Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.12.2012


BPatG 18.12.2012 - 24 W (pat) 524/12

Markenbeschwerdeverfahren – "KIT" – keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr - Gesetzesunkenntnis oder Rechtsirrtum stellen prinzipiell keine Wiedereinsetzungsgründe dar – kein Zugang des Benachrichtigungsschreiben des Patentamts über den drohenden Rechtsverlust aufgrund der versehentlich unterlassen Mitteilung der Adressenänderung – zur Fristwahrung bedarf es einer Fristenkontrolle durch den Markeninhaber selbst oder einen anderen Dritten


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
18.12.2012
Aktenzeichen:
24 W (pat) 524/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 300 40 626.6

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer hat am 27. Mai 2000 eine Wortmarke angemeldet, die am 29. September 2000 unter Nr. 300 40 626.6 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen wurde. Am 27. Januar 2011 hat das Patentamt die Löschung der Marke aus dem Register mangels fristgerechter Zahlung der Verlängerungsgebühr gemäß § 47 MarkenG angeordnet.

2

Am 26. Mai 2011 zahlte der Beschwerdeführer die ausstehenden Gebühren. Gleichzeitig stellte er mit Schriftsatz vom 26. Mai 2011 den Antrag, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, er habe die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr ohne Verschulden versäumt. Seine stets zuverlässige Mitarbeiterin, Frau M…, die seit April 2008 mit der Verwaltung der Markenrechte betraut gewesen sei, habe es aufgrund eines Versehens unterlassen, die Änderung der Anschrift des Beschwerdeführers, unter der er als Inhaber der Marke Nr. 300 40 626.6 jederzeit erreichbar gewesen wäre, dem Patentamt mitzuteilen. Das übliche Benachrichtigungsschreiben des Patentamtes an Markeninhaber betreffend den Ablauf der Schutzdauer einer Marke habe ihn deshalb nicht erreicht und sei vermutlich an das Patentamt zurückgegangen. Bei ordnungsgemäßer Mitteilung der Adressänderung hätte ihn das Schreiben des Patentamtes an die Frist erinnert und er hätte noch rechtzeitig reagieren können. Aufgrund eigener beruflicher Anspannung habe der u. a. als Psychologe und Psychotherapeut tätige Beschwerdeführer selbst die anstehende Verlängerung der Marke aus den Augen verloren. Ihm sei auch nicht bewusst gewesen, dass bei Nichtzahlung der Verlängerungsgebühr der Verlust der Markenrechte eintrete, dies habe er erst aufgrund rechtlicher Beratung durch seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten Anfang April 2011 erfahren.

3

Auf den Hinweis des Patentamtes vom 7. September 2011, dass es auf der Grundlage des bisherigen Vortrages nicht von einer unverschuldeten Fristversäumnis ausgehe, hat der Beschwerdeführer mit weiteren Schriftsatz vom 13. Februar 2012 seine Auffassung wiederholt, dass die Zusendung der Benachrichtigung des Patentamtes ohne sein Verschulden fehlgeschlagen sei. Ferner hat er ausgeführt, dass er die Unterlagen über die Markenanmeldung in einem eigens gekennzeichneten Ordner in seinem Büro aufbewahrt habe, der Ordner sei zur Erinnerung an die Verlängerungsfrist mit den Jahreszahlen versehen gewesen. Allerdings seien die Unterlagen bei einem von mehreren Umzügen des Beschwerdeführers in den Jahren 2002 bis 2008 unverschuldet untergegangen.

4

Mit Beschluss vom 2. Mai 2012 hat die Markenabteilung 3.1 – besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes - den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, dass die vorgetragenen Gründe für die verspätete Zahlung nicht geeignet seien, von einer unverschuldeten Säumnis des Beschwerdeführers auszugehen. Insbesondere der Vortrag, dass die Änderungsmitteilung zur Anschrift unverschuldet unterblieben sei, räume ein Verschulden des Markeninhabers nicht aus. Die Benachrichtigungen des Patentamtes über den Ablauf der Schutzdauer seien rein informativ, die Markeninhaber könnten sich nicht darauf verlassen, diese rechtzeitig oder überhaupt zu erhalten.

5

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 6. Juni 2012.

