Entscheidungsdatum: 11.10.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2014 013 265
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
I. Der Kostenantrag des Markeninhabers wird zurückgewiesen.
II. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. März 2016 ist in der Hauptsache wirkungslos, nämlich soweit darin die Löschung der Marke 30 2014 013 265 wegen des Widerspruchs aus der geltend gemachten geschäftlichen Bezeichnung (= Werktitel) VA Virtual Architecture angeordnet worden ist.
I.
Das am 30. Januar 2014 angemeldete Wort-/Bildzeichen
ist am 5. März 2014 unter der Nr. 30 2014 013 265 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für verschiedene Waren und Dienstleitungen der Klassen 9, 42 und 45 eingetragen worden, u. a. für „Software und Computerprogrammierung und Softwareentwicklung“.
Gegen die Eintragung dieser am 4. April 2014 veröffentlichten Marke richtet sich der Widerspruch des Widersprechenden, der für sich ein identisches Wort-/Bildzeichen als Werktitel u. a. für „CAD Software“ mit einem Zeitrang von Dezember 2006 beansprucht.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 31. März 2016 die Löschung der angegriffenen Marke wegen dieses Widerspruchs aus dem vorgenannten Werktitel angeordnet. Der Widerspruch aus dem älteren Kennzeichenrecht sei zulässig und auch begründet. Ein rangälteres Recht in Form eines Werktitels sei wirksam entstanden und bestehe fort. Computerprogramme seien dem Werktitelschutz zugänglich. Sie würden mit Aufnahme der Benutzung im nach außen gerichteten Verkehr für ein bestimmtes Werk geschützt, sofern sie von Haus aus unterscheidungskräftig seien. Die Anforderungen dafür seien deutlich vermindert, weil im Bereich des Titelschutzes lediglich die Eignung vorliegen müsse, das Werk als solches zu individualisieren. Vorliegend sei sogar die markenrechtliche Unterscheidungskraft gegeben, so dass erst Recht titelrechtliche Unterscheidungskraft gegeben sei. Die Benutzungsaufnahme sei ab dem Jahr 2009 belegt. Mangels Anhaltspunkten für eine örtlich begrenzte Tätigkeit bestehe auch ein bundesweiter Schutz. Der Verkauf von Planungssoftware sei nicht örtlich beschränkt und könne überall erfolgen, so dass das nachgewiesene Angebot im Internet ausreiche.
Hiergegen wendet sich der Markeninhaber mit seiner Beschwerde. Er bestreitet, dass ein älteres Recht in Form eines Werktitels entstanden sei und fortbestehe. Soweit in den vom Widersprechenden eingereichten Unterlagen vereinzelt ein entsprechendes Logo auftauche, werde es gerade nicht als Werktitel verwendet. Die Software trage den Werktitel „VA Haus-Designer“ und „VA Haus-Designer Professional“, sei aber nicht mit dem Werktitel „VA Virtual Architecture“ versehen worden. Selbst wenn ein Schutzrecht an der Bezeichnung Virtual Architecture entstanden sei, sei dieses nicht dem Widersprechenden zuzuordnen.
Der Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich nichts vorgetragen.
In einem Zusatz zur Ladung vom 22. August 2018 zur mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2018 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Beschwerde Aussicht auf Erfolg habe und der Widerspruch entgegen der Auffassung der Markenstelle zurückzuweisen sei. Nach den vorgelegten Unterlagen sei Titelschutz i. S. d. § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht entstanden, da diese allenfalls eine markenmäßige Benutzung der grafisch ausgestalteten Wortfolge „Virtual Architecture“ belegen würden. Denn titelmäßig würden nach den Unterlagen nur Bezeichnungen wie „VA Haus-Designer Professional 3.1.“ oder „Haus-Design Professional 2.0“ verwendet. Selbst wenn man in der Art der Verwendung der grafisch ausgestalteten Wortfolge „Virtual Architecture“ durch den Widersprechenden nicht nur eine markenmäßige, sondern auch eine „titelmäßige“ Verwendung bejahen würde, fehle ausreichender Sachvortrag dazu, der es rechtfertigen könnte, einen entsprechenden Titelschutz auf das gesamte Bundesgebiet zu erstrecken. Allein der Internetauftritt eines Unternehmens mit seiner geschäftlichen Bezeichnung führe noch nicht zu einer kollisionsbegründenden Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf die gesamte Bundesrepublik, die ein Verbietungsrecht in Bezug auf eine Marke ermögliche. Hierzu wäre eine entsprechende Ausweitung der Geschäftstätigkeit (commercial effect) auf den Bereich der gesamten Bundesrepublik oder jedenfalls wesentlicher Teile davon erforderlich.
In der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2018 hat der ohne seinen Verfahrensbevollmächtigten erschienene Widersprechende nach Erörterung der Sach- und Rechtslage seinen Widerspruch zurückgenommen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
dem Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 vom 31. März 2016, auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2018 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Nachdem der Widersprechende in der mündlichen Verhandlung seinen Widerspruch zurückgenommen hat und damit das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist, ist nur noch über den Kostenantrag des Inhabers der angegriffenen Marke zu entscheiden.
Dieser Antrag war zurückzuweisen, weil hinreichende Gründe für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht gegeben sind.
