Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.05.2017


BPatG 18.05.2017 - 25 W (pat) 9/17

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "pIONM" – Bitte um Verlängerung der Frist zur Einlegung des Widerspruchs: keine Umdeutung als Widerspruch – keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Widerspruchs - Organisationsverschulden


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
18.05.2017
Aktenzeichen:
25 W (pat) 9/17
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 047 554

(hier: Löschungsverfahren S 115/15 Lösch)

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin und Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 20. Mai 2014 angemeldete Bezeichnung

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pIONM

3

ist am 23. Juni 2014 unter der Nr. 30 2014 047 554 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 10 und 42 eingetragen worden.

4

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 die Löschung der vorbezeichneten Marke beantragt. Der Löschungsantrag ist dem Vertreter der Markeninhaberin am 16. Juni 2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14. August 2015, eingegangen beim DPMA am selben Tag, hat der Vertreter der Markeninhaberin um eine Fristverlängerung von zwei Monaten gebeten. Zur Begründung des Fristverlängerungsgesuchs ist ausgeführt, dass noch Rücksprachen mit der Mandantin erforderlich seien, die innerhalb der laufenden Frist aufgrund von urlaubsbedingter Abwesenheit der Entscheidungsträger nicht geklärt werden könnten. Auf telefonische Mitteilung des DPMA vom 18. August 2015 erklärte der Parteivertreter der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 18. August 2015, dass das Schreiben vom 14. August 2015 auch den Widerspruch gegen die Löschung mit beinhalte. Der Antrag auf Fristverlängerung beziehe sich allein auf die Begründung der Verteidigung. Rein vorsorglich werde nochmals dem Löschungsantrag widersprochen. Vorsorglich beantrage die Markeninhaberin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

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Mit Beschluss vom 15. Januar 2016 hat die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Paten- und Markenamts den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Löschung der Marke 30 2014 047 554 angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen den Löschungsantrag am Montag den 17. August 2015 ohne Eingang einer entsprechenden Erklärung abgelaufen sei. Das Schreiben vom 14. August 2015 enthalte keine ausdrückliche Erklärung des Widerspruchs. Das Schreiben vom 18. August 2015 sei dagegen nach Ablauf der Widerspruchsfrist beim DPMA eingegangen. Inhaltlich lasse sich die Erklärung vom 14. August 2015 unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts bzw. des objektiven prozessualen Erklärungswerts nur so auslegen, dass eine abschließende Entscheidung zum weiteren Vorgehen mangels Rücksprache mit der Mandantin noch nicht habe erfolgen können. Diese beabsichtigte Rücksprache könne sich auch auf die Frage des Widerspruchs als solchen beziehen, insbesondere dahingehend, ob dem Löschungsantrag widersprochen werden solle. So könne die Entscheidung der Mandantin auch dahin gehen, dem Löschungsantrag aus Kostengründen bzw. aus markenstrategischen Gründen nicht entgegenzutreten.

