Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.09.2015


BPatG 17.09.2015 - 25 W (pat) 540/13

Markenbeschwerdeverfahren – "GATEKEEPER" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
17.09.2015
Aktenzeichen:
25 W (pat) 540/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 041 090.1

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 17. September 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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GATEKEEPER

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ist am 24. Juli 2012 als Wortmarke für

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Computersoftware (Kl. 9)

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zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des DPMA hat die unter der Nummer 30 2012 041 090.1 geführte Anmeldung durch Beschluss vom 22. Juli 2013 zurückgewiesen. Das angemeldete Bezeichnung unterliege als produktbeschreibende Angabe den Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Der englischsprachige Begriff „GATEKEEPER“ werde in seiner Bedeutung „Pförtner, Tür- oder Schleusenwächter“ oder im übertragenen Sinn einer Einrichtung mit selektierender Funktion im inländischen Sprachgebrauch genutzt, insbesondere auch im Bereich einer Informationstechnologie in Bezug auf ein zentrales Steuerelement in sog. H.323-Netzwerken. Das Publikum verstehe den Begriff daher in Bezug auf die beanspruchte Ware „Computersoftware“ als Hinweis auf eine Funktionalität, die den Zugang oder den Fluss von Informationen reguliert, steuert oder überwacht. Die Bezeichnung könne damit auf die Zweckbestimmung der beanspruchte Ware „Computersoftware“ hinweisen.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die angemeldete Bezeichnung sei entgegen der Auffassung der Markenstelle eintragungsfähig. Der Ausdruck „GATEKEPER“ enthalte aus Sicht der angesprochenen inländischen Verkehrskreise, die vorliegend ausschließlich Endverbraucher umfassten, keinen ohne weiteres deutlichen beschreibenden Aussagegehalt. Der Ausdruck „GATEKEEPER“ in der Bedeutung einer zugangsüberwachenden Person beziehe sich auf eine spezifische Tätigkeit und sei daher nicht dem englischen Grundwortschatz zuzurechnen. Die von der Markenstelle herangezogenen Verwendungsbeispiele aus sozial- oder wirtschaftswissenschaftlichem Kontext seien nicht Ausdruck einer allgemeinen Sprachverwendung. Die Bedeutung im Sinn eines zentralen Steuerelement in H.323-Netzwerken beziehe sich auf ein Gerät in einem Telefon-/IT Netzwerk und damit auf Hardware und nicht auf die beanspruchte Ware „Computersoftware“. Selbst soweit die Wortbedeutung „Pförtner“ erkannt werde, verfüge die Bezeichnung nicht über einen beschreibenden Bedeutungsgehalt, sondern beschränke sich auf eine lediglich sprechende Begriffsverwendung ohne eindeutig beschreibenden Sinngehalt.

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Der Anmelderin beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juli 2013 aufzuheben.

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Des Weiteren regt sie an, ggf. die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „GATEKEEPER“ als Marke stehen bezogen auf die beanspruchten Waren die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dürfen Zeichen nicht eingetragen werden, welche ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolgt die mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrichtlinie übereinstimmende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von allen frei verwendet werden können. Sie erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden. Entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der Eintragung ist allein die Eignung einer Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 Rn. 25, 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146 Rn. 31 f. - DOUBLEMINT). Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 Rn. 29 - Chiemsee). Ist die Eignung für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Produkte festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 Rn. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 16, Rn. 32 - DOUBLEMINT, GRUR 2004, 674 Rn. 98 - Postkantoor).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht die Bezeichnung „GATEKEEPER“ ausschließlich aus einer Angabe, die geeignet ist, Merkmale der beanspruchten Ware „Computersoftware“ zu beschreiben.

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Das angemeldete Wort ist auch für die angesprochenen Nutzer ohne weiteres erkennbar aus den Wörtern bzw. Wortbestandteilen „GATE“ und „KEEPER“ zusammengesetzt. Der Zeichenbestandteil „GATE“ bedeutet im Englischen „Tor, Gatter, Pforte, Sperre, Schleuse“. Im inländischen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff u. a. einen „Flugsteig“ im Terminal eines Flughafens. Im Bereich der EDV bzw. der Halbleiterbauelemente bezeichnet der Begriff „Gate“ u. a. den Steueranschluss bestimmter Halbleiterbauelemente (siehe zu den Bedeutungen von „Gate“ in diesem Zusammenhang Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis im Ladungszusatz vom 13. August 2015). Der ebenfalls englischsprachige Zeichenbestandteil „KEEPER“ steht für „Wächter, Wärter, Aufseher“. Im inländischen Sprachgebrauch wird der Begriff u. a. verwendet als synonymer Begriff für „Fußballtorwart“, wobei der Begriff im Inland auch in Wortverbindungen wie z. B. „Barkeeper“ genutzt wird. In der Kombination wird die angemeldete Bezeichnung von den hier angesprochenen Verkehrskreisen nahe liegend im Sinn von „Torwächter, Türwächter, Schrankenwärter, Pförtner“ oder auch „Türsteher“ verstanden, zumal auch die angesprochenen Nutzer in Bezug auf Software an international einheitliche englischsprachige Begriffe gewöhnt sind, erst recht soweit es sich im Bereich der allgemein gefassten und daher auch spezifische Produkte umfassenden  Warenangabe „Computersoftware“ um professionelle Anwender handelt.

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Die angemeldete Gesamtbezeichnung „Gatekeeper“ ist auf dem Gebiet EDV / IT zudem als Fachbegriff eingeführt. Ein „Gatekeeper“ ist ein Gerät, das wesentliche Gateway-Funktionalitäten zwischen IP-Netz und Telefonnetz in einer IP-Telefonie-Installation übernimmt (vgl. Anlage 2 zum Ladungszusatz). Es setzt die im H.323-Rahmenstandard definierten Schnittstellenfunktionen um und dient hauptsächlich der Emulation des PSTN-Verbindungsaufbaus über das IP-Netz und der Anpassung der Datenströme. Dazu übernimmt er die Signalisierung, die notwendige Übersetzung von Telefonnummern in IP-Adressen und umgekehrt sowie später die Paketierung des synchronen Datenstroms aus dem Telefonnetz in IP-Pakete nach dem H.225-Standard. Des Weiteren ist er für die Verwaltung einer Zone verantwortlich, welche Terminals, Gateways und Multipoint Control Units beinhaltet. „H.323“ ist ein internationaler Standard für die Sprach-, Daten- und Videokommunikation, der auch die Grundlage für die Kommunikation über öffentliche Telefonnetze und ISDN bildet.

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Soweit die Anmelderin meint, dass die Bedeutung von „Gatekeeper“ sich insofern ausschließlich auf ein Hardwareelement beziehe und ein beschreibender Zusammenhang in Bezug auf „Computersoftware“ nicht gegeben sei, kann dem nicht gefolgt werden. Selbst wenn ein derartiger „Gatekeeper“ in der Regel eine Hardwarekomponente darstellen mag, kann eine entsprechende Funktionalität auch in Softwareprodukten implementiert sein. Abgesehen davon, dass eine exakte Abgrenzung von „Hardware“ und „Software“ bzw. „Hardware- und Software-Funktionen“ inzwischen ohnehin kaum trennscharf vorgenommen werden kann, weil bestimmte Funktionen, die zunächst ausschließlich von Hardwarekomponenten wie z. B. Schaltern ausgeführt worden waren, entweder überhaupt oder auch von Softwarekomponenten übernommen werden, kann vorliegend sogar positiv festgestellt werden, dass ein derartiger „Gatekeeper“ jedenfalls auch als eine von der beanspruchten Ware „Computersoftware“ umfasste Softwarekomponente, die sich vorwiegend an professionelle Anwender richtet, angeboten wird (siehe dazu Anlagen 3 und 4 zum Ladungszusatz). Schon unter diesem Gesichtspunkt ist die Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausgeschlossen.

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Die Bezeichnung „Gatekeeper“ ist im Übrigen auch in der Wortverbindung „Internet Gatekeeper“ nachweisbar (siehe dazu Anlage 5 zum Ladungszusatz sowie Anlage „F-Secure Gatekeeper for Linux“ zum angegriffenen Beschluss). Damit wird darauf hingewiesen, dass der „Internet-Gatekeeper“ eine sichere „Internet-Verbindung“ herstellt bzw. ermöglicht. In einem ähnlichen Zusammenhang wird auch der synonyme deutsche Begriff „Torwächter“ verwendet, dem im Kontext mit einer „Internetleitung“ eine auf einer Zugangskontrolle beruhende Ordnungsfunktion zugeordnet wird (siehe Anlage 6 zum Ladungszusatz). Ausgehend davon kann auch der Begriff „Gatekeeper“ als Hinweis auf eine „Firewall-Software“ mit erweiterten Funktionen verwendet und verstanden werden. Schon von der Begrifflichkeit der angemeldeten Bezeichnung ist ein solches Verständnis zumal unter Berücksichtigung der verbreiteten Übung, die Zweckbestimmung von Software zur Veranschaulichung in personifizierter Form auszudrücken (etwa Pilot, Navigator, Translator, Spy, ähnlich Crawler), naheliegend und zur Beschreibung entsprechender „Firewall- bzw. Schnittstellen-Software“ geeignet. Die Verwendung der personifizierten Wortform verleiht dabei der angemeldeten Bezeichnung nicht den Charakter einer lediglich sprechenden Marke, deren beschreibender Gehalt erst auf der Grundlage näherer Überlegungen hervortritt. Vielmehr handelt es sich dabei um eine zur sinnfälligen Erläuterung der Funktion der Ware sogar besonders zweckmäßige und daher auch gängige sprachliche Variation, deren freie Verwendung im Allgemeininteresse liegt. Eine in diesem Zusammenhang grundsätzlich ohnehin unerhebliche begriffliche Mehrdeutigkeit (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rn. 378) ist hier von vornherein nicht gegeben, da die beiden aufgezeigten Wortbedeutungen sich auf unterschiedliche Softwareprogramme beziehen.

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Im Hinblick auf die Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Waren wird die angemeldete Marke auch nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst, so dass ihr auch die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

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Soweit die Anmelderin sich auf identische bzw. vergleichbare Voreintragungen beruft, ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH, GRUR 2008, 229 Rn. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42-44 - Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 - Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 - VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Das Gericht und auch das Patentamt haben in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine inhaltlich-argumentative Auseinandersetzung mit bloßen Eintragungsentscheidungen nicht möglich ist, weil diese regelmäßig nicht begründet werden.

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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Es war weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Der Senat hat die Frage des Vorliegens der Schutzhindernisse auf der Grundlage der nach der Rechtsprechung des EuGH und BGH maßgeblichen Kriterien beurteilt.