Das markenrechtliche Beschwerdeverfahren ist gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG kostenrechtlich von dem Grundsatz geprägt, dass jeder Beteiligte die ihm entstehenden Kosten selbst zu tragen hat. Eine Kostenauferlegung kommt auch in den Fällen einer verfahrensbeendenden Rücknahmeerklärung wie der Widerspruchsrücknahme – anders als bei einer Klagerücknahme im ZPO-Streitverfahren, bei welcher der Kläger nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zwingend die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat – nach ständiger Rechtsprechung zu § 71 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 MarkenG nur dann in Betracht, wenn ein Verfahrensbeteiligter vor der Rücknahmeerklärung in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt bzw. am Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch entsprechende Kosten ausgelöst hat (so st. Rspr., vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 71 Rn. 4 und 12 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 71 Rn. 22; Büscher in Gewerblicher Rechtsschutz/Urheberrecht/Medienrecht, 3. Aufl., § 71 MarkenG, Rn. 5 i. V. m. Rn. 2 jeweils mit weiteren Nachweisen). Solche Umstände sind nicht gegeben.
Vorliegend spricht gegen eine Kostenauferlegung zu Lasten des Widersprechenden schon der Umstand, dass der Widersprechende im Verfahren vor der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts mit seinem Widerspruch Erfolg hatte und demzufolge nicht er das Beschwerdeverfahren kostenauslösend mit einer Beschwerde eingeleitet hat, sondern der Inhaber der angegriffenen Marke.
Zwar hat der Widersprechende mit seinem nach der Beurteilung des Senats letztlich wenig erfolgversprechend auf einen Werktitel nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 MarkenG gestützten Widerspruch das Verfahren insgesamt in Gang gesetzt. Aber auch dieses Vorgehen kann noch nicht als nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslos angesehen werden. Im diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass aufgrund einer entsprechenden Neuregelung nach dem Patentrechtsmodernisierungsgesetz vom 31. Juli 2009 ein markenrechtlicher Widerspruch nach § 42 MarkenG überhaupt erst seit dem 1. Oktober 2009 auf einen Werktitel gestützt werden kann, § 158 Abs. 2 MarkenG. Seit diesem Zeitpunkt sind – soweit ersichtlich – noch keine zehn Entscheidungen des Bundespatentgerichts zu solchen Widersprüchen ergangen. Der Bundesgerichtshof war mit Widersprüchen aus Werktiteln überhaupt noch nicht befasst. Demzufolge kann dem Widersprechenden nicht vorgeworfen werden, dass er seinen Widerspruch entgegen (allgemein) anerkannter, insbesondere durch die Rechtsprechung konkretisierter Beurteilungsgrundsätze erhoben hat. Zum Verhältnis von Mehrfachkennzeichnungen von Werken i. S. d. § 5 Abs. 3 MarkenG (wie Druckschriften, Tonwerken, Bühnenwerken und sonstigen vergleichbaren Werken [darunter fallen auch Computerprogramme]), die neben einem Werktitel auch ein Unternehmenskennzeichen und eine Marke als Kennzeichen aufweisen, gibt es noch keine Entscheidungen. Auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Werktitel mit einem Werk, das über das Internet angeboten wird, bundesweiter Schutz und damit ein Verbietungsrecht in Bezug auf eine Marke zukommt (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 15 Rn. 11 f.), hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, was eine differenzierte Wertung erforderlich machen kann. Die teilweise vorhandene Unsicherheit bei der Beurteilung von Sachverhalten mit einem Werktitel als Widerspruchsmarke belegt anschaulich auch die hier mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung der Markenstelle für Klasse 42 vom 31. März 2016.
Schließlich liegen auch keine ausreichenden Umstände vor, die es rechtfertigen, dem Widersprechenden die Kosten der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2018 aufzuerlegen. Zwar hat der Senat im Zusatz zur Ladung vom 22. August 2018 zur mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2018 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Beschwerde Aussicht auf Erfolg habe und der Widerspruch entgegen der Auffassung der Markenstelle zurückzuweisen sei. Angesichts der Tatsache, dass der Widersprechende im Verfahren vor der Markenstelle mit seinem Widerspruch Erfolg hatte, kann es nicht als verfahrenswidrig und damit kostenauslösend nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG angesehen werden, wenn ein Widersprechender trotz der Hinweise des Senats im Ladungszusatz daran festhält, seine Interessen in einer mündlichen Verhandlung wahrzunehmen, zumal er selbst keinen Terminsantrag gestellt hat. In der mündlichen Verhandlung hat der Widersprechende sich im Übrigen von den Argumenten des Senats letztlich überzeugen lassen und seinen Widerspruch zurückgenommen.
Ergänzend zu der bereits in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2018 verkündeten Zurückweisung des Kostenantrags, hat der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit von Amts wegen im Tenor auch noch die Feststellung aufgenommen, dass der Beschluss der Markenstelle vom 31. März 2016 in Bezug auf die dort angeordnete Löschung der angegriffenen Marke wirkungslos ist, analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO (siehe dazu Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 42 Rn. 50; § 66 Rn. 85 und 94; § 82 Rn. 33, jeweils mit Nachweisen).