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Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei zulässig aber nicht begründet. Die Markeninhaberin müsse sich das Verschulden ihres Vertreters zurechnen lassen. An die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts seien strenge Maßstäbe anzulegen. Grundsätzlich dürfe zwar der Rechtsanwalt bestimmte Tätigkeiten, insbesondere wie hier geschehen, die Berechnung und Verfolgung von Fristen auf gut ausgebildete, als zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Hilfskräfte übertragen. Dem Vertreter der Markeninhaberin sei aber unter zwei Gesichtspunkten ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Zum einen obliege dem Vertreter bei Vorlage der Akten zur Bearbeitung die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der Fristen. Insoweit sei der eidesstattlichen Versicherung des die Frist überwachenden Mitarbeiters nicht zu entnehmen, ob bei Vorlage der Frist am 14. August 2015 auch die Handakten vorgelegt worden seien. Soweit es den üblichen Gepflogenheiten in der Kanzlei entspreche, Fristen ohne die dazugehörenden Akten oder mindestens ohne die in Bezug genommenen Schreiben vorzulegen, stelle dies ein Organisationsverschulden dar. Weiterhin stelle es ein Organisationsverschulden dar, dass im Fristenkalender zwei Verfahren, nämlich das Löschungs- und das daneben bestehende Widerspruchsverfahren, unter demselben Bearbeitungszeichen geführt worden seien. Wäre für jedes Verfahren eine Fristenliste geführt worden, hätte dem Sachbearbeiter die Erforderlichkeit der Fristwahrung auffallen müssen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Auffassung, dass sie dem Löschungsantrag fristgemäß widersprochen habe. Das vor Fristablauf beim DPMA eingegangene Schreiben vom 14. August 2015 sei als Widerspruch auszulegen. Denn die Verlängerung der Frist zur Begründung des Widerspruchs setze zwingend voraus, dass der Widerspruch dem Grunde nach bereits erhoben worden sei. Auch das DPMA habe den mutmaßlichen Erklärungswillen erkennen können, da eine Verlängerung der Widerspruchsbegründungsfrist erkennbar sinnlos sei, wenn die Frist zur Einlegung des Widerspruchs versäumt werde. Selbst wenn das erkennende Gericht das Schreiben vom 14. August 2015 nicht in diesem Sinne auslege, so sei es in einen Widerspruch gegen die Löschung umzudeuten. Auch im Prozessrecht gelte der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteierklärung in eine zulässige und wirksame Erklärung umzudeuten sei, wenn die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspreche und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegenstehe. Hier sei die Erklärung des Vertreters der Markeninhaberin insofern fehlerhaft gewesen, als die Widerspruchsfrist nicht verlängert werden konnte und das Fristverlängerungsgesuch damit unzulässig war. Der mutmaßliche Wille des Erklärenden sei aber eindeutig gewesen, da die Einlegung des Widerspruchs die einzige sinnvolle Handlungsoption gewesen sei. Aus der Einlegung des Widerspruchs hätten der Widersprechenden keine Nachteile erwachsen können. Das Argument, dass wegen der möglichen Kosten des Widerspruchs erwogen werden könne, dem Löschungsantrag nicht zu widersprechen, greife nicht durch, da die Einlegung des Widerspruchs gegenüber einem Fristverlängerungsgesuch keine höheren Kosten auslöse. Auch Überlegungen zur Markenstrategie könnten kein Grund sein, noch keinen Widerspruch einlegen zu wollen. Wegen der fehlenden Rücksprache mit der Mandantschaft sei erkennbar eine Entscheidung über die Markenstrategie noch gar nicht möglich gewesen. Hinzu komme, dass der Vertreter der Markeninhaberin unmittelbar nach der Kenntnisnahme des Fristenproblems explizit den Widerspruch erklärt hatte, so dass auch aus dem Nachverhalten der mutmaßliche Wille des Erklärenden erkennbar sei. Die Umdeutung des Fristverlängerungsgesuchs in eine Widerspruchserklärung berühre die schutzwürdigen Interessen der Löschungsantragstellerin nicht, da jeder Löschungsantragsteller damit rechnen müsse, dass der Markeninhaber dem Löschungsantrag widersprechen werde. Im Übrigen hätte das DPMA auf den hilfsweise gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Es liege kein schuldhaftes Handeln des Parteivertreters vor. Ein Rechtsanwalt müsse bei Vorlage der Handakten nicht kontrollieren, ob Fristen zu beachten seien, die zeitlich vor der Frist liegen würden, wegen derer die Vorlage erfolge. Eine solche Kontrolle sei sinnlos. Nur Fristen, die zeitlich nach dieser Frist lägen, seien zu prüfen. Da im vorliegenden Fall dem Parteivertreter die Akte wegen der ablaufenden Frist zur Widerspruchsbegründung vorgelegt worden sei, welche zeitlich nach Ablauf der Frist zur Erklärung des Widerspruchs liege, sei der sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht verpflichtet gewesen, die zeitlich vor der Begründungsfrist liegende Widerspruchserklärungsfrist zu kontrollieren. Auch die Methodik der Führung des Fristenbuchs sei nicht pflichtwidrig gewesen, weil die Fristenliste eine Farbcodierung aufweise, welche nicht verlängerbare Fristen rot und andere Fristen gelb markiere. Die Anforderungen an den Rechtsanwalt dürften nicht überspannt werden. Es dürfe dem Rechtsanwalt nicht auferlegt werden, den Fristenkalender selbst zu führen.

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Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Januar 2015 aufzuheben.