6

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung seinen Vortrag vor dem Patentamt wiederholt und vertieft. Der Beschwerdeführer vertritt dazu die Auffassung, an seine Sorgfalt als Privatperson seien geringere Anforderungen zu stellen als an Rechtsanwälte oder Rechtsabteilungen größerer Unternehmen, der private Markenanmelder müsse sich auch nicht anwaltlich vertreten lassen.

7

Er hat beantragt,

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den Beschluss der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 2. Mai 2012 aufzuheben

9

und den Antragsteller und Beschwerdeführer in die Frist für die Zahlung der Verlängerungs- und Klassengebühr für die Marke Nr. 300 40 626.6 „KIT“ sowie für die Zahlung der Verspätungszuschläge wiedereinzusetzen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

11

Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

12

Zu Recht und mit im Ergebnis zutreffender Begründung hat die Markenabteilung 3.1 den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen, da die Gründe für eine Wiedereinsetzung gemäß § 91 MarkenG nicht vorliegen.

13

Ausgehend von der Anmeldung der Marke am 27. Mai 2000 endete die zehnjährige Schutzdauer am 31. Mai 2010, § 47 Abs. 1 MarkenG. Demnach war die am 31. Mai 2010 fällige Verlängerungsgebühr gemäß § 47 MarkenG i. V. m. §§ 3 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG spätestens bis zum 31. Juli 2010 zu zahlen. Eine wirksame Zahlung mit Verspätungszuschlag wäre gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG noch bis zum 30. November 2010 möglich gewesen. Diese Zahlungsfristen hat der Antragsteller schuldhaft versäumt. Denn nach dem durch eidesstattliche Versicherungen - jeweils vom 26. Mai 2011 - des Beschwerdeführers und seiner Mitarbeiterin Frau M… glaubhaft gemachten Vortrag liegt keine un- verschuldete Fristversäumung vor.

14

Soweit sich der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag darauf beruft, ihm sei die Rechtsfolge der Nichtzahlung nicht bewusst gewesen, vermag dies seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Grundsätzlich ist jeder Markeninhaber verpflichtet, sich die Kenntnisse über die Rechtsinhalte zu verschaffen oder sich entsprechender fachkundiger Beratung zu bedienen. Demnach stellen Gesetzesunkenntnis oder Rechtsirrtum prinzipiell keine Wiedereinsetzungsgründe dar, zumal es insbesondere in speziellen Rechtsgebieten - wie dem Markenrecht - zur verkehrsüblichen Sorgfalt gehört, sich entsprechend sachkundig zu machen oder beraten zu lassen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 91 Rdn. 18).

15

Ebensowenig kann sich der Beschwerdeführer darauf berufen, seine ansonsten zuverlässige Mitarbeiterin habe versehentlich die Mitteilung der Adressänderung an das Patentamt unterlassen, so dass das übliche Benachrichtigungsschreiben des Patentamtes ihn nicht erreicht habe. Zwar mag die Mitteilung unverschuldet versäumt worden sein, dies hat aber keinen relevanten Einfluss auf das Verschulden des Beschwerdeführers im Rahmen der Versäumung der gesetzlich geregelten Frist des § 47 MarkenG.

16

Ob der Markeninhaber diese Benachrichtigung des Patentamtes ohne eigenes Verschulden nicht erhalten hat, ist unerheblich. Die Erwartung des Beschwerdeführers, vom Patentamt durch die - unverbindliche - Versendung eines Schreibens an den drohenden Rechtsverlust durch Fristablauf erinnert zu werden, ist selbst bei Angabe der zutreffenden Anschrift des Anmelders nicht geeignet, als ausreichende Maßnahme zur Kontrolle der in Rede stehenden Frist zu dienen und den Vorwurf einer verschuldeten Fristversäumung auszuräumen. Das Vertrauen auf den Erhalt dieser Schreiben ist als alleiniges Mittel zur Fristenkontrolle vielmehr erkennbar ungeeignet und ungenügend. Die nach der früheren Rechtslage vorgesehenen Löschungsvorbescheide gemäß § 47 Abs. 3 S. 4 MarkenG a. F., ohne deren ordnungsgemäße Zustellung beim Markeninhaber es nicht zur Löschung kommen konnte, sind weggefallen. Bei den seitdem vom Deutschen Patent- und Markenamt versandten Benachrichtigungen über die Fälligkeit der Verlängerungsgebühr handelt es sich lediglich um eine zwar regelmäßige, aber dennoch unverbindliche und freiwillige Serviceleistung, die grundlos im Einzelfall ausfallen oder jederzeit insgesamt eingestellt werden kann. Schon deshalb ist die Erwartung eines Rechteinhabers erkennbar nicht gerechtfertigt, dass das Patentamt auch zukünftig diese Schreiben rechtzeitig versenden und damit jeden Rechteinhaber zuverlässig erinnern werde.

17

Erforderlich ist vielmehr eine von dieser Serviceleistung unabhängige Fristenkontrolle durch den Markeninhaber selbst oder einen anderen Dritten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers werden damit auch keine unzumutbaren Anforderungen an seine Sorgfaltspflichten gestellt. Zwar kann von einem privaten Markeninhaber keine Fristenüberwachung entsprechend einer Anwaltskanzlei verlangt werden (zu den dabei geltenden strengen Anforderungen vgl. z. B. Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 - Fristenkontrolle), allerdings ist der Beschwerdeführer selbst als Psychologe bzw. Psychotherapeut tätig, so dass diesbezüglich auch längerdauernde Fristen von 10 Jahren nicht vollkommen ungewöhnlich oder unbeherrschbar erscheinen. Für Inhaber eines langfristigen, potentiell zeitlich unbeschränkt bestehenden Schutzrechtes ist eine darauf ausgerichtete Fristenüberwachung auch als Privatperson von vornherein nicht unmöglich oder unzumutbar. Die tatsächlich bestehende Möglichkeit der Kontrolle auch langer Fristen zeigt bereits der weitere Vortrag des Beschwerdeführers, dass er die Fristen in den eigenen Unterlagen vermerkt und in seinem Büro aufbewahrt hatte.

18

Der Beschwerdeführer kann sich allerdings nicht mit Erfolg darauf berufen, dass diese Unterlagen, die der eigenen Fristenüberwachung dienen sollten, bei einem von mehreren privat bzw. beruflich veranlassten Umzügen untergegangen seien. Neben der von der Mitarbeiterin des Beschwerdeführers unterlassenen Mitteilung der Adressänderung an das Patentamt handelt es sich bei diesem vorgetragenen Verlust der internen Unterlagen um einen zusätzlichen Wiedereinsetzungsgrund, der erstmals mit Schriftsatz vom 13. Februar 2012 vorgetragen wurde, somit nach Ablauf der zweimonatigen Frist des § 91 Abs. 2 MarkenG. Unabhängig von der Frage, dass nicht es ersichtlich ist, weshalb der über längere Zeit hinweg unbemerkte, während eines Umzuges eingetretene Verlust von Geschäftsunterlagen nicht mindestens auf fahrlässigem Verschulden des Beschwerdeführers beruht, ist dieser Vortrag im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuches verfristet und nicht berücksichtigungsfähig.

19

Gemäß § 91 Abs. 3 S. 1 MarkenG ist der Tatsachenvortrag, auf den das Wiedereinsetzungsgesuch gestützt wird, innerhalb der Frist des § 91 Abs. 2 MarkenG vorzubringen. Da die rechtliche Unkenntnis als Hindernis mit der Rechtsberatung durch den Verfahrensbevollmächtigten nach dem Vortrag des Beschwerdeführers am 1. April 2010 weggefallen war, waren die Umstände, auf die er den Antrag auf Wiedereinsetzung stützen kann, innerhalb von zwei Monaten vorzutragen. Nach Ablauf dieser Frist können lediglich Widersprüche oder Unklarheiten im bisherigen Vortrag beseitigt werden, ausgeschlossen ist indes das Nachschieben weiterer Wiedereinsetzungsgründe (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 91 Rn. 29 m. w. N.). Es handelt es sich um zwei getrennte Wiedereinsetzungsgründe, weil der Verlust der internen Unterlagen einerseits und anderseits die Benachrichtigung des Patentamtes, die den Beschwerdeführer wegen fehlender Mitteilung der Adressänderung nicht erreicht hat, nicht im Zusammenhang stehen.

20

Bei dieser Sachlage konnte dem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden.