Entscheidungsdatum: 08.11.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 035 556.3
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich, des Richters Schmid und der Richterin Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
I. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. August 2014 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Erinnerung gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. November 2013 als nicht eingelegt gilt.
I.
Die Wortkombination
Gartenglück
ist am 7. Juni 2013 für diverse Waren der Klassen 1 und 19 sowie für Dienstleistungen der Klasse 37 zur Eintragung als Wortmarke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 19 des DPMA, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat die Anmeldung mit Beschluss vom 4. November 2013 wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtliche von der Anmeldung umfassten Waren und Dienstleistungen es ermöglichen oder dafür Voraussetzung sein könnten, am oder im Garten besondere Freude oder Glückseligkeit oder ein Hochgefühl zu empfinden, oder aber dass die Waren und Dienstleistungen aufgrund ihrer Form, Funktion, Eigenschaften oder Art der Erbringung für den Garten ein Glück oder eine günstige Fügung des Schicksals sein könnten.
Der Zurückweisungsbeschluss war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Diese enthält u. a. den Hinweis, dass der Rechtsbehelf der Erinnerung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim DPMA einzureichen sei, und dass innerhalb der Erinnerungsfrist auch die Gebühr für das Erinnerungsverfahren zu entrichten sei. Werde die Gebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gelte die Erinnerung als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 Patentkostengesetz).
Der Beschluss des DPMA vom 4. November 2013 wurde gemäß der sich bei den patentamtlichen Akten befindlichen Postzustellungsurkunde (Bl. 15 Amtsakte) durch Übergabe an den Verfahrensbevollmächtigten der Anmelderin am 6. November 2013 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013, eingegangen beim DPMA am selben Tage, hat die Anmelderin Erinnerung gegen den Beschluss vom 4. November 2013 eingelegt. Ebenfalls am 9. Dezember 2013 wurden zum Zwecke der Zahlung der Erinnerungsgebühr Angaben zum Verwendungszweck des Basis-Lastschriftmandats der Kanzlei übermittelt. Mit der Erinnerung hat die Anmelderin ein geändertes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingereicht.
Die Markenstelle für Klasse 19, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, hat die Erinnerung der Anmelderin mit Beschluss vom 29. August 2014 zurückgewiesen. In diesem Beschluss hat sie sich mit der Zulässigkeit der Erinnerung nicht auseinandergesetzt, sondern die Unterscheidungskraft des angemeldeten Wortzeichens auch nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses verneint.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die Bezeichnung „Gartenglück“ weise keinen sachbezogenen Begriffsinhalt auf, vielmehr handele es sich um eine originelle Bezeichnung der beanspruchten Baumaterialien und damit verbundenen Dienstleistungen.
Die Anmelderin hat der Beschwerde erneut geänderte Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse beigefügt, die sie zum Gegenstand ihres Hauptantrags sowie der als solche bezeichneten Hilfsanträge („1. Hilfsantrag“ und „2. Hilfsantrag“) gemacht hat. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sie noch einmal geänderte Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse eingereicht.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 des DPMA vom 4. November 2013 und vom 29. August 2014 aufzuheben.
Der Senat hat Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und im Ladungszusatz vom 17. August 2016 auf erhebliche Bedenken in Bezug auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde – u. a. in Bezug auf die Einhaltung der Fristen für die Einreichung der Erinnerung sowie die Zahlung der Erinnerungsgebühr – hingewiesen.
Die Anmelderin hat ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sodann zurückgenommen und um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, den Hinweis des Senats vom 17. August 2016, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Auf die zulässige Beschwerde der Anmelderin hin (s. unten Ziff. 1.) war der Erinnerungsbeschluss vom 29. August 2014 aufzuheben, da mangels rechtzeitiger Zahlung der Erinnerungsgebühr die Erinnerung gegen den Erstbeschluss vom 4. November 2013 gem. §§ 64 a, 64 Abs. 2 MarkenG i. V. m. 6 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 PatKostG als nicht eingelegt gilt und im Hinblick auf die Bestandskraft des Erstbeschlusses eine Entscheidung im Erinnerungsverfahren nicht mehr hätte ergehen dürfen (s. unten Ziff. 2. a)). Vor diesem Hintergrund war des Weiteren im Wege des Beschlusses festzustellen, dass die Erinnerung als nicht eingelegt gilt (s. unten Ziff. 2.b)).
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 MarkenG statthaft. Die Frage, ob eine wirksame Erinnerung eingelegt wurde und ein Erinnerungsbeschluss hätte erlassen werden dürfen, ist ohne Einfluss auf die Zulässigkeit der Beschwerde. Da der Erinnerungsbeschluss ergangen ist, konnte dieser auch gem. § 66 Abs. 1 MarkenG mit der Beschwerde angegriffen werden.
2. Auf die Beschwerde der Anmelderin hin war der Erinnerungsbeschluss vom 29. August 2014 aufzuheben. Dieser hätte im Hinblick auf die Bestandskraft des Erstbeschlusses vom 4. November 2013 nicht mehr ergehen dürfen (s. unten a)). Zudem war festzustellen, dass die Erinnerung der Anmelderin als nicht eingelegt gilt (s. unten b)).
a) Die Einzahlung der Erinnerungsgebühr und die Einlegung der Erinnerung erfolgten nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Monatsfrist des § 64 Abs. 2 MarkenG.
Der Erstbeschluss des DPMA vom 4. November 2013 wurde dem Vertreter der Anmelderin am 6. November 2013 ordnungsgemäß zugestellt. Dies ergibt sich aus der sich bei den Amtsakten befindlichen Postzustellungsurkunde vom selben Tage.
