Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.03.2012


BPatG 27.03.2012 - 24 W (pat) 68/11

Markenbeschwerdeverfahren – "fritel" (Wort-Bildmarke) – unwirksame Zustellung durch Aufgabe zur Post - Notwendigkeit eines Inlandsvertreters


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
27.03.2012
Aktenzeichen:
24 W (pat) 68/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 Abs 6 MAbk Madrid

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 576 434 - SB 73/11 Lösch

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 27. März 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am OLG Heimen

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. August 2011 aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 30. August 2011 hat die Markenabteilung 3.4 der international registrierten Marke IR 576 434

Abbildung

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der für die Waren der Klasse 11

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„Appareils de cuisson, plus particulièrement friteuses électriques“

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Schutz für die Bundesrepublik Deutschland gewährt worden ist, diesen Schutz entzogen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Markeninhaberin und Antragsgegnerin habe dem mit Amtsbescheid vom 9. März 2011 durch Aufgabe zur Post gem. § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG am 11. März 2011 abgesandten Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls gem. § 49 Abs. 1 MarkenG, zugestellt zwei Wochen nach Aufgabe zur Post gem. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nicht widersprochen.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie hat der Löschung ihrer Marke mit Schriftsatz vom 29. November 2011 widersprochen und vertritt die Auffassung, der angegriffene Beschluss sei bereits deshalb aufzuheben, weil ihr die Mitteilung über den Antrag auf Schutzentziehung nicht wirksam zugestellt worden und aus diesem Grunde die Widerspruchsfrist nicht wirksam in Gang gesetzt worden sei. Die Kanzlei D…, in welcher der Löschungsantrag zugestellt worden sei, sei zwar ursprünglich als Bevollmächtigte der Antragsgegnerin vor dem Internationalen Büro eingetragen gewesen. Deren Vollmacht, die sich stets nur darauf erstreckt habe, als Vertreter vor dem Internationalen Büro und gerade nicht als Vertreter vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu handeln, sei jedoch bereits erloschen gewesen, als der Löschungsantrag dort eingegangen sei. Verfahrensbevollmächtigte für Verfahren vor dem Internationalen Büro sei bereits damals die Kanzlei B……SA gewesen, an welche auch der angegriffene Beschluss zugestellt wor-den sei.

6

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

7

den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. August 2011 aufzuheben,

8

hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

11

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

12

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. August 2011 ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen einer Schutzentziehung wegen Verfalls gem. §§ 115, 107, 49, 53 Abs. 3 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 6 MMA entgegen den Feststellungen der Markenabteilung am 30. August 2011 nicht vorgelegen haben.

13

Die zweimonatige Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gegen den Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls gem. § 53 Abs. 3 MarkenG ist zuvor nicht in Lauf gesetzt worden. Denn die gem. §§ 115, 107, 49, 53 Abs. 3 MarkenG zustellungsbedürftige Unterrichtung über die Einleitung eines Löschungsverfahrens ist der Antragsgegnerin vor dem 30. August 2011 weder wirksam zugestellt worden, noch ist die Antragsgegnerin erweislich rechtzeitig zuvor auf andere Weise durch das Patentamt über den Löschungsantrag i. S. d. § 53 Abs. 2 MarkenG unterrichtet worden.

14

Nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG gelten für Zustellungen im Verfahren vor dem Patentamt die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes mit folgenden Maßgaben: Zustellungen im Ausland können durch Aufgabe zur Post nach § 184 Abs. 2 Satz 1, 4 ZPO bewirkt werden. Voraussetzung dafür ist auch nach Änderung des § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG zum 1. Oktober 2009, dass der Empfänger „entgegen dem Erfordernis des § 96 MarkenG“ keinen Inlandsvertreter bestellt hat.

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Nach dieser Vorschrift kann "an Empfänger, die sich im Ausland aufhalten und die entgegen dem Erfordernis des § 96 keinen Inlandsvertreter bestellt haben, (…) mit eingeschriebenem Brief durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. (...) § 184 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend."

16

Bei ausländischen Markeninhabern ohne Inlandsvertreter darf die Zustellung der Unterrichtung über die Einleitung eines Löschungsverfahrens wegen absoluter Schutzhindernisse jedoch nicht durch Aufgabe zur Post gem. § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG erfolgen, sofern die Schutzerteilung, wie hier, ursprünglich unbeanstandet geblieben ist, weil für die Antragsgegnerin in diesem Fall bis zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters bestanden hat (BPatG Mitt. 2005, 131 Rn. 27 – MONTANA, vgl. Fezer, MarkenR, 4. Aufl., Rn. 6 zu § 94, vgl. hier zu auch Fezer/Fink, Handbuch der Markenpraxis, Bd. I, Markenverfahrensrecht, 2007, Nationales Markenverfahren DPMA Rn. 502); BPatG; 26 W (pat) 58/10, Entsch. v. 11. Mai 2011 - CHRISTALINO JAUME SERRA). Die bloße Innehabung einer Markeneintragung fällt nicht unter § 96 Abs. 1 MarkenG (vgl. BGH GRUR 2009, 701, Rn. 15 – Niederlegung des Inlandsvertreters; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn. 8 zu § 96; Kobler-Dehm, Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., Rn. 9 zu § 96).

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Schließlich bestehen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei der Kanzlei D…, in welcher der Löschungsantrag nach Angaben der Antragsgegnerin zugestellt worden ist, um einen ausländischen Anwalt i. S. d. §§ 96 Abs. 2, 94 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 MarkenG gehandelt haben könnte, der berechtigt ist, seine berufliche Tätigkeit unter einer in der Anl. 1 zu § 1 EuRAG oder zu § 1 des Gesetzes über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Patentanwaltschaft genannten Berufsbezeichnungen auszuüben (vgl. Kober-Dehm, Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., Rz. 16 zu § 96; Rz. 27 zu § 94).

18

Eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 8 VwZG scheidet aus, da der tatsächliche Zugang des Antrags vom 9. Februar 2011 nicht nachgewiesen ist.

19

Mangels wirksamer Zustellung konnte die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls damit nicht in Lauf gesetzt werden, so dass die Voraussetzungen der Schutzentziehung entgegen den Feststellungen der Markenabteilung im angefochtenen Beschluss am 30. August 2011 nicht vorgelegen haben.

20

Da die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung sowie mit separatem Schriftsatz vom 29. November 2011 dem ihr inzwischen bekannten Antrag auf Schutzentziehung widersprochen hat und diese der Antragstellerin am 13. Dezember 2010 zugestellt worden ist, ist die Antragstellerin nunmehr auf den Klageweg gem. § 55 MarkenG zu verweisen, § 55 Abs. 4 MarkenG.

21

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, die Beschwerde hat Erfolg.

22

Aus Billigkeitsgründen war der Antragsgegnerin schließlich gem. § 71 Abs. 3 MarkenG von Amts wegen die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten. Die Einlegung dieser Beschwerde wäre nicht erforderlich geworden, wenn die Markenabteilung nicht, wie geschehen, eine wirksame Zustellung versäumt und damit ohne Gewährung rechtlichen Gehörs eine aus diesem Grunde mit der Beschwerde angreifbare Entscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin getroffen hätte (vgl. BPatG 28 W (pat) 227/03, Entsch. v. 7. Juli 2004 - MONTANA; BPatG; 26 W (pat) 58/10, Entsch. v. 11. Mai 2011 - CHRISTALINO JAUME SERRA).