Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.12.2018


BPatG 13.12.2018 - 25 W (pat) 78/14

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
13.12.2018
Aktenzeichen:
25 W (pat) 78/14
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:131218B25Wpat78.14.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 3 Abs 2 Nr 3 MarkenG
§ 50 MarkenG
§ 54 MarkenG
§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
§ 263 ZPO
§ 571 Abs 2 S 1 ZPO

Leitsätze

Quadratische Schokoladentafelverpackung

1. Das gem. § 54 Abs. 2 MarkenG (in der bis 13. Januar 2019 gültigen Fassung) vorgesehene obligatorische Vorverfahren schließt als Besonderheit des markenrechtlichen Verfahrens im laufenden Löschungs(beschwerde)verfahren eine Antragsänderung oder -erweiterung durch Auswechseln des Streitgegenstandes oder Einführung eines weiteren Streitgegenstandes gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 263 ZPO grundsätzlich aus (a. A. die im vorliegenden Verfahren vorausgegangene Rechtsbeschwerdeentscheidung vom 18. Oktober 2017 I ZB 105/16 = GRUR 2018, 404, Rn. 23 ff.).

2. Der Senat sieht sich gleichwohl nicht gehindert über das erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens geltend gemachte Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG statt des ursprünglich im Löschungsantrag geltend gemachten nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu entscheiden. Der Senat hält daran fest, dass der Streitgegenstand im Löschungsverfahren durch den Löschungsantrag und die Benennung der angegriffenen Registermarke (= Lebenssachverhalt) hinreichend eindeutig definiert ist und deshalb jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Streitgegenstands grundsätzlich die Überprüfung einer Markeneintragung unter allen in § 50 Abs. 1 MarkenG aufgeführten rechtlichen Aspekten (ausgenommen bösgläubige Markenanmeldung) eröffnet ist (vgl. die Ausgangssenatsentscheidung vom 4. November 2016 = GRUR 2017, 275 – Quadratische Schokoladenverpackung; erneute Abgrenzung zu BGH I ZB 87/14 = GRUR 2016, 500 Rn. 9 ff. – Fünf-Streifen-Schuh und auch zu den vier BGH-Beschlüssen vom 18. Oktober 2017, I ZB 105/16, I ZB 106/16, I ZB 3/17 und I ZB 4/17 = u. a. GRUR 2018, 404 Rn. 56 ff. – Traubenzuckertäfelchen und GRUR 2018, 411 Rn. 11 ff. – Quadratische Tafelschokoladenverpackung).

3. Das vom BGH in den vorstehenden Verfahren zum Ausdruck gebrachte Streitgegenstandsverständnis steht im Widerspruch zur allgemein anerkannten Definition des zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriffs. Die streitgegenstandsmäßige Beschränkung eines Löschungsantrags auf die dort konkret benannte Norm stellt im Ergebnis einen normmäßig beschränkten Subsumptions-auftrag dar, was mit dem fundamentalen Rechtssatz „iura novit curia“ nicht in Einklang zu bringen ist.

4. Der von der Dogmatik der ZPO losgelöste Streitgegenstandsbegriff des BGH berücksichtigt zudem nicht den Sinn und Zweck des Löschungsverfahrens als im Allgemeininteresse stehendes Korrekturverfahren in Bezug auf fehlerhafte Markeneintragungen und hätte darüber mehrere unerwünschte Konsequenzen. Es könnten z. B. gestützt auf verschiedene Schutzhindernisse parallel oder nacheinander von demselben Antragsteller mehrere Löschungsverfahren betrieben werden, weil weder Rechtshängigkeit noch Rechtskraft entgegengehalten werden könnte, was auch früheren BGH-Entscheidungen widerspricht (siehe Leitsatz 5 a. E.). Sofern der BGH-Streitgegenstandsbegriff konsequent umgesetzt werden würde, würde dies auch in den Anmelderbeschwerdeverfahren zu erheblichen Verwerfungen führen.

5. Unabhängig von der Streitgegenstandsproblematik kann die Frage aufgeworfen werden, in welcher Form und mit welchen Konsequenzen der Löschungsantragsteller das für den Löschungsantrag gem. § 42 i. V. m. § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV (in der bis 13. Januar 2019 gültigen Fassung) maßgebliche Erfordernis der Benennung eines Löschungsgrundes zu erfüllen hat.

Die zur Entscheidung berufenen Stellen könnten sich nach Auffassung des Senats auf die Prüfung des im Löschungsantrag genannten Schutzhindernisses beschränken, sollten aber in jedem Fall berechtigt sein, mit dem genannten Schutzhindernis „eng verwandte“ Schutzhindernisse in die Prüfung einzubeziehen. Dies betrifft nach Auffassung des Senats insbesondere die Gruppe der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 MarkenG und nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG. Unter dem Gesichtspunkt des „Antragsverbrauchs“ spricht viel dafür, einem Löschungsantragsteller grundsätzlich nur ein einziges Verfahren zur Verfügung zu stellen. Dies verwirklicht auch am besten den vom BGH in früheren Verfahren bereits zum Ausdruck gebrachten Willen über die entsprechende Anwendung der §§ 322, 325 ZPO zwischen identischen Beteiligten beliebige Wiederholungen über „denselben“ Streitstoff (= dieselbe Marke) auszuschließen (vgl. BGH Beschluss v. 16. Juni 1993, I ZB 14/91, GRUR 1993, 969 ff. – Indorektal II; Beschluss v. 16. Juli 2009, I ZB 53/07 = GRUR 2010, 231 Rn. 18 – Legostein).

6. Die Markenfähigkeit (§ 3 Abs. 1 MarkenG) und die hinreichende Bestimmtheit des angegriffenen Zeichens (letzteres als Bestandteil des ordre public) sind im Löschungsverfahren zumindest inzident stets von Amts wegen mit zu prüfen.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 2 913 183

(hier Löschungsverfahren S 306/10)

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die nachfolgende dreidimensionale Gestaltung

Abbildung

2

ist am 24. Mai 1995 unter der Nr. 2 913 183 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Ware der Klasse 30:

3

Tafelschokolade

4

als verkehrsdurchgesetzt eingetragen worden.

5

Am 25. November 2010 hat die Löschungsantragstellerin beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sei (die Vorschriftenangaben beziehen sich immer auf die bis einschließlich 13. Januar 2019 gültige Gesetzesfassung vor Inkrafttreten des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 11. Dezember 2018). Dem ihr am 13. Dezember 2010 zugestellten Löschungsantrag hat die Markeninhaberin mit dem am 11. Februar 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz vom 8. Februar 2011 widersprochen. Mit Schriftsatz vom 5. April 2011 hat die Löschungsantragstellerin ihren Vortrag gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt dahingehend ergänzt, dass auch ein Löschungsgrund nach § 8 Abs. 1 MarkenG vorliege, da die der Markeneintragung zugrunde liegenden Abbildungen den Schutzgegenstand nicht eindeutig erkennen ließen.

6

Mit Beschluss vom 26. Februar 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts den Löschungsantrag zurückgewiesen. Ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei nicht gegeben. Sofern eine als Marke eingetragene Warenform zumindest ein wesentliches Merkmal aufweise, dem keine technische Funktion zukomme, sei das Schutzhindernis nicht zu bejahen. Die wesentlichen Merkmale der angegriffenen Marke seien die quadratische Form des Inhalts und der Verpackung, die Längsnaht an der Unterseite, die Riffelung der Quernähte, die gerändelte Längsnaht sowie verschiedene Zickzack-Muster. Von diesen Merkmalen seien die Längsnaht an der Unterseite, die Riffelung der Quernähte und die gerändelte Längsnaht technisch bedingt, die übrigen Merkmale jedoch nicht. Insgesamt würden die gestalterischen Merkmale überwiegen, wobei der quadratischen Form eine besondere Bedeutung zukomme. Es bestehe auch kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 1 MarkenG. Die von der Markeninhaberin eingereichten Abbildungen zeigten die angegriffene dreidimensionale Gestaltung klar und scharf. Damit sei der Schutzgegenstand hinreichend bestimmt dargestellt. Insoweit sei auf die mit der Anmeldung der Marke eingereichten Abbildungen abzustellen und nicht auf deren Wiedergabe im Markenregister. Hierauf bezogene Mängel seien nicht entscheidungserheblich.

7

Dagegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde. Im Beschwerdeverfahren hat sie mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2015 vorgetragen, dass die angegriffene Marke auch wegen des Bestehens von Schutzhindernissen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG zu löschen sei. Dagegen werde der Löschungsantrag nicht mehr auf ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützt.

8

Der erkennende Senat hatte mit der am 4. November 2016 an Verkündungs Statt zugestellten Entscheidung den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2014 aufgehoben und auf den Löschungsantrag bzw. die Beschwerde hin die Löschung der Marke 2 913 183 angeordnet. Die angegriffene Marke sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schutzunfähig. Sie bestehe ausschließlich aus einer Verpackungsform, die durch die Art der Ware selbst bedingt sei. Im Beschluss war zunächst ausgeführt worden, dass der Löschungsantrag auf das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt werden könne. Soweit ein Antragsteller während des laufenden Verfahrens seine rechtliche Argumentation zur Begründung des Löschungsantrags umstelle, liege darin keine Änderung des Streitgegenstands. Durch den Löschungsantrag und die Benennung der angegriffenen Registermarke sei grundsätzlich eine Überprüfung in Bezug auf alle Schutzhindernisse möglich. Weiterhin stehe auch das Urteil des EuGH vom 12. Februar 2004 – C-218/01 (= GRUR 2004, 428 – Henkel) einer Prüfung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im vorliegenden Fall nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH könne bei Warenformmarken eine Gleichstellung von Ware und Warenverpackung zwar lediglich bei notwendigen Verpackungsformen bejaht werden (d. h. bei Waren, die eine körnige, pudrige oder flüssige Konsistenz und damit keine eigene Form aufweisen). Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass bei der Beurteilung von Schutzhindernissen nach § 3 Abs. 2 MarkenG eine entsprechende Gleichsetzung von Ware und Warenverpackung bei Verpackungsgestaltungen, welche die Form der verpackten Ware deutlich erkennen ließen (Warenformverpackungen), grundsätzlich ausgeschlossen sei. Schließlich sei ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu bejahen, wenn die angegriffene Form eine oder mehrere Gebrauchseigenschaften aufweise, die der (oder den) gattungstypischen Funktion (Funktionen) dieser Ware innewohne (innewohnten) und nach der (denen) der Verbraucher auch bei den Waren der Mitbewerber suche, EuGH Urteil vom 18. September 2014, C-205/13 (= GRUR 2014, 1097 Rn. 21 ff. – Hauck/Stokke). Deshalb seien auch solche Waren- oder Verpackungsformen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, die in ihrem Aussehen den Erwartungen des Verbrauchers an das Aussehen der beanspruchten Ware im Wesentlichen entsprächen. Die wesentlichen Merkmale der angegriffenen Form seien die Wahl einer flachen Schlauchbeutelverpackung in der Form eines Quadrats. Dabei werde der Verkehr im Zusammenhang mit der Ware „Tafelschokolade“ quadratische Formen schon deswegen bei Mitbewerbern der Markeninhaberin nachsuchen, weil Tafelschokolade in aller Regel in rechteckiger Form angeboten werde und das Quadrat nur eine besondere Form des Rechtecks sei. Darüber hinaus werde der Verkehr eine quadratische Form angesichts der praktischen Möglichkeit ihrer Unterbringung auch bei den Waren der Mitbewerber suchen. Weitere Ausführungen zu den Schutzhindernissen aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie § 8 Abs. 1 MarkenG könnten dahingestellt bleiben.

9

Auf die zugelassene und eingelegte Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hin hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18. Oktober 2017 die angefochtene Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur Prüfung der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 und § 8 Abs. 1 MarkenG zurückverwiesen.

10

Das Bundespatentgericht habe lediglich im Ergebnis zutreffend angenommen, dass ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG Streitgegenstand des Löschungsverfahrens geworden sei. Die einzelnen Eintragungshindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG umschrieben unterschiedliche Sachverhalte bzw. spezifische, voneinander verselbständigte Tatsachenkomplexe und seien deshalb grundsätzlich eigene Streitgegenstände. Die Antragstellerin habe ihren Löschungsantrag insoweit wirksam zurückgenommen bzw. erweitert. Weiterhin sei zweifelhaft, ob vorliegend die angegriffene Verpackungsform mit der Form der Ware selbst gleichgesetzt werden könne (vgl. EuGH a. a. O. – Henkel). Zwar könne hiervon im Einzelfall auch dann ausgegangen werden, wenn die Form der Verpackung der Form der Ware vollständig entspreche oder ihr jedenfalls so nahe komme, dass es gerechtfertigt sei, zwischen der Verpackungsform und der Warenform nicht zu unterscheiden (EuGH Urteil vom 24. Mai 2012 C-98/11 = GRUR 2012, 925 Rn. 44 – Goldhase). Das Bundespatentgericht habe aber darüber hinausgehend angenommen, dass auch Verpackungen, die die Form der Ware deutlich erkennen ließen, sodass sie optisch nahe an der unverpackten Warenform lägen, der Ware gleichzusetzen seien. Ob diese Auffassung zutreffe, sei zweifelhaft. Die Frage könne jedoch als nicht entscheidungserheblich offen bleiben, da ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im Ergebnis nicht zu bejahen sei.

11

Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liege nur vor, wenn alle wesentlichen Eigenschaften der in dem Zeichen wiedergegebenen Ware eine für die Gattung der beanspruchten Ware typische Funktion aufweisen würde. Das wesentliche Merkmal der angegriffenen dreidimensionalen Marke sei zwar – wie vom Bundespatentgericht angenommen – die quadratische Grundfläche des Verpackungskörpers. Jedoch sei dieses Merkmal gemessen an den Maßstäben des EuGH (a. a. O. – Hauck/Stokke) nicht durch die Art der Ware selbst bedingt. Die quadratische Form erleichtere aus Sicht des Verbrauchers weder das Mitführen noch das Portionieren von Tafelschokolade. Im Übrigen komme es auf diese Frage auch gar nicht an, weil das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nur eingreife, wenn die in der Warenform verkörperten Eigenschaften für den Gebrauch der jeweiligen Ware typisch seien. Bei Tafelschokolade handle es sich aber um eine Ware, deren primärer Zweck der Verzehr sei. Insoweit seien primär der Geschmack und die Zutaten der Tafelschokolade ausschlaggebend. Vorteile beim Mitführen von verpackter Tafelschokolade träten allenfalls bei bestimmten, für die Ware nicht typischen Gelegenheiten zutage. Derartige Vorteile, die nur in für die Verwendung unüblichen Konstellationen einträten, führten nicht dazu, dass das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingreife.

12

Der Sach- und Streitstand stellt sich im zurückverwiesenen Verfahren wie folgt dar:

13

Die Antragstellerin verfolgt ihren Löschungsantrag nur noch unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG weiter und hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2018 vorgetragen (und mit Schriftsatz vom 4. Februar 2019 wiederholt), dass nach ihrer Auffassung dieses Schutzhindernis zu bejahen sei. Zunächst sei davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit der angegriffenen Marke die Form der Warenverpackung der Form der Ware i. S. v. § 3 Abs. 2 MarkenG gleichstehe. Wenn eine dreidimensionale Marke aus einer besonders wertvollen Verpackung bestehe und die Ware auch oder gerade wegen der besonderen Verpackung vom Publikum besonders geschätzt werde, müsse das Schutzhindernis unabhängig davon Anwendung finden, was in der Verpackung enthalten sei. Weiterhin gelte es bei der Auslegung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Danach dürften solche Formen nicht mit den Mitteln des Markenschutzes monopolisiert werden, die Mitbewerber des Markeninhabers zur Teilnahme am Wettbewerb benötigten. Dies betreffe insbesondere sogenannte Warengrundformen. Insoweit sei auf die Ausführungen des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof im Verfahren Hauck/Stokke zu verweisen. Dessen Überlegungen zur Notwendigkeit der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs im System des Markenschutzes folgend, sei zwingend davon auszugehen, dass die Anwendung von § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht auf Fälle einer ästhetischen Funktionalität beschränkt sei. Anderenfalls sei die Wettbewerbsfreiheit nur für ästhetisch ansprechend gestaltete Waren gewährleistet, nicht aber für praktisch-funktionale Formen. Unabhängig von den Einzelheiten des vom EuGH zu entscheidenden Falls eines Kinderstuhls sei die Anwendung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht auf Werke der bildenden oder angewandten Kunst beschränkt. Die Norm umfasse vielmehr auch alle anderen Gebrauchsgegenstände, für die das Design einer der wesentlichen Faktoren sei, die über ihre Attraktivität und damit über ihren wirtschaftlichen Erfolg entschieden. Vorliegend stehe außer Zweifel, dass die angegriffene Verpackungsform funktional gelungen und zugleich ästhetisch ansprechend sei (Quadratisch. Praktisch. Gut). Die vermeintliche Schlichtheit der quadratischen Form stehe der Bejahung eines Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht entgegen, da gerade diese Schlichtheit der angegriffenen Verpackungsform einen besonderen Wert verleihe, der zu ihrem Markterfolg beitrage. Diese Grundform müsse auch den Wettbewerbern der Markeninhaberin zu Verfügung stehen.

14

In der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2018 hat die Löschungsantragstellerin ausdrücklich erklärt, dass der Löschungsgrund nach § 8 Abs. 1 MarkenG bzw. § 3 Abs. 1 MarkenG (Bestimmtheit der Markenwiedergabe) nicht weiterverfolgt werde.

15

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2018 die in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2016 gestellten Anträge wiederholt.

16

Die Löschungsantragstellerin beantragt danach,

17

den Beschluss der Markenstelle 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2014 aufzuheben und die Löschung der Marke 2 913 183 anzuordnen.

18

Die Markeninhaberin beantragt,

19

die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückzuweisen.

20

Entgegen der Auffassung der Löschungsantragstellerin sei auch ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht zu bejahen. Der Bundesgerichtshof habe diese Vorschrift bislang sehr restriktiv angewandt, woran auch nach der Entscheidung des EuGH Hauck/Stokke festzuhalten sei. Zunächst handle es sich bei der angegriffenen dreidimensionalen Marke – anders als im Verfahren Hauck/ Stokke – um die Verpackung der Ware und nicht um die Ware selbst. Darüber hinaus weiche vorliegend die als Marke angemeldete Verpackungsform wesentlich von der Form der beanspruchten Ware „Tafelschokolade“ ab, sodass der Anwendungsbereich von § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG schon gar nicht eröffnet sei. Selbst wenn man vorliegend die Warenverpackung mit der Form der beanspruchten Ware gleichsetzen wollte, so könne nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Form – anders als der preisgekrönte Kinderstuhl „TrippTrapp“ – eine gestalterische Leistung darstelle. Die einfache quadratische Form weise keine ästhetischen oder künstlerischen Besonderheiten auf und könne dementsprechend auch keine Design-Preise für sich in Anspruch nehmen. Entgegen der Auffassung der Löschungsantragstellerin verkörpere die Verpackungsform damit keine der wertbildenden Faktoren, auf die es aber nach den Ausführungen des EuGH zur Bejahung eines Schutzhindernisses ankomme. Anderes lasse sich auch nicht aus dem bekannten Werbespruch der Markeninhaberin „Quadratisch. Praktisch. Gut“ ableiten.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Hinweise des Senats, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2018 und auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

22

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) die am 4. November 2016 an Verkündungs Statt zugestellte Ausgangsentscheidung des Senats (GRUR 2017, 275       – Quadratische Schokoladenverpackung) auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin im Rechtsbeschwerdeverfahren durch Beschluss vom 18. Oktober 2017 aufgehoben und zurückverwiesen hat (GRUR 2018, 404 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung), war das Verfahren vor dem Bundespatentgericht (BPatG) fortzusetzen.

23

In Bezug auf das Löschungsverfahren und die absoluten Schutzhindernisse sind die Vorschriften in der vor dem 14. Januar 2019 gültigen Fassung anwendbar, weil der Löschungsantrag vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, § 158 Abs. 8 MarkenG.

A)

24

Nach der gemäß § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG bindenden rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts durch den BGH ist entgegen der Auffassung des erkennenden Senats in der Ausgangsentscheidung vom 4. November 2016 ein Schutzhindernis i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht gegeben.

25

Nach den Feststellungen des BGH ist das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nur gegeben, wenn alle wesentlichen Merkmale der angegriffenen Warenformmarke eine für die Gattung der beanspruchten Ware typische Funktion aufweisen würden. Die typische Gebrauchseigenschaft von Tafelschokolade bzw. deren primärer Zweck sei deren Verzehr, sodass es insoweit primär auf den Geschmack und die Zutaten der Schokolade ankomme. Praktische Vorzüge bei der Verpackung, der Lagerung und dem Transport von Tafelschokolade bezögen sich nicht auf Gebrauchseigenschaften, die dem Benutzer zugutekommen könnten, sondern auf Vorteile für die Anbieter von Tafelschokolade bei der Herstellung und dem Vertrieb der Ware. Gebrauchsvorteile, die sich aus der Form der Ware bzw. der Form der Verpackung ergeben könnten, würden aus Sicht des Verbrauchers nur in unüblichen Konstellationen eintreten und führten vorliegend nicht dazu, dass das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingreife. Soweit in der Rechtsbeschwerdeentscheidung ausgeführt wird, dass der primäre Zweck von Schokolade der Verzehr sei und es deshalb primär auf den Geschmack und die Zutaten ankomme (Rn. 69 der Entscheidung), würde dies – konsequent zu Ende gedacht – dazu führen, dass die Schutzhindernisse des § 3 Abs. 2 MarkenG bei zum Verzehr bestimmten Waren fast nie eingreifen könnten. Denn Geschmack und Zutaten wirken sich in der Regel auf die äußere Form der Ware nicht aus. Soweit in der Rechtsbeschwerdeentscheidung weiter ausgeführt ist, dass die leichte Transportmöglichkeit in der Jackentasche keine wesentliche Eigenschaft eines zum Verzehr bestimmten Produkts sei, weil andernfalls sämtliche Formen von (verpackten) Lebensmitteln, die Platz in einer Jackentasche finden, vom Markenschutz ausgenommen wären, kann diese Argumentation nicht nachvollzogen werden. Bei der Beurteilung der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ist auf die konkret beanspruchte Ware abzustellen, wobei es ersichtlich einen Unterschied macht, ob die zu verzehrende Ware typischerweise auch bei Freizeit- oder Sportaktivitäten mitgeführt wird oder nicht. Insofern sind die Waren- bzw. Verpackungsformen von z. B. „Mehl“ oder „Zucker“ unter dem Aspekt der problemlosen Mitführbarkeit anders zu beurteilen, als die von „Schokoriegeln“ oder „Tafelschokolade“. Der BGH hat die Frage zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gleichwohl im vorliegenden Verfahren abschließend dahingehend beurteilt, dass dieses Schutzhindernis nicht gegeben ist, woran sich der Senat nach § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG gebunden sieht. Davon geht auch die Löschungsantragstellerin aus, die ihren Löschungsantrag nunmehr ausdrücklich nur noch unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG weiterverfolgt.

26

Der BGH hat in der Rechtsbeschwerdeentscheidung die auch bei der Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG maßgebliche und bereits in der Ausgangsentscheidung des Senats aufgeworfene Frage, ob vorliegend die Verpackung der Ware mit der Form der Ware unter dem Aspekt der Anwendung von § 3 Abs. 2 MarkenG gleichgesetzt werden könnte, offen gelassen bzw. als zweifelhaft bezeichnet (Rn. 43). Da sich relevante neue Aspekte weder aus der Rechtsbeschwerdeentscheidung des BGH noch aus dem Vortrag der Beteiligten ergeben, hält der Senat an seiner Beurteilung in der Ausgangsentscheidung fest, wonach vorliegend die Warenverpackung unter dem Aspekt der Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 MarkenG mit der Warenform gleichzusetzen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in der Ausgangsentscheidung verwiesen (dort unter dem Gliederungspunkt II. 2.1).

27

Die Rechtsbeschwerdeentscheidung versteht der Senat auch nicht dahingehend, dass die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bereits aus den Gründen ausgeschlossen sei, die der BGH im Wesentlichen zur Begründung im Rahmen der Verneinung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG anführt, nämlich dass die typische Gebrauchseigenschaft von Tafelschokolade bzw. deren primärer Zweck deren Verzehr sei. Der Senat geht davon aus, dass dies nur auf das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bezogen war und nicht auf alle Schutzhindernisse des § 3 Abs. 2 MarkenG. Die Ausführungen des BGH in Randnummer 75 der Rechtsbeschwerdeentscheidung ergäben sonst keinen Sinn.

B)

28

1. Die Antragstellerin hat einen nach § 54 Abs. 1 MarkenG zulässigen Löschungsantrag gestellt, dem die Markeninhaberin rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen hat. Demzufolge sind die Voraussetzungen für die Durchführung des Löschungsverfahrens mit inhaltlicher Prüfung nach § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG erfüllt.

29

2. Der Umstand, dass der ursprüngliche Löschungsantrag vom 25. November 2010 nur auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützt war, steht der Prüfung des Löschungsantrags unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht entgegen.

30

a) Die Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts, auf den der Löschungsantrag gestützt worden ist, stellt nach Auffassung des Senats allerdings entgegen der Auffassung des BGH keine Änderung oder Erweiterung des Löschungsbegehrens und erst recht keine Änderung des Streitgegenstandes dar, für die § 263 ZPO einen Anwendungsbereich eröffnen könnte (so aber Rn. 23 ff., insb. Rn. 26 der Rechtsbeschwerdeentscheidung). Anders als der BGH meint, ist eine Antragsänderung oder -erweiterung im laufenden Löschungs(beschwerde)verfahren durch Auswechseln des Streitgegenstandes oder Einführung eines weiteren Streitgegenstandes nicht ohne weiteres möglich. Denn anders als im zivilprozessualen Klageverfahren sieht das Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 54 Abs. 2 MarkenG ein obligatorisches „Vorverfahren“ vor der Markenabteilung des DPMA vor. Im Rahmen dieses (Vor-)Verfahrens kann der Inhaber der mit einem Löschungsantrag angegriffenen Marke sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten überlegen, ob er dem (durch Festlegung des Streitgegenstandes insoweit konkretisierten) Löschungsantrag bzw. der darauf gestützten Löschung widerspricht oder nicht. Bei einer Änderung des Streitgegenstandes im laufenden Löschungsverfahren (nach dem Widerspruch gemäß § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG und nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG) ist aber nicht ersichtlich, in welcher Form dieses obligatorische „Vorverfahren“ im Verfahren implementiert werden könnte. Ein solches Vorverfahren nach § 54 Abs. 2 MarkenG ist für jeden eigenständigen Löschungsantrag mit einem eigenständigen Streitgegenstand nach Auffassung des Senats aber unverzichtbar, weil sowohl die Benennung des konkreten Löschungsgrundes i. S. d. BGH-Streitgegenstandsverständnisses (= Benennung eines Schutzhindernisses nach den §§ 3 und 8 MarkenG) als auch der Widerspruch gegen den entsprechend spezifizierten Löschungsantrag i. S. d. § 54 Abs. 2 MarkenG kostenrechtliche Konsequenzen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nach sich ziehen kann. Denn der Löschungsantrag, der unter diesem Gesichtspunkt auf ein offensichtlich nicht zu bejahendes Schutzhindernis bzw. dann in diesem Sinne auf einen insoweit nicht zu bejahenden Löschungsgrund gestützt wird, kann eine Kostentragungspflicht des Antragstellers auslösen. Entsprechendes gilt für den Widerspruch des Markeninhabers gegen die Löschung i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG im Zusammenhang mit einem Löschungsantrag, der auf ein offensichtlich zu bejahendes Schutzhindernis gestützt wird. Insofern hält der Senat die Ausführungen des BGH zur Anwendbarkeit des § 263 ZPO und des § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht für überzeugend, weil sie die Besonderheit des markenrechtlichen Löschungsverfahrens mit dem obligatorischen Vorverfahren nach § 54 Abs. 2 MarkenG ignorieren, die eine Anwendbarkeit dieser ZPO-Vorschriften ausschließen i. S. d. § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG oder deren Anwendung zumindest nicht komplikationslos erscheinen lassen.

31

b) Zunächst ist es weder zwingend noch sinnvoll, jedes in einer gesetzlichen Vorschrift eigens normierte Schutzhindernis (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG usw.; § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG usw.) mit dem in § 42 i. V. m. § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV (in der bis 13. Januar 2019 geltenden Fassung) verwendeten Begriff „Löschungsgrund“ gleichzusetzen. Der Gesetzgeber hat im Markengesetz die Löschungsgründe nicht in gesonderten Vorschriften geregelt. In § 50 Abs. 1 MarkenG ist lediglich normiert, dass die Eintragung einer Marke auf Antrag gelöscht wird, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Nach § 54 Abs. 1 MarkenG ist der Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 54 Abs. 1 Satz 1 MarkenG beim Patentamt zu stellen. Ergänzend ist in § 42 MarkenV ausgeführt, dass für den Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 54 Abs. 1 des Markengesetzes § 41 MarkenV entsprechend gilt, wobei gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV zum Löschungsverfahren wegen Verfalls ausgeführt ist, dass in dem (Löschungs-)Antrag der Löschungsgrund des § 49 des Markengesetzes anzugeben ist. Dem Gesetz (MarkenG und MarkenV) kann also nicht entnommen werden, was ein Löschungsgrund i. S. d. § 42 i. V. m. § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV ist.

32

Erst recht kann diesen Vorschriften nicht entnommen werden, wie der Streitgegenstand im Löschungsverfahren zu definieren ist. Soweit durch den Verweis in § 42 MarkenV auf § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV mit der Formulierung von nur einem Löschungsgrund die Rede ist, ist eher nahegelegt, dass es auch wegen absoluter Schutzhindernisse nur einen Löschungsgrund gibt, nämlich den nach § 50 Abs. 1 MarkenG (= fehlende Schutzfähigkeit nach §§ 3, 7 oder 8 MarkenG). Dass der Gesetzgeber möglicherweise entsprechend vorgegangen wäre, wenn er die Löschungsgründe gesetzlich geregelt hätte, zeigt das Patentgesetz. Denn dort hat er die Widerrufs- bzw. Nichtigkeitsgründe (diese entsprechen den Löschungsgründen im Markenrecht) ausdrücklich geregelt, nämlich gemäß §§ 21 und 22 PatG, wobei der Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG (= alles, was nach §§ 1 bis 5 des PatG nicht patentfähig ist) auch unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Streitgegenstandes als ein globaler Widerrufs- bzw. Nichtigkeitsgrund angesehen wird. Dem würden im Markenrecht alle dort denkbaren absoluten Schutzhindernisse mit Ausnahme des Schutzhindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (= nach aktueller Gesetzeslage § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG) entsprechen.

33

c) Sofern aus einem engen Verständnis heraus, das den BGH-Ausführungen zugrunde liegt, jedes normierte Schutzhindernis (i. S. v. absolutes Schutzhindernis bzw. Eintragungshindernis aus absoluten Gründen) als Löschungsgrund angesehen wird (Löschungsgrund im engeren Sinne), ist es unabhängig davon weder sachgerecht noch praktikabel, die jeweiligen Schutzhindernisse (Löschungsgründe) mit dem zivilprozessualen Begriff des Streitgegenstands gleichzusetzen. Ein solches Rechtsverständnis steht auch im Widerspruch zur allgemein anerkannten Definition des zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriffs. Der Senat kann in diesem Zusammenhang auch keinen triftigen Grund erkennen, weshalb im markenrechtlichen Löschungsverfahren losgelöst von der Dogmatik der ZPO ein eigenständiger Streitgegenstandsbegriff kreiert werden soll. Wie bereits in der Ausgangsentscheidung vom 4. November 2016 ausgeführt (dort unter II. 1.), wird der Streitgegenstand durch den Antrag – im markenrechtlichen Löschungsverfahren ist dies der auf eine konkrete Marke gerichtete Löschungsantrag des Löschungsantragstellers nach § 54 Abs. 1 MarkenG – und den Lebenssachverhalt definiert. Dieser Lebenssachverhalt wird durch die konkret benannte angegriffene Marke (Zeichen und die beanspruchten Waren und Dienstleistungen) vollständig oder jedenfalls in ausreichender Weise festgelegt. Dies wird besonders deutlich beim Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG (Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und gegen die guten Sitten). Hier genügen zur Festlegung des Streitgegenstandes der Löschungsantrag und die Benennung der Marke. Der „Löschungsgrund“ im Sinne der entsprechenden Rechtsfolge ergibt sich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ohne weiteres unmittelbar aus der Marke selbst. Es bedarf insbesondere keines weiteren Tatsachenvortrags. Ob die Marke gegen spezielle gesetzliche Vorschriften verstößt oder gegen den Sittenkodex in Form sittlicher, religiöser oder gesellschaftlicher Anstößigkeit, oder ob die Marke eine grobe Geschmacklosigkeit darstellt, ist Ergebnis der Subsumption, die dem Amt bzw. dem Gericht obliegt (iura novit curia). Es bedarf hier keines weiteren Tatsachenvortrags oder entsprechender Ermittlungen (außerhalb des Markenregisters), um zur Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG zu kommen.

34

Entsprechendes gilt ohne weiteres z. B. auch für das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG oder das unter den ordre public fallende Schutzhindernis der nicht hinreichenden Darstellung bzw. der nicht hinreichenden Bestimmtheit des Schutzgegenstandes. Die Täuschungseignung einer Marke i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG ergibt sich ohne weiteres aus dem Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und/ oder Dienstleistungen. Das Schutzhindernis der nicht hinreichenden Darstellung bzw. der nicht hinreichenden Bestimmtheit des Schutzgegenstandes ergibt sich sogar nur aus dem Zeichen selbst, wenn es unter diesem rechtlichen Aspekt betrachtet wird. Die Benennung der maßgeblichen Vorschriften gehört grundsätzlich nicht zum Streitgegenstand. Soweit dies verlangt wird, läuft dies auf einen auf bestimmte Vorschriften beschränkten Subsumptionsauftrag hinaus. Dies verstößt gegen den fundamentalen Grundsatz „iura novit curia“, weil letztlich verlangt wird, dass die Verfahrensbeteiligten das Patentamt bzw. das BPatG auf die maßgeblichen Vorschriften hinweisen müssten.

35

Entsprechendes gilt für die Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG. Soweit der BGH ausführt, dass die Schutzhindernisse zwar sämtlich an die Form der Waren anknüpfen würden mit dem übereinstimmenden Ziel, wesentliche Eigenschaften der Ware, die sich in der Form widerspiegelten (Rn. 11), freizuhalten, kann der Senat dieser Beurteilung noch folgen. Soweit dann dort weiter ausgeführt wird, dass diese Schutzhindernisse keinen einheitlichen Tatsachenkomplex bilden würden, sondern spezifische, voneinander verselbständigte Lebenssachverhalte, indem sie auf die für die jeweilige Warengattung typische Gebrauchseigenschaften (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), die technische Funktionalität (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) oder den ästhetischen Wert der Form (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) abstellten und demzufolge unterschiedliche tatsächliche Feststellungen erfordern würden, kann dies nicht mehr nachvollzogen werden.

36

Insoweit erscheint hier die Grenze zwischen Norm und Lebenssachverhalt verwischt, was wesentliche Grundsätze der Gesetzesanwendung im Rahmen der Subsumption berührt. Die Schutzhindernisse gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG selbst bilden weder Tatsachenkomplexe noch beinhalten sie Lebenssachverhalte. Die Normen sind abstrakte Tatbestände. Es ist Aufgabe der Subsumption, den konkreten Lebenssachverhalt im Rahmen der Gesetzesanwendung mit der Norm zur Deckung zu bringen.

37

Das übliche Vorgehen bei der Prüfung der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 MarkenG besteht darin, zunächst im Wege der Einzelbeurteilung die wesentlichen Merkmale des Formzeichens zu ermitteln, indem entweder zunächst die Bestandteile des Zeichens nacheinander einzeln geprüft oder unmittelbar der von dem Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck zugrunde gelegt wird (so auch BGH I ZB 3/17 Beschluss vom 18. Oktober 2017 = GRUR 2018, 411 Rn. 17 – Traubenzuckertäfelchen; mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Beim Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist dann zu prüfen, ob diese wesentlichen Merkmale einer technischen Funktion der betreffenden Ware entsprechen (BGH a. a. O. Rn. 18).

38

Schon die Ermittlung der wesentlichen Formmerkmale bei der Warenformmarke liegt nicht mehr auf der tatsächlichen Ebene, sondern knüpft nur an die Zeichendarstellung mit der Wiedergabe der beanspruchten Ware in der Anmeldung bzw. dann bei der eingetragenen Marke an die entsprechende Wiedergabe im Markenregister als Tatsachengrundlage an. Die Beurteilung, was zu den wesentlichen Merkmalen des Formzeichens gehört, stellt bereits eine rechtliche Kategorie dar und gehört zum Subsumptionsprozess bei der Normanwendung in Bezug auf die Schutzhindernisse des § 3 Abs. 2 MarkenG. Ebenfalls auf der Normebene angesiedelt ist die sich anschließende Frage, ob die als wesentlich eingestuften Formmerkmale i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG allesamt durch die Art der Ware bedingt sind, zur Erreichung einer technischen Wirkung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderlich sind oder aber der Ware einen wesentlichen Wert i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG verleihen. Insofern handelt es sich bei diesen Schutzhindernissen um unterschiedliche rechtliche Aspekte, die allesamt auf ein und dieselbe Marke als (identische) Tatsachengrundlage bezogen sind.

39

Soweit man der Rechtsprechung des BGH folgend in den drei Tatbeständen des § 3 Abs. 2 MarkenG unterschiedliche Lebenssachverhalte sehen will, handelt es sich dabei auch aus tatsächlicher Hinsicht allenfalls um abweichende Nuancen der Betrachtung. Der wesentliche Kern bzw. Gegenstand der Betrachtung, nämlich der dreidimensionale Gegenstand selbst ändert sich nicht, sondern nur die Sichtweise auf ihn. Die Gebrauchseigenschaften eines Gegenstandes mit den gattungstypischen Funktionen i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und die technischen Funktionen i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG werden sich zudem häufig überschneiden und nicht selten absolut deckungsgleich sein. So erfüllen z. B. die als Marke angemeldeten Grundformen technischer Gegenstände, wie z. B. Werkzeuge und Maschinen im weitesten Sinne, im Zusammenhang mit den insoweit jeweils als Ware beanspruchten identischen technischen Produkten mit den (identischen) wesentlichen Merkmalen ohne weiteres stets in identischer Weise die Tatbestände nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG, sodass in diesen Fällen auf der Tatsachenseite der Betrachtung überhaupt kein Unterschied besteht.

40

Was für die Tatbestände der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG gilt, gilt in vielen Fällen erst recht in Bezug auf die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG.

41

d) Die Auffassung des BGH, dass jeder einzelne Löschungsgrund einen eigenständigen Streitgegenstand darstellt, hätte darüber hinaus weitere (unerfreuliche) Konsequenzen, die möglicherweise nicht bedacht worden sind.

42

Bei eigenständigen Streitgegenständen könnten getrennt parallel oder auch nacheinander zahlreiche Löschungsverfahren, gestützt auf unterschiedliche Löschungsgründe von demselben Löschungsantragsteller betrieben werden, da im Hinblick auf die Streitgegenstandsfrage weder anderweitige Rechtshängigkeit noch Rechtskraft entgegengehalten werden könnte. Ein Antragsteller könnte einen Markeninhaber demnach parallel oder nacheinander z. B. bei Wortmarken mit 10 (nach aktueller, seit 14. Januar 2019 maßgeblicher Gesetzeslage sogar mit 14) Löschungsverfahren, gestützt auf die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 10 bzw. Nr. 1 bis 14 MarkenG und bei dreidimensionalen Warenformmarken bzw. Bildmarken, welche die beanspruchte Ware darstellen, zusätzlich mit den drei weiteren Löschungsverfahren gemäß den Vorschriften des § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG überziehen (die auf die Schutzhindernisse der fehlenden Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 1 MarkenG, der fehlenden grafischen Darstellbarkeit nach § 8 Abs. 1 MarkenG und das unter den ordre public fallende Schutzhindernis der fehlenden Bestimmtheit des Schutzgegenstandes gestützten Löschungsanträge nicht mitgerechnet). Es bedarf keiner vertieften Erörterung, dass eine solche Konsequenz der Zielsetzung der früheren, zu diesem Thema ergangenen BGH-Entscheidungen nicht gerecht wird, nämlich über die entsprechende Anwendung der §§ 322, 325 ZPO zwischen identischen Beteiligten beliebige Wiederholungen über „denselben“ Streitstoff auszuschließen (vgl. dazu BGH Beschluss vom 16.6.1993, I ZB 14/91, GRUR 1993, 969 ff. – Indorektal II; Beschluss vom 16.7.2009, I ZB 53/07 = GRUR 2010, 231 Rn. 18 – Legostein).

43

Sofern die jeweiligen Schutzhindernisse als eigenständige Streitgegenstände angesehen werden würden, wäre es auch angemessen und sachgerecht, für jedes geltend gemachte Schutzhindernis gesonderte Gebühren zu erheben.

44

e) Besonderen Wert legt der BGH in seiner Rechtsprechung zu den Löschungsverfahren stets auf die Feststellung, dass es sich dabei um ein kontradiktorisches Verfahren handelt (vgl. z. B. BGH GRUR 2016, 500 Rn. 12 – Fünf-Streifen-Schuh; BGH GRUR 2018, 404 Rn. 8 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung), bei dem der im registerrechtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz seine Geltung nur innerhalb des vom Antragsteller vorgegebenen Verfahrensgegenstandes entfalte (GRUR 2018, 411 Rn. 57 – Traubenzuckertäfelchen). Daraus folgt bei den genannten Entscheidungen des BGH – wie bereits ausführlich dargelegt – ein enges Verständnis in Bezug auf den Löschungs- bzw. Nichtigkeitsgrund gemäß §§ 50, 54 MarkenG bzw. § 42 i. V. m. § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV und darüber hinaus ein unmittelbar darauf bezogenes gleichsetzendes Verständnis (1 zu 1) in Bezug auf den Streitgegenstand. Dabei wird bereits nicht hinreichend berücksichtigt, dass ein (klassisches) kontradiktorisches Verfahren von zwei Parteien bzw. Beteiligten mit gegenläufigen eigenen Interessen geführt wird. Das Löschungsverfahren weicht strukturell in diesem wesentlichen Punkt von einem „normalen“ kontradiktorischen Verfahren ab. Auch wenn der Löschungsantragsteller rein tatsächlich häufig ein eigenes Interesse an der Löschung der angegriffenen Marke haben mag, dient der Löschungsantrag strukturell und grundsätzlich nicht der Durchsetzung eines eigenen privatrechtlichen Anspruchs des Antragstellers gegenüber dem Markeninhaber, sondern stellt einen Popularantrag dar, der von jeder Person gestellt werden kann. Die starke Betonung des Gesichtspunkts des kontradiktorischen Verfahrens in der Rechtsprechung des BGH führt ferner dazu, dass der registerrechtliche Sinn und Zweck des Löschungsverfahrens aus dem Blick gerät. Dieser liegt in der Durchsetzung öffentlicher bzw. allgemeiner Interessen dahingehend, entgegen bestehender Schutzhindernisse, und damit ungerechtfertigt eingetragene Marken aus dem Register zu löschen (Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 54 Rn. 2 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Zu Unrecht eingetragene Marken sind als gewerbliche Schutzrechte Monopole, die ein beträchtliches Störpotential entfalten können und bei ihrem Verbleib im Register einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil für den zu Unrecht eingetragenen Markeninhaber bedeuten können, der auch den fairen Wettbewerb erheblich beeinträchtigen und sogar gefährden kann. Dies gilt insbesondere für die unter dem Gesichtspunkt eines fairen Wettbewerbs besonders problematischen (absoluten) Farbmarken (wegen der stark begrenzten Anzahl unterscheidbarer Farben) und Warenform- bzw. -verpackungsmarken, welche die Wettbewerber in ihren Möglichkeiten der Warengestaltung und damit in fundamentalen Rechten bei der Ausübung ihres Gewerbes beschränken. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb Patentamt und BPatG bei einem wettbewerbsgefährdenden Monopolrecht sich bei ihrer Untersuchung und Entscheidung in allerengstem Sinne auf den vom Löschungsantragsteller genannten Löschungsgrund bzw. bei der Subsumption auf die vom Löschungsantragsteller konkret genannte Norm beschränken sollten bzw. den losgelöst von der Dogmatik der ZPO vom BGH kreierten überaus engen und eigenständigen markenrechtlichen Streitgegenstandsbegriff anwenden sollten. Angesichts des Sinn und Zwecks des Löschungsverfahrens als im Allgemeininteresse stehendes Korrekturverfahren in Bezug auf fehlerhafte Markeneintragungen, ist vielmehr nach Auffassung des Senats zumindest das nach der Dogmatik der ZPO normale Streitgegenstandsverständnis zugrunde zu legen. Im Schrifttum wird bei Geltung des Untersuchungsgrundsatzes, der gemäß §§ 59 Abs. 1 und 73 Abs. 1 MarkenG ohne Einschränkung auch im markenrechtlichen Löschungsverfahren gilt, sogar ein weitergehender, eher globaler Streitgegenstandsbegriff als sachgerecht angesehen (vgl. Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, 30. Aufl., § 37 VII.). Es ist z. B. kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb etwa ein Löschungsantrag zurückgewiesen werden sollte, der nur auf § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützt wird, bei dem das prüfende Amt oder das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mit dem Löschungsantrag befasste Gericht zwar in der angegriffenen Marke keine unmittelbar produktbeschreibende Angabe im engen Sinne sieht, aber gleichwohl einen naheliegenden, die Unterscheidungskraft ausschließenden beschreibenden Zusammenhang erkennt. Entsprechendes gilt etwa bei der Beurteilung und Entscheidung zu Warenformmarken, bei denen der Löschungsantrag etwa auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt wird, die zur Entscheidung berufene Stelle aber nur ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als gegeben ansieht, weil z. B. von den ermittelten maßgeblichen Formmerkmalen bis auf eines, das ausschließlich i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG technischer Natur ist, die Tatbestände nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 identisch erfüllen. Auch entsprechende Hinweise (im Rahmen des Hinwirkens auf sachgerechte Antragstellung i. S. d. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO) der zur Entscheidung berufenen Stellen an den Löschungsantragsteller sind in solchen Fällen keine Lösung, weil ausgehend vom engen Streitgegenstandsverständnis des BGH der Inhaber der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke in einem solchen Hinweis zu Recht eine einseitige Parteinahme sehen könnte, was im gerichtlichen Verfahren auch zu erfolgreichen Ablehnungsanträgen wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 72 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO führen könnte. Das enge und aus den vorstehend im Einzelnen dargelegten Rechtsgründen auch in Frage zu stellende Streitgegenstandsverständnis des BGH verhindert oder erschwert in zahlreichen Fällen die im Allgemeininteresse stehende und im Hinblick auf einen fairen Wettbewerb auch wünschenswerte Registerkorrektur in Bezug auf Fehleintragungen.

45

Sofern das enge Streitgegenstandsverständnis in der Praxis konsequent umgesetzt werden würde, würde dies darüber hinaus in den Anmelderbeschwerdeverfahren zu erheblichen Verwerfungen führen. Das BPatG bestätigt in den Anmelderbeschwerdeverfahren in einer relevanten Zahl von Fällen die eine Anmeldung zurückweisende Entscheidung der Markenstelle des DPMA nur im Ergebnis, zieht aber zur Begründung seiner Entscheidung ein von dem in der Patentamtsentscheidung genannten Schutzhindernis abweichendes Schutzhindernis oder auch zusätzliche weitere Schutzhindernisse heran. Dies ist seit Jahrzehnten durchgängige Rechtsprechungspraxis (in hunderten von Fällen) und betrifft insbesondere den „Austausch“ der für die Zurückweisungsentscheidung herangezogenen Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG. Ausgehend von dem engen Streitgegenstandsverständnis des BGH, der das Anmelderbeschwerdeverfahren in gleicher Weise betrifft, wäre diese Vorgehensweise prozessual unzulässig, weil das abweichend herangezogene Schutzhindernis nicht streit- und damit auch nicht beschwerdegegenständlich geworden wäre. Dies würde in den Anmelderbeschwerdeverfahren zu deutlich komplizierteren und nach Auffassung des Senats auch wenig prozessökonomischen Verfahrensabläufen führen, weil das BPatG in solchen Fällen nicht abschließend entscheiden könnte, sondern die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Patentamt zurückverweisen müsste.

46

f) Unabhängig von der Streitgegenstandsproblematik kann die Frage aufgeworfen werden, in welcher Form und mit welchen Konsequenzen der Löschungsantragsteller das für den Löschungsantrag gem. § 42 i. V. m. § 41 Abs. 2 Nr. 5 MarkenV notwendige Erfordernis der Benennung eines Löschungsgrundes zu erfüllen hat.

47

Zunächst ist die Frage zu stellen, ob der Löschungsgrund in Form einer Paragraphenangabe zu erfolgen hat, oder ob es genügt, wenn das Schutzhindernis sprachlich umschrieben wird, wie z. B. beschreibende Angabe oder auch Freihaltungsbedürfnis, fehlende Unterscheidungskraft oder Sittenverstoß. Der Nachteil solcher Sprachangaben besteht darin, dass sie u. U. nicht in ausreichender Weise eindeutig sind und sich auch auf zwei oder mehr Schutzhindernisse beziehen könnten. Mit dem verbalisierten Löschungsgrund „beschreibende Angabe“ könnte z. B. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, aber auch eine Untergruppe im Rahmen der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (im Vordergrund stehende beschreibende Angabe) gemeint sein.

48

Das weiteste Verständnis könnte dahingehen, dass mit der Bezeichnung „fehlende Schutzfähigkeit“ bei der entsprechenden Markenkategorie (z. B. Wort-, oder Bildmarke oder Warenformmarke) alle dort jeweils denkbaren Schutzhindernisse benannt sein sollen. Entsprechendes könnte ein Löschungsantragsteller im Übrigen auch dadurch erreichen, dass er alle insoweit denkbaren Schutzhindernisse im Einzelnen auflistet. Solange nicht die Konsequenz gezogen wird, für jedes genannte Schutzhindernis bzw. jede entsprechende Norm eine eigenständige Gebühr zu verlangen, würde der Löschungsantragsteller bei einer solchen Vorgehensweise ohne finanziellen Zusatzaufwand in Bezug auf die Löschungsgebühr eine maximale Breite der Überprüfung und eine maximale Erfolgsaussicht sicherstellen, wobei im Hinblick auf offensichtlich nicht gegebene Schutzhindernisse allerdings Kostenrisiken nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entstehen würden.

49

Sofern im Löschungsantrag nur einzelne Schutzhindernisse (z. B. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) genannt werden, sind diese jedenfalls zu prüfen. Wenn die Prüfung ergibt, dass das genannte Schutzhindernis nicht gegeben ist, stellt sich die Frage, ob damit in engem Zusammenhang stehende weitere Schutzhindernisse in die Prüfung einbezogen werden und ggfs. bejaht werden dürfen, mit der Folge, dass auch in einem solchen Fall die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet werden kann oder muss. Dies betrifft insbesondere die Gruppe der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG und bei Warenformmarken jedenfalls auch die Gruppe der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG. Die Frage ist nach Auffassung des Senats sehr deutlich zu bejahen im Hinblick auf den Sinn und Zweck des im öffentlichen Interesse durchzuführenden Löschungsverfahrens. Schließlich muss im Zusammenhang mit der Prüfung der Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG von Warenformmarken nach Auffassung des Senats jedenfalls auch immer das unter den ordre public fallende Schutzhindernis der nicht hinreichenden Darstellung bzw. der nicht hinreichenden Bestimmtheit des Schutzgegenstandes mit überprüft werden. Denn es wäre widersinnig, den z. B. auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG gestützten Löschungsantrag mit der Begründung zurückzuweisen, dass im Hinblick auf die unzureichende Darstellung des Schutzgegenstandes nicht überprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die Bejahung eines Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG vorliegen.

50

Schließlich stellt sich die Frage, wie weit die Rechtskraft geht und inwieweit dem Löschungsantragsteller nach Abschluss eines Löschungsverfahrens für einen weiteren, gegen dieselbe Marke gerichteten Löschungsantrag ein „Löschungsantragsverbrauch“ entgegengehalten werden kann. Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, einem Löschungsantragsteller insoweit in Bezug auf alle Schutzhindernisse mit Ausnahme des Schutzhindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung nur ein einziges Verfahren zur Verfügung zu stellen, ihm quasi nur eine Chance einzuräumen. Dies verwirklicht auch am besten den vom BGH in zwei Entscheidungen bereits zum Ausdruck gebrachten Willen, nämlich über die entsprechende Anwendung der §§ 322, 325 ZPO zwischen identischen Beteiligten beliebige Wiederholungen über „denselben“ Streitstoff (= dieselbe Marke) auszuschließen (siehe dazu BGH Beschluss vom 16.6.1993, I ZB 14/91, GRUR 1993, 969 ff. – Indorektal II; Beschluss vom 16.7.2009, I ZB 53/07 = GRUR 2010, 231 Rn. 18 – Legostein).

51

g) An die gegenteilige Beurteilung des BGH zum Streitgegenstand in der Rechtsbeschwerdeentscheidung sieht sich der Senat nicht gebunden, weil diese der Aufhebung der Ausgangsentscheidung nicht i. S. d. § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG zugrunde gelegt ist. Der Senat geht vielmehr nach wie vor ohne Weiteres davon aus, dass im Löschungsverfahren der Wechsel von den Schutzhindernissen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zum Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG keinen Wechsel in Bezug auf den Streitgegenstand darstellt und deshalb erfolgen kann. Sofern der Senat dem Streitgegenstandsverständnis des BGH, dessen Auffassung zur Anwendbarkeit der Vorschriften des § 263 ZPO und des § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO folgen und zudem das Erfordernis des obligatorischen Vorverfahrens nach § 54 MarkenG unberücksichtigt lassen würde, würde der Senat auch eine Antragsänderung bzw. einen Wechsel vom Löschungsgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 MarkenG zum Löschungsgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG für sachdienlich halten. Insofern steht einer Prüfung des Löschungsantrags nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG weder nach der Auffassung des Senats noch der des BGH etwas im Wege.

52

3. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg, weil dem markenrechtlichen Schutz der angegriffenen dreidimensionalen Gestaltung für die Ware „Tafelschokolade“ das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht entgegensteht.

53

Eine Marke ist auf Antrag gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 3, 7, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 MarkenG zu löschen, wenn sie sowohl bezogen auf den Anmeldezeitpunkt – dahingehend wird der Wortlaut des § 50 Abs. 1 MarkenG vom BGH im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH ausgelegt (vgl. BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 9 ff., Rn. 12 ff., insbesondere Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) – als auch bezogen auf den Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenabteilung vom 26. Februar 2014 (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) schutzunfähig war bzw. ist. Die angegriffene dreidimensionale Marke ist bzw. war gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu beiden maßgeblichen Zeitpunkten schutzfähig, sodass der Löschungsantrag von der Markenabteilung im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen worden ist.

54

a) Soweit der BGH – ohne Vorlage an den EuGH – die grundlegende Frage offen gelassen hat, ob die Entscheidung des EuGH vom 12. Februar 2004            – C-218/01 (= GRUR 2004, 428 – Henkel) der Prüfung eines Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, stellt sich dieselbe Frage erneut bei der Prüfung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Auch insoweit ist fraglich, ob eine Gleichstellung von Ware und Warenverpackung möglich ist, nachdem keine notwendige Verpackungsform im Sinne der oben genannten Entscheidung zu beurteilen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen und die Ausgangsentscheidung vom 4. November 2016 verwiesen (dort unter dem Gliederungspunkt II. 2.1).

55

b) Die angegriffene Gestaltung verleiht der beanspruchten Ware nach Auffassung des Senats keinen wesentlichen Wert i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

56

Auch im Rahmen der Prüfung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sind zunächst die wesentlichen Merkmale der betreffenden Form zu bestimmen. Insoweit hat der Senat – bestätigt durch den BGH – bereits festgestellt, dass es sich bei der angegriffenen Warenverpackungsgestaltung um eine übliche Schlauchbeutelverpackung handelt, die allein dahingehend eine Besonderheit aufweist, als sie in einer besonderen Form des Rechtecks, nämlich in der des Quadrats gestaltet ist. Daher könnte allein in der quadratischen Form der Warenverpackung eine gestalterische Ausprägung gesehen werden, die der Ware ihren wesentlichen Wert verleiht.

57

Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH waren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG solche Warenformen vom Markenschutz ausgenommen, bei denen der durch die Form vermittelte ästhetische Wert der Ware so im Vordergrund stand, dass die Hauptfunktion der Marke, auf eine bestimmte betriebliche Herkunft der Ware hinzuweisen, nicht mehr zur Geltung kam. Im Lichte einer funktionsgerechten Abgrenzung des Markenschutzes zum Urheber- und Designschutz wurde das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG vor allem im Zusammenhang mit Werken der bildenden und der angewandten Kunst (z. B. bei Schmuck oder Bekleidung) bejaht. Sofern die ästhetische Formgebung nach Auffassung des angesprochenen Verkehrs nicht als mit der Ware selbst identisch, sondern als bloße Zutat zur Ware aufgefasst wurde, stand der Eintragung einer ästhetisch besonders gelungenen Form als Marke insoweit kein Schutzhindernis entgegen (vgl. BGH GRUR 2008, 71 Rn. 18 – Fronthaube; GRUR 2010, 138 Rn. 19 ff. – ROCHER-Kugel; BPatG GRUR 2011, 68, 71 – Goldhase in neutraler Aufmachung). Nachdem der Senat in der Ausgangsentscheidung ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bejaht hat und damit von einer Form ausgegangen ist, die durch die Ware selbst bedingt ist, stünde die Bejahung eines Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG dazu in einem deutlichen Widerspruch. Unabhängig davon, ob die aufhebende Entscheidung des BGH, welche die entsprechende Beurteilung des Senats nicht teilt, in Bezug auf das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG eine andere Beurteilung eröffnet, steht fest, dass die quadratische Form bei der Ware „Tafelschokolade“ eine bzw. die relevante Grundform ist, da Tafelschokolade fast ausnahmslos in rechteckiger Form hergestellt und verpackt wird. Nachdem das Quadrat nichts anderes ist als ein spezielles Rechteck, kann nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden, dass bei einer solchen Warenform deren ästhetischer Wert so im Vordergrund stünde, dass die Herkunftsfunktion nicht mehr zum Tragen kommt.

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Anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht im Lichte der Entscheidung des EuGH „Hauck/Stokke“ vom 18. September 2014. Danach ist zwar das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG in größerem Umfang in Betracht zu ziehen. So kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH nunmehr auch auf die Art der beanspruchten Ware, den künstlerischen Wert der betreffenden Form und ihre Andersartigkeit im Vergleich zu anderen auf dem Markt allgemein genutzten Formen an, ebenso wie auf einen bedeutenden Preisunterschied zu ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer Vermarktungsstrategie, die die ästhetischen Eigenschaften der jeweiligen Waren unterstreicht (EuGH a. a. O. Rn. 35, 36; kritisch dazu: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 3 Rn. 145; Kur, Anmerkung zu EuGH Hauck/Stokke GRUR 2014, 1099 f.). Nach der Maßgabe des EuGH kommt es also darauf an, ob sich die angegriffene dreidimensionale Gestaltung bezogen auf ihren künstlerischen Wert oder ihre Andersartigkeit gegenüber dem herkömmlichen Formenschatz relevant hervorhebt bzw. ob ein auf der Form beruhender Preisunterschied oder eine damit zusammenhängende Vermarktungsstrategie besteht (EuGH a. a. O. Rn. 35, 36; Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O. Rn. 143 – 145). Unabhängig davon, wie die Kriterien des EuGH im Einzelnen zu verstehen und anzuwenden sind, hebt sich die hier gewählte Form nach Auffassung des erkennenden Senats gerade nicht wesentlich von der üblichen Warenform ab, sondern verkörpert die Grundform. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass sich eine quadratische Form, die nichts anderes als ein Rechteck ist, von anderen Rechtecken mit ungleichen Seitenlängen wesentlich unterscheidet – wovon nach Auffassung des Senats nicht auszugehen ist – so kann dieser Unterschied zumindest keinen relevanten künstlerischen oder gestalterischen Wert und keine wesentliche Andersartigkeit der Warenform begründen, sodass ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu verneinen ist.

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Das einzige Kriterium, das nach der Rechtsprechung des EuGH vorliegend relevant sein könnte, ist der Umstand, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke die Form der Ware bzw. die Form der Verpackung in der Werbung als ein besonderes Merkmal herausstellt. Insoweit kann festgestellt werden, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke eine Vermarktungsstrategie betreibt, die spezifisch auf die angegriffene Form der Ware bzw. auf die Form der Verpackung bezogen ist. Die jahrelange Benutzung des betreffenden Werbespruchs „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ ist eine offenkundige Tatsache i. S. v. § 291 ZPO und bedarf keiner weiteren Feststellungen. Der Senat versteht jedoch die Entscheidung des EuGH dahingehend, dass ein Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht schon dann zu bejahen ist, wenn sich zumindest einer der vom EuGH genannten Umstände feststellen lässt. Vielmehr kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an, die im Wege einer Gesamtabwägung zu würdigen sind. In diesem Rahmen überwiegt der Umstand, dass die angegriffene Form der Grundform der beanspruchten Ware bzw. der Grundform der üblichen Verpackung der beanspruchten Ware entspricht.

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Soweit die Löschungsantragstellerin in diesem Zusammenhang der Auffassung ist, dass die Benutzung der Grundform der beanspruchten Ware allen Mitbewerbern des Markeninhabers offen stehen müsse, gerade weil die Schlichtheit der Grundform eine ästhetische Wirkung vermittle, gibt dies nach Auffassung des Senats zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Es trifft zwar zu, dass sich gestalterisch stark reduzierte Warenformen häufig der Grundform der entsprechenden Ware annähern bzw. mit dieser identisch sind. Weiterhin werden solche Warenformen oft als ästhetisch besonders gelungen empfunden (und als „Klassiker“ bezeichnet). Der Löschungsantragstellerin ist schließlich auch dahingehend zuzustimmen, dass in diesem Zusammenhang gestalterisch reduzierte Warenformen im Hinblick auf die Vermarktung und den Preis der entsprechenden Produkte eine hohe Bedeutung entfalten können. Gleichwohl führt dies nicht zu einer Bejahung eines Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Der Senat versteht das Urteil des EuGH „Hauck/Stokke“ jedenfalls dahingehend, dass das Schutzziel, Warengrundformen von markenrechtlichen Monopolen freizuhalten, durch § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verwirklicht wird, mögen die konkreten Warengestaltungen auch deswegen ästhetisch ansprechend sein, weil sie der Grund- oder Idealform der Ware besonders nahekommen. Dagegen kann ein Schutzhindernis i. S. v. § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nur bejaht werden, wenn die angegriffene Form wesentliche Eigenschaften aufweist, die sie von anderen Waren unterscheidet. Der Kinderstuhl „TrippTrapp“ verwirklicht – anders als die hier angegriffene Warenverpackung – nicht die Grundform der Ware, sondern weist in seiner Formgebung Besonderheiten auf, in denen sich bestimmte Gebrauchseigenschaften der Ware verwirklichen und auf die es dem EuGH nach entscheidend ankommt. In diesem Sinne sind Warengrundformen als eine andere (nach Auffassung des Senats unter § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu subsumierende) Fallgruppe zu beurteilen.

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Der Umstand, dass die von der Markeninhaberin beanspruchte Grund- oder Idealform (Quadrat mit vier gleichen Seitenlängen) angesichts des Wettbewerbsvorteils für die Markeninhaberin einen besonderen wirtschaftlichen Wert darstellen kann, ist kein Gesichtspunkt, der zur Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG führt. Die Form der konkreten Einzelware (bzw. Einzelverpackung) selbst müsste gegenüber den entsprechenden Formen der Konkurrenzwaren (bzw. Konkurrenzverpackungen) der Ware bzw. der Warenverpackung den wesentlichen Wert verleihen. Dies ist ersichtlich nicht der Fall, selbst wenn bei der quadratischen Form von einem gewissen Gebrauchsvorteil gegenüber „nur“ rechteckigen Formen mit unterschiedlicher Kantenlänge auszugehen sein sollte.

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4. Unabhängig von der Erklärung der Löschungsantragstellerin, dass sie ihren Löschungsantrag nicht mehr darauf stütze, dass die Marke entgegen § 8 Abs. 1 MarkenG eingetragen worden sei, genügt die angegriffene Marke den insoweit zu stellenden Anforderungen. Die bei der Anmeldung eingereichten Abbildungen der dreidimensionalen Gestaltung sind in dieser Hinsicht vorbildlich. Die Markenabteilung 3.4 ist daher im angegriffenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass die schlechte Qualität der Abbildung der angegriffenen Marke im Markenregister, die auf die Umsetzung der Anmeldung durch das DPMA zurückzuführen ist, im Rahmen eines Löschungsverfahrens nicht zu Lasten des Markeninhabers geht. Insoweit muss der Markeninhaber bzw. das DPMA die Möglichkeit haben, die Darstellung im Register ohne nachteilige Folgen für den Markeninhaber nachzubessern.

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5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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6. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestand kein Anlass.