Entscheidungsdatum: 03.08.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 039 607
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. August 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke (schwarz/weiß)
ist am 18. Juni 2008 angemeldet und am 9. Oktober 2008 unter der Nummer 30 2008 039 607 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Dienstleistungen der
Klasse 39: Auslieferung von Paketen, Briefen und/oder Karten; Austragen/Verteilen von Zeitungen; Kurierdienste (Nachrichten oder Waren); Nachrichtenüberbringung; Zustellung (Auslieferung) von Versandhandelsware und/oder gewerbsmäßige Beförderung von Briefsendungen; Kuvertierdienstleistungen (Verpacken von Waren).
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 14. November 2008 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widersprüche erhoben
1. aus der Wortmarke
POST
die am 3. November 2003 in das Register unter der Nummer 300 12 966 aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden ist für Dienstleistungen der Klassen 35 und 39
„Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen, Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften“,
2. aus der Unionswortmarke
Deutsche Post
die am 29. Juli 2002 in das beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) geführte Register unter der Nummer 001 798 701 eingetragen worden ist für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 12, 14, 16, 25, 28, 35, 36, 38, 42 und der
Klasse 39: Transportwesen, Verpackung und Lagerung von Waren, Veranstaltung von Reisen; Sendungsverfolgung durch elektronische Standortbestimmung der Waren und Güter sowie weitere unterstützende logistische Dienstleistungen wie die systematische Verknüpfung von Waren und Informationsströmen; Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen; Beförderung von Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Postkarten, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften, mit Fahrrädern, Kraftfahrzeugen, Maschinenfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern der vorgenannten Sendungen,
3. und aus der Wortmarke
DIE POST
die am 14. Mai 2004 unter der Nummer 303 14 185 in das Register eingetragen worden ist für Dienstleistungen der
Klasse 39: Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen, Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften.
Mit Beschluss vom 10. Januar 2013 hat die Markenstelle für Klasse 39 des DPMA eine Verwechslungsgefahr verneint und die drei Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 39 liege Ähnlichkeit bis Identität vor. Aber selbst bei Identität sei eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben. Die Widerspruchsmarke zu 1.) bestehe zwar aus einer rein beschreibenden Angabe. Als verkehrsdurchgesetzt eingetragene Marke verfüge sie aber über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Frage ihrer Schwächung, z. B. aufgrund der früheren Monopolstellung der Widersprechenden, könne offen bleiben, da selbst bei Zugrundelegung normaler Kennzeichnungskraft eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Bei glatt beschreibenden Begriffen wie „POST“ sei auch bei einem Durchsetzungsgrad von deutlich über 80 % nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft auszugehen. Dafür bedürfe es weiterer besonderer Umstände wie des Nachweises eines nahezu einhelligen Zuordnungsgrades bezogen auf den Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke. Dieser sei der Widersprechenden nicht gelungen.
Der Schutzumfang der Widerspruchsmarken zu 2.) und 3.) sei in Anbetracht der schutzunfähigen Gesamtbezeichnung, bei der Widerspruchsmarke zu 2.) in Verbindung mit einer geografischen Herkunftsangabe, im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Dienstleistungen von Haus aus auf ein Minimum beschränkt. Eine Steigerung durch intensive Benutzung sei nicht ausreichend belegt, im Übrigen würde dadurch nur die ursprünglich unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft kompensiert.
Ausgehend von Dienstleistungsidentität und normalem Schutzumfang halte die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zu den älteren Marken ein. Die jüngere Marke unterscheide sich von den Widerspruchsmarken durch die zusätzlichen Wort- und Bildbestandteile deutlich. Das Wortelement „Post“ präge die angegriffene Marke nicht, vielmehr stünden die drei Wortbestandteile „Die neue Post“ gleichgewichtig nebeneinander. Die weiteren Wortbestandteile „Brief & Paketdienste“ wiesen nur beschreibend auf den Schwerpunkt der angebotenen Dienstleistungen hin und träten daher in den Hintergrund. Somit stünden sich bei der Prüfung der unmittelbaren klanglichen Verwechslungsgefahr die Wortbestandteile „Die neue Post“ auf der einen Seite und „POST“, „Die Post“ und „Deutsche Post“ auf der anderen Seite gegenüber, die sich auch durch die unterschiedliche Silbenzahl hinreichend unterschieden. Eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung unter dem Aspekt des Serienzeichens scheide aus, weil das Publikum die angegriffene Marke nicht zergliedernd verstehe und den Bestandteil „Post“ nur als Sachangabe ansehe. Ferner füge sich die jüngere Marke vom Aufbau her nicht in die Markenserie der Widersprechenden ein. Im Übrigen habe die Widersprechende zur Benutzung dieser Serie mit dem Bestandteil „Post“ nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Eine Markenusurpation komme ebenso wenig in Betracht, da der Begriff „Post“ in der jüngeren Marke keine eigenständig kennzeichnende Stellung einnehme, sondern mit den Bestandteilen „Die neue“ eine gesamtbegriffliche Einheit bilde. Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne seien ebenfalls nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, die Widerspruchsmarken verfügten über eine erhöhte Kennzeichnungskraft, weil sie langjährig, umfangreich und ununterbrochen benutzt worden und allgemein bekannt seien. Die Marke „Deutsche Post“ habe von 2005 bis 2009 zu den wertvollsten deutschen Marken gehört. Die Verkehrsbefragungen zur Widerspruchsmarke zu 1.) „POST“ hätten im April/Mai 2000 einen Durchsetzungsgrad von 74,9 % (IPSOS), im November/Dezember 2002 von 84,6 % (NFO Infratest), September/Oktober 2005 von 83,9 % (TNS Infratest) und im Oktober/November 2015 (Pflüger Rechtsforschung) immer noch von 81,0 % ergeben. Die Bekanntheitsgrade hätten 94,9 % (2000), zweimal 99,7 % (2002 und 2005) und zuletzt 97,5 % (2015) betragen. Nur ein geringer Anteil der Befragten sei davon ausgegangen, dass auch andere Postdienstleister als die Widersprechende ihre Dienstleistungen mit dem Begriff „Post“ bezeichneten. Der Umsatz der Widersprechenden im Geschäftsbereich „Brief“ habe zwischen 2002 und 2009 jährlich zwischen 12,1 und 15,3 Mrd. € gelegen. Die Widerspruchsmarken seien extensiv beworben worden. Der Werbeaufwand habe 2006 über 228 Mio. €, in den Jahren 2000 bis Oktober 2007 insgesamt 1,972 Mrd. € und mehr als 80 Mio. € für die Werbekampagne 2010 zum E-POST-Brief betragen. Die Marken „POST“ und „Deutsche Post“ hätten in den Jahren bis 2011 einen Marktanteil von gleichbleibend um die 90 % gehabt. Die frühere Monopolstellung der Widersprechenden führe ebenfalls zu einer Steigerung der Kennzeichnungskraft. Wegen der schutzunfähigen, rein beschreibenden Bestandteile „Die neue“ und „Brief & Paketdienste“ werde die angegriffene Marke allein von dem Begriff „POST“ geprägt. Ihr Bildbestandteil beschränke sich auf die Darstellung eines stilisierten Briefumschlags, der als beschreibender Hinweis auf die erbrachten Dienstleistungen zu vernachlässigen sei. Es sei nicht zulässig, den Widerspruchsmarken ihre Kennzeichnungskraft mit dem Argument abzusprechen, es handele sich um eine Gattungsbezeichnung bzw. eine rein beschreibende Angabe. Im Ergebnis stünden sich daher bei identischen Dienstleistungen identische Zeichen gegenüber. Jedenfalls besitze der Bestandteil „POST“ in der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung. Der Bestandteil „Neue“ bringe nur zum Ausdruck, dass es sich um moderne, aktuelle Dienstleistungen der Post handele. Neue Filialen der Widersprechenden würden ebenfalls mit „Die neue Post“ bezeichnet. Zudem bringe der Verkehr bei Betrachtung der jüngeren Marke diese mit der bekannten Marke „POST“ in Verbindung, weil er diese für ein Serienzeichen der Widersprechenden halte, die 336 Marken mit dem Bestandteil „POST“ jahrelang und umfangreich benutze. Soweit die Markenstelle angenommen habe, das Wort „POST“ werde in der jüngeren Marke nur rein beschreibend wahrgenommen und sei deshalb nicht geeignet, den Gesamteindruck dieser mehrteiligen Marke zu prägen, sei diese Auffassung mit der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2012, 825 Rdnr. 51 – F1-LIVE/F1/F 1 Formula 1) nicht vereinbar. Auf Grund der vom EuGH vertretenen Rechtsauffassung, dass die Prüfung der Kennzeichnungskraft eines mit der älteren Marke identischen Bestandteils in der jüngeren Marke nicht zur Feststellung fehlender Unterscheidungskraft führen dürfe, sei auch die frühere gegenteilige Rechtsprechung des BGH (GRUR 2009, 672 – OSTSEE-POST) als überholt anzusehen.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 10. Januar 2013 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke wegen der Widersprüche aus den Marken 300 12 966, UM 001 798 701 und 303 14 185 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren hat sie sich nicht geäußert. Im Amtsverfahren hat sie die Auffassung vertreten, die widerstreitenden Marken seien nicht verwechslungsfähig (vgl. BGH WRP 2008, 1202 – POST I).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zwischen der angegriffenen Marke und den drei Widerspruchsmarken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 19 – BioGourmet m. w. N.).
1. Zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 besteht teilweise Identität, teilweise hochgradige Ähnlichkeit. Der Grad der Ähnlichkeit kann jedoch dahingestellt bleiben, weil selbst bei identischen Dienstleistungen mangels Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist.
2. Die von den Vergleichsdienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise sind sowohl Unternehmensinhaber, Angehörige der unternehmerischen Führungsebene und Fachleute der Logistikbranche als auch die Durchschnittsverbraucher. Da es sich bei den Dienstleistungen um solche des täglichen (Massen-)Bedarfs handelt, werden die Verkehrskreise ihnen mit allenfalls durchschnittlicher Aufmerksamkeit begegnen.
3. Die drei Widerspruchsmarken verfügen nur über durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH a. a. O. Rdnr. 31 – BioGourmet). Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; BGH GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 f. – pjur/pure).
a) Der Widerspruchsmarke zu 1.) kommt nur ein normaler Schutzumfang zu.
aa) Das Substantiv „POST“ bezeichnet in der deutschen Sprache einerseits die Einrichtung, die Briefe, Pakete, Päckchen und andere Waren befördert und zustellt, und andererseits die beförderten und zugestellten Güter selbst, z. B. Briefe, Karten, Pakete und Päckchen. In der letztgenannten Bedeutung beschreibt „POST“ den Gegenstand, auf den sich die Dienstleistungen beziehen, für die die Marke eingetragen ist. Der Begriff ist deshalb eine Angabe über ein Merkmal der in Rede stehenden Dienstleistungen (zu § 23 Nr. 2 MarkenG BGH, Beschl. v. 2.4.2009 – I ZR 79/06 Rdnr. 28 – EP EUROPOST und EP Europost - Die Economy Post/POST; WRP 2008, 1206 Rdnr. 21 – CITY POST; GRUR 2008, 798 Rdnr. 19 – POST I; zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGH GRUR 2009, 669 - POST II).
Die Widerspruchswortmarke „POST“ wäre daher grundsätzlich als beschreibende Angabe des Gegenstandes der in Rede stehenden Dienstleistungen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gar nicht eintragungsfähig (BGH GRUR 2009, 672 - Rdnr. 22 ff. – OSTSEE-POST), verfügt aber aufgrund ihrer Eintragung im Wege der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft (BGH a. a. O. Rdnr. 26 – OSTSEE-POST; GRUR 2002, 171, 173 – Marlboro-Dach).
bb) Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft kann nicht festgestellt werden.
Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie ggf. zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen Diese Voraussetzungen müssen bereits im Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke vorgelegen haben (vgl. BGH GRUR 2008, 903 Rdnr. 13 f. – SIERRA ANTIGUO) und bis zum Entscheidungszeitpunkt fortbestehen (BPatG GRUR-RR 2015, 468, 469 – Linien-/Balkendarstellung in gezacktem Muster).
aaa) Zwar kann hier für die Widerspruchsmarke „POST“ ein Durchsetzungsgrad von über 80 % sowohl zum Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke im Juni 2008 (etwa 84 %) und zum Entscheidungszeitpunkt (81 %) unterstellt werden, jedoch führt dieser nicht zu einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft (BGH a. a. O. Rdnr. 31 – OSTSEE-POST).
Um bei der glatt beschreibenden und nur aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Widerspruchsmarke von erhöhter Kennzeichnungskraft ausgehen zu können, bedarf es der Feststellung zusätzlicher besonderer Umstände wie des Nachweises eines nahezu einhelligen Zuordnungsgrades (vgl. BGH GRUR 2009, 672 Rdnr. 31 – OSTSEE-POST). Solche zusätzlichen besonderen Umstände sind von der Widersprechenden insbesondere für den Prioritätstag der angegriffenen Marke am 18. Juni 2008 weder vorgetragen noch nachgewiesen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Nachweis eines noch höheren Durchsetzungsgrades bezogen auf diesen Anmeldetag (vgl. BPatG 26 W (pat) 30/07 – CITIPOST; BGH GRUR 1963, 626 – Sunsweet), der im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen muss, ist vielmehr ausgeschlossen. Denn auch die Verkehrsbefragung im Oktober/November 2015 hat nur einen Durchsetzungsgrad von 81 % und keine nahezu einhellige Zuordnung ergeben.
bbb) Eine Steigerung über das bereits für die Verkehrsdurchsetzung erforderliche Maß hinaus ergibt sich auch nicht aus den sonstigen vorgelegten Benutzungsunterlagen.
(1) Die Lichtbilder von Schriftzügen auf Postämtern oder Postfilialen lassen den Aufnahmeort nicht erkennen und sich nicht zeitlich zuordnen. Auch die Werbeplakate, Anzeigen, Mappen und Broschüren lassen sich nur vereinzelt zeitlich und örtlich zuordnen.
(2) Ferner zeigen die meisten Belege den Wortbestandteil „POST“ nicht in Alleinstellung, sondern gemeinsam mit der Farbe Gelb, dem Unternehmenskennzeichen „Deutsche Post AG“ sowie teilweise zusammen mit dem weiteren, glatt beschreibenden Begriff „Deutsche“ und/oder dem stilisierten Posthorn. Deshalb ermöglichen sie nicht den Schluss auf eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der allein aus dem Wort „POST“ bestehenden Widerspruchsmarke (vgl. BGH GRUR 2009, 672 Rdnr. 29 – OSTSEE-POST).
(3) Der Werbeaufwand von 2006 über 228 Mio. €, in den Jahren 2000 bis Oktober 2007 von insgesamt 1,972 Mrd. € und mehr als 80 Mio. € für die Werbekampagne 2010 zum E-POST-Brief betrifft ebenfalls nicht den Wortbestandteil „POST“ in Alleinstellung. Es wird zumindest nicht hinreichend differenziert zwischen den einzelnen Marken. Außerdem entstand der Werbeaufwand für den E-POST-Brief erst 1 ½ Jahre nach dem Prioritätszeitpunkt.
(4) Die Umsatzzahlen aus dem Geschäftsbericht 2009 des Post- und Logistikkonzerns Deutsche Post DHL im Geschäftsbereich „Brief“, die zwischen 2002 und 2009 jährlich zwischen 12,1 und 15,3 Mrd. Euro gelegen haben, lassen ebenfalls den erforderlichen engen Bezug gerade zur Widerspruchsmarke „POST“ vermissen. Eine Einzelauswertung vom Umsatzzahlen, bezogen auf die jeweiligen Marken, wurde nicht vorgelegt.
(5) Der vorgetragene Marktanteil der Marken „POST“ und „Deutsche Post“ von gleichbleibend um 90 % in den Jahren bis 2011 ist gar nicht belegt worden. Zudem enthält auch diese Behauptung der Widersprechenden keine Aufteilung zwischen den beiden Marken.
(6) Der hohe Markenwert in den Jahren 2005 bis 2009 bezieht sich nur auf die Widerspruchsmarke zu 2.) „Deutsche Post“ und ist aber auch für diese Marke allein nicht geeignet, einen über das bereits für die Verkehrsdurchsetzung erforderliche Maß hinaus erhöhten Schutzumfang zu belegen.
b) Das unter 3. a) Gesagte gilt auch für die Widerspruchsmarke zu 3.), die sich nur durch den hinzugefügten bestimmten Artikel „DIE“ von der Widerspruchsmarke „POST“ unterscheidet und ebenfalls eine verkehrsdurchgesetzte Marke darstellt (vgl. BPatG 26 W (pat) 115/06 – DIE POST).
c) Der Widerspruchsmarke zu 2.) kann ebenfalls höchstens eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuerkannt werden.
aa) Die Kennzeichnungskraft der Unionswortmarke „Deutsche Post“ ist in Anbetracht ihrer schutzunfähigen Gesamtbezeichnung, die sich aus einer geografischen Herkunftsangabe und einer beschreibenden Sachangabe zusammensetzt, im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Dienstleistungen von Haus aus auf ein Minimum beschränkt. Die Wortkombination wird in ihrer Gesamtbedeutung ohne weiteres im Sinne von „Deutschland betreffendes Dienstleistungsunternehmen zur Beförderung von Briefen, Paketen, Geldsendungen“ oder „zu beförderndes oder bereits befördertes und zugestelltes Schriftgut aus Deutschland“ verstanden.
bb) Selbst eine unterstellte intensive Benutzung der Widerspruchsmarke zum maßgeblichen Zeitpunkt im Juni 2008 und zum Entscheidungszeitpunkt würde hier lediglich dazu führen, dass ihre ursprünglich auf ein Minimum reduzierte Kennzeichnungskraft für die betreffenden Dienstleistungen als kompensiert anzusehen wäre, so dass der Widerspruchsmarke insoweit ein durchschnittlicher Schutzumfang zukäme (vgl. BPatG 29 W (pat) 7/10 – regioPOST).
4. Ausgehend von identischen Dienstleistungen, allenfalls durchschnittlicher Aufmerksamkeit der Verkehrskreise und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zu den drei Widerspruchsmarken ein.
a) Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher, klanglicher oder begrifflicher Hinsicht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke „POST“ besteht nicht.
aa) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.
Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. EuGH GRUR 2006, 413 Rdnr. 19 – ZIRH/SIR; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – BioGourmet).
bb) In ihrer Gesamtheit und in (schrift-)bildlicher Hinsicht unterscheiden sich die jüngere Marke und die drei Widerspruchsmarken „POST“, „DIE POST“ und „Deutsche Post“ durch das auffällige Bildelement in Form eines stilisierten, auf der rechten Seite offenen Briefumschlages, dessen obere Rahmenlinie mit einer Pfeilspitze endet, und die jeweils abweichenden Wortzusätze hinreichend deutlich.
cc) Der Gesamteindruck der angegriffenen Wort-/Bildmarke wird in klanglicher Hinsicht durch die Wortelemente „Die Neue Post“ geprägt, weil der Wortbestandteil die einfachste Möglichkeit zur Benennung bietet (BGH GRUR 2014, 378 Rdnr. 30 – OTTO CAP). Die Wortbestandteile „Brief & Paketdienste“ treten dabei jedoch sowohl wegen ihrer erheblich kleineren Schriftgröße als auch wegen ihrer beschreibenden Aussage völlig in den Hintergrund.
dd) Entgegen der Ansicht der Widersprechenden hat der Begriff „Post“ innerhalb der Wortfolge „Die Neue Post“ keine prägende Stellung inne. Denn die beiden weiteren, in identischer Schriftgröße vor dem Wort „Post“ platzierten Wortelemente „Die Neue“ treten nicht in einer Weise zurück, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten. Eher könnte der Wortbestandteil „Neue“ aufgrund seiner zentralen Stellung und seiner regelwidrigen Großschreibung in den Vordergrund rücken. Der Verkehr hat jedenfalls keinen Anlass, die jüngere Marke zergliedernd zu betrachten und sich bei der Frage des Herkunftshinweises allein an dem Bestandteil „Post“ zu orientieren. In der hier betroffenen Transport- und Logistikbranche fasst der Verkehr den Begriff „Post“ zudem in zusammengesetzten Zeichen beschreibend auf (vgl. BGH GRUR 2009, 672 Rdnr. 34 – OSTSEE-POST). Denn der angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher ist aufgrund der seit Jahren andauernden und umfangreichen Berichterstattung in deutschen Medien über den schrittweisen Abbau des Postmonopols gut darüber informiert, dass es zwischenzeitlich außer der Widersprechenden eine nicht unerhebliche Anzahl weiterer Anbieter von Postdiensten im Inland gibt. Eine klangliche Ähnlichkeit scheidet daher aus.
ee) Aber auch eine begriffliche Ähnlichkeit kommt mangels Übereinstimmung im Sinngehalt nicht in Betracht. Der angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher wird in Kenntnis der inländischen Mitbewerber bei Postdiensten eher davon ausgehen, dass das Adjektiv „Neue“ von den Widerspruchsmarken der Widersprechenden als Rechtsnachfolgerin der „alten“ Deutschen Bundespost wegführt, und auf eine andere betriebliche Herkunft schließen. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden wird er schon wegen der Großschreibung des Bestandteils „Neue“ nicht denken, dass es sich nur um moderne, aktuelle Dienstleistungen der (alten) Post handelt. Auch wenn neue Filialen von der Widersprechenden mit „Die neue Post“ angekündigt und beworben werden, handelt es sich erkennbar nicht um eine markenmäßige Verwendung dieses Gesamtbegriffs, sondern nur um einen vorübergehenden Hinweis auf zusätzliche Geschäftsstellen der unter der Marke „POST“ angebotenen Dienstleistungen.
b) Aus den gleichen vorstehenden Gründen ist auch eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken „DIE POST“ und „Deutsche Post“ zu verneinen. Der Grad der Ähnlichkeit der jüngeren Marke zur älteren Marke „Deutsche Post“ ist wegen des zusätzlichen abweichenden Wortes „Deutsche“ sogar noch geringer als bei den Widerspruchsmarken „POST“ und „DIE POST“.
5. Auch für eine Verwechslungsgefahr zwischen der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke „POST“ durch gedankliche Verbindung liegen keine Anhaltspunkte vor.
a) Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens scheidet aus.
aa) Diese Art der Verwechslungsgefahr greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet. Das Vorliegen einer Zeichenserie setzt die Benutzung mehrerer Marken mit einem gemeinsamen Stammbestandteil voraus, damit die angesprochenen Verkehrskreise das gemeinsame Element kennen und mit der Zeichenserie in Verbindung bringen (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 Rdnr. 64 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]; BGH GRUR 2013, 1239 Rdnr. 40 – Volkswagen/Volks.Inspektion).
Das ist hier nicht der Fall.
bb) Zum einen sehen die Verkehrskreise den Bestandteil „Post“ nur als eine Sachangabe an, den eine Vielzahl von Unternehmen als Marke oder Unternehmenskennzeichen nutzt (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 41 – OSTSEE-POST).
cc) Zum anderen hat die Widersprechende die Benutzung nur für die - bereits vor dem Anmeldetag eingetragenen - Marken (30024625), (30232284), (30232286), (30232289), (30044534), (30120416), (UM 003280121), (30760362), (UM 004875597) und (UM 004548228) konkret vorgetragen und jeweils einen Beleg dafür eingereicht.
Unabhängig davon, ob diese Unterlagen überhaupt ausreichen, um die Präsenz dieser Serienzeichen am Markt zum Anmeldezeitpunkt zu belegen, woran erhebliche Zweifel bestehen, reiht sich die jüngere Marke schon aufgrund ihrer völlig andersartigen Grafik in schwarz-weiß und des abweichenden Aufbaus der Wortfolge nicht in diese Markenserie ein.
dd) Soweit die Widersprechende Inhaberin der ähnlich aufgebauten Wortmarken „Die gelbe Post“ (30106382), „Die blaue Post“ (30106383), „Die grüne Post“ (30106384), „Die rote Post“ (30106385), „Die schwarze Post“ (30106386) ist, zeichnen sich diese dadurch aus, dass sie in der Mitte eine Farbangabe enthalten. „Neu“ ist aber keine Farbangabe, sondern das Antonym zu „alt, gebraucht, bekannt, gewohnt, vergangen“, so dass sich die angegriffene Marke auch nicht in diese, zudem nicht als benutzt nachgewiesene Zeichenserie einfügt.
b) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne scheidet ebenfalls aus.
aa) Sie kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Zeicheninhabern ausgeht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (BGH GRUR 2013, 1239 Rdnr. 45 - Volkswagen/Volks.Inspektion; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 69 - Culinaria/Villa Culinaria).
So ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 30 – THOMSON LIFE; BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2014 – I ZR 37/14, Rdnr. 11; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2012, 930 Rdnr. 45 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2014, 1101 Rdnr. 54 – Gelbe Wörterbücher).
Eine solche eigenständige kennzeichnende Stellung kommt dem Bestandteil „Post“ in der jüngeren Marke schon deshalb nicht zu, weil der Verkehr den Begriff „Post“ in zusammengesetzten Zeichen beschreibend auffasst und darin nicht die Widerspruchsmarke zu 1.) erkennt (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 36 – OSTSEE-POST). Gegen eine selbständig kennzeichnende Stellung spricht auch, dass die Wortfolge „Die neue Post“ eine gesamtbegriffliche Einheit bildet. Innerhalb dieses Gesamtbegriffs stehen die aufeinander bezogenen Bestandteile gleichrangig nebeneinander, ohne dass eine Aufspaltung dieser gesamtbegrifflichen Einheit in die einzelnen Wortbestandteile oder ein Hervortreten eines der Wortbestandteile zu Lasten des anderen naheliegend wäre. „Post“ wird somit nicht als Hinweis auf die Widersprechende, sondern als Hinweis auf Postdienstleistungen eines anderen Unternehmens verstanden (vgl. auch EuG, Urt. v. 13. Mai 2015 T-102/14, BeckRS 2015, 80643 – TPG POST).
bb) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne wird auch angenommen, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen des Inhabers der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042 Rdnr. 31 – THOMSON LIFE; GRUR 2010, 933 Rdnr. 34 – Barbara Becker; BGH GRUR 2010, 646 Rdnr. 15 – OFFROAD; BGH GRUR 2006, 859 – Malteserkreuz).
Das ist hier nicht der Fall, weil die Wortelemente „Die Neue“ kein Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen der Inhaberin der jüngeren Marke ist.
cc) Auch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der in das jüngere Gesamtzeichen übernommenen älteren Marke kann eine solche selbständig kennzeichnende Stellung bewirken. Weist ein Zeichen Ähnlichkeiten mit einer bekannten Marke auf, wird das angesprochene Publikum wegen der Annäherung an die bekannte Marke häufig annehmen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor (BGH a. a. O. Rdnr. 47 – Volkswagen/Volks.Inspektion; WRP 2009, 616, 624 f. – METROBUS; GRUR 2003, 880, 881 – City Plus).
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden kann der Entscheidung des BGH zu POST I (GRUR 2008, 798 Rdnr. 25) nicht entnommen werden, dass „POST“ eine bekannte Marke ist. Der BGH hat vielmehr nur zugunsten der damaligen Klägerin unterstellt, dass es sich um eine bekannte Marke handele.
Ohne gesteigerte Kennzeichnungskraft kann der Begriff „Post“ aber auch nicht auf diesem Wege eine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb der angegriffenen Marke einnehmen. Die Kennzeichnungskraft des Wortes „POST“ innerhalb einer dem Durchschnittsverbraucher unbekannten, aus mehreren Wortbestandteilen bestehenden Marke ist vielmehr als unterdurchschnittlich zu bewerten, weil der Verkehr diesen Begriff nur als Hinweis auf die Erbringung von Postdienstleistungen durch (irgend)ein Unternehmen versteht.
Aber selbst wenn hier ebenfalls zugunsten der Widersprechenden unterstellt würde, dass sich „POST“ zu einem bekannten Unternehmenskennzeichen der Widersprechenden entwickelt habe, sind die Vergleichsmarken in ihren (schrift-)bildlichen Elementen derart unterschiedlich, dass sie nicht den Schluss auf geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Unternehmen der Widersprechenden und der Inhaberin der angegriffenen Marke zulassen.
c) Entgegen der Ansicht der Widersprechenden ist die Geltung der vorliegend angewandten Grundsätze zur Beurteilung komplexer Marken nach dem Beschluss des BGH vom 23. Oktober 2014 – I ZR 37/14, der die Rechtsprechung zu „OSTSEE-POST“ fortführt, nicht durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Mai 2012 zu F1-LIVE/F1/F 1 Formula 1 (C-196/11 P, GRUR 2012, 825 – Formula One Licensing BV/HABM), der sich das Gericht der Europäischen Union mit Entscheidung vom 26. Februar 2016 – T-210/14 – Gummi Bear-Rings/GUMMY angeschlossen hat, zweifelhaft geworden. Dieser EuGH-Entscheidung kann nicht entnommen werden, dass eine ältere Marke in einem komplexen Zeichen nicht als rein beschreibend wahrgenommen werden darf. Der EuGH hat lediglich die besondere Fallkonstellation entschieden, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Unionsmarke einer älteren IR-Widerspruchsmarke nicht die Unterscheidungskraft abgesprochen werden dürfe. Die Gültigkeit einer nationalen oder internationalen Marke dürfe nur in einem Nichtigkeitsverfahren des betreffenden Mitgliedstaates in Frage gestellt werden, weil das System des Unionsgesetzgebers auf der Koexistenz der Unionsmarke mit den nationalen Marken beruhe. Nichts anderes geschehe aber der Sache nach, wenn das ältere Zeichen als beschreibend oder als Gattungsbegriff angesehen werde (EuGH a. a. O. Rdnr. 38 ff. - Formula One Licensing BV/HABM). Über dieses Problem der Koexistenz der markenrechtlichen Schutzsysteme hinaus ist dem Urteil nach Ansicht des BGH nichts zu entnehmen. Schon gar nicht hat der EuGH darin die hergebrachten Grundsätze der Beurteilung komplexer Marken nach den Gesichtspunkten der Prägung und der Prüfung einer selbständig kennzeichnenden Stellung modifiziert oder gar (konkludent) aufgegeben (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2014 – I ZR 37/14 Rdnr. 12 u. 13). Hinzu kommt, dass das EuGH-Urteil es lediglich verbietet, dem mit einer eingetragenen älteren Marke übereinstimmenden Bestandteil einer jüngeren Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen, es aber nicht ausschließt zu prüfen, in welcher Weise die maßgeblichen Verkehrskreise das mit der älteren eingetragenen älteren Marke identische Zeichen in der angegriffenen Marke auffassen, und ggfls. den Grad der Kennzeichnungskraft dieses Zeichens zu beurteilen (EuGH a. a. O. Rdnr. 42 – Formula One Licensing BV/HABM).
6. Für eine Gefahr der Verwechslung durch gedankliches In-Verbindung-Bringen der jüngeren Marke mit der Widerspruchsmarke „DIE POST“ gelten die obigen Ausführungen entsprechend.
7. Hinsichtlich der älteren Unionswortmarke „Deutsche Post“ ist eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne schon deshalb zu verneinen, weil diese Marke nicht in identischer oder ähnlicher Form in die angegriffene Marke übernommen worden ist.
III.
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.