Entscheidungsdatum: 28.06.2017
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 395 08 178 – S 230/13 Lösch
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die dreidimensionale Marke
ist am 23. Februar 1995 angemeldet und am 5. September 1996 unter der Nummer 395 08 178 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
Klasse 32: alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare.
Am 9. August 2013 hat die Beschwerdeführerin die Löschung dieser Marke mit der Begründung beantragt, die angegriffene Marke sei entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 1 MarkenG eingetragen, weil alle Merkmale, die den Gesamteindruck dieser Verpackungsmarke bestimmten, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich oder durch die Art der Ware selbst bedingt seien. Die angegriffene Marke gebe die einfachste und zweckmäßigste Form eines sog. Standbeutels aus flexibler, metallisch beschichteter Kunststoff– oder Laminatfolie wieder. Sämtliche Merkmale seien Gegenstand längst abgelaufener Patente. Wegen der Einzelheiten der vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften wird auf die Anlagen A 1 bis A 4 (Bl. S. 14 – S. 37 VA) sowie BE 2 und BE 3 (Bl. 96 – 112 GA) Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hat am 28. Oktober 2013 dem ihr am 30. August 2013 zugestellten Löschungsantrag widersprochen mit der Begründung, keines der wesentlichen Merkmale der angegriffenen Marke erfülle eine technische Funktion. Die Streitmarke zeichne sich durch gerade umlaufende Seitenkanten aus, die zum dichten Verschluss der Verpackung nicht erforderlich seien. Diese könnten auch von links nach rechts, schräg, rund oder anders verlaufen und breiter oder dünner sein. Dass die Form der angegriffenen Marke nicht zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei, zeige sich auch daran, dass es noch drei andere für die Beschwerdeführerin im Jahre 1998 als 3-D-Marken eingetragene Beutelformen (39836281, 39836282, 39836283) gebe.
Mit Beschluss vom 21. August 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die angegriffene Marke gelöscht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die den Gesamteindruck der angegriffenen Marke im Wesentlichen bestimmenden Merkmale seien die in der Vorderansicht viereckige Verpackungsform aus flexibler Folie, die durch Schweißnähte abgesetzten umlaufenden Seitenkanten, die gefaltete mit den Seitenflächen verbundene Unterseite, die sich kreisförmig ausbreiten lasse, die in der Seitenansicht nach oben spitz zulaufenden Seiten, die zusammen mit dem Boden eine dreieckige Form bildeten und die sich in der Vorderansicht nach unten leicht verjüngende Form. Allen diesen Merkmalen könnten technische Funktionen zugeschrieben werden. Die viereckige Verpackungsform aus flexibler Folie diene der besseren Handhabbarkeit der Verpackung, indem sie platzsparend gelagert oder transportiert werden könne und auf Druck nachgebe, so dass sie Schäden durch Stoß oder Druck entgegenwirke. Die Schweißnähte an den Rändern dienten der Verbindung und dem sicheren Verschluss der Folienseiten. Die gefaltete Unterseite erlaube der eingefüllten Flüssigkeit sich auszubreiten und gebe dem Beutel den nötigen Stand. Für einen besseren Stand des befüllten Beutels sorge auch die Zusammenführung der beiden Folienseite oben, indem der Schwerpunkt der Flüssigkeit am ausgeweiteten Boden liege. Die Wölbung des Standbeutels bzw. seine optisch wahrgenommene Verjüngung nach unten ergebe sich aus dem Volumen, das die Flüssigkeit im Standbeutel aufgrund seiner Form einnehme, und diene gleichfalls dem besseren Stand des Beutels. Mit der Streitmarke vergleichbare Formen seien in den von der Antragstellerin eingereichten Patentschriften beschrieben. Über individualisierende nicht-technische Gestaltungsmerkmale verfüge die angegriffene Marke nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie trägt vor, das Foto eines Regals für alkoholfreie Getränke vom 17. Juni 2017 belege, dass es sich bei der angegriffenen Marke nicht um eine Grundform im Bereich der Getränkeverpackungen handele. Sie habe als erste diese Form vor fast 50 Jahren als Verpackungsform für Fruchtsaftgetränke auf den Markt gebracht. Weder die durch Schweißnähte abgesetzten umlaufenden geraden Seitenkanten noch die in der Seitenansicht nach oben spitz zulaufenden Seiten, die sich in der Vorderansicht nach unten leicht verjüngende Form, die gewölbte und bauchige Form oder der nach innen gewölbte Boden ließen als wesentliche Merkmale der Streitmarke eine technische Bedingtheit erkennen. Die Schweißnähte, nicht aber die umlaufenden, formgebenden geraden Seitenkanten des Beutels als wesentliches, die Form mitbestimmendes Merkmal verhinderten das Auslaufen der Flüssigkeit. Die Form der Seitenkanten, mit der sich das DPMA nicht auseinandergesetzt habe, sei frei wählbar, wie zahlreiche am Markt erhältliche Standbeutel im Getränkebereich zeigten, bei denen kreativ gestaltete Formen der Seitenkanten als ästhetisches Mittel eingesetzt würden (Anlage B2, Bl. 38 GA und Anlagenkonvolut B3, Bl. 39 GA). Sie erfüllten somit eine ästhetische Funktion. Sie ermöglichten auch keine Platzersparnis bei Lagerung oder Transport. Mehrere dreidimensionale Formmarken in Klasse 32 hätten dann nicht eingetragen werden dürfen (Anlagenkonvolut B4, Bl. 41 GA). Keine der Patentschriften beziehe sich auf die (gerade) Form der Seitenkanten, sondern nur auf die Verschweißungen. Ob dadurch eine kostengünstige Produktion der Beutel möglich sei, sei unbeachtlich, da der Herstellungsprozess für die Frage der Erreichung einer technischen Wirkung rechtlich außer Betracht zu bleiben habe. Auch ein Handelsgericht in Brüssel habe am 23. Dezember 2015 (Anlagenkonvolut B 6, Bl. 126 GA ff.) in einem Verletzungsverfahren mit Löschungswiderklage zum Benelux-Teil der identischen IR-Marke die Auffassung vertreten, die geraden Ränder seien ein wichtiges, nicht funktional bedingtes Element, weil es zahllose Beutel gebe, bei denen die seitlichen Ränder anders verliefen. Da der Boden leicht nach innen gewölbt sei, stehe der Beutel auf sehr schmalen Kanten, so dass schon kleinste Erschütterungen oder eine unebene Standfläche den Beutel zum Kippen brächten. Selbst bei ebener Fläche bestehe wegen der bauchigen Form eine Kippgefahr, weil der Boden mit der Wölbung der langen Seitenkanten maximal auf drei Punkten stehen könne. Die nach oben spitz zulaufenden Seiten sowie die sich in der Vorderansicht nach unten leicht verjüngende Form bewirkten ebenfalls keine bessere Standfestigkeit. Der Beutel sei zudem nicht ergonomisch geformt und habe keine Greifmulde. Die viereckige Verpackungsform und die flexible Folie führten nicht zu einer besseren Handhabbarkeit. Der Beutel könne auch nicht platzsparend gelagert oder transportiert werden, weil anders als bei quaderförmigen Getränkekartons die bauchige und gewölbte Form unvorteilhafte Lücken entstehen lasse, die zu Impulsstauchungen und zu Schäden am Verpackungsgut führten. Die Form des eingetragenen Beutels sei weder gattungstypisch noch gebrauchstauglich, so dass auch der Löschungsgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht gegeben sei.
Sie beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. August 2014 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin und die Streithelferin beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen beide die angefochtene Entscheidung und vertreten die Auffassung, bei den gerade verlaufenden Seitenkanten handele es sich nicht um ein für den Gesamteindruck der Marke wesentliches Gestaltungsmerkmal. Denn sie seien Bestandteil der typischen rechteckigen Grundform für Fruchtsaftverpackungen in Standbeutelform und führten zu keinem nicht-technischen, ästhetischen Überschuss. Technisch sorgten die Seitenkanten nicht nur für den Abschluss der Verpackungen, der ein Austreten der Flüssigkeit verhindere, sondern gewährleisteten im Gegensatz zu Beuteln mit seitlichen Einbuchtungen oder Ausstülpungen oder mit einer dreieckigen Form auch ein gutes Verhältnis zwischen Verpackungsvolumen und Standfestigkeit. Durch die parallel verlaufenden Seitenkanten könnten zudem bei der Produktion die Folienbahnen gerade und ohne Materialverlust geschnitten werden, so dass diese die technisch sinnvollste, einfachste und kostengünstigste Lösung bildeten. Ferner sparten Standbeutel mit geraden Längsseiten Platz bei der Lagerung und erleichterten den Transport gegenüber Schlauchbeuteln desselben Volumens mit nach innen gerundeten Seitenkanten (Anlage BE 4). Die Zusammenführung der beiden Folienseiten oben sorgten für einen besseren Stand des befüllten Beutels. Die in der Vorderansicht bauchige, sich nach unten verjüngende Form, die sich zwangsläufig bei der Befüllung des Beutels ergebe, habe den Vorteil, dass der Benutzer ihn im unteren Bereich sehr gut greifen könne. Durch den steifen Rahmen der Bodenschweißnaht und die ovale, faltige Bodenform werde dem Beutel nach Befüllung eine außerordentliche Standfestigkeit verliehen. Die Flexibilität der Verpackungsfolie wirke nicht nur Schäden bei Lagerung und Transport entgegen, weil sie starkem Druck und Schlag nachgebe, ohne das Risiko einer Rissbildung bestehe, sondern erleichtere die Handhabung und ermögliche eine platzsparende Entsorgung. Ein Standbodenbeutel als Verpackung für Getränke sei gattungstypisch, an ihn seien die Verbraucher schon im Anmeldezeitpunkt gewöhnt gewesen. Er weise mehrere wesentliche Gebrauchseigenschaften auf, die zu den gattungstypischen Funktionen von Getränkeverpackungen zählten: Er stehe gut und beanspruche als stehende Verpackung weniger Platz. Aufgrund seiner Flexibilität lasse er sich gut festhalten und beuge Verpackungsbrüchen vor. Deshalb seien auch alle Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfüllt.
In der mündlichen Verhandlung haben die Verfahrensbeteiligten ihre Standpunkte vertieft und näher erläutert. Die Antragsgegnerin hat unter Verwahrung gegen die Beweislast beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen zu der Frage, ob es sich bei der Streitmarke um die Grundform einer Verpackung im Bereich der alkoholfreien Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare handelt, und zu der Behauptung, dass die gerade umlaufenden Seitenkanten nicht technisch bedingt sind. Ferner hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu mehreren Fragen angeregt, erstens, ob es für die Frage der Grundform eine Rolle spiele, ob es zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke andere von der Verpackungsgestaltung abweichende Formen gegeben habe bzw. ob eine Verpackungsformart grundsätzlich und immer die Grundform dieser Verpackung im hier betroffenen Warenbereich darstelle, zweitens, nach welchen Kriterien sich die Grundform einer Verpackung in den Fällen einer formlosen Ware bestimme, drittens, ob es sich bei den aufgeworfenen Fragen um Rechts- oder Tatsachenfragen handele, und viertens, wie man die technische Wirkung prüfe und ob es sich dabei um eine Tatsachen- oder Rechtsfrage handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet, da der angegriffenen dreidimensionalen Marke sowohl zum Anmeldezeitpunkt als auch zum Entscheidungszeitpunkt das Schutzhindernis der technisch bedingten Form gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstand bzw. entgegensteht. Die Markenabteilung hat sie deshalb zu Recht gelöscht (§§ 50 Abs. 1 und 2, 54 MarkenG).
1. Eine Marke ist auf Antrag gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 3, 7, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG zu löschen, wenn sie sowohl bezogen auf den Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) als auch bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) schutzunfähig war bzw. ist.
2. Die nach § 3 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich markenfähige angegriffene dreidimensionale Gestaltung bestand schon zum Anmeldzeitpunkt ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, und dieses Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht auch gegenwärtig fort.
a) Gegenstand der angegriffenen Marke ist die dreidimensionale photographische Wiedergabe der Form eines Standbeutels aus fünf Perspektiven, die in Verbindung mit den beanspruchten Waren der Klasse 32 „alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare“ eine Getränkeverpackung darstellt.
b) Zwar ist hier nicht die Ware selbst, sondern deren Verpackung zu beurteilen, diese ist aber dann der Ware gleichzustellen, wenn die Ware – wie hier – wegen ihrer flüssigen Konsistenz keine eigene Form besitzt und eine Verpackung zwingend braucht (EuGH, GRUR 2004, 428 Rdnr. 37 – Henkel).
c) Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 MarkenG gilt daher nicht nur für Waren-, sondern auch für Verpackungsformen.
d) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist ein Zeichen, das ausschließlich aus einer Form besteht, dem Markenschutz nicht zugänglich, wenn die Form zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.
