Entscheidungsdatum: 16.01.2019
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 1 113 370
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 Internationale Markenregistrierung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2015 und vom 14. Februar 2017 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 008 151 664 in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36 der angegriffenen Marke zurückgewiesen worden ist. Wegen dieses Widerspruchs wird der Schutz suchenden IR-Marke 1 113 370 der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland auch im Übrigen, nämlich in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36, verweigert.
I.
Das am 21. Februar 2012 unter der Nummer 1 113 370 international registrierte Wort-/Bildzeichen
begehrt Schutz für die Bundesrepublik Deutschland für die folgenden Dienstleistungen:
Klasse 35:
Commercial information agencies; cost price analysis; auditing; computerized file management; accounting; invoicing; marketing studies; business information; commercial information and advice for consumers [consumer advice shop]; business investigations; marketing research; business management and organization consultancy; personnel management consultancy; business organization consultancy; business management consultancy; professional business consultancy; organization of exhibitions for commercial or advertising purposes; business appraisals; payroll preparation; data search in computer files for others; sponsorship search; business management assistance; commercial or industrial management assistance; economic forecasting; document reproduction; compilation of statistics; compilation of information into computer databases; business inquiries; systemization of information into computer databases; tax preparation; drawing up of statements of accounts; commercial administration of the licensing of the goods and services of others; administrative processing of purchase orders; price comparison services; outsourcing services [business assistance]; efficiency experts;
Klasse 36:
Credit bureaux; debt collection agencies; real estate agencies; financial analysis; hire-purchase financing; savings bank; rent collection; issuing of travellers' checks [cheques]; issuance of credit cards; issue of tokens of value; capital investments; insurance information; financial information; clearing, financial; insurance consultancy; financial consultancy; stock exchange quotations; financial management; exchanging money; debit card services; credit card services; home banking; factoring; organization of collections; antique appraisal; jewellery appraisal; stamp appraisal; real estate appraisal; numismatic appraisal; art appraisal; financial evaluation [insurance, banking, real estate]; repair costs evaluation [financial appraisal]; electronic funds transfer; bail-bonding; stocks and bonds brokerage; real estate brokers; insurance brokerage; loans [financing]; lending against security; check [cheque] verification; charitable fund raising; financial sponsorship; mortgage banking; instalment loans; accident insurance underwriting; fire insurance underwriting; health insurance underwriting; insurance underwriting; life insurance underwriting; marine insurance underwriting; actuarial services; banking; retirement payment services; fiduciary; mutual funds; financing services; safe deposit services; deposits of valuables; fiscal assessments.
Gegen die Schutzgewährung für die international registrierte Marke in Deutschland hat die Widersprechende aus ihrer seit dem 24. September 2009 für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 9:
Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte;
Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;
Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Klasse 36:
Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;
Klasse 38:
Telekommunikation;
Klasse 41:
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten
eingetragenen Unionsmarke 008 151 664
FININVEST
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 36 Internationale Markenregistrierung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 22. Januar 2015 zunächst die Gefahr der Verwechslung im Sinne der §§ 124, 119 Abs. 1, 116 Abs. 1, 125b, 114, 43 Abs. 2 Satz 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken insgesamt verneint. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle dann mit Beschluss vom 14. Februar 2017 die Verwechslungsgefahr im Umfang aller Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen IR-Marke bejaht und den Schutz der angegriffenen IR-Marke in diesem Umfang verweigert und den Widerspruch in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36 der angegriffenen Marke im Übrigen zurückgewiesen.
