Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.03.2018


BPatG 22.03.2018 - 25 W (pat) 548/17

Markenbeschwerdeverfahren – "appix/APPIT (Unionsmarke)" – zur rechtserhaltenden Benutzung – fehlende Glaubhaftmachung – Widerspruch kann keinen Erfolg haben – zur Auslegung als zulässige Einrede bei undifferenziert erhobener Einrede mangelnder Benutzung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
22.03.2018
Aktenzeichen:
25 W (pat) 548/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:220318B25Wpat548.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 15 EGV 207/2009

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 064 207

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 vom 6. September 2016 aufgehoben, soweit auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 005 791 901 hin die Löschung der angegriffenen Marke 30 2013 064 207 angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Unionsmarke 005 791 901 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 5. Dezember 2013 angemeldete Bezeichnung

2

appix

3

ist am 11. März 2014 unter der Nr. 30 2013 064 207 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden und ist nach Teillöschungsantrag vom 7. Juli 2014 noch für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 42 und 45 geschützt:

4

Klasse 09: Betriebssysteme für Computer (Software); Computer-Software [gespeichert]; Computerdatenträger mit darauf gespeicherter Software; Computerprogramme für Projektmanagement; Computersoftware für die computergestützte Softwareentwicklung; Datenverarbeitungs-Software; Interfaces [Schnittstellengeräte oder -programme für Computer]; Schnittstellensoftware; Software; Softwarepakete; wobei keine der zuvor genannten Produkte im Zusammenhang mit Überwachungsprodukten und -kameras steht;

5

Klasse 35: Automatisierte Zusammenstellung und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Beratung in Bezug auf die Zusammenstellung und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Beratung in Bezug auf Marketingmanagement; Business Marketing; Dateiverwaltung mittels Computer; Hilfe bei Marketingaktivitäten; Marketing; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken;

6

Klasse 38: Bereitstellung von Anlagen für Videokonferenzen; Bereitstellung von Dienstleistungen für die Datenübertragung; Bereitstellung von Diskussionsforen [Internet-Chatrooms] für soziale Netzwerke; Bereitstellung von E-Mail-Diensten; Bereitstellung von elektronischen Online-Mailbox-Diensten und Gesprächsforen; Bereitstellung von elektronischen Online-Mailboxnetzen zur Übertragung von Nachrichten zwischen Computeranwendern; Bereitstellung von elektronischen Telekommunikationsverbindungen; Bereitstellung von Gesprächsforen unter Verwendung des Internet; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; Bereitstellung von Portalen im Internet; Bereitstellung von Zugangsberechtigungen zum Internet (Serviceprovider); Bereitstellung von Zugangsberechtigungen zur Telekommunikation und zu Links zu Datenbanken und zum Internet; Kommunikationsdienste zwischen Computern; Kommunikationsdienste auf elektronischem Wege; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Videokonferenzdienstleistungen;

7

Klasse 42: Aktualisierung und Wartung von Computersoftware; Aktualisierung von Software-Datenbanken; Aktualisierung von Speicherbanken [Software] von Computersystemen; Beratung auf dem Gebiet der Informationstechnologie [IT]; Beratung in Bezug auf Computer und Software; Beratung in Bezug auf Computersystemanalysen; Beratungsdienste auf dem Gebiet von Computerhardware und -software; Computerprogrammierung und Softwareentwicklung; Computersoftware (Wartung von -); Computersystemanalysen; Consulting und Beratung auf dem Gebiet der Computerhardware und -software; Design, Pflege, Vermietung und Aktualisierung von Computersoftware; Dienstleistungen für den Entwurf von Software für die elektronische Datenverarbeitung; Dienstleistungen zum Schutz vor Computerviren; Digitalisieren von Dokumenten [Scannen]; Durchführung von Computersystemanalysen; EDV-Beratung; Entwicklung von Software; Entwicklung von Softwarelösungen für Internet-Provider und Internet-Nutzer; Entwicklung, Programmierung und Implementierung von Software; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Entwurf, Entwicklung und Implementierung von Software; Entwurf, Wartung, Entwicklung und Aktualisierung von Computersoftware; Erstellung, Wartung, Pflege und Anpassung von Software; Fachliche Beratung in Bezug auf die Softwareerstellung; Fehlersuche bei Computerhardware- und -softwareproblemen; Fernüberwachung von Computersystemen; Gestaltung und Erstellung von Software für die Datenverarbeitung; Hosting; Hosting von Computerseiten [Webseiten]; Hosting von Webseiten; Hosting-Dienste, Software as a Service (SaaS) und Vermietung von Software; Installation und Wartung von Software für Internetzugänge; Installation von Software; Installation, Reparatur und Wartung von Computersoftware; Installation, Wartung und Reparatur von Software für Computersysteme; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten [ausgenommen physische Veränderung]; Kopieren von Computerprogrammen; Kundenspezifische Gestaltung von Softwarepaketen; Kundenspezifische Softwareanpassung; Kundenspezifisches Design von Softwarepaketen; Reparatur [Wartung und Aktualisierung] von Software; Server-Hosting; Software as a Service [SaaS]; Softwaredesign und -entwicklung; Technischer Support im Softwarebereich; Vermietung von Computer-Software, Datenverarbeitungsgeräten und Computerperipheriegeräten; Vermietung von Computerhardware und Software; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten; Wartung und Reparatur von Software; Wartung von Software für Internetzugänge; Web-Hosting; Wiederherstellung von Computerdaten; wobei keine der zuvor genannten Dienstleistungen im Zusammenhang mit Überwachungsprodukten und -kameras steht;

8

Klasse 45: Lizenzierung von Software.

9

Gegen die Eintragung der am 11. April 2014 veröffentlichten Marke hat die Inhaberin der nachfolgenden prioritätsälteren Unionsmarke am 2. Juli 2014 Widerspruch erhoben u. a. aus der Marke

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APPIT

11

die seit dem 13. November 2007 unter der Nummer 005 791 901 eingetragen ist und Schutz genießt für die nachfolgenden Waren Klassen 9, 35, 41 und 42:

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Klasse 09: Computersoftware, nämlich Online-Softwareplattform, die dem Nutzer ermöglicht Softwareanwendungen zu entwickeln und zu vertreiben;

13

Klasse 35: Beratung in Geschäftsfragen und kommerzielle Unterstützung in Bezug auf die Implementierung von Computersystemen und die Systemintegration von Plattformsoftware und die Anwendungen, die davon entwickelt werden können;

14

Klasse 41: Erziehung, nämlich Bereitstellung von Ausbildung in Bezug auf Plattformsoftware und die Anwendungen, die davon entwickelt werden können;

15

Klasse 42: Beratung auf dem Gebiet des Entwurfs, der Auswahl, Umsetzung und der Verwendung einer Computersoftwareplattform; technische Unterstützung, nämlich Fehlersuche und -behebung in Bezug auf Computersoftwareprobleme; Pflege von Computersoftware; Ermöglichung der temporären Nutzung von nicht herunterladbarer Online-Software für den Entwurf und die Erstellung von Prozessanwendungen.

16

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 6. September 2016 die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG im Zusammenhang mit allen von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen bejaht und die angegriffene Marke gelöscht. Die Entscheidung über einen weiteren Widerspruch der Widersprechenden aus der Unionsmarke 012 839 452 hat die Markenstelle im Hinblick auf den beschwerdegegenständlichen Widerspruch ausgesetzt.

17

Zur Begründung des Beschlusses ist ausgeführt, dass alle zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen durchschnittlich ähnlich seien. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke APPIT sei durchschnittlich. Der Begriff „Appit“ sei zwar im Zusammenhang mit elektronischen Arbeits- und Kommunikationsprozessen als Wort bekannt und bezeichne bestimmte Starter-Supports. Er habe aber keine beschreibende Bedeutung. Die normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die durchschnittliche Ähnlichkeit der jeweiligen Waren und Dienstleistungen begründeten deutliche Anforderungen an den Zeichenabstand, denen die jüngere Marke nicht gerecht werde. Die ersten vier der insgesamt fünf Buchstaben der Zeichen seien identisch. Die Klang- und Lautfolge „app - iks“ treffe auf „app - itt“. Die Klangverläufe seien phonetisch hochgradig ähnlich. Die kurzen Wörter endeten jeweils mit einem harten Auslaut, nämlich „t“ bzw. „ks“.

18

Hiergegen wendet sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit ihrer Beschwerde. Das DPMA habe die Verwechslungsgefahr damit begründet, dass beide Marken „Software“ beanspruchen würden. Dabei werde zwischen den von den Beteiligten jeweils angebotenen Produkten nicht ausreichend differenziert. Unter der älteren Marke werde ausschließlich eine Plattformsoftware angeboten, welche es den Kunden erlaube, die gewünschten Softwareanwendungen selbst zu entwickeln. Dagegen vertreibe die Inhaberin der angegriffenen Marke fertige Softwareanwendungen. Im Übrigen reduziere bereits die Mehrsilbigkeit der Zeichen die Verwechslungsgefahr. Schriftbildlich würden sich die Zeichen schon dadurch unterscheiden, dass die ältere Marke ausschließlich in Großbuchstaben geschrieben werde. In klanglicher Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der älteren Marke um eine amerikanische Marke handle, die „Äppit“ ausgesprochen werde. Deswegen seien die Marken klanglich völlig verschieden.

19

Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2016 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke vorgetragen, dass die ältere Marke nicht „entsprechend benutzt“ werde. Im Schriftsatz vom 16. Mai 2017 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke ausdrücklich die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die ältere Marke sei nicht rechtserhaltend benutzt worden, da die Softwareprodukte der Widersprechenden stets mit der Bezeichnung „K2 Appit“, jedoch nie mit dem Zeichen „Appit“ in Alleinstellung angeboten würden, was auch aus einem beigefügten Screenshot ersichtlich sei (Anlage zum Schriftsatz vom 16. Mai 2017, Bl. 23 d. A.).

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Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

21

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. September 2016 aufzuheben, soweit auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 005 791 901 hin die Löschung der angegriffenen Marke 30 2013 064 207 angeordnet worden ist und den Widerspruch aus der Unionsmarke 005 791 901 zurückzuweisen.

22

Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht weiter vorgetragen und auf ihre Ausführungen im Verfahren vor dem DPMA Bezug genommen.

23

Sie beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 vom 6. September 2016, die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

26

Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg. Die Widersprechende hat auf die im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise erhobene Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in dem maßgeblichen Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG für keine der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren und Dienstleistungen glaubhaft gemacht. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren und Dienstleistungen auf Seiten der Widerspruchsmarke i. S. d. § 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG kann der Widerspruch schon deshalb – unabhängig von der Frage der Verwechslungsgefahr nach der Registerlage – keinen Erfolg haben. Demzufolge war der die Verwechslungsgefahr bejahende Beschluss des DPMA insoweit aufzuheben und der gemäß § 125 b Nr. 4, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene Widerspruch zurückzuweisen.

27

1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat erstmals im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2016 (Bl. 7 d. A.) die Einrede der Nichtbenutzung konkludent erhoben, indem sie vortrug, dass die Widerspruchsmarke nicht „entsprechend genutzt“ werde. Mit der Beschwerdebegründung vom 17. Mai 2017 hat die Inhaberin der Widerspruchsmarke die Einrede der Nichtbenutzung darüber hinaus auch ausdrücklich erhoben. Die gemäß § 43 MarkenG i. V. m. Art. 15 GMV pauschal bzw. undifferenziert erhobene Einrede der Nichtbenutzung ist als zulässige Einrede nach § 125 b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG auszulegen, wobei sich die Beurteilung, ob eine Marke rechtserhaltend benutzt worden ist, nach Art. 15 GMV richtet. Soweit eine Nichtbenutzungseinrede undifferenziert ohne konkrete Bezeichnung der beiden nach dem Gesetz in § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG grundsätzlich vorgesehenen Einreden erhoben wird, ist dies regelmäßig als Erhebung beider Einreden zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (vgl. BGH GRUR 2008, 714 Rn. 23 – idw; BPatG GRUR 2016, 286, 288 – Yosaya/YOSOI; vgl. auch Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 26 m. w. N.). Die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind vorliegend nicht gegeben, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 13. November 2010 eingetragenen Unionswiderspruchs erst nach der am 11. April 2014 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der prioritätsjüngeren angegriffenen Marke endete, nämlich am 13. November 2015. Bei einer solchen Fallgestaltung, bei der nur eine der beiden Nichtbenutzungseinreden zulässig ist bzw. Rechtswirkung entfalten kann, ist die undifferenziert erhobene Einrede als verfahrensrechtliche Erklärung nach dem mutmaßlichen Willen entsprechend § 133 BGB dahingehend auszulegen, dass der Einredende nur die nach dem Gesetz mit Rechtswirkung mögliche und damit sinnvolle Einrede erheben will. Die Auslegung von verfahrensrechtlichen Erklärungen hat sich im Zweifel danach zu richten, was nach der Gesetzeslage vernünftig ist und der Gesetzeslage entspricht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Einleitung III Rn. 16). Ausgehend davon ist es entgegen der gelegentlich vertretenen Auffassung (vgl. z. B. die Beschlüsse BPatG 26 W (pat) 530/13 vom 25. Juni 2014, 29 W (pat) 40/12 vom 28. Juni 2013 oder 33 W (pat) 70/11 vom 25. Juni 2013) nicht sachgerecht, der Inhaberin der angegriffenen Marke zu unterstellen, dass sie neben der nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässigen noch eine nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG unzulässige und im Ergebnis wirkungslose Einrede erheben wollte.

28

Demnach hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nur für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft zu machen, also vom 22. März 2013 bis zum 22. März 2018. Die Widersprechende hat aber zur Benutzung der Widerspruchsmarke nichts vorgetragen und keine entsprechenden Mittel der Glaubhaftmachung vorgelegt.

29

Dagegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke vorgetragen, dass die Widerspruchsmarke für eine Plattformsoftware benutzt werde, die es Kunden erlaube, die gewünschten Softwareanwendungen selbst zu entwickeln. Sie ist lediglich der Auffassung, dass diese Art der Benutzung nicht rechtserhaltend sei, weil die entsprechenden Softwareprodukte stets mit der Bezeichnung „K2 Appit“, jedoch nie mit dem Zeichen „Appit“ in Alleinstellung angeboten worden seien. Im Ergebnis reicht aber auch der Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht aus, um eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gem. § 36 MarkenG zu bejahen, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Markeninhaberin die Obliegenheit der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke hat übernehmen wollen. Der Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke ist im Übrigen insoweit nicht ausreichend substantiiert. Es wird insbesondere nicht dargelegt, in welchem Zeitraum, in welcher Form und in welchem Umfang (Werbeaufwendungen, Umsätze etc.) die Widerspruchsmarke benutzt worden ist. Auch der als Anlage beigefügte Screenshot lässt nicht erkennen, wie die Marke benutzt worden ist. Dort findet sich im Zusammenhang mit der Widerspruchsmarke lediglich der Satz „It´s not to late to learn more about the K2 blackpearl and Appit updates“. Ob und welcher Form auf der entsprechenden Homepage ein Softwareprodukt mit der Bezeichnung „Appit“ beworben oder vertrieben wird, lässt sich dem Screenshot nicht entnehmen. Nachdem insgesamt kein ausreichender Sachvortrag zur Art und zum Umfang der rechtserhaltenden Benutzung vorliegt, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob eine ausschließliche Benutzung des Zeichens „Appit“ mit dem Zusatz „K2“ gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG als rechtserhaltend angesehen werden könnte.

30

Der Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke nach Art und Umfang in Bezug auf bestimmte Waren und Dienstleistungen unstreitig gestellt werden sollte. Dagegen spricht schon eindeutig die unbedingt und ohne Einschränkung erhobene Nichtbenutzungseinrede. Bei sachgerechter Auslegung können die Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke zur Benutzung der Widerspruchsmarke nur dahingehend ausgelegt werden, dass die Widerspruchsmarke – vorbehaltlich eines die rechtserhaltende Benutzung rechtfertigenden Benutzungsumfangs, der allerdings noch glaubhaft zu machen wäre – in der beschriebenen Form unstreitig gestellt wird, wobei auch die Art der Benutzung von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht als rechtserhaltend angesehen wird.

31

2. Der Senat war nicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO verpflichtet, die Widersprechende darauf hinzuweisen, dass sie die rechtserhaltende Benutzung der Unionswiderspruchsmarke glaubhaft machen müsse. Zum einen ist das Gericht im zweiseitigen Verfahren gegenüber den Beteiligten zur Neutralität verpflichtet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 68). Vor allem aber wäre selbst dann, wenn eine Beteiligte einen relevanten Gesichtspunkt übersehen hätte, ein gerichtlicher Hinweis entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007, Az. IX ZR 207/05 m. w. N.; Zöller, ZPO 32. Aufl., § 139 Rn. 6a). Vorliegend hat sich die Inhaberin der Widerspruchsmarke nicht nur konkludent mit dem Schriftsatz 15. Oktober 2016, sondern auch mit ihrer kaum zweiseitigen Beschwerdebegründung vom 17. Mai 2017 ausdrücklich auf die Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke berufen, so dass diese Frage für die Widersprechende erkennbar im Streit stand.

32

3. Ausführungen zur Frage der Verwechslungsgefahr können als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

33

4. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war von keiner Beteiligten beantragt worden und erschien auch aus Sicht des Senats nicht erforderlich, § 69 Nr. 1 und 3 MarkenG.

34

5. Zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.