aa) Zweck dieses – nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwindbaren – Ausschlussgrundes ist es, eine Monopolisierung technischer Lösungen oder Gebrauchseigenschaften von Waren im Wege des Markenschutzes zu verhindern (EuGH MarkenR 2017, 266 Rdnr. 33 – Yoshida/EUIPO; GRUR 2010, 1008 Rdnr. 43 - 46 – Lego; GRUR 2003, 514 Rdnr. 72 – Linde, Winward u. Rado; BGH GRUR 2010, 231 Rdnr. 25 – Legostein; GRUR 2008, 71 Rdnr. 13 – Fronthaube; GRUR 2008, 510 Rdnr. 11 – Milchschnitte). Technische Lösungen stehen entweder unter dem – zeitlich begrenzten – Sonderschutz des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts oder sie sind gemeinfrei. Durch das in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG normierte Verbot wird sichergestellt, dass Unternehmen nicht das Markenrecht in Anspruch nehmen können, um ausschließliche Rechte für technische Lösungen ohne zeitliche Begrenzung auf Dauer festzuschreiben (EuGH a. a. O Rdnr. 45 – Lego). Mit den Wörtern „ausschließlich” und „erforderlich” stellt diese Bestimmung sicher, dass allein diejenigen Warenformen von der Eintragung ausgeschlossen sind, durch die nur eine technische Lösung verkörpert wird und deren Eintragung als Marke deshalb die Verwendung dieser technischen Lösung durch andere Unternehmen tatsächlich behindern würde (EuGH a. a. O. Rdnr. 26 – Yoshida/EUIPO; a. a. O. Rdnr. 48 – Lego).
bb) Dieses Eintragungshindernis setzt voraus, dass die Form in ihren wesentlichen Merkmalen für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend ist, selbst wenn diese Wirkung durch andere Formen erzielt werden kann, die die gleiche oder eine andere technische Lösung nutzen (EuGH a. a. O. Rdnr. 50 ff. – Lego; EuGH GRUR 2002, 804 Rdnr. 83 - Philips/Remington; BGH a. a. O. – Legostein; GRUR 2006, 589 Rdnr. 18 - Rasierer mit drei Scherköpfen). Es kommt daher nicht darauf an, ob sich die gleiche technische Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen lässt.
cc) Die Schutzfähigkeit einer solchen Marke kann nach dieser Bestimmung allerdings dann nicht abgelehnt werden, wenn in der Form ein wichtiges nichtfunktionales Element, wie ein dekoratives oder phantasievolles Element, verkörpert wird, das für diese Form von Bedeutung ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 27 – Yoshida/EUIPO; a. a. O. Rdnr. 52, 59, 72 – Lego). Dabei ist der Ausdruck „wesentliche Merkmale“ so zu verstehen, dass er sich auf die wichtigsten Merkmale der Marke bezieht (EuGH a. a. O. Rdnr. 69 – Lego).
dd) Die Ermittlung dieser Merkmale ist im Wege einer Einzelfallbeurteilung vorzunehmen und kann bei einem nicht allzu schwierig gelagerten Fall – wie hier – anhand einer bloßen visuellen Prüfung der Marke erfolgen (EuGH a. a. O. Rdnr. 70 f. – Lego). Dabei ist die vermutete Wahrnehmung der Marke durch die angesprochenen Verkehrskreise allenfalls ein nützliches Beurteilungskriterium (EuGH a. a. O. Rdnr. 76 – Lego).
e) Zur Prüfung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind zunächst die wesentlichen Merkmale der Form zu bestimmen (EuGH a. a. O. – Philips/Remington; BGH a. a. O. – Rasierer mit drei Scherköpfen, BGH a. a. O. – Legostein), wobei die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, nämlich der Durchschnittsverbraucher und des Getränkefachhandels, zu berücksichtigen ist.
aa) Der Senat, dessen Mitglieder ebenfalls zu den von den registrierten Getränken angesprochenen Verkehrskreisen gehören, ist nach einer Prüfung der dreidimensionalen Formmarke zu dem Ergebnis gelangt, dass die folgenden sechs augenfälligen Merkmale der angegriffenen Verpackungsform als wesentlich anzusehen sind:
1. ein aufrecht stehender Beutel,
2. mit flachen Kanten an den Seiten und am oberen Rand,
3. mit einem oval aufgefalteten Boden,
4. mit bauchiger Wölbung, nach unten leicht verjüngend,
5. mit in der Seitenansicht keilförmig nach oben spitz zulaufenden Seiten
6. aus flexiblem, undurchsichtigem Material.
bb) Die Prüfung, ob alle diese Merkmale eine technische Funktion erfüllen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien und unabhängig von der Verkehrsauffassung.
aaa) Zur Bestimmung der technischen Bedingtheit von Formelementen können bei der markenrechtlichen Prüfung einschlägige Patent- und Offenlegungsschriften, insbesondere auch Unterlagen über frühere Patente, herangezogen werden (EuGH a. a. O. Rdnr. 85 – Lego; BGH a. a. O. Rdnr. 20 - Rasierer mit drei Scherköpfen), weil diese Schriften notwendigerweise den Stand der Technik und die technische Bedingtheit der Erfindung im Einzelnen belegen. Es stellt daher ein starkes Indiz für die Annahme einer technisch bedingten Formgebung dar, wenn es sich bei den fraglichen Gestaltungselementen um technische Merkmale handelt, die in Patent- oder Offenlegungsschriften entweder in den Ansprüchen oder in der Beschreibung dargestellt sind (BPatG 28 W (pat) 2/02 – Scherkopf).
bbb) Ferner ist bei der Beurteilung der Funktionalität der wesentlichen Merkmale auch zu berücksichtigen, für welche konkreten Waren die Marke angemeldet bzw. eingetragen ist (EuGH GRUR 2017, 66 Rdnr. 46 ff. – Simba Toys/EUIPO [Rubik´s Cube].
cc) Allen sechs Merkmalen, die den Gesamteindruck dieser dreidimensionalen Verpackungsmarke wesentlich bestimmen, sind technische Wirkungen zuzuschreiben (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der registrierten Waren „alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare“ entweder aus offenkundigen technischen Gegebenheiten und/oder aus den folgenden abgelaufenen bzw. widerrufenen Patentschriften:
- das dem französischen Ursprungspatent der Erfinder Doyen Nr. 1.349.272 vom 14. November 1962 (Anlage A 1, Bl. S14 – S. 17 VA) entsprechende, am 24. Oktober 1968 veröffentlichte deutsche Patent Nr. 1 281 140 für einen „Beutel aus thermoplastischem Kunststoff und Verfahren zu seiner Herstellung“ (Anlage A 2, Bl. S. 18 – S. 25 VA), das die Erfindungen eines Standbeutels zur Verpackung von Flüssigkeiten aus dem am 12. Mai 1942 veröffentlichten US-Patent Nr. 2,283,069 (Anlage A 3, Bl. S. 26 – S. 28 VA) und aus dem am 20. September 1955 veröffentlichten US-Patent Nr. 2,718,105 (Anlage A 4, Bl. S. 29 – S. 37 VA) verbessert,
- die Offenlegungsschrift des deutschen Patents Nr. 2 234 933 vom 31. Januar 1974 für eine „Beutelpackung“ (Anlage BE 3, Bl. 108 – 112 GA), die sich durch die Wiederverschließbarkeit im oberen Bereich unterscheidet, und
- das am 16. Oktober 1980 veröffentlichte und 1985 widerrufene deutsche Patent der Antragsgegnerin Nr. 29 15 238 für einen „Getränkebeutel aus mehrschichtigem Verbundmaterial“ (Anlage BE 2, Bl. 96 - 107 GA).
(1) Das aufrechte Stehen des Beutels ermöglicht das Aufstellen in Verkaufsregalen und erleichtert ein Abstellen des Beutels beim Gebrauch. Laut Beschreibung der Offenlegungsschrift Nr. 2 234 933 bieten sich zur Verpackung von Flüssigkeiten „standfeste Beutel“ an, „die ebenso wie Flaschen oder Dosen aufstellbar sind“ (Seite 2 Absatz 1). Der aufrechte Stand verhindert zudem das Austreten der Flüssigkeit nach der Öffnung, was das am 20. September 1955 veröffentlichte US-Patent Nr. 2,718,105 wie folgt beschreibt: „A further object of the invention is the provision of an improved container having a stiffened base of a type that it will remain upright when so set on a table or support, thereby eliminating the possibility of the contents draining therefrom after opening” (Spalte 1 Zeilen 30 - 31).
(2) Die flachen Kanten an den Seiten und am oberen Rand dienen dem sicheren Verschluss. Soweit die Antragsgegnerin anführt, dass nicht die Kanten, sondern nur die Schweißnähte das Austreten der Getränkeflüssigkeit verhindern, ist darauf hinzuweisen, dass nur Kanten, aber keine Schweißnähte als wesentliche Merkmale erkennbar sind.
(3) Da der Boden an den beiden Seitenkanten fixiert ist, faltet er sich beim Befüllen oval auf. Die Faltung am Beutelboden erlaubt der eingefüllten Flüssigkeit, sich ohne weiteres auszubreiten. Der durch das Befüllen oval aufgefaltete Boden verleiht dem Beutel eine Standfestigkeit. Dazu wird in der Beschreibung der Offenlegungsschrift Nr. 2 234 933 ausgeführt, dass die Beutelpackung in Bodennähe einen Querschnitt annimmt, welcher der Form einer Ellipse nahekommt, so dass die Beutelpackung eine gute Standfestigkeit hat (Seite 4 Absatz 1).
(4) Die bauchige Wölbung und die sich nach unten leicht verjüngende Form wird durch die Befüllung des Beutels bewirkt, weil sie den Boden auffaltet und die linken und rechten Kanten leicht nach innen zieht.
(5) Die in der Seitenansicht keilförmig nach oben spitz zulaufenden Seiten des Beutels ergeben sich zwangsläufig durch die flache Kante im oberen Bereich und den ovalen Boden im unteren Bereich nach Einfüllen der Flüssigkeit. In der Kombination mit der im befüllten Zustand des Beutels entfalteten Standfläche entsteht notwendigerweise eine dreieckige Silhouette.
(6.1) Ein Beutel besteht schon definitionsgemäß aus flexiblem Material (vgl. Bleisch, Goldhahn, Schricker, Vogt, Lexikon Verpackungstechnik, 2003, S. 52). Wie sich auch aus der Beschreibung des deutschen Patents Nr. 1 281 140 ergibt (Spalte 1 Zeile 30 ff., Spalte 5 Zeilen 1 - 5) kann das flexible Material starkem Druck und Schlag widerstehen, ohne dass das Risiko einer Rissbildung besteht, da der Druck der Flüssigkeit immer gleichmäßig auf den Behälterboden verteilt wird. Durch dieses robuste Material ist der Beutel somit sicher vor Transportschäden. Gleichzeitig erleichtert dieses Material vor der Befüllung eine platzsparende Lagerung und reduziert anschließend den Müllanfall (Offenlegungsschrift Nr. 2 234 933, Seite 2 Absatz 1).
(6.2) Undurchsichtiges Material reduziert den Eintritt von Licht, so dass lichtempfindliche Getränke und ihr Aroma nicht beeinträchtigt werden.
Somit dienen alle wesentlichen Merkmale der eingetragenen Formmarke allein technischen Zwecken.
dd) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin stellen gerade Seitenränder kein wesentliches Gestaltungsmerkmal der angegriffenen Marke dar.
aaa) Denn aufgrund der Knicke und Falten des von der angegriffenen Marke abgebildeten Beutels kann nicht genau erkannt werden, ob der Beutel tatsächlich gerade Seitenkanten aufweist.
bbb) Selbst wenn diese aber erkannt würden, wären sie für den Gesamteindruck nur von unwesentlicher Bedeutung, weil sich senkrecht verlaufende Seitenkanten gestalterisch absolut im Rahmen dessen bewegen, was bei Getränkeverpackungen (z. B. Dosen, Flaschen, quaderförmige Getränkekartonverpackungen aus mehrschichtigem Material, wie z. B. Tetra-Paks) seit Jahrzehnten wegen der Platzersparnis bei Lagerung, Transport und Präsentation üblich ist, so dass sie auch unter Berücksichtigung des angesprochenen Verkehrs als nützliches Beurteilungskriterium (EuGH a. a. O. Rdnr. 76 – Lego) nicht als wesentlich für die Gesamtgestaltung wahrgenommen würden.
ee) Unterstellt, gerade Seitenränder bildeten ein wesentliches Merkmal der angegriffenen Marke, wären sie jedoch ebenfalls technisch bedingt.
aaa) Denn die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade, so dass sich bei dem zur Aufnahme von Flüssigkeit notwendigen Verschluss des Beutels zwangsläufig gerade Kanten bilden. Ferner ermöglichen gerade Längsseiten ein größeres Füllvolumen.
bbb) Außerdem können durch parallel verlaufende Seitenkanten bei der Produktion die Folienbahnen gerade und ohne Materialverlust geschnitten werden, so dass sie auch die technisch zweckmäßigste, einfachste und kostengünstigste Herstellungsweise darstellen.
(1) Die Offenlegungsschrift des deutschen Patents Nr. 2 234 933 vom 31. Januar 1974, die eine Beutelpackung mit zwei aus flexiblem Packstoff bestehenden Wänden beschreibt, die u. a. an ihren seitlichen Rändern durch Längsnähte fest miteinander verbunden sind (Seiten 1 - 3), gibt an, dass für eine derartige, standfeste Beutelpackung die Materialkosten und der Herstellungsaufwand gering sei (Seite 3 Absatz 1).
(2) Die Offenlegungsschrift der Antragsgegnerin Nr. 29 15 238 vom 16. Oktober 1980 spricht in der Beschreibung u. a. von zwei entlang ihrer Längsseiten durch Längsschweißnähte miteinander verbundenen Folienbahnen und davon, dass durch die Erfindung „ein einfacher und kostengünstiger herstellbarer Getränkebeutel“ geschaffen werden soll (Seite 4 Absatz 2).
(3) Soweit der EuGH in seiner Entscheidung vom 16. September 2015 (GRUR 2015, 1198 Rdnr. 52 - 57 – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]) entschieden hat, dass die Herstellungsmodalitäten im Rahmen der Beurteilung der wesentlichen funktionellen Merkmale der Form einer Ware nicht maßgeblich seien, weil aus der Sicht des Verbrauchers die Funktionalitäten der Ware maßgeblich und die Modalitäten ihrer Herstellung unerheblich seien, kann sich diese Entscheidung nur auf den ersten Prüfvorgang der Bestimmung der wesentlichen Merkmale der Form beziehen, bei der die Verkehrsauffassung ein nützliches Beurteilungskriterium darstellt (EuGH a. a. O. Rdnr. 76 f. – Lego), weil die Frage der technischen Wirkung nach objektiven Kriterien und unabhängig von der Verkehrsauffassung zu beurteilen ist (EuG MarkenR 2009, 75 Rdnr. 70 – Roter Lego-Stein, bestätigt von EuGH a. a. O. Rdnr. 84 f. – Lego).
ccc) Aber selbst wenn die Herstellungsweise bei der technischen Bedingtheit nicht zu berücksichtigen und die geraden Seitenränder nichtfunktional wären, handelte es sich nicht um ein signifikantes (EuGH a. a. O. Rdnr. 59 – Lego), nämlich dekoratives oder phantasievolles Element (EuGH a. a. O. Rdnr. 52 – Lego), der angegriffenen Verpackungsformmarke, das für diese Form von Bedeutung wäre. Ein derartiger nicht-technischer, ästhetischer Überschuss läge nur bei einer verzierenden oder kreativen Gestaltung, nicht aber bei der hier vorliegenden geraden und damit einfachsten Art der Kantenausgestaltung vor, die bei Getränkeverpackungen üblich ist und an die die angesprochenen Verkehrskreise seit langem gewöhnt sind, wie bereits eingehend erörtert worden ist.
ff) Soweit die Markenabteilung die viereckige Form als wesentliches Merkmal bezeichnet hat, ist dies unzutreffend, weil bei der vorliegenden Markenabbildung kaum eindeutige Ecken zu erkennen sind. Selbst wenn man aber die Erkennbarkeit von vier Ecken unterstellte, wären sie für den Gesamteindruck nur von untergeordneter und damit unwesentlicher Bedeutung. Denn das Viereck zählt zu den einfachsten geometrischen und bei Getränkeverpackungen weit verbreiteten Formen.
gg) Die Entscheidung des Handelsgerichts in Brüssel vom 23. Dezember 2015 (Anlagenkonvolut B 6, Bl. 126 GA ff.) in einem Verletzungsverfahren mit Löschungswiderklage zum Benelux-Teil der identischen IR-Marke, in dem es die Auffassung vertreten hat, die geraden Ränder seien ein wichtiges, nicht funktional bedingtes Element, weil es zahllose Beutel gebe, bei denen die seitlichen Ränder anders verliefen, steht nicht in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung des EuGH und BGH, wonach es nicht darauf ankommt, ob sich die gleiche technische Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen lässt (EuGH a. a. O. Rdnr. 50 ff. – Lego; EuGH a. a. O. – Philips/Remington; BGH a. a. O. – Legostein; a. a. O. Rdnr. 18 – Rasierer mit drei Scherköpfen).
hh) Angesichts der Offenkundigkeit der dargestellten technischen Sachverhalte, bestand für den Senat keine Veranlassung für eine Beweiserhebung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nach § 74 Abs. 1 MarkenG, wie sie im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren ohnehin nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommt, beispielsweise bei besonders schwierigen technischen Fragestellungen. Da es sich bei der Streitmarke um einen Gegenstand des täglichen Gebrauchs handelt, dessen Gestaltungsmerkmalen überschaubare technische Fakten zugrunde liegen, konnte der Senat nach umfassender Würdigung der vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften ohne weiteres die Frage der technischen Funktionalität der fraglichen Merkmale in eigener Sachkunde beurteilen (vgl. BPatG 28 W (pat) 2/02 – Scherkopf).
Auch von der Einholung des von der Antragsgegnerin beantragten Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob es sich bei der Streitmarke um die Grundform einer Verpackung im Bereich der alkoholfreien Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare handelt, und zu der Behauptung, dass die gerade umlaufenden Seitenkanten nicht technisch bedingt sind, konnte der Senat, der an Beweisanträge nicht gebunden ist (§ 73 Abs. 1 MarkenG), absehen. Denn die Frage der Getränkegrundform hat bei der Beurteilung der technischen Funktionalität der wesentlichen Merkmale der angegriffenen Marke keine Rolle gespielt. Da die von der Antragsgegnerin behaupteten geraden Seitenkanten kein wesentliches Merkmal der Streitmarke darstellen, bedarf es auch keiner Überprüfung, ob sie technisch bedingt sind. Soweit der Senat sich zur technischen Bedingtheit gerader Seitenkanten geäußert hat, handelt es sich nicht um entscheidungserhebliche Ausführungen.