Da dem Beschluss vom 4. November 2013 eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, lief die Monatsfrist zur Einlegung der Erinnerung gem. § 64 Abs. 2 MarkenG am Freitag, den 6. Dezember 2013 ab. Die mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013 erhobene und selben Tage beim DPMA eingegangene Erinnerung ist damit verfristet.
Gem. § 64 a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG war innerhalb der Monatsfrist des § 64 Abs. 2 MarkenG auch die Erinnerungsgebühr i. H. v. 150.- Euro gem. Nr. 333 000 des Gebührenverzeichnisses zu § 2 Abs. 1 PatKostG zu zahlen. Die Zahlung der Erinnerungsgebühr erfolgte ebenfalls erst am 9. Dezember 2013 mittels Einreichung des Formulars A 9532 mit Angaben zum Verwendungszweck des Basis-Lastschriftmandats der Vertreter der Anmelderin.
Da die Zahlung der Erinnerungsgebühr somit ebenfalls nicht rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist nach § 64 Abs. 2 MarkenG erfolgt ist, hätte das DPMA die Feststellung treffen müssen, dass die Erinnerung gem. § 64 a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt.
Dem Erinnerungsprüfer war es demgegenüber verwehrt, trotz der verfristeten Erinnerung sowie der nicht fristgerecht entrichteten Beschwerdegebühr in der Sache zu entscheiden. Er konnte insbesondere nicht (konkludent) die Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr sowie zur Einlegung der Erinnerung verlängern oder der Anmelderin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren.
Bei der Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr handelt es sich – ebenso wie bei der Erinnerungsfrist (zur Erinnerungsfrist vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 64 Rn. 5) – um eine nicht verlängerbare Notfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt zwar grundsätzlich in Betracht, eine solche kann jedoch nicht stillschweigend durch bloße Weiterführung des Verfahrens gewährt werden (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 91 Rn. 33). Zudem ist ein Wiedereinsetzungsgrund weder ersichtlich, noch wurde ein solcher von der Anmelderin geltend gemacht.
Daher gilt die Erinnerung der Anmelderin gem. § 6 Abs. 2 PatKostG unmittelbar kraft Gesetzes als nicht eingelegt, so dass der Erinnerungsbeschluss nicht hätte ergehen dürfen und dementsprechend aufzuheben war.
b) Aus diesen Gründen hat der Senat darüber hinaus in Ziff. II. des Tenors die Feststellung getroffen, dass die Erinnerung als nicht eingelegt gilt. Von der Zurückverweisung des Verfahrens gem. § 70 Abs. 3 MarkenG hat er abgesehen.
Dabei kann offen bleiben, ob das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel i. S. v. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG leidet. Die Feststellung, dass die Erinnerung gem. § 6 Abs. 2 PatKostG i. V. m. § 64 a MarkenG als nicht eingelegt gilt, trifft der Senat aus Gründen der Prozessökonomie selbst.
Dem steht nicht entgegen, dass die Anmelderin durch das Absehen von einer Zurückverweisung der Sache gem. § 70 Abs. 3 MarkenG „eine Instanz verliert“. Zwar hätte sich die Anmelderin gegen einen Beschluss des DPMA, der die Feststellung der Nichteinlegungsfiktion trifft, mit einer Beschwerde gem. § 66 Abs. 1 MarkenG an des Bundespatentgericht wenden können, wohingegen die Entscheidung des Senats, dass die Erinnerung gegen den Beschluss vom 4. November 2013 als nicht eingelegt gilt, nur unter engen Voraussetzungen, die sich aus der Rechtsmittelbelehrung am Ende des Beschlusses ergeben, angreifbar sein kann. Bei der Feststellung durch den Senat handelt es sich jedoch um eine rein deklaratorische Feststellung zu der bereits aufgrund Gesetzes eingetretenen Fiktion der Nichteinlegung der Erinnerung (vgl. BGH GRUR 2010, 231, Rn. 16 – Legostein zu einer entsprechenden Feststellung des Rechtspflegers nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG). Der Anmelderin geht somit keine Instanz für eine materiellrechtliche Entscheidung in der Sache verloren. Ihr wurde zudem mit Hinweis des Senats vom 17. August 2016 rechtliches Gehör zur Problematik der nicht fristgerecht eingelegten Erinnerung sowie der nicht rechtzeitig einbezahlten Erinnerungsgebühr gewährt. Die Anmelderin hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Senat konnte die Entscheidung auch selber treffen. Gem. § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG ist dem Rechtspfleger im Verfahren vor dem Patentgericht lediglich der Ausspruch übertragen, dass eine Klage, ein Antrag auf einstweilige Verfügung, ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Einspruchsverfahren sowie eine Beschwerde als nicht erhoben gilt (§ 6 Absatz 2 des Patentkostengesetzes) oder eine Klage nach § 81 Absatz 6 Satz 3 des Patentgesetzes als zurückgenommen gilt. Unabhängig davon, dass gem. § 8 RPflG die Wirksamkeit eines Geschäfts unberührt bleibt, das ein Richter anstelle des Rechtspflegers vorgenommen hat, greift § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG bereits seinem Wortlaut nach nicht ein, da es nicht um die Einlegung einer Klage, eines Antrags auf einstweilige Verfügung, eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Einspruchsverfahren oder um eine Beschwerde geht, sondern um die Feststellung, ob eine Erinnerung als nicht erhoben gilt. Vielmehr geht es um die Überprüfung von Entscheidungen der Markenstelle im Rahmen einer zulässigen Beschwerde, bei der die Beschwerdegebühr – anders als die Erinnerungsgebühr – rechtzeitig einbezahlt worden ist.
3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat und der Senat eine mündliche Verhandlung auch nicht für geboten erachtet hat, § 69 Nr. 1, Nr. 3 MarkenG.