Entscheidungsdatum: 04.06.2014
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2011 046 007
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 4. Juni 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Der Markeninhaber hat am 22. August 2011 beantragt, die Wortmarke „BETTYBAG“ für die Waren der Klassen
18 (Lederwaren),
24 (Webstoffe/Textilwaren) und
28 (Sportartikel)
in das Register einzutragen.
Mit Verfügung vom 14. September 2011 hat die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts zugunsten des Markeninhabers die genannte Wortmarke für die angemeldeten Waren in das Register eingetragen.
Hiergegen hat die Widersprechende mit am 22. Dezember 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schreiben Widerspruch aus den drei nachstehenden Widerspruchsmarken erhoben. Die Widersprechende hat ihre Widersprüche jeweils auf die Waren der Klassen 18 und 24 gestützt. Ihre Widersprüche richten sich gegen die Waren der Klassen 18 und 24 der angegriffenen Marke.
1. Wortmarke EM 009 476 425 „Betty Barclay“, eingetragen für die Waren der Klassen
3 (Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer),
9 (Blendschutzbrillen, Brillen, Brillenetuis, Brillenfassungen, Brillengestelle, Brillengläser, Ferngläser, Fotoapparate, Kneifer, Kneiferetuis, Kneiferfassungen, Kneiferkettchen, Kneiferschnüre, Kontaktlinsen, Kontaktlinsenetuis, Magnetdatenträger, Mobiltelefone, Sonnenbrillen sowie Sportbrillen),
14 (Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente),
18 (Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke),
24 (Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken) und
25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen).
2. Wort-/Bildmarke EM 005 705 405
,
eingetragen für die Waren der Klassen
3 (Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel),
9 (Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zur Verteilung, Umwandlung, Speicherung, Regelung und Steuerung von elektrischem Strom; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte),
14 (Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente),
18 (Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren),
24 (Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken) und
25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen).
3. Wort-/Bildmarke DE 302 24 271
,
eingetragen für die Waren „Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit platinierte Waren, nämlich kunstgewerbliche Gegenstände, Ziergegenstände; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“.
Zur Begründung hat die Widersprechende vorgetragen, zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken bestünde Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 MarkenG. Den Widerspruchsmarken käme erhöhte Kennzeichnungskraft zu. Zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke bestehe zudem hochgradige Ähnlichkeit, jedenfalls die Gefahr, dass die angegriffene Marke mit den Widerspruchsmarken gedanklich in Verbindung gebracht werden könnte.
Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 11. März 2013 die Widersprüche aus den Widerspruchsmarken zurückgewiesen, weil zwischen den Vergleichsmarken trotz der Identität der Waren der Klassen 18 und 24 keine Gefahr der Verwechslung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zur Begründung hat die Markenstelle erklärt, es müsse von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgegangen werden. Die Widersprechende habe die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auf Lizenzen für die Benutzung der jeweiligen Marke für Webstoffe und Textilwaren und auf Umsätze gestützt, die sie mit jährlich rund 210 Mio. € beziffert habe. Es sei aber unklar, für welche Waren diese Umsatzzahlen gelten würden, ob für „Webstoffe und Textilwaren“ oder für die ebenfalls von der Widersprechenden erwähnte „Damenoberbekleidung“ (Klasse 25), auf die sich die Widersprüche aber nicht stützen würden. Diese Angaben seien unklar und allein als Beleg nicht ausreichend. Es würden beispielsweise zu den Umsätzen in Relation zu setzende Absatzzahlen sowie Angaben über Marktanteile dieser Waren im Vergleich zu denen der Mitbewerber und die eingesetzten Werbemittel fehlen. Die Widersprechende habe zwar Internetausdrucke mit Handtaschen vorgelegt. Diese würden zwar zumindest bei zwei abgebildeten Exemplaren den Schriftzug „Betty Barclay“ gut lesbar enthalten. Als alleiniger Nachweis für eine erhöhte Kennzeichnungskraft komme dies aber nicht ernsthaft in Frage. In visueller und schriftbildlicher Hinsicht bestünden zwischen der angegriffenen und den Widerspruchsmarken keine Ähnlichkeiten. Zwar würden beide Marken den Bestandteil „Betty“ an erster Stelle enthalten. Doch seien die beiden Marken vom visuellen Eindruck her in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Diese Betrachtung bräche nicht automatisch unwillkürlich nach dem Namen „Betty“ ab. Bei der angegriffenen Marke komme noch die dritte Silbe „bag“ hinzu, verlängere also optisch die eingliedrige Marke noch um drei Buchstaben. Die Widerspruchsmarken bestünden aus zwei Wörtern, was in der Gesamtheit einen völlig verschiedenen optischen Eindruck ergebe. Sie seien dadurch schriftbildlich sehr viel umfangreicher. Bei den Wort-/Bildmarken trete hinzu, dass zwischen der angegriffenen und den Widerspruchsmarken keine nennenswerte Ähnlichkeit durch die graphische Gestaltung der Widerspruchsmarken, die in einer bestimmten Schriftart gehalten seien, bestünde. Der Verkehr messe bei Wort-/Bildzeichen in der Regel den Wortbestandteilen prägende Bedeutung zu. Eine Mitprägung durch den Bildbestandteil könne nur angenommen werden, wenn dieser eine Marke derartig beherrsche, dass das Wort kaum mehr beachtet würde, wovon vorliegend nicht auszugehen sei. Auch klanglich sei keine Verwechslungsgefahr zu befürchten. Zwar seien die beiden jeweiligen ersten Silben „Betty“ von identischem Klang. Doch würden sich die folgenden Silben hinsichtlich Länge, Betonung und Vokalfolge deutlich genug unterscheiden, um auch insoweit eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Wenn die Widersprechende den Schutzumfang ihrer Marken durch den Bestandteil „Betty“ der angegriffenen Marke beeinträchtigt sähe, sei Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr, dass dieser Bestandteil die jüngere Marke präge. Selbst bei Anwendung der nur für mehrteilige Kombinationsmarken geltenden Prägetheorie, sei vorliegend eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen. Es seien keine Gründe ersichtlich, die das Publikum veranlassen könnten, in der als Gesamtheit zu verstehenden Kombination „BETTYBAG“ nach einem den Gesamteindruck prägenden Einzelelement zu suchen. Der Verkehr bringe der Gesamtwortfolge „BETTYBAG“ Interesse entgegen, weshalb eine unmittelbare Markenkollision auszuschließen sei. Auch eine mittelbare Verletzungsgefahr bestehe nicht, weil nicht ersichtlich sei, dass die Widersprechende bereits mit einer Serie von Marken aufgetreten sei, die das in den Vergleichsmarken übereinstimmende Element „Betty“ als Stammbestandteil enthalten würde. Eine ausschließliche Verwendung des Vornamens „Betty“ im Modebereich und im Zusammenhang mit den Marken der Widersprechenden sei nicht erkennbar. Auch sonst habe der Verbraucher keine Veranlassung, aus der Marke „BETTYBAG“ auf eine Verbindung zur Inhaberin der Widerspruchsmarken zu schließen. Dazu trete der Wortbestandteil „Betty“ im Gesamteindruck des angegriffenen eingliedrigen Zeichens nicht ausreichend genug hervor.
Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 17. April 2013 gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 11. März 2013 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Inhaberin der Widerspruchsmarken habe im Jahr 2000 der B… GmbH & Co. KG in P… Lizenzen für die Verwendung der Widerspruchsmarken für Damenhandtaschen, Geldbörsen, Etuis etc., d. h. für alle Lederwaren-Accessoires erteilt. Die Boschagroup habe mit dem Verkauf allein von Handtaschen unter der Kennzeichnung „Betty Barclay“ einen Umsatz von ca. … € pro Jahr erwirtschaftet. Unterstelle man eine marktübliche Aufschlagskalkulation von 160 %, betrage der Umsatz mit „Betty Barclay“-Handtaschen im Einzelhandel ca. … € pro Jahr. Eine zuverlässige Aussage über den Marktanteil der „Betty Barclay“-Damenhandtaschen ließe sich nur annäherungsweise machen. Der Markt „Lederwaren/Accessoires“ zu Endverbraucherpreisen belaufe sich laut dem Institut für Handelsforschung in Köln auf ca. … €, wobei von den relevanten Artikelgruppen auf Damentaschen ca. … % entfallen würden, so dass sich für Handtaschen ein Marktvolumen von ca. … € pro Jahr ergeben würde. Hiervon entfalle ein Umsatzanteil von ca. … € (Endverbraucherpreis) auf „Betty Barclay“-Handtaschen, d.h. ca. „… %“. Nach der „Imageanalyse Fashion Bag 2012“ der „TextilWirtschaft“ würde „Betty Barclay“ zu den bedeutendsten Marken auf dem aktuellen Damenhandtaschenmarkt, insbesondere im Lederwarenfacheinzelhandel zählen. Zwischen der angegriffenen Marke „BETTYBAG“ und den Widerspruchsmarken „Betty Barclay“ bestehe kein Abstand. Das Zeichen „BETTYBAG“ werde namentlich bei Verwendung für Damenhandtaschen als Zusammensetzung aus „BETTY“ und „BAG“ verstanden, also aus einem Vornamen und aus einer beschreibenden Angabe. Denn „BAG“ verstehe der Durchschnittsverbraucher als Synonym für Handtasche oder Einkaufstasche, jedenfalls als einen beschreibenden Bestandteil. Geprägt werde die Anmeldemarke von dem Zeichenbestandteil „BETTY“. Die betroffenen Verkehrskreise würden mit „Betty“ ohne weiteres im Segment der Damenhandtaschen „Betty Barclay“ assoziieren. Daher bestehe zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr, weil der Durchschnittsverbraucher vermuten würde, dass es sich um eine Linie von „Betty Barclay“-Handtaschen handeln würde. Für die Waren „Webstoffe und Textilien“ gelte dasselbe. Der Anteil von Nichtlederwaren im Sortiment von „Betty Barclay“ betrage nahezu … %, wobei allerdings ein erheblicher Teil aus Damenoberbekleidung bestehe.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für die Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts von 11. März 2013 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Der Beschwerdegegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken keine Verwechslungsgefahr besteht. Die Markenstelle für die Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche der Beschwerdeführerin zu Recht zurückgewiesen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
a) § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG
Die Beschwerde ist nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässig, weil die Widersprechende gegen den ihr am 19. März 2013 zugestellten Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 11. März 2013 am 17. April 2013 gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt schriftlich Beschwerde eingelegt hat.
b) § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. Nr. § 6 Abs. 2 PatKostG
Die Beschwerde der Widersprechenden gegen den Zurückweisungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 11. März 2013, die sich auf drei Widerspruchsmarken stützt, und für die die Widersprechende eine Beschwerdegebühr i. H. v. 200 € gezahlt hat, gilt nicht nach § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 PatKostG als (teilweise) zurückgenommen.
Nach § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. Nr. 401 300 Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG ist regelmäßig für jede Beschwerde eine Beschwerdegebühr zu entrichten. Für mehrere Beschwerden sind deshalb grundsätzlich auch mehrere Gebühren zu zahlen. Hat ein Widersprechender aus mehreren Marken Widersprüche gegen eine Marke erhoben, die – wie hier – alle mit einem Beschluss zurückgewiesen worden sind, ist indes nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen, weil nur ein Verfahrensbeteiligter einen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts anficht (Knoll, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 66 Rn. 47; Fuchs-Wissemann, in: HK-Markenrecht, 2. Auflage 2008, § 66 Rn. 5).
Zwischen der angegriffenen und den Widerspruchsmarken besteht keine unmittelbare Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 HS. 1 MarkenG.
a) Ähnlichkeit der Waren
Zwischen den für die angegriffene Marke eingetragenen Waren der Klasse 18 (Lederwaren) und der Klasse 24 (Webstoffe/Textilwaren) und den für die Widerspruchsmarken eingetragenen Waren der Klassen 18 (u. a. Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus) und 24 (u. a. Webstoffe und Textilwaren) besteht Identität.
b) Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken
Den Widerspruchsmarken kommt nicht mehr als durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang zu, weil sie von Hause aus unabhängig von ihrer Benutzung im Markt normal unterscheidungskräftig und uneingeschränkt geeignet sind, die hier relevanten Waren ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren. Konkrete Anhaltspunkte, die für eine hohe oder für eine geringe Kennzeichnungskraft sprechen, fehlen vorliegend.
Der Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Widersprechenden (BPatG GRUR 1997, 840, 842 f. – Lindora/Linola; Ströbele MarkenR 2001, 106, 107; Hacker, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 9 Rn. 148) genügt nicht, um eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken begründen zu können.
Eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit kann den Schutzumfang einer Marke erweitern. Zur Feststellung der gesteigerten Verkehrsbekanntheit sind im Einzelfall alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Dazu zählen auch der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den beteiligten Verkehrskreisen (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder; GRUR 2007, 780, 784 Rn. 36 – Pralinenform; GRUR 2007, 1066, 1068 Rn. 33 – Kinderzeit; GRUR 2007, 1071, 1072 Rn. 27 – Kinder II; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 138 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen in Fußn. 337). Diese Bekanntheit kann jedoch nicht in jedem Fall ohne weiteres allein aus den erzielten Umsatzzahlen hergeleitet werden, weil selbst umsatzstarke Marken wenig bekannt, wie andererseits Marken mit geringen Umsätzen weithin bekannt sein können (OLG Köln MarkenR 2007, 126 – Schlaufuchs und Lernfuchs; PAVIS PROMA BPatG, 26 W (pat) 23/06 – Grüne Bierflasche; BPatG, 29 W (pat) 15/09 - BLUE PANTHER/Panther; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 139). Objektive Statistiken oder demoskopischen Befragungen sowie Angaben über Werbeaufwendungen können Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit einer Marke zulassen (BGH GRUR 2002, 544, 547 – BANK 24; GRUR 2010, 1103, 1105 f. Rn. 33-34 – Pralinenform II; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 140 mit weiteren Nachweisen in Fußn. 341).
Die Widersprechende hat nur eigene Schätzungen der von ihr erzielten Umsätze mitgeteilt und im Übrigen lediglich darauf verwiesen, dass die Widerspruchsmarken „Betty Barclay“ zu den bedeutendsten Marken auf dem Markt für Damenhandtaschen zählen würden. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken hat sie mit diesem Vortrag nicht bewiesen. Nur am Rande sei erwähnt, dass bei einem von der Widersprechenden geschätzten Marktvolumen für Handtaschen von ca. .… €, von dem auf „Betty Barclay“-Handtaschen … € entfallen soll, das Marktvolumen von „Betty Barclay“-Handtaschen gut … % betragen würde und nicht – wie es die Widersprechende vorgetragen hat – „ca. … %“.
c) Zeichenvergleich und Grad der Zeichenähnlichkeit
Für den Zeichenvergleich ist auf die Marken in Form ihrer jeweiligen Gesamtzeichen abzustellen, also auf die angegriffene Marke „BETTYBAG“ und die Widerspruchsmarken „Betty Barclay“. Klanglich, bildlich und begrifflich genügt der Abstand zwischen diesen Zeichen, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Hinsichtlich des Grades der Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Zeichen ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Vergleichszeichen dem angesprochenen Verkehr, also dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher vermitteln (EuGH GRUR 2004, 843, 845 Rn. 29 – MATRATZEN; GRUR 2007, 700, 701 Rn. 35 – HABM/Shaker; GRUR Int. 2010, 129, 132 Rn. 60 – Carbonell/La Espanola; GRUR 2010, 1098, 1099 Rn. 45 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2011, 148, 149 Rn. 13 – Goldhase II; GRUR 2010, 833, 834 Rn. 12 – Malteserkreuz II). Eine künstlich zergliedernde, analysierende Betrachtungsweise ist zu vermeiden, weil auch eine größere Anzahl von Übereinstimmungen im Einzelnen nicht notwendig zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck führen muss. Der Verkehr nimmt eine Marke regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 1998, 387, 390 Rn. 23 – Sabèl/Puma; GRUR Int. 1999, 734, 735 Rn. 25 – Lloyd; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 211, 294 ff. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Die Widersprechende ist der Auffassung, sowohl die angegriffene Marke als auch die Widerspruchsmarken würden von dem Zeichenbestandteil „Betty“ geprägt, weshalb zwischen ihnen die Gefahr unmittelbarer Verwechselung bestünde. Dieser Auffassung kann der Senat nicht zustimmen.
Mehrgliedrige Kombinationsmarken sind solche Marken, die mehrere getrennte Bestandteile aufweisen, wie zum Beispiel mehrere Wörter. Zu den Kombinationsmarken gehören aber auch zusammengefügte Marken, die sich aus sonstigen Gründen als mehrgliedrig darstellen. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten die Grundsätze für mehrbestandteilige Marken auch für Einwortmarken, aber nur dann, wenn sie aus mehreren Bestandteilen gebildet sind und der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Veranlassung hat, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen. Dies soll zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Inhaber eines bekannten Zeichens dieses mit einer älteren Marke zu einem zusammengesetzten Zeichen kombiniert (BGH GRUR 2008, 905, 907 f. Rn. 26, 38 – Pantohexal; GRUR 2010, 729, 732 Rn. 35 – MIXI; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 296 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Anders als in dem Beschluss „Pantohexal“ (BGH, a. a. O.) kommt dem Bestandteil „BETTY“ in der jüngeren Marke „BETTYBAG“ keine eigenständige kennzeichnende Stellung zu. Denn der Bestandteil „BAG“ ist kein dem Verkehr bekanntes oder für ihn zumindest erkennbares Unternehmenskennzeichen der Markeninhaberin. Der Verkehr hat insofern keine Veranlassung, den Bestandteil „BETTY“ des zusammengesetzten Zeichens „BETTYBAG“ abzuspalten und ihm eine selbstständig kennzeichnende Stellung im Gesamtzeichen beizulegen. Besondere Umstände, die den Verkehr veranlassen würden, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen „BETTYBAG“ zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen, sind weder von der Widersprechenden vorgetragen noch erkennbar. Insofern kann bei der angegriffenen Marke der Bestandteil „BAG“ nicht vernachlässigt werden, auch wenn er für die für die Marke eingetragenen Waren der Klassen 18 und 24 beschreibend ist. Denn die angegriffene Marke besteht aus der Alliteration „BETTYBAG“ und gewinnt dadurch eine gewisse Einprägsamkeit. Der Verkehr wird deshalb hinsichtlich des ohnehin recht kurzen Gesamtzeichens den Markenbestandteil „BAG“ nicht vernachlässigen, sondern die angegriffene Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt.
Bei den Widerspruchsmarken handelt es sich zwar um Kombinationszeichen, weil sie aus den Wörtern „Betty“ und „Barclay“ zusammengesetzt sind. Insofern ist die vom BGH entwickelte Prägetheorie (grundlegend GRUR 1976, 353 - COLORBOY) hier durchaus anwendbar. Doch werden die Widerspruchsmarken „Betty Barclay“ nicht durch den Allerweltsvornamen „Betty“ geprägt, sondern erlangen eine gewisse Einprägsamkeit durch das recht kurze Gesamtzeichen „Betty Barclay“, zumal auch das Gesamtzeichen der Widerspruchsmarken eine Alliteration aufweist. Der Markenbestandteil „Barclay“ tritt für die angesprochenen Verkehrskreise nicht in einer Weise zurück, dass er für den Gesamteindruck der Widerspruchsmarken „Betty Barclay“ vernachlässigt werden könnte.
Insofern stehen sich das angegriffene Zeichen „BETTYBAG“ und die Widerspruchsmarken „Betty Barclay“ gegenüber. Die Beurteilung des Gesamteindrucks getrennt in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht ergibt, dass keine hinreichenden Ähnlichkeiten in einer Wahrnehmungsrichtung festzustellen sind, die eine Verwechslungsgefahr der angegriffenen Marke „BETTYBAG“ mit den Widerspruchsmarken „Betty Barclay“ begründen könnte. Der Zeichenabstand zwischen der angegriffenen und den Widerspruchsmarken ist so groß, dass der Verkehr die beiden Marken auseinander hält, weshalb zwischen ihnen keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht.
a) Mittelbare Verwechslungsgefahr wegen Benutzung einer Zeichenserie
Die hier maßgebenden Verkehrskreise werten den in den Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil „Betty“ nicht als Stammzeichen des Inhabers der Widerspruchsmarken, weil sie diesem Markenbestandteil für sich nicht schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und daher auch nicht die übrigen abweichenden Markenbestandteile („BETTYBAG“, „Betty Barclay“) nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der Widerspruchsmarken ansehen.
Allein der Umstand, dass die angegriffene und die Widerspruchsmarken übereinstimmende Elemente enthalten, genügt noch nicht zur Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr. Vielmehr muss das übereinstimmende Element auf den Betrieb des Inhabers der älteren Marke hinweisen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 Rn. 18-21 – Sabèl/Puma; GRUR Int. 1999, 734, 736 Rn. 17 – Lloyd; GRUR Int. 2000, 899, 901 Rn. 34 – Marca/Adidas).
Hieran fehlt es vorliegend. Zweifelhaft ist bereits, ob die Widersprechende im Verkehr bereits mit dem Wortstamm „Betty“ als Bestandteil mehrerer eigener entsprechend gebildeter Serienmarken aufgetreten ist.
Gegen eine mittelbare Verwechselungsgefahr sprechen die abweichenden Markenbestandteile insbesondere dann, wenn sie sich mit dem gemeinsamen Bestandteil zu eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriffen verbinden, die von der Vorstellung wegführen, es handle sich um Serienmarken eines Unternehmens (BGH GRUR 2009, 484, 488 Rn. 40 – Metrobus; GRUR 2009, 672, 676 f. Rn. 40 - OSTSEE-POST; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 464 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen in Fußn. 1120). Vorliegend verschmelzen die übereinstimmenden Bestandteile „Betty“ mit den jeweiligen weiteren Bestandteilen zu den Gesamtbegriffen „BETTYBAG“ und „Betty Barclay“, weshalb eine mittelbare Verletzungsgefahr ausscheidet.
b) Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne
Besondere Umstände, aufgrund derer der Durchschnittsverbraucher darauf schließen könnte, dass zwischen den Unternehmen der Markeninhaberin und der Inhaberin der Widerspruchsmarken Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen könnten (BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2009, 772, 777 Rn. 69 – Augsburger Puppenkiste; GRUR 2009, 1055, 1057 Rn. 37 – airdsl; GRUR 2010, 729, 732 Rn. 43 - MIXI; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 471), sind nicht ersichtlich, weshalb eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ausscheidet.
4. Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 71 Abs. 1 MarkenG
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung.