Entscheidungsdatum: 26.05.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke...
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fuchs-Wissemann sowie die Richter Reker und Lehner
beschlossen:
1. | Der Antrag des Markeninhabers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgewiesen. |
2. | Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen. |
I
Gegen die Eintragung der Marke ...
B...
für die Waren und Dienstleistungen
"31: Malz; Hopfen
32: Biere
35: Werbung, insbes. Vermietung von Werbeflächen im Internet"
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Ware
"Alkoholfreies Getränk"
eingetragenen prioritätsälteren Marke ...
B... .
Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zunächst wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass angesichts der teilweisen großen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren zwar ein deutlicher Abstand der Marken erforderlich sei, der von der angegriffenen Marke jedoch in jeder Richtung eingehalten werde. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden ist erfolglos geblieben. Der Erinnerungsprüfer hat die Zurückweisung der Erinnerung damit begründet, dass der Widerspruch nicht nur unbegründet, sondern bereits unzulässig sei, und demgemäß den Widerspruch als unzulässig verworfen. Diesbezüglich hat er ausgeführt, der Widerspruch sei ursprünglich von der Widersprechenden eindeutig nur auf die nationale Marke ... gestützt worden. Diese sei bereits am 17. November 2004 im Markenregister gelöscht worden und folglich zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs am 16. April 2008 nicht mehr existent gewesen. Infolge der Inanspruchnahme der Seniorität dieser Marke für die Gemeinschaftsmarke ... werde zwar der gesamte materielle Inhalt der erloschenen älteren nationalen Marke in die Gemeinschaftsmarke integriert und deren Fortbestand gemeinschaftsrechtlich fingiert. Die Seniorität bestehe aber nicht isoliert fort, sondern nur in akzessorischer Verbindung mit der Gemeinschaftsmarke, für die sie wirksam in Anspruch genommen worden sei. Deshalb könne die Seniorität bzw. die ihr nach Art. 34 Abs. 2 GMV mit dem Verzicht auf die ältere nationale Marke oder deren Erlöschenlassen zukommende Wirkung in einem Widerspruchsverfahren nicht losgelöst von der Gemeinschaftsmarke geltend gemacht werden. Verfahrensrechtliche Voraussetzung hierfür sei vielmehr gemäß §§ 125 b Nr. 1, 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Buchst. B MarkenRichtl stets die Erhebung eines Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke, für die die Seniorität der älteren nationalen Marke wirksam in Anspruch genommen wurde. Im vorliegenden Fall sei der Widerspruch aber erst mit der Eingabe vom 4. August 2008, also nach Ablauf der am 18. April 2008 endenden Widerspruchsfrist, auf die Gemeinschaftsmarke ... gestützt worden. Die Widerspruchsschrift vom 16. April 2008 nenne lediglich die Registernummer der seinerzeit bereits erloschenen nationalen Marke ....
Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, ihr sei im vorliegenden Widerspruchsverfahren am 21. Juli 2008 von der Markenstelle mitgeteilt worden, dass die Widerspruchsmarke im Register gelöscht sei, weshalb mit einer Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig gerechnet werden müsse, sofern der Widerspruch nicht zurückgenommen werde. Daraufhin habe sie den Widerspruch innerhalb der ihr gesetzten Frist auch auf die Gemeinschaftsmarke ... gestützt, auf die die Priorität der nationalen Widerspruchsmarke übertragen worden sei. Nachdem der Widerspruch durch die Erstprüferin nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen worden sei und es im Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs bereits amtsbekannt gewesen sei, dass die Seniorität der Widerspruchsmarke für die Gemeinschaftsmarke ... beansprucht worden sei und in dieser weitergeführt werde, habe auch im Erinnerungsverfahren die Zulässigkeit des Widerspruchs weiterhin bejaht werden und eine sachliche Begründetheitsprüfung stattfinden müssen. Dies ergebe sich bereits aus dem auch im Erinnerungsverfahren geltenden Verbot der reformatio in peius. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes habe der Erstprüferbeschluss nicht zum Nachteil der Widersprechenden abgeändert werden dürfen, weshalb auch eine Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig nicht mehr gerechtfertigt gewesen sei.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Februar 2009 und 9. September 2009 aufzuheben und wegen des Widerspruchs die Löschung der Marke ... anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,
die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Er bestreitet u. a. die Wirksamkeit der Übertragung der Widerspruchsmarke von deren ursprünglichem Inhaber auf die Widersprechende und stellt die wirksame Bevollmächtigung der Vertreter der Widersprechenden infrage. Ferner weist er darauf hin, dass das Deutsche Patent- und Markenamt ihm am 27. April 2010 mitgeteilt habe, dass beim Harmonisierungsamt die Löschung der Gemeinschaftsmarke ... beantragt worden sei, weshalb im vorliegenden Beschwerdeverfahren erst nach der Entscheidung über den Bestand der Widerspruchsmarke Beschluss gefasst werden könne.
Der Markeninhaber beantragt ferner,
ihm Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
Der Senat hat dem Markeninhaber mit Bezug auf sein Verfahrenskostenhilfegesuch am 20. April 2010 den Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" samt dem zugehörigen Hinweisblatt übersandt und ihn aufgefordert, den ausgefüllten Vordruck binnen zwei Wochen an die Geschäftsstelle des Senats zurückzusenden. Auf seine daraufhin gestellte Frage, ob auf die Ausfüllung des Formulars nicht verzichtet werden könne, weil er im Zusammenhang mit dem Verfahren 26 W (pat) ... eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, hat der Senat am 27. April 2010 geantwortet, dass auf die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verzichtet werden könne und dem Markeninhaber zugleich eine weitere Frist von zwei Wochen für die Vorlage der Erklärung nebst den erforderlichen Nachweisen gesetzt. Der Markeninhaber hat auch daraufhin weder die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch sonstige diesbezügliche Nachweise vorgelegt.
II
1. Der Verfahrenskostenhilfeantrag des Markeninhabers ist statthaft (BGH GRUR 2009, 88f., Nr. 10 ff. – ATOZ ). Er ist jedoch zurückzuweisen, weil der Markeninhaber seiner aus § 82 Abs. 2 S. 1 MarkenG i. V. m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO resultierenden Obliegenheit, sich über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären sowie entsprechende Belege beizufügen, innerhalb der ihm hierfür gesetzten Fristen nicht nachgekommen ist.
Nach den zuvor genannten Bestimmungen hat die Person, die einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe stellt, ihrem Antrag eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 S. 1 ZPO). Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO). Hat der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe insoweit ab (§ 118 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Der Senat hat dem Markeninhaber auf seinen Verfahrenskostenhilfeantrag hin die vom Bundesministerium der Justiz eingeführte "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" nebst zugehörigem Merkblatt übersandt und ihn zur Ausfüllung und Rückübersendung dieser Erklärung aufgefordert. Auf die vom Markeninhaber daraufhin gestellte Frage, ob auf die Übersendung des ausgefüllten Vordrucks nicht deshalb verzichtet werden könne, weil er in der Folge eines zuvor beim Senat anhängigen anderen Beschwerdeverfahrens aus Anlass der Zwangsvollstreckung eine eidesstattliche Erklärung abgegeben habe, hat der Senat darauf hingewiesen, dass auf die Vorlage der ausgefüllten Erklärung nicht verzichtet werden könne. Daraufhin hat der Markeninhaber innerhalb der ihm hierfür gesetzten weiteren Frist weder die ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch sonstige Unterlagen vorgelegt, die eine abschließende Prüfung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen würden. Auch die von ihm angeführte eidesstattliche Erklärung hat er - unabhängig davon, dass deren Vorlage allein für den Nachweis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichen würde (vgl. z. B. BGH NJW 2002, 2793) - nicht zu den Akten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens eingereicht. Angesichts dieser Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Markeninhaber war gemäß § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO zu verfahren und der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abzuweisen.
2. Auch die zulässige Beschwerde der Widersprechenden kann keinen Erfolg haben. Die Entscheidung des Erinnerungsprüfers, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, begegnet nicht den von der Widersprechenden geltend gemachten rechtlichen Bedenken.
Der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss ist insbesondere nicht schon wegen eines Verstoßes der Markenstelle gegen das Verbot der Schlechterstellung ("reformatio in peius") aufzuheben, da ein solcher Verstoß im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Das Verbot der Schlechterstellung gilt nicht in Fällen einer notwendig einheitlichen Sachentscheidung. Deshalb darf ein Gericht auf die Berufung des Klägers hin eine zunächst als unbegründet erfolgte Klageabweisung auch in eine Abweisung als unzulässig abändern, wenn dies nach dem Sachvortrag und den getroffenen Feststellungen möglich erscheint (BGH NJW 1999, 1113). Dementsprechend war auch der Erinnerungsprüfer nicht gehindert, im Rahmen der von der Widersprechenden eingelegten Erinnerung die Frage der Zulässigkeit des Widerspruchs erneut zu prüfen und den Widerspruch - anders als die Erstprüferin - als unzulässig zu verwerfen.
Die Beurteilung des Widerspruchs als unzulässig ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Markenstelle im angegriffenen Beschluss festgestellt, dass die Marke ..., aus der die Widersprechende innerhalb der Widerspruchsfrist gegen die Eintragung der jüngeren Marke Widerspruch eingelegt hat, zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung im Markenregister bereits gelöscht war und deshalb nicht mehr Grundlage eines rechtswirksamen Widerspruchs sein konnte, weil nur aus einer "eingetragenen Marke" (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) Widerspruch erhoben werden kann. Deshalb hätte der Widerspruch im vorliegenden Fall, in dem die nationale Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung bereits erloschen war, von Anfang an und jedenfalls bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist nur noch auf die Gemeinschaftsmarke ..., die die Seniorität der erloschenen Marke ... beansprucht, gestützt werden können. Ein Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke ... ist innerhalb der Widerspruchsfrist beim Deutschen Patent- und Markenamt aber nicht eingelegt worden.
Eine verfahrensrechtliche Wirkung der Seniorität dahingehend, dass mit dem Erlöschen der älteren nationalen Marke in sämtlichen anhängigen inländischen amtlichen oder gerichtlichen Verfahren, in denen aus dieser Marke Rechte geltend gemacht werden, an deren Stelle nunmehr die Gemeinschaftsmarke mit der für sie in Anspruch genommenen Seniorität der älteren nationalen Marke tritt, kann weder den Bestimmungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung noch denen des Markenrechts entnommen werden. insbesondere fehlt im Markengesetz eine Vorschrift, die die Regelung des § 34 Abs. 2 GMV in nationales Recht umsetzt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 42 Rdn. 8 m. w. N.). Diese für den Fall eines zunächst rechtswirksam aus einer eingetragenen nationalen Marke erhobenen Widerspruchs vertretene Rechtsauffassung muss erst recht dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein rechtswirksamer Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist nicht erhoben worden ist, weil die ältere Marke, auf die der Widerspruch innerhalb der Frist gestützt wurde, zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung bereits erloschen war. Der Widerspruch aus der Marke ... war somit unzulässig.
Soweit die Widersprechende ihren Widerspruch mit Schreiben vom 4. August 2008 auch auf die Gemeinschaftsmarke ... gestützt hat, ist auch dieser Widerspruch, selbst wenn er als eigenständiger, weiterer Widerspruch gewertet wird, schon deshalb unzulässig, weil er nicht innerhalb der am 18. April 2008 abgelaufenen Widerspruchsfrist beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist.
Angesichts der Unzulässigkeit des Widerspruchs kann die Frage, ob zwischen den beiderseitigen Marken die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht, dahingestellt bleiben. Es sei jedoch insoweit angemerkt, dass die Verneinung der Verwechslungsgefahr durch die Erstprüferin ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, nachdem sich die Gemeinsamkeiten der beiderseitigen, nicht für identische, sondern nur für teilweise ähnliche Waren eingetragenen Marken im Wesentlichen auf eine Übereinstimmung in dem beschreibenden Wortbestandteil "B..." beschränken, und eine Übereinstimmung in rein beschreibenden Markenteilen eine Verwechslungsgefahr regelmäßig nicht zu begründen vermag (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 141 m. w. N.).
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgesichtspunkten (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) gibt die Sache keinen Anlass, so dass gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG jede Partei die ihr entstandenen Kosten selbst zu tragen hat.