlich auch der Vertriebsweg des fraglichen Produkts, weil dieses nach den an Eides Statt versicherten Angaben nicht, wie bei entsprechenden Produkten mit medizinischer Zweckbestimmung üblich, über Apotheken oder spezielle Drogeriemärkte, sondern in erster Linie über eine herkömmliche Supermarktkette vertrieben wird bzw. vertrieben worden ist.
f) Folgt man dem Vorbringen der Widersprechenden und legt das Warenverzeichnis der Widerspruchs-Gemeinschaftsmarke entsprechend der Rechtsauffassung des HABM über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und –eintragungen aus, kann auch dies der Beschwerde vorliegend nicht zum Erfolg verhelfen.
aa. Zum Zeitpunkt der Anmeldung am 31. Oktober 2003 lautete das Verzeichnis der Widerspruchs-Gemeinschaftsmarke EM 343 94 86 in der Klasse 29 „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Konfitüren und Gelees; Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette“. Damit wurden alle zum Zeitpunkt der Anmeldung in der Klassenüberschrift in der Klasse 29 der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe verwendet. Nach der Ziffer IV. der Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des HABM vom 16. Juli 2003 (Ziffer IV. Satz 2, Mitteilung Nr. 4/03, Amtsblatt des HABM 9/2003, Seite 1646), die zum Zeitpunkt der Anmeldung die Rechtsauffassung des Präsidenten des HABM und auch die vom HABM ab diesem Zeitpunkt geübte Amtspraxis wiedergibt, soll die Verwendung aller in den Klassenüberschriften einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe die Beanspruchung aller Waren oder Dienstleistungen umfassen, die dieser Klasse angehören. Nach dem Wortlaut der Mitteilung des HABM-Präsidenten und der vom HABM geübten Amtspraxis bedeutete dies, dass auch solche Waren und Dienstleistungen vom Markenschutz umfasst sein sollten, die sich unter keinen der dort genannten Oberbegriffe subsumieren lassen. Diese Rechtsauffassung und Handhabung widersprach und widerspricht der Rechtsauffassung und der Spruchpraxis in Deutschland, zumal sich der Wortlaut der Mitteilung vom 16. Juli 2003 sogar noch weitergehend dahingehend interpretieren lässt, dass Waren und Dienstleistungen, die es zum Zeitpunkt der Anmeldung noch gar nicht gibt, weil sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erfunden bzw. entwickelt werden, vom entsprechenden Markenschutz in der jeweiligen Klasse umfasst sein sollen. Die Verwendung eines bestimmten Oberbegriffs aus der Klassenüberschrift soll im Übrigen alle Waren oder Dienstleistungen erfassen, die von diesem Oberbegriff abgedeckt sind und ordnungsgemäß derselben Klasse zugeordnet wurden (Ziffer IV Satz 3, Mitteilung Nr. 4/03, a. a. O.), was grundsätzlich der Rechtsauffassung und der Spruchpraxis in Deutschland entspricht. Die nach der Entscheidung des EuGH im Urteil vom 19. Juni 2012 IP-Translator (EuGH, a. a. O.) am 20. Juni 2012 ergangene Mitteilung Nr. 2/12 des HABM-Präsidenten (Amtsblatt HABM) über die Verwendung aller Produktoberbegriffe gemäß den Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und –eintragungen modifiziert für die vor dieser Mitteilung eingetragenen Gemeinschaftsmarken die in der früheren Mitteilung geäußerte Rechtsauffassung dahingehend, dass bei solchen Marken alle Waren und Dienstleistungen abgedeckt sein sollen, die in jener Fassung der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführt sind, die zum Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft war (Abschnitt V. Satz 1 am Ende, Mitteilung Nr. 2/12 des Präsidenten des HABM; vgl. auch Ströbele/Hacker, a. a. O., der von einer Aufhebung der Mitteilung Nr. 4/03 spricht).