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Die Löschungsantragstellerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

12

Aus dem Schreiben der Markeninhaberin vom 14. August 2015 gehe nicht der eindeutige Wille hervor, Widerspruch gegen den Löschungsantrag erklären zu wollen. Der Erklärungsinhalt beschränke sich darauf, dass sich die Mandantin noch gar nicht zu dem Vorgehen in der Sache geäußert und den Vertreter noch nicht instruiert habe. Das Schreiben könne auch nicht nach § 140 ZPO in eine Widerspruchserklärung umgedeutet werden. Denn das Schreiben vom 14. August 2015 sei bereits keine unwirksame Prozesshandlung. Der Fristverlängerungsantrag sei lediglich unstatthaft, da es sich bei der Frist nach § 54 Abs. 2 MarkenG um eine Notfrist handle. Zudem dürfe das Ersatzgeschäft, hier der Widerspruch, nicht über das nichtige Geschäft hinausgehen. Beides müsse vielmehr zielgleich sein. Dies sei im Hinblick auf die Verlängerung einer Frist zur Begründung „irgendeiner“ Stellungnahme gegenüber dem Widerspruch, der erst das Löschungsverfahren einleite, erkennbar nicht der Fall. Die Erklärung des Widerspruchs stelle gegenüber der Fristverlängerung ein deutliches rechtliches Plus dar. Das DPMA habe auch zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Wenn einem Rechtsanwalt eine Sache als nicht fristgebunden vorgelegt werde, müsse er sich in angemessener Zeit durch einen Blick in die Akten davon überzeugen, was zu tun sei, wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen könne und ob es sich nicht um eine versehentlich nicht notierte Fristsache handle. Hier hätte dem Sachbearbeiter auffallen müssen, dass es sich bei der Frist nach § 54 Abs. 2 MarkenG um eine Notfrist handelt, auch wenn die Frist vom Kanzleimitarbeiter versehentlich als verlängerbare Frist notiert worden war.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Januar 2016, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 25. Januar 2017, die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Markeninhaberin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Markeninhaberin hat dem gegen die Marke 30 2104 047 554 gerichteten Löschungsantrag nicht innerhalb der Frist gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG i. V. m. §§ 221, 222 ZPO i. V. m. §§ 187 ff. BGB widersprochen, so dass die Markenabteilung zu Recht die Löschung der Marke angeordnet hat. Die Markenabteilung hat auch zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, da die Frist zur Erklärung des Widerspruchs von der Markeninhaberin nicht ohne Verschulden i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG versäumt worden ist.

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1. Der von der Antragstellerin am 21. Mai 2015 eingereichte Löschungsantrag ist zulässig, § 54 Abs. 1 MarkenG. Der Löschungsantrag ist der Markeninhaberin gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 MarkenG mit Bescheid des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juni 2015 am 16. Juni 2015 wirksam zugestellt worden. Die Markeninhaberin hätte somit binnen zwei Monaten, also bis Montag den 17. August 2015, dem Löschungsantrag widersprechen müssen, § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG. Dies ist jedoch nicht rechtzeitig erfolgt. Der Schriftsatz der Markeninhaberin vom 14. August 2015 enthält keinen Widerspruch gegen den Löschungsantrag vom 21. Mai 2015.

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Zwar ist nicht zu fordern, dass die Markeninhaberin, die dem Löschungsantrag entgegentreten will, den Begriff "Widerspruch" ausdrücklich nennt. Allerdings muss der Erklärungsinhalt des Schriftsatzes dahingehend hinreichend klar und deutlich sein, dass die Markeninhaberin sich dem Löschungsantrag widersetzen und ihre Rechte im förmlichen patentamtlichen Verfahren wahrnehmen möchte. Der Schriftsatz der Markeninhaberin enthält aber lediglich einen Antrag auf Fristverlängerung unter Bezugnahme auf den Bescheid des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juni 2015. Zusätzlich wurde in diesem Schriftsatz erklärt, dass noch Rückfragen bei der Mandantin erforderlich seien, die innerhalb der laufenden Frist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit der Entscheidungsträger nicht hätten geklärt werden können. Einen ausdrücklichen Widerspruch gegen den Löschungsantrag hat die Markeninhaberin somit nicht erhoben.