3. Da schon das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die Marke darüber hinaus gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schutzunfähig ist.
4. Die von der Antragsgegnerin genannten Voreintragungen rechtfertigen keine andere Entscheidung.
a) Soweit die Beschwerdeführerin auf drei andere für sie im Jahre 1998 als dreidimensionale Marken eingetragene Beutelformen verweist, nämlich
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(39836281),
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(39836282) und (39836283), beruft sie sich lediglich auf die unmaßgebliche Voreintragung eigener vergleichbarer Marken (BGH GRUR 2008, 1093 Rdnr. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I).
b) Die dreidimensionalen Formmarken (30133521), (30150364), (30228922) und (30231961) sind als Flaschen oder Gläser mit der Streitmarke in Form eines Standbeutels nicht vergleichbar.
c) Die 3-D-Marken (30139138), (30139139), (30139140) sind erst im Jahre 2002, also lange nach dem Anmeldezeitpunkt, eingetragen worden. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie im Gegensatz zur Streitmarke jeweils über mindestens ein signifikantes nichtfunktionales Designelement verfügen.
5. Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG gibt weder die Sach- und Rechtslage noch das Verhalten der Beteiligten Anlass.
6. Die von der Antragsgegnerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG ist nicht veranlasst.
Weder war über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch war die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich zu erachten (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
a) Die tatsächliche oder wirtschaftliche Bedeutung eines Falles kann die Annahme einer grundsätzlichen Rechtsfrage lediglich dann begründen, wenn die Auswirkungen der Entscheidung nicht nur für die Vermögensinteressen der jeweiligen Beteiligten, sondern auch für den allgemeinen Rechtsverkehr von wesentlicher Bedeutung sind (BGH GRUR 2003, 259 Rdnr. 29 f.). Die ordnungsgemäße Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung unter diesem Gesichtspunkt setzt voraus, dass die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit konkret dargestellt werden. Ferner sind Ausführungen darüber erforderlich, warum das Interesse der Allgemeinheit ein korrigierendes Eingreifen des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich macht. Solche konkreten Angaben hat die Antragsgegnerin nicht gemacht.
b) Die von der Antragsgegnerin formulierte Frage, ob es für die Frage der Grundform eine Rolle spiele, ob es zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke andere von der Verpackungsgestaltung abweichende Formen gegeben habe, haben der EuGH und der BGH schon dahingehend beantwortet, dass es nicht darauf ankommt, ob sich die gleiche technische Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen lässt (EuGH GRUR a. a. O. Rdnr. 50 ff. – Lego; EuGH a. a. O. – Philips/Remington; BGH a. a. O. – Legostein; a. a. O. – Rasierer mit drei Scherköpfen).
c) Die Frage, ob eine Verpackungsformart grundsätzlich und immer die Grundform dieser Verpackung im hier betroffenen Warenbereich darstelle, ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der Senat weder bei der Ermittlung der wesentlichen Merkmale noch bei der Beurteilung ihrer jeweiligen technischen Funktion eine Grundformbetrachtung vorgenommen hat.
d) Aus dem gleichen Grund ist auch die Frage der Antragsgegnerin, nach welchen Kriterien sich die Grundform einer Verpackung in den Fällen einer formlosen Ware bestimme, nicht entscheidungserheblich. Außerdem handelt es sich um eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage.
e) Die Beurteilung, ob es sich um eine Rechts- oder Tatsachenfrage handelt, obliegt bei der Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde dem erkennenden Gericht.
f) Die von der Beschwerdeführerin gestellte Frage, wie man die technische Wirkung prüfe, ist eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage und rechtfertigt daher nicht die Zulassung einer Rechtsbeschwerde.
g) Auch für den Fall, dass der Senat durch die von ihm vorgenommene Auslegung zu der Frage der Maßgeblichkeit der Herstellungsmodalitäten im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Entscheidung des EuGH (GRUR 2015, 1198 Rdnr. 52 - 57 – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]) abgewichen sein sollte, würde dies weder die Zulassung einer Rechtsbeschwerde noch eine EuGH-Vorlage erforderlich machen, da der Senat seine Entscheidung nicht auf diesen Gesichtspunkt stützt.
h) Im Übrigen hat der Senat die Rechtsprechungsgrundsätze des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs zum Ausschlussgrund der technisch bedingten Form angewendet und nicht über neue Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden.