Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2013


BPatG 28.06.2013 - 29 W (pat) 40/12

Markenbeschwerdeverfahren – "ZEUS-RENTENSCHUTZBRIEF/DRSB DEUTSCHER RENTENSCHUTZBRIEF – VORSORGE WOHLSTAND SICHERHEIT" - zur rechtserhaltenden Benutzung – zu berechtigten Gründen für die Nichtbenutzung – kein Vorliegen von berechtigten Gründen für die Nichtbenutzung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2013
Aktenzeichen:
29 W (pat) 40/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 000 462

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. Juni 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker sowie der Richterinnen Kortge und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke 30 2008 000 462

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ZEUS-RENTENSCHUTZBRIEF

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ist am 22. Mai 2008 in das Markenregister bei dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen worden für folgende Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

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Klasse 35: Werbung;

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Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte.

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 Die Eintragung wurde am 27. Juni 2008 veröffentlicht.

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Hiergegen haben die Beschwerdeführer Widerspruch erhoben aus der am 21. Juni 2005 eingetragenen Wortmarke 305 11 892

        

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DRSB DEUTSCHER RENTENSCHUTZBRIEF – VORSORGE WOHLSTAND SICHERHEIT

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 die eingetragen ist für die Dienstleistungen der

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Klasse 35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten;

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Klasse 36: Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen;

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Klasse 42: wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und –software, Rechtsberatung und –vertretung.

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Durch Beschlüsse vom 17. Februar 2011 und 19. Dezember 2011, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat das DPMA den Widerspruch zurückgewiesen.

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Zwischen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil die Zeichen in ihrer Gesamtheit wegen unterschiedlicher Länge und Vokalfolge einander unähnlich seien. Die Widerspruchsmarke sei nur schwach kennzeichnungskräftig, ihre Elemente seien beschreibend. Für eine Abspaltung einzelner Elemente der Widerspruchsmarke bestehe kein Anlass. Dem beiden Marken gemeinsamen Bestandteil „Rentenschutzbrief“ komme keine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Er beschreibe für die Dienstleistungen im Bereich des Versicherungswesens den Gegenstand der Dienstleistungen. Auch für die im Bereich des Finanzwesens, der Geldgeschäfte und der Werbung beanspruchten Dienstleistungen weise er einen beschreibenden Bezug auf. Die angesprochenen Verkehrskreise, die allgemeinen Verbraucher, verbänden mit dem Begriff die Vorstellung, dass mit einem Rentenschutzbrief alle im Zusammenhang mit der Rente bestehenden Risiken versichert werden könnten. Zudem seien die Anfänge der im Vergleich stehenden Zeichenfolgen, auf die das Publikum besonders achte, mit „ZEUS“ und „DRSB“ völlig unterschiedlich. Nachdem im Erinnerungsverfahren die Einrede der Nichtbenutzung zulässig erhoben worden sei und die Widersprechenden die Benutzung nicht nachgewiesen hätten, fehle es an einer Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, sodass die Frage der Markenähnlichkeit im Erinnerungsverfahren nicht mehr zu erörtern gewesen sei.

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Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragen,

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die Beschlüsse des DPMA vom 17. Februar 2011 und 19. Dezember 2011 aufzuheben und dem DPMA aufzugeben, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

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Sie tragen vor, bei dem Ähnlichkeitsvergleich der Marken sei wesentlich auf das in beiden Marken identische Element „Rentenschutzbrief“ abzustellen. Dabei handele sich um ein Kunstwort, das die Kernaussage der Widerspruchsmarke enthalte und für beide Marken prägend sei. Erst durch diesen Begriff werde für den Empfänger deutlich, worum es bei der Dienstleistung gehe. Für die Benutzung sei maßgeblich auf das Angebot gegenüber Versicherungen abzustellen. Ein Angebot gegenüber den Endabnehmern von Versicherungen sei den Beschwerdeführern nicht möglich, da sie nicht die nach § 5 VAG erforderliche Erlaubnis der Aufsichtsbehörde besäßen, die nur Versicherungen und Banken erteilt werde. Sie, die Beschwerdeführer, hätten Versicherungsprodukte unter der Widerspruchsmarke verstärkt seit dem Kalenderjahr 2005 mehreren Versicherungsgesellschaften angeboten, darunter auch der Muttergesellschaft der Beschwerdegegnerin. Zu Geschäftsabschlüssen sei es jedoch nicht gekommen, möglicherweise wegen der Kritik der Widersprechenden an der Versicherungsbranche im Zusammenhang mit der sogenannten Riesterrente über den V… e.V. Nun beanspruche die Beschwerdegegnerin das von den Widersprechenden entwickelte Produkt „Rentenschutzbrief“ in unlauterer Weise für sich. Die Nichtbenutzung der Marke gegenüber Endverbrauchern beruhe daher auf berechtigten Gründen und könne den Widersprechenden gemäß § 26 MarkenG nicht entgegengehalten werden.

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Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie hält die im Erinnerungsverfahren erhobene Einrede der Nichtbenutzung aufrecht. Die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Gründe für die Nichtbenutzung der Marke genügten nicht. Unabhängig davon bestehe keine Verwechslungsgefahr, da die zu vergleichenden Zeichen einander nicht ähnlich seien. Wegen des beschreibenden Inhalts des Begriffs „Rentenschutzbrief“ sei dieser nicht geeignet, die zu vergleichenden Zeichen zu prägen oder dort eine selbständig kennzeichnende Stellung einzunehmen. Das einzige unterscheidungskräftige Element sei die Buchstabenfolge DRSB am Anfang der Widerspruchsmarke. Der Verkehr werde wegen seiner Neigung zur Verkürzung die Widerspruchsmarke nur mit diesem Kürzel benennen, während die jüngere Marke mit dem unterscheidungskräftigen Element „Zeus“ verkürzt benannt werde. Wegen dieser Unterschiede sei eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.

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Zum weiteren Vortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

23

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

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Zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, weil die Beschwerdeführer die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke auf die zulässig erhobene Einrede der Nichtbenutzung gemäß §§ 43 Abs. 1, 26 Abs. 1 MarkenG nicht glaubhaft gemacht haben und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

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Die Beschwerdegegnerin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke am 5. August 2011 gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG bestritten. In dem undifferenzierten Bestreiten der Benutzung ist regelmäßig die Erhebung sowohl der Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch der Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zu sehen (BGH GRUR 2008, 719 Rdnr. 20 – idw Informationsdienst Wissenschaft). Das Bestreiten der Benutzung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ist jedoch unzulässig, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 21. Juni 2005 eingetragenen Widerspruchsmarke bei Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 27. Juni 2008 noch nicht verstrichen war. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG waren dagegen bei Erhebung der Einrede am 5. August 2011 erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke abgelaufen. Daher mussten die Beschwerdeführer gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 26 Abs. 1 MarkenG die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, also für die Zeit von 28. Juni 2008 bis 28. Juni 2013 nach Art, Zeit, Ort und Umfang darlegen und glaubhaft machen. Dies ist ihnen nicht gelungen.

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Für eine ernsthafte Benutzung gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen verwendet wird, für die sie eingetragen ist (BGH GRUR 2009, 772 – Augsburger Puppenkiste). Dazu sind Angaben über die Art und Weise der Verwendung der Marke, über die erzielten Umsätze, den räumlichen Umfang und den Zeitraum der Benutzung vorzutragen und glaubhaft zu machen. Angaben der Beschwerdeführer dazu fehlen völlig. Aus ihrem Vortrag geht im Gegenteil hervor, dass sie bisher keinerlei Umsätze mit der Marke erzielt haben. Ihre Angaben zu den Vertriebsbemühungen ihrer Versicherungsprodukte gegenüber Versicherungsunternehmen genügen für die Annahme einer ernsthaften Benutzung nicht. Aus dem Vortrag ist nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum ab 2008 Bemühungen angestrengt haben, um ihre Versicherungsprodukte bei Versicherern und Banken zu vermarkten, welche Produkte sie angeboten haben und wie die Widerspruchsmarke in diesem Zusammenhang verwendet worden ist.

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Berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke gemäß § 26 Abs. 1 letzter Halbsatz MarkenG liegen nicht vor. Der Benutzungszwang findet seine Rechtfertigung in dem Zweck der Marke, der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen nach ihrer Herkunft zu dienen, und in dem Interesse der Allgemeinheit, die Zeichenrolle von unbenutzten Zeichen freizumachen, um andere Gewerbetreibende in die Lage zu versetzen, diese oder ähnliche Zeichen selbst zu benutzen oder für sich eintragen zu lassen (BGH GRUR 2007, 321 – COHIBA). Als berücksichtungsfähige Hinderungsgründe kommen nur vom Willen des Markeninhabers unabhängige Umstände in Betracht, die einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke aufweisen und ihre Benutzung unmöglich oder unzumutbar machen (EuGH GRUR 2007, 702, 705 Rdnr. 54 – Armin Häupl/Lidl; GRUR 2008, 343, 347 Rdnr. 102 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM). Bei von ihm unabhängigen, aber überwindbaren Hindernissen muss sich der Markeninhaber um deren Überwindung bemühen, und zwar bis an die Grenze der Zumutbarkeit, was eine Änderung der Unternehmensstrategie einschließen kann (EGH a. a. O. - Armin Häupl/Lidl). Nur besondere Umstände, die dem Einfluss des Markeninhabers nicht zugänglich sind, können berücksichtigt werden (BGH GRUR a. a. O. – COHIBA). Dies können zum Beispiel höhere Gewalt, aber auch länger anhaltende Exportverbote oder Verzögerungen in der Zulassung von Produkten sein, auf die der Markeninhaber keinen Einfluss hat.

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Die fehlende versicherungsrechtliche Genehmigung zum Vertrieb der unter der Marke angebotenen Waren oder Dienstleistungen ist kein solcher Grund. Denn es ist Sache des Unternehmers, die Voraussetzungen zu schaffen, die erforderlich sind, um die von ihm angebotenen Leistungen vertreiben zu dürfen. Kommt er dem nicht nach und kann er deshalb die für die Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht vertreiben, fällt dies in seinen Risikobereich und rechtfertigt es nicht, der unbenutzten Marke über die Benutzungsschonfrist hinaus Schutz zu gewähren.

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Gleiches gilt für den Fall, dass der Markeninhaber keine Abnehmer für die unter der Marke angebotenen Produkte findet. Die Widersprechenden wussten, dass ihnen zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens, im Rahmen dessen sie das mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Versicherungsprodukt hätten anbieten können, die Erlaubnis der Aufsichtsbehörde nach § 5 VAG fehlte. Sie hatten auch nicht vor, diese Genehmigung zu beantragen, sondern wollten Versicherungen als Produktpartner gewinnen, was ihnen aber innerhalb der Benutzungsschonfrist nicht gelungen ist. Beide Hindernisse sind grundsätzlich überwindbar, fallen in die unternehmerische Risikosphäre der Beschwerdeführer und führen daher nicht zur Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Benutzung. Daher ist es nach Ablauf der Benutzungsschonfrist nicht mehr gerechtfertigt, der Marke registerrechtlichen Schutz zu gewähren, weil dieser nach dem Willen des Gesetzgebers nur den auf dem Markt präsenten Marken zukommen soll.