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Der Schriftsatz vom 14. August 2014 kann auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Eine Bitte um Fristverlängerung stellt keinen Widerspruch i. S. d. § 54 Abs. 2 MarkenG dar. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Erklärung der Bevollmächtigten der Markeninhaberin, es sei noch Rücksprache mit der Mandantin erforderlich, kann sich zwar nur auf den Bescheid vom 9. Juni 2015 und auf den damit verbundenen Löschungsantrag beziehen. Dies lässt aber einen Willen der Markeninhaberin, sich diesem Löschungsantrag in einem förmlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu widersetzen, nicht hinreichend erkennen. Wird neben einem bloßen Antrag auf Fristverlängerung nur darauf verwiesen, dass noch Rückfragen erforderlich seien, so wird damit vom objektiven Erklärungsinhalt her nichts anderes gesagt, als dass hinsichtlich des Löschungsantrag noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden ist. Dann kann aber daraus auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Markeninhaberin eine Entscheidung, ob sie sich dem Löschungsantrag widersetzt, schon getroffen und ihre Bevollmächtigten entsprechend instruiert hat. Lässt der Inhalt einer Erklärung nicht den Schluss zu, dass eine Entscheidung über einen Widerspruch bereits getroffen wurde, so kann daraus gerade nicht auf den Willen der Markeninhaberin geschlossen werden, dem Löschungsantrag - auch nur vorsorglich - zu widersprechen. Der Umstand, dass ein Fristverlängerungsantrag ohne Erklärung eines Widerspruchs gegen die Löschung bei einer ablaufenden Ausschlussfrist keine sinnvolle Maßnahme darstellt, führt zu keiner anderen Beurteilung und rechtfertigt es nicht, den Fristverlängerungsantrag auch im Sinne eines Widerspruchs gegen die Löschung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG auszulegen. Denn dem Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin war offensichtlich nicht bewusst, dass es sich bei der Frist, deren Verlängerung er mit Telefax vom 14. August 2015 beantragt hat, um eine Ausschlussfrist gehandelt hat (vgl. dazu die Ausführungen unten). Ausgehend von diesem Irrtum stellt sich der Fristverlängerungsantrag aus Sicht des antragstellenden Anwalts auch ohne Widerspruch gegen die Löschung als sinnvolle Maßnahme dar, so dass bei der Auslegung des Fristverlängerungsantrags entsprechend § 133 BGB kein Anlass besteht, in diesen mehr hineinzuinterpretieren als der Wortlaut nahelegt. Der Wortlaut legt aber - wie bereits ausgeführt - nahe, dass auch die Frage dahingehend, ob überhaupt Widerspruch eingelegt werden soll, offen ist und erst noch mit der Markeninhaberin abgeklärt werden muss.

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Die Markeninhaberin hat erstmals mit Schriftsatz vom 18. August 2015 eindeutig erkennen lassen, dass sie sich dem Löschungsantrag widersetzt. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG allerdings bereits abgelaufen. Diese Frist konnte vom Deutschen Patent- und Markenamt weder ausdrücklich noch stillschweigend verlängert werden. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Ausschlussfrist und nicht um eine vom Deutschen Patent- und Markenamt bestimmte oder gewährte Frist, so dass § 18 DPMAV nicht anwendbar ist. Gesetzliche Fristen können gemäß § 224 Abs. 2 ZPO, der auch in markenrechtlichen Verfahren anwendbar ist (vgl. zur Anwendbarkeit der Bestimmungen der ZPO in markenrechtlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 56 Rn. 1), nur in den gesetzlich besonders bestimmten Fällen verlängert werden. Eine Möglichkeit zur Verlängerung der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG sehen das Markengesetz oder sonstige gesetzliche Bestimmungen aber nicht vor. Der rechtzeitige Widerspruch gegen einen Löschungsantrag ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Voraussetzung für die Durchführung eines Löschungsverfahrens mit inhaltlicher Prüfung nach § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG. Dieser Frist liegt zwar zum einen das Interesse des jeweiligen Löschungsantragstellers zu Grunde, über den Bestand oder Nichtbestand der angegriffenen Marke Klarheit zu erhalten (vgl. BPatG 26 W (pat) 51/00 vom 6. August 2003, S. 6). Zum anderen sind insoweit aber auch wesentliche öffentliche Interesse berührt, da den Schutzhindernissen des § 8 MarkenG und damit den Löschungsgründen des § 50 MarkenG Allgemeininteressen zu Grunde liegen (vgl. zum Allgemeininteresse bei den Schutzhindernissen des § 8 MarkenG Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 8 Rn. 5). Dementsprechend bestimmt § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG, dass die angegriffene Marke - im Umfang des jeweiligen Löschungsantrags - ohne weitere Sachprüfung zu löschen ist, wenn der Markeninhaber dem Löschungsantrag nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 MarkenG widerspricht. Widerspricht der jeweilige Markeninhaber dem Löschungsantrag nicht oder nicht rechtzeitig, so ist dann ein zwingendes Hindernis für die Durchführung eines Löschungsverfahrens mit inhaltlicher Überprüfung der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke gegeben.

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2. Das Schreiben vom 14. August 2015 kann nicht nach § 140 BGB analog in einen Widerspruch gegen den Löschungsantrag umgedeutet werden. Zutreffend weist die Löschungsantragstellerin darauf hin, dass keine unwirksame bzw. nichtige Prozesshandlung vorliegt, da der Fristverlängerungsantrag lediglich ohne Aussicht auf Erfolg war. Im Übrigen ist gegen den eindeutigen Beteiligtenwillen (nach dem objektiven Erklärungsinhalt aus der Empfängersicht) eine Umdeutung nicht zulässig (vgl. dazu Palandt, BGB, 76. Aufl., § 140 Rn. 8 m. w. N.). Angesichts der Ausführungen im Schriftsatz vom 14. August 2015, dass noch Rücksprachen mit den Entscheidungsträgern der Markeninhaberin erforderlich seien, kann dies aus der Sicht des Erklärungsempfängers nur dahingehend verstanden werden, dass auch die Entscheidung darüber, ob dem Löschungsantrag widersprochen werden soll oder nicht, noch offen ist. Im Übrigen hätte die Markeninhaberin nach Eingang des Schriftsatzes vom 14. August 2015 noch bis einschließlich Montag, den 16. August 2015 Zeit gehabt, diese Klärung mit den Entscheidungsträgern der Markeninhaberin herbeizuführen und noch rechtzeitig Widerspruch gegen die Löschung einzulegen. Auch dieser Umstand spricht gegen eine Umdeutung der Erklärung gemäß Schriftsatz vom 14. August 2015.

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3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist von der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts im Beschluss vom 15. Januar 2015 zu Recht zurückgewiesen worden. Die Versäumnis der Frist war nicht ohne Verschulden erfolgt, so dass gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG keine Wiedereinsetzung gewährt werden konnte. Eine Fristversäumnis erfolgt ohne Verschulden, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar ist. Dabei steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Markeninhaberin gleich, § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO. Das Versehen von bloßen Hilfskräften, insbesondere Büropersonal müssen sich der Betroffene bzw. sein Vertreter grundsätzlich nicht zurechnen lassen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 91 Rn. 10 und 11 m. w. N.).

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Zutreffend weist die Markeninhaberin darauf hin, dass Rechtsanwälte die Fristenberechnung und die Fristenkontrolle grundsätzlich geschultem Kanzleipersonal übertragen dürfen. Allerdings ist der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, bei Vorlage der Akten in eigener Verantwortung zu prüfen, was zu veranlassen ist und wieviel Zeit er sich für die Bearbeitung des Mandats nehmen kann. Der Auffassung der Markeninhaberin, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht prüfen müsse, ob die Frist zutreffend erkannt und berechnet wurde, wegen derer die Akten vorgelegt wurde, kann nicht beigetreten werden. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Rechtsanwalt auch Fristen eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt werden (Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 233 Stichwort: Fristenbehandlung m. w. N.; beispielhaft: BGH Beschluss vom 25. April 2007, Az. VI ZB 66/06; Beschluss vom 10. Juni 2008, Az. VI ZB 2/08 – die Beschlüsse sind über die Homepage des Bundesgerichtshofs öffentlich zugänglich). Das hier streitgegenständliche Verfahren ist dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des Kanzleimitarbeiters rechtzeitig vor Fristablauf vorgelegt worden. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt hat dabei übersehen, dass die Frist als Notfrist nicht verlängerbar ist und der Widerspruch unverzüglich hätte eingelegt werden müssen. Dies hätte sich dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt schon bei oberflächlicher Einsichtnahme in den Vorgang und Kenntnisnahme des Bescheids des DPMA vom 9. Juni 2016 aufdrängen müssen. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Fristen von der Hilfsperson in der Kanzlei der Parteivertreter zutreffend als Notfristen eingetragen worden waren oder nicht oder ob weitere Fehler bei der Führung des Fristenkalenders vorgekommen sind.

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4. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war von den Beteiligten nicht beantragt worden und erschien auch aus Sicht des Gerichts nicht erforderlich, § 69 MarkenG.