Selbst wenn zugunsten der Widersprechenden unberücksichtigt bliebe, dass sie im Rahmen der gegen die Widerspruchsmarke gerichteten Widersprüche auf die Ware „Milchprodukte“ verzichtet hat und weiter von einem im Sinne der Auffassung und Praxis des HABM vollständigen Schutz nach der bei Anmeldung gültigen alphabetischen Liste ausgegangen würde, kann von einem Schutz für die Ware „Sojajoghurt“ nicht ausgegangen werden, weil dieser Warenbegriff in der zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblichen alphabetischen Liste von Waren der Nizzaer Klassifikation, 8. Ausgabe gültig ab 1. Januar 2002, gerade nicht enthalten war. Damit umfasst auch bei unterstellter Maßgeblichkeit der Auslegungsgrundsätze gemäß Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des Amtes vom 16. Juli 2003 in Verbindung mit der Mitteilung Nr. 2/12 des Präsidenten des Amtes vom 20. Juni 2012 der Schutzumfang der Widerspruchsmarke nicht die Ware „Sojajoghurt“. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ware Sojajoghurt unter einen anderen Warenbegriff der vorliegend maßgeblichen alphabetischen Liste vom 1. Januar 2002 zur Warenklasse 29 der Nizzaer Klassifikation subsumiert werden könnte.
bb. Der Senat sieht keinen Raum für eine Auslegung des hier zu beurteilenden Warenverzeichnisses dahingehend, dass Schutz auch für solche Waren besteht, die nach der Anmeldung in die alphabetische Liste aufgenommen worden sind oder in der alphabetischen Liste überhaupt nicht genannt sind und auch keinem in den Klassenüberschriften genannten Oberbegriff unterfallen. Im Übrigen ist eine Auslegung des Warenverzeichnisses dergestalt, dass mit dem verzichtbedingten Wegfall eines Oberbegriffs „Milchprodukte“ nur dieser wegfallen und davon abgedeckte Waren gleichwohl noch vom Schutz umfasst sein sollen, widersinnig und kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Diese Auslegungsvarianten widersprechen auch dem in der Entscheidung des EuGH IP-Translator (EuGH, a. a. O. – IP-Translator) postulierten Grundsatz der Klarheit und Eindeutigkeit des Warenverzeichnisses. Der EuGH hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom Anmelder verlangt, die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können (EuGH, a. a. O.- IP-Translator, Tz. 49; ebenso Urteil vom 10. Juli 2014 – C-420/13 – Netto Marken-Discount, Tz. 44 – juris). Bei einer Verwendung der in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe muss der Anmelder klarstellen, ob sich die Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführte Ware oder Dienstleistungen bezieht und diese gegebenenfalls benennen (EuGH, a. a. O. – IP-Translator, Tz. 61; a. a. O. – Netto Marken-Discount, Tz. 49, 51). Nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des EuGH erfüllt eine Anmeldung, die nicht erkennen lässt, ob der Anmelder durch die Verwendung der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation alle oder nur einen Teil der Waren dieser Klasse beansprucht, nicht das Erfordernis der hinreichenden Klarheit und Eindeutigkeit. Nach dem auch vor der genannten Entscheidung des EuGH maßgeblichen deutschen Rechtsverständnis muss das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen die angegebenen Waren/Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke auch im Registerverfahren schnell, umfassend und unmissverständlich feststellbar ist (vgl. auch Mitteilung Nr. 11/12 der Präsidentin des DPMA über die Verwendung der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation für die Eintragung von Marken vom 29. Juni 2012, Homepage DPMA – www.dpma.de; Ströbele/Hacker, a. a. O. § 32 Rdnr. 98; Ströbele in Mitt. 2004, 251). Hintergrund ist, dass Dritte und insbesondere Konkurrenten eines Anmelders bzw. Markeninhabers klar und eindeutig aus dem Register ersehen können müssen, auf welche bestimmten Waren/Dienstleistungen sich der Schutz einer Marke erstreckt. Mit dieser „Publizitätsfunktion“ des Markenregisters ist eine Rechtsunsicherheit dahingehend, dass sich der Schutzumfang eines eingetragenen Zeichens nicht allein anhand des Registers bestimmen lässt, sondern im Rahmen einer Markenrecherche unter Zuhilfenahme externer Datenbanken zum jeweils einschlägigen Inhalt der Nizzaer Klassifikation, nicht zu vereinbaren. Die Klassenüberschriften einer Klasse wiederum dienen allein dazu, bestimmte Sachgebiete zu bezeichnen, um eine brauchbare Einteilung aller nur denkbaren Waren oder Dienstleistungen zu ermöglichen. Aus der Natur der Sache heraus kann eine solche Einteilung nicht umfassend sein, sodass sich eine Vielzahl von Waren/Dienstleistungen eines Sachgebiets schlichtweg nicht unter die Oberbegriffe der Klassenüberschriften subsumieren lassen wird. Daraus ergibt sich aber auch, dass die Klassenüberschriften keine wirklich aus sich heraus verständliche, zuverlässige und ausreichend eingrenzbare Information über die konkret erfassten Waren oder Dienstleistungen liefern können. Die Annahme, alle Waren oder Dienstleistungen der Klasse seien vollständig vom Schutz erfasst, würde im Ergebnis der Publizitätsfunktion des Markenregisters widersprechen, weil dann der Schutzgegenstand der eingetragenen Marke tatsächlich nur aufgrund einer Recherche in den Waren und Dienstleistungen der Nizzaer Klassifikation zu ermitteln wäre, die zum maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft war. Angesichts dessen ist kein Raum für eine Auslegung des Verzeichnisses dahingehend, dass bei Verwendung eines Oberbegriffs auch solche Waren vom Schutz einer Marke umfasst sind, die möglicherweise mit dem Oberbegriff in direktem Zusammenhang stehen, von dem Begriff aber nach dem üblichem Sprachverständnis nicht umfasst sind. Dies gilt erst recht, wenn ein möglicher, die Ware umfassender Oberbegriff, wie vorliegend beispielsweise Milchprodukte mit der davon abgedeckten Ware Joghurt zu einem späteren Zeitpunkt entfallen ist. Eine Auslegung des Warenverzeichnisses, dass auch nach dem Wegfall des Oberbegriffs darunter fallende Begriffe noch vom Schutz der Marke umfasst sind, ist widersinnig und offensichtlich unzulässig. Eine solche Auslegung widerspräche dem klaren und objektiven Erklärungsinhalt einer vorausgegangenen entsprechenden Verzichtserklärung bzw. ggfs. Löschungsanordnung.
Auch wenn es vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich ist, bleibt anzumerken, dass ausgehend von den vorstehenden dargestellten Rechtsgrundsätzen auch die aktuelle Rechtsauffassung und Amtspraxis des HABM gemäß den Mitteilungen des Präsidenten des Amtes Nr. 4/03 vom 16. Juli 2003 und 2/12 vom 20. Juni 2012, wonach Marken, die vor dem 20. Juni 2012 eingetragen worden sind und die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis alle (zum Zeitpunkt der Anmeldung) in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe enthalten, Schutz genießen sollen in Bezug auf sämtliche in der maßgeblichen alphabetischen Liste zu der entsprechenden Klasse enthaltenen Produkte, fundamentalen registerrechtlichen Grundsätzen und auch der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH gemäß IP-Translator (a. a. O.) widerspricht. Zunächst ist es für die Öffentlichkeit und insbesondere für die Mitbewerber von Inhabern solcher Marken bereits schwierig festzustellen, ob die betreffende Marke überhaupt unter diese Kategorie von Marken mit allen in der Klassenüberschrift enthaltenen Oberbegriffen einer bestimmten Klasse fällt. Denn auch diese Oberbegriffe unterliegen einem gewissen Wandel. So ist z. B. in der Klasse 29 das „tiefgekühlte Obst und Gemüse“ erst nach dem Jahr 2006 in die Klassenüberschrift aufgenommen worden. Die Feststellung, ob eine bestimmte Marke unter die oben bezeichnete Kategorie fällt, kann also nur dann sicher getroffen werden, wenn die zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgebliche Auflistung von Oberbegriffen in der jeweiligen Klassenüberschrift mit der Liste der beanspruchten Produkte verglichen wird. Auch wenn bei diesem Datenabgleich eine exakte Übereinstimmung festgestellt werden kann, steht der Schutzumfang der Marke gleichwohl noch nicht fest. Denn hierzu muss auch noch die zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgebliche alphabetische Liste der Nizzaer Klassifikation, die ebenfalls einem beständigen Wandel unterliegt, hinzugezogen werden. Der Schutzumfang einer solchen Marke kann demzufolge nicht unmittelbar aus dem Register entnommen werden. Vielmehr bedarf es hierfür eines zweistufigen Datenabgleichs, wobei diese Daten, insbesondere dann, wenn die Anmeldung mehrere Jahre zurückliegt, noch nicht einmal ohne weiteres zugänglich sind. Die Feststellung des genauen Schutzumfangs einer solchen Marke verlangt selbst von ausgewiesenen Klassifikationsexperten einen nicht unerheblichen Rechercheaufwand. Nach Auffassung des Senats ist offensichtlich, dass diese Rechtsmeinung und Praxis des HABM mit dem registerrechtlichen Publizitätsgedanken, durch den das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Mitbewerber befriedigt werden soll, nicht vereinbar ist. Soweit der EuG inzwischen in zwei Entscheidungen (vgl. dazu die Urteile des EuG in den Verfahren T-66/11 vom 31. Januar 2013 – babilu/BABIDU und T-51/12 vom 30. September 2014 – LAMBRETTA I; beide Entscheidungen sind kurz dargestellt und kommentiert in GRUR-Prax, nämlich GRUR-Prax 2013, 82 und GRUR-Prax 214, 496) die Praxis des HABM u. a. mit Vertrauensschutzerwägungen gebilligt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Fundamentale Grundsätze des Registerrechts, durch die das überragend wichtige Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Mitbewerber in Bezug auf den Schutzumfang einer Marke (eines Konkurrenten) realisiert wird, können und dürfen nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Einzelner geopfert werden.
Selbst wenn allen von Seiten der Widersprechenden vorgetragenen Gesichtspunkten umfänglich unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung und der Praxis des HABM Rechnung getragen wird, fehlt es vorliegend an einer Benutzung der Widerspruchs-Gemeinschaftsmarke für eine von ihrem Schutz umfasste Ware und einem diese Ware umfassenden Warenoberbegriff. Der Widerspruch ist daher unbegründet und die Beschwerde entsprechend zurückzuweisen.
2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten. Weder war über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erachten (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Der Senat hat bei der Beurteilung der Frage nach dem Schutzumfang der Widerspruchs-Gemeinschaftsmarke die hierfür von der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 19. Juni 2012 – C 307/10 – IP-Translator, a. a. O.; Urteil vom 10. Juli 2014 – C – 420/13 – Netto Marken-Discount) entwickelten Kriterien zur Auslegung des Warenverzeichnisses und zur Frage der Reichweite der Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation in dem vorliegenden Einzelfall angewendet. Über die Bewertung der konkreten tatsächlichen Umstände hinaus, wirft der zu entscheidende Fall keine noch nicht geklärten Rechtsfragen auf, insbesondere kommt es vorliegend nicht auf die von der Widersprechenden aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses von Gemeinschaftsmarken, die vor der IP-Translator Entscheidung angemeldet worden sind, durch nationale Ämter und durch das HABM an. Aus denselben Gründen war auch eine Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht geboten.
3. Eine Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG war nach dem Umständen des Falles nicht veranlasst.