Dabei geht die Markenstelle IR für Klasse 36 davon aus, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Dienstleistungen der Klasse 36, anders als für die Dienstleistungen der Klasse 35, als unterdurchschnittlich anzusehen sei. Denn der Widerspruchsbegriff „Fininvest“ beinhalte mit dem Wortbestandteil „Invest“ die Abkürzung für „Investment“ bzw. das englische Verb „to invest“ im Sinn von „investieren“ und damit einen Fachbegriff aus dem Bankwesen. Der Wortbestandteil „Fin“ wiederum sei im Zusammenhang mit den einschlägigen Dienstleistungen eine Abkürzung für „final, Finale“, „Finnland“ oder „finanziell“. In der Zusammenstellung könne die Widerspruchsbezeichnung FININVEST daher als „finanzielles Investment; finales Investment, schlaues Investment“ oder „Investment für Finnland“ verstanden werden. Somit sei die Bezeichnung im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 36 Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen der Widerspruchsmarke beschreibend, da es bei diesen Dienstleistungen jedenfalls auch um „Kapitalanlagen“ gehe. Die sich in der Klasse 36 gegenüberstehenden Dienstleistungen seien identisch. In der Gesamtheit würden sich die Vergleichszeichen bereits angesichts des in der angegriffenen Marke vorhandenen Wortes „Bank“ sowie deren grafischen Ausgestaltung in jeder Hinsicht hinreichend deutlich unterscheiden. Auch werde der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebliche Gesamteindruck der mehrgliedrigen jüngeren Marke nicht durch den Markenbestandteil „FININVEST“ allein geprägt. Zwar sei der Wortbestandteil „Bank“ für die Dienstleistungen des Finanzsektors, des Versicherungssektors und solche im Zusammenhang mit Immobilienkäufen als weitere Geschäftszweige einer Bank glatt beschreibend. Dies würde vorliegend aber nicht zu einer Prägung der jüngeren angegriffenen Marke durch den weiteren Wortbestandteil „FININVEST“ führen, weil es sich bei diesem für die maßgeblichen Dienstleistungen der Klasse 36 ebenso um eine beschreibende Angabe handele. Die Wortbestandteile BANK und FININVEST stünden gleichwertig nebeneinander und die angesprochenen Verbraucher hätten keinerlei Veranlassung, die jüngere Marke bei der klanglichen Wiedergabe auf nur einen der Bestandteile zu verkürzen. Insoweit würden sich die Zeichen „BANK FININVEST“ und „FININVEST“ gegenüberstehen, die klanglich nicht zu verwechseln seien. Unter Berücksichtigung einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und mangelnder Ähnlichkeit der Zeichen sei selbst für die im Identitätsbereich der Widerspruchsdienstleistungen liegenden Dienstleistungen der Klasse 36 der angegriffenen Marke keine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu befürchten. Nach Auffassung der Markenstelle bestehe auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation. Denn die Widerspruchsmarke FININVEST werde zwar identisch in die jüngere Marke aufgenommen, sie stehe dort aber nicht neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen der Inhaberin der jüngeren Marke und habe angesichts der festgestellten Kennzeichnungsschwäche in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36 auch keine selbstständig kennzeichnende Stellung inne.
Hiergegen richtet sich die mit Schreiben vom 13. März 2017 erhobene Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, dass auch hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 36 die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Unstreitig sei von einer Identität der sich in der Klasse 36 gegenüberstehenden Dienstleistungen der Vergleichszeichen auszugehen. Auch könne der Markenstelle dahingehend gefolgt werden, dass das Wort BANK als glatt beschreibende Angabe bei der Wahrnehmung der angegriffenen Marke durch die Verbraucher in den Hintergrund trete. Anders als die Markenstelle meine, sei aber das weitere Markenwort FININVEST in der visuellen Wahrnehmung der Marke nicht zu vernachlässigen. Dieser Wortbestandteil der Marke sei vielmehr das kennzeichnende und prägende Element des Zeichens, nachdem auch das Bildelement der jüngeren Marke keinerlei Originalität aufweise. In diesem die jüngere Marke dominierendem Bestandteil würden die Vergleichszeichen identisch übereinstimmen. Die Zeichen seien insoweit klanglich identisch und visuell hochgradig ähnlich. Sofern FININVEST als Wortneuschöpfung der Abkürzungen FIN für Finanz- oder finanziell und INVEST für Investment oder investieren verstanden werde, seien die Vergleichszeichen auch begrifflich identisch.
Eine Verwechslungsgefahr sei aber auch dann gegeben, wenn mit der Markenstelle von einer schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werde. Denn der Widerspruchsmarke dürfe der Schutz nicht insgesamt verweigert werden, es bestehe eine Bindung an die Eintragung. Soweit bei der Bezeichnung FININVEST von einer beschreibenden Angabe ausgegangen werde, würde sich die angegriffene jüngere Marke dieser beschreibenden Angabe auf die gleiche Art und Weise annähern. Ein angemessen aufmerksamer Verbraucher werde sich die angegriffene Marke mit dem Wort FININVEST merken. Werde er dann zu einem späteren Zeitpunkt auf die Widerspruchsmarke treffen, so werde er diese ohne weiteres mit der angegriffenen Marke verwechseln, weil der Unterschied auch im Schriftbild nur so geringfügig sei, dass ihn das angesprochene Publikum auch bei erhöhter Aufmerksamkeit nicht wahrnehmen würde. Wenn vorliegend von einer fehlenden Verwechslungsgefahr ausgegangen werde, würde das dazu führen, dass der Widerspruchsmarke nahezu jeglicher Schutzbereich abgesprochen werde, was angesichts der bestehenden Eintragung unzulässig sei.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 Internationale Markenregistrierung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2015 und vom 14. Februar 2017 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 008 151 664 zurückgewiesen worden ist und wegen dieses Widerspruchs den Schutz der angegriffenen IR-Marke auch hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 36 zu verweigern.
Die Widersprechende hat hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Markeninhaberin, der die Beschwerde und die Beschwerdebegründung durch Zustellung an ihre bisherige im DPMA-Verfahren beauftragte Verfahrensbevollmächtigte am 12. Juni 2017 zugegangen war, hat im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen und keinen Antrag gestellt.
Die bisherigen Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin haben mit Schreiben vom 13. Juni 2017 mitgeteilt, dass sie die anwaltliche Vertretung der in Russland ansässigen Anmelderin im Beschwerdeverfahren nicht übernehmen und einen in Russland ansässigen Vertreter benannt. Mit Schreiben vom 30. August 2017 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Markeninhaberin am Verfahren vor dem Bundespatentgericht nur teilnehmen kann, wenn sie einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentgericht befugt und bevollmächtigt ist. Gleichzeitig hat der Senat mitgeteilt, dass auch ohne Beauftragung eines zur Vertretung befugten Anwalts und ohne Mitwirkung oder Beteiligung der Inhaberin der angegriffenen Marke das Widerspruchsbeschwerdeverfahren durchgeführt werden kann.
Die Markeninhaberin hat im bisherigen Beschwerdeverfahren keinen in Deutschland oder im europäischen Wirtschaftsraum ansässigen Rechts- oder Patentanwalt mit ihrer Vertretung im Widerspruchsbeschwerdeverfahren beauftragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36, das Schreiben des Senats vom 30. August 2018 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 36 eine Verwechslungsgefahr nach §§ 125b Nr. 1 MarkenG, 119, 124, 114, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass der international registrierten jüngeren Marke der Schutz auch insoweit und damit insgesamt zu verweigern war, §§ 114 Abs. 3 i. V. m. 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
1. Eine Entscheidung in der Sache konnte ergehen, auch wenn die Beschwerdegegnerin und Markeninhaberin keinen Inlandsvertreter gemäß § 96 Abs. 1 MarkenG für das Beschwerdeverfahren bestellt hat. Nach § 96 Abs. 1 MarkenG benötigt jeder, der an einem im Markengesetz geregelten Verfahren vor dem Bundespatentgericht teilnimmt, einen Inlandsvertreter, sofern er im Inland weder einen Wohnsitz, Sitz noch eine Niederlassung hat. Das trifft für die in St. Petersburg/ Russland ansässige Markeninhaberin zwar zu, nachdem ihre bisher im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zur Vertretung bestellten Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13. Juni 2017 mitgeteilt hatten, dass sie die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren nicht vertreten. Auch die in Russland ansässigen Vertreter der Markeninhaberin, auf die die bisherige Verfahrensbevollmächtigte hingewiesen hat, erfüllen mit dem Sitz in St. Petersburg nicht die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 MarkenG. Allerdings führt die Nichtbestellung eines Inlandsvertreters durch die Markeninhaberin vorliegend nicht zu einem Verfahrenshindernis. Denn nach gefestigter Rechtsprechung kann und muss im mehrseitigen Widerspruchsverfahren (anders als im einseitigen Verfahren) eine Sachentscheidung auch dann ergehen, wenn der Markeninhaber keinen Inlandsvertreter benennt (vgl. BGH GRUR 2000, 895, 896 – EWING; BPatG GRUR 1998, 59 – Coveri; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 96 Rn. 32; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 96 Rn. 21).
2. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2013, 833Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; Entscheidung vom 12. Juli 2018, I ZR 74/17, Rn. 17 – Combit/Commit, der Entscheidungstext ist über die Entscheidungsdatenbank des BGH zugänglich). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch Ströbele/ Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware oder der Dienstleistungen, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen international registrierten Marke und der älteren Widerspruchsunionsmarke „FININVEST“ im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 36 eine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 125b, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Bei der Widerspruchsunionsmarke FININVEST ist entgegen der Auffassung der Markenstelle in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36 und zwar auch in Bezug auf die Finanzdienstleistungen von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. In Wechselwirkung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mit der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der zu vergleichenden Dienstleistungen der Klasse 36 hält die angegriffene Marke den zu fordernden Zeichenabstand nicht mehr ein, auch wenn im Zusammenhang mit den Finanzdienstleistungen regelmäßig von einer erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen allgemeinen Verbraucherkreise und des Fachverkehrs auszugehen ist.
a. Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. BGH GRUR 2016, 382 Rn. 31 – BioGourmet). Der Widerspruchsunionsmarke ist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen, weil ein aus sich heraus beschreibender Sinngehalt der aus den Abkürzungen „Fin“ und „Invest“ gebildeten Bezeichnung FININVEST nicht ohne weiteres erkennbar ist. Der Begriff „Fininvest“ ist weder in der englischen noch in der deutschen Sprache lexikalisch nachweisbar. Die angesprochenen Endverbraucher und Fachleute werden zwar in der Wortzusammensetzung möglicherweise die Einzelbestandteile „FIN“ (final, finanziell bzw. Finale, Finanz, Finanzierung) und „INVEST“ (Investition, Investment) erkennen. Allerdings bedarf es dann doch noch erheblicher weiterer gedanklicher (Zwischen)Schritte und Überlegungen um die Zusammenstellung im von der Markenstelle ausgeführten Sinn von „finanzielles Investment; finales Investment; schlaues Investment“ oder „Investment in Finnland“ zu verstehen. Es mag zwar sein, dass sich bei den einschlägigen Fachkreisen des Finanzsektors bei der Buchstabenfolge „fin“ Assoziationen in Richtung „Finanz-“ bzw. „Finanzen“ einstellen, weil sie beispielsweise in den bekannten Begriffen „FinTech“ für Finanztechnologie oder „BaFin“ für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht enthalten ist. Auch das Wort „Invest“ mag im Sinn des englischen Verbs „investieren“ oder als Kurzform für Investitionen wohl bekannt sein. Vorliegend handelt es sich bei der Widerspruchsbezeichnung FININVEST aber gerade nicht um den Begriff „Finanzinvestition“ und damit um die aus sich heraus verständliche vollständige Wiedergabe der zu einem Wort zusammengefügten Bezeichnungen „Finanz“ und „Investment“ bzw. „Investition“, sondern um die Zusammenstellung deren möglicher Kurzformen bzw. Abkürzungen. Bei Abkürzungen ist aber zu berücksichtigen, dass sie ein sprachliches Hilfsmittel darstellen und der korrekten vollständigen Wiedergabe der dementsprechenden Sachbezeichnung nicht ohne weiteres gleichgestellt werden dürfen. Deshalb sind nur solche Abkürzungen als schutzunfähig anzusehen, die ebenso wie die betreffende vollständige Beschaffenheitsangabe beschreibend eingesetzt werden können, weil sie in diesem Sinn gebräuchlich oder zumindest aus sich heraus verständlich sind (vgl. BGH GRUR 2013, 731 Rn. 16 – 21 – Kaleido). Dies muss erst Recht in dem Fall gelten, wenn zwei Abkürzungen zu einem neuen eigenständigen Begriff zusammengefügt werden. Die Bezeichnung FININVEST ist im Bereich der Finanzdienste der Klasse 36 aber weder gebräuchlich noch ohne weiteres verständlich. Unter Zugrundelegung der oben aufgezeigten Wortbedeutungen der Bestandteile entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise der Gesamtbezeichnung zwar möglicherweise beschreibende Anklänge etwa dergestalt, dass die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Investments oder Investitionen stehen könnten. Bei dem Anfangselement „Fin“ aber dürften zudem in mehrere Richtungen gehende Überlegungen angestellt werden (Finnland, Finanzierung, final), um zu einer klaren Bedeutung der Abkürzung zu gelangen, sofern sie überhaupt als solche erkannt wird. Denn in der Regel nimmt der angesprochene Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen und einzelne Markenelemente nach einer eventuellen Bedeutung zu untersuchen (vgl. BPatG GRUR 2010, 441, 444 f. – printnet/PRINECT).
Insoweit ist der Widerspruchsmarke als Gesamtbezeichnung und sprechende Marke, die einen gewissen Interpretationsspielraum eröffnet, noch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auch für die Dienstleistungen der Klasse 36 zuzubilligen.
b. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist auch auf Seiten der Widerspruchsunionsmarke FININVEST von der Registerlage auszugehen. Die Vergleichsmarken können sich im beschwerdegegenständlichen Umfang der Dienstleistungen der Klasse 36 auf identischen und hochgradig ähnlichen Dienstleistungen begegnen.
Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen besteht, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten regelmäßig aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 9 Rn. 59, vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM/ZOOM).
Bei den angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 36 der jüngeren Marke handelt es sich um diverse Finanzdienstleistungen, die üblicherweise von Banken und anderen Kreditinstituten, Versicherungen und Immobilienunternehmen sowie den in diesen Bereichen tätigen Vermittlern und Maklern erbracht werden. Dem entsprechen die oberbegrifflich genannten Dienstleistungen „Finanzwesen, Geldgeschäfte“ der Widerspruchsmarke in nahezu identischer Weise. Denn zu den Geldgeschäften der Klasse 36 gehören auch solche Dienstleistungen wie „organization of collections / Spendensammeln“, „bailbonding / Übernahme von Kautionen zur Abwendung der Untersuchungshaft“ und sämtliche „Schätzungsdienste“ (antique appraisal; jewellery appraisal; stamp appraisal; real estate appraisal; numismatic appraisal; art appraisal) der angegriffenen jüngeren IR-Marke. Insoweit liegt zwischen den angefochtenen Finanzdienstleistungen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsdienstleistungen weitgehend Identität bzw. im Übrigen hochgradige Ähnlichkeit vor.
c. Den bei dieser Ausgangslage der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der Vergleichsdienstleistungen zu fordernden Abstand der Zeichen, wird die jüngere Marke angesichts des identischen Wortbestandteils FININVEST jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer im Finanzsektor eher gesteigerten Aufmerksamkeit der auch angesprochenen allgemeinen Verbraucherkreise.
Die Ähnlichkeit von Kollisionszeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (so z. B. BGH in GRUR 2016, 283 Rn. 37 – BioGourmet m. w. N.).
Mit der angegriffenen Wort-/Bildmarke und der Widerspruchswortmarke FININVEST stehen sich wegen des in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Bildbestandteils und des Wortbestandteils BANK, der keine Entsprechung in der Widerspruchsmarke findet, schriftbildlich insgesamt ausreichend unterschiedliche Marken gegenüber. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr ist daher nicht zu besorgen.
Allerdings sind die Vergleichsmarken klanglich identisch bzw. hochgradig ähnlich, denn insoweit ist von einer klanglichen Prägung der angegriffenen Marke allein durch den Wortbestandteil FININVEST auszugehen. Die angegriffene Marke ist eine grafisch ausgestaltete Wort-/Bildmarke, die neben der Wiedergabe der Wortelemente BANK und FININVEST in den Farben rot und blau auf der linken Seite eine Grafik aufweist. Dabei handelt es sich um eine in weiß gehaltene in einem blauen Kreis befindliche Linie oder Schlange, die zwei kreisartige Gebilde formt. Bei dieser Grafik handelt es sich um ein rein dekoratives Element, das jedenfalls bei der mündlichen Wiedergabe des Zeichens in entscheidungserheblichem Umfang nicht mitgesprochen werden wird. Denn bei dem Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen in einer Marke ist von dem allgemein anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr in der Regel dem Wort als der einfachsten und kürzesten Bezeichnungsform die prägende Bedeutung beimisst, weil dieses die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP; GRUR 2009, 1055, 1057 Nr. 28 – airdsl). Die angesprochenen Verkehrskreise werden sich daher in entscheidungserheblichem Umfang bei einer klanglichen Wiedergabe der Marke an den Wortbestandteilen „BANK FININVEST“ orientieren. Somit stehen sich nach dem klanglichen Gesamteindruck die Wörter „BANK FININVEST“ und „FININVEST“ und damit nahezu identische Marken gegenüber. Denn das in der angegriffenen Marke befindliche Wort „BANK“ wird lediglich als Bezeichnung für ein Kreditinstitut bzw. für den Tätigkeitsschwerpunkt der Anbieterin bzw. Erbringerin der Dienstleistungen aufgefasst und mithin als glatt dienstleistungsbeschreibende Sachangabe und damit als nicht kennzeichnend völlig in den Hintergrund treten, so dass es für den Gesamteindruck der Marke als Kennzeichen außer Betracht zu bleiben hat. Es eignet sich daher nicht dazu, die insoweit bestehende klangliche Verwechslungsgefahr der Zeichen zu verhindern.
Im Hinblick auf die festgestellte Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen der Klasse 36, die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die klangliche Identität der Vergleichszeichen in dem prägenden Bestandteil FININVEST kann eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Daher ist der angegriffenen Wort-/Bildmarke auch im Umfang der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 36 der Schutz für Deutschland zu verweigern, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben war.
3. Zur Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.
4. Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Eine solche war lediglich von der obsiegenden Widersprechenden hilfsweise beantragt worden, § 69 Nr. 1 MarkenG. Eine mündliche Verhandlung war auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 3 